15. Kirchensynode: Tagung in Gotha (6) | 14.06.2023

"Gottes Zusage und unsere Verantwortung"
SELK: Synodaltagung hört Hauptreferat


Gotha, 14.6.2023 - selk - Am heutigen zweiten Tag der konstituierenden Tagung der 15. Kirchensynode der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche (SELK) in Gotha stand das Hauptreferat auf dem Programm. Prof. Dr. Christian Neddens, Lehrstuhlinhaber für Systematische Theologie an der Lutherischen Theologischen Hochschule Oberursel der SELK, referierte zu "'Solange die Erde steht, soll nicht aufhören Saat und Ernte, Frost und Hitze, Somme und Winter, Tag und Nacht.' (Genesis | 1. Mose 8,22) - Gottes Zusage und unsere Verantwortung".

Der Referent erinnerte zunächst an die "Allmende-Tragik", wie sie der Ökologe Gerrit Hardin beschrieben hat: Angesichts der Endlichkeit unserer Ressourcen und der Verletzlichkeit der Ökosysteme werde es darauf ankommen, dass die Weltgemeinschaft zu kooperieren lerne und in einer Kultur der Teilhabe gemeinsam Verantwortung für den Erhalt ihrer Lebensgrundlagen übernehme - und zwar sowohl durch individuelle Initiativen als auch durch eine rechtsverbindliche Rahmenordnung.

Als Theologe sehe er seine Aufgabe nicht darin, konkrete Vorschläge für den Klima- und Umweltschutz zu machen, so Neddens, sondern danach zu fragen, inwiefern die Besinnung auf die Grundlagen lutherischer Theologie Menschen in dieser Krisen-Situation realistischer, kritischer und hoffnungsvoller zu machen vermag.

Seine Kernthese: In einer Welt rasanter Veränderungen orientiere sich die christliche Gemeinde an der Treue Gottes, der Mensch und Welt in Jesus Christus auf sich hin geschaffen und erlöst habe. Im Vertrauen auf diese Treue stelle sie sich neuen ethischen Herausforderungen und sei bereit, auch eigene bisherige Antworten kritisch zu prüfen.

In zehn Punkten entwickelte Neddens - insbesondere in Auseinandersetzung mit der Theologie Dietrich Bonhoeffers - Aspekte einer lutherischen Klima- und Umweltethik. Das Verhältnis zur Natur sei vom biblischen Zeugnis her nicht ,unmittelbar', sondern von der Schöpfungsmittlerschaft Christi her zu begreifen. Nur im Blick auf die Erlösung werde die Güte der Schöpfung und die Barmherzigkeit des Schöpfers in Gänze erkennbar. Auch das Handeln des Christen orientiere sich darum nicht an dem, was ,natürlich' sei, sondern daran, wie sich Gott durch Jesus Christus als ,für-seiender', barmherziger Vater offenbare.

Besonderen Wert legte Neddens dabei auf Bonhoeffers Unterscheidung von ,Letztem' und ,Vorletztem'. Bonhoeffer habe damit das ,Vorletzte', also weltliche, relative Entscheidungen nicht abgewertet, sondern sie gerade auf das Letzte bezogen, auf die Rechtfertigung des Gottlosen aus Gnade allein. Wichtig war ihm, dass die Verkündigung des Letzten nicht durch Lieblosigkeit oder Gleichgültigkeit im Vorletzten widerlegt werde, wo etwa die menschlichen Nöte und Sorgen missachtet würden.

Das Dasein des Menschen schilderte Neddens in seiner Ambivalenz von Gebundenheit an den Leib und an die Erde und zugleich in seiner Freiheit in Christus als einer Freiheit füreinander und auf Zukunft hin. Der Ausblick auf die künftige Vollendung ergänze den Rückblick auf die Schöpfung und mache die Geschichtlichkeit von Mensch und Natur sichtbar, in die sich der Gottessohn hineingegeben habe. Darin erweise sich Gott als der durch die Geschichte hindurch wirkende und mitgehende verlässliche Schöpfer und Vollender.

Unter der Zusage dieser Treue gestalte der Mensch verantwortlich das Leben. Dieses Gestalten sei immer wieder neu von der Gerechtigkeit Gottes her zu prüfen - im Blick auch auf die, die ihre Stimme nicht selbst erheben können. Dabei komme insbesondere die Verantwortung für künftige Generationen in den Blick, wie dies auch in den biblischen Texten bezeugt sei.

Neddens schilderte, wie in den gegenwärtigen Debatten zur Klimagerechtigkeit und Umweltverantwortung das ureigene christliche Thema der Schuldverstrickung neu in den Blick gerate. Irritierend sei dabei für viele Christinnen und Christen, dass sich die Frage der Schuld jetzt in Lebensbereichen einstelle, die bisher als weitgehend schuldfrei gedacht worden seien, wie dem Reisen, Heizen oder dem Fleischkonsum. Hier zeige sich wie in anderen ethischen Bereichen auch, dass neue geschichtliche Situationen und neue Einsichten auch immer wieder neu nach dem Guten und Lebensdienlichen fragen ließen. Umso deutlicher werde im Rückblick auf die getroffenen Entscheidungen im Vorletzten, dass Schuld unvermeidbar sei und die Schuldigen auf Vergebung angewiesen seien.

Christinnen und Christen dürften und sollten sich auch von Stimmen wachrütteln lassen, die aus der Wissenschaft zur Umkehr mahnen würden. Sie dürften und sollten mitarbeiten an den konkreten Aufgaben von heute, ohne sich in politisch vorgegebene Lager einordnen zu lassen. Es komme aber darauf an, in der Suche nach neuen, besseren Wegen auf Gottes Wort und seine Weisung zu hören.

An den Vortrag schlossen sich die Arbeit in Arbeitsgruppen und eine Aussprache im Plenum an. Dabei wurden verschiedene grundsätzliche wie konkrete Aspekte zum Umgang mit Klima und Umwelt benannt. Deutlich wurde, dass es aus christlicher Sicht nicht einfach um Appelle an die Machbarkeit gehen könne, sondern dass das Themenfeld zwischen den Polen der Verheißungen Gottes und der Verantwortung der Menschen anzusiedeln sei. Achtsamkeit für die Schöpfungsqualität und die Freude an der Schöpfung hätten dabei hohe Bedeutung, um der Resignation und Hoffnungslosigkeit zu wehren. In verschiedenen Voten wurde dafür plädiert, das in Rede stehende Themenfeld auf Gemeinde- und Kirchenbezirksebene aufzugreifen.

Die Synodaltagung hat gestern begonnen und dauert bis zum Samstag an.

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Ein Bericht von selk_news /
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