Junge Erwachsene im Blick
SELK in Hessen-Süd startet Angebot
Die Synode des Kirchenbezirks Hessen-Süd der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche (SELK) hat im Mai beschlossen, – zunächst zur Erprobung – ein Projekt auf den Weg zu bringen, durch das Junge Erwachsene erreicht werden sollen. Isabell Clermont (Grünberg) wurde mit der Projektleitung beauftragt. Für SELK.de hat sie sich für ein Interview zur Verfügung gestellt.
SELK.de: Frau Clermont, Sie sind kürzlich von der Synode des Kirchenbezirks Hessen-Süd der SELK mit einer Gruppe junger Leute beauftragt worden, ein Bezirksangebot für Junge Erwachsene zu koordinieren, zu planen und durchzuführen. Wie kam es dazu?
Clermont: Dass Angebote für Junge Erwachsene in unserer Kirche eher eine Seltenheit darstellen, ist kein Geheimnis. Das erste Mal habe ich den Wunsch danach in einem Workshop auf einem Jugendfestival (JuFe) vor einigen Jahren gehört. Je älter ich wurde, desto häufiger hörte ich diesen Wunsch. „Wir sollten mal ein Oldie-JuMiG-Treffen machen!“ „Lass uns mal eine Freizeit für die Oldies machen!“ Auch in mir wurde der Wunsch immer stärker (gerade auch je näher mein Ausstieg aus der Jugendarbeit kam). Der eigene Wunsch an einer solchen Veranstaltung teilzunehmen, förderte die Bereitschaft meinerseits, sich für ein solches Angebot einzusetzen.
Wirklich ausschlaggebend waren verschiedene Gespräche mit Bernhard Daniel Schütze, in denen wir über möglichen Strukturwandel unserer Gemeinde/unseres Bezirkes/unserer Kirche fantasierten, z.B. auf Bezirksebene hauptamtliche Mitarbeiter einzusetzen, die in immer kleiner werdenden Gemeinden Kinder-, Jugend-, und Junge Erwachsenen-Arbeit koordinieren könnten. Daraus entstand eine Wortmeldung auf der Bezirkssynode Hessen-Süd im Herbst 2020. Die Synode sah die Chance und steckte Bernhard Daniel Schütze, Jaira Hoffmann, Miriam Salzmann und mich in eine Arbeitsgruppe, um Möglichkeiten zu prüfen und auf der darauffolgenden Synode ein Konzept vorzulegen.
Relativ schnell war uns klar: wir wollen das Angebot und halten es trotz einiger Stolpersteine für gut durchführbar. Unser Konzept wurde vorgestellt und auf der Bezirkssynode Ende Mai 2021 mit großer Zustimmung beschlossen. Da ist es!
SELK.de: Warum ist Ihnen dieser Arbeitsbereich so wichtig, dass Sie sich an dieser Stelle engagieren?
Clermont: Ich glaube, der Arbeitsbereich Junge Erwachsene ist nicht wichtiger als der für Kinder, Jugend oder Senioren. Allerdings gibt es in den meisten Gemeinden häufig Angebote für Kinder, Jugendliche oder ältere Erwachsene. Das macht ihn so wichtig! Wir wollen mit unserem Angebot eine Lücke schließen, um unsere Kirche auch in diesem Bereich wieder neu aufleben zu lassen.
Zugleich weiß ich von mir selbst, aber auch von den mich umgebenden Jungen Erwachsenen, dass die Sehnsucht nach Austauschmöglichkeiten rund um den Glauben und auch der Wunsch nach Gemeinschaft im Glauben (und in der Kirche) bei vielen nicht abbricht.
Es gibt dann oft keinen Raum mehr, ungezwungen Fragen zu stellen. Für den Jugendkreis ist man zu alt, für den Seniorenkreis zu jung, und im Bibelkreis findet man keinen Anschluss, denn auch dort senkt man den Altersschnitt durch sein Beiwohnen. Hier wollen wir ansetzen.
Mir persönlich ist es wichtig, im Austausch zu bleiben. Ich genieße die Gemeinschaft mit anderen Christen, besonders mit anderen SELKies. Wir alle kommen an Belastungsgrenzen oder fragen nach dem Warum. Ich möchte mit diesem Angebot einen Raum für die Diskussion solcher Fragen schaffen, sodass wir alle – in gemeinsamem Gebet und Austausch – weiter im Glauben wachsen können.
Denn ich glaube mit Gott im Rücken lebt es sich einfach besser, und wenn wir es schaffen sollten, auch nur einem mit unserem Angebot Gemeinschaft im Glauben, Trost durch Gebet und Zuversicht schenken zu können, dann hat es sich gelohnt.
SELK.de: Erste Angebote sind schon angeplant. Können Sie uns schon einen kleinen Einblick geben, was an Veranstaltungen stattfinden wird?
Clermont: Da die Gruppe der Jungen Erwachsenen sehr heterogen ist – Schicht- und Wochenenddienste, Singles oder junge Familien, viel beschäftigt, wenig freie Kapazitäten, schlecht abzugrenzende Altersspanne – haben wir uns für zwei Formate entschieden.
Einmal im Monat sind alle Jungen Erwachsenen zu einem Online-Zoom-Call eingeladen, in dem wir gemeinsam ins Gespräch kommen möchten. Eröffnet wird die Veranstaltung durch eine Andacht und im Anschluss darf über die Andacht, die letzten fünf Jahre seit dem vergangenen Treffen oder die aktuellen politischen Themen diskutiert werden. Mit dieser Veranstaltung soll vor allem Gemeinschaft geschaffen werden, sodass man wahrnimmt: Ich bin mit meinem Glauben in einer Gemeinschaft. Und die Menschen sind auch noch richtig cool. Vielleicht fahren wir ja mal zusammen weg, z.B. zum nächsten SELK-Kirchentag ...
Das Schöne an Online-Veranstaltungen ist, dass wir zu diesen Treffen auch alle ehemaligen Hessen-Südler oder alle anderen Jungen Erwachsenen einladen können.
Darüber hinaus möchten wir in regelmäßigen Abständen auch Präsenztreffen veranstalten. Diese werden sich immer mit einem bestimmten Thema beschäftigen. Das nächste Treffen am 17. Juli wird in Oberursel stattfinden und sich mit dem Thema „Zukunft“ beschäftigen. Wir freuen uns, Prof. Dr. Christoph Barnbrock als Workshopleiter mit dabei zu haben.
Mit diesen beiden Formaten wollen wir starten. Mit welchen wir in fünf Jahren arbeiten, wird sich mit den Teilnehmenden entwickeln und auch von den mithelfenden Menschen abhängen. Ich könnte mir auch gut Freizeiten für junge Familien oder für junge Menschen ohne Kinder oder einen Chor vorstellen!
SELK.de: Welche Herausforderungen sehen Sie für die Junge-Erwachsenen-Arbeit? Welche Hindernisse müssen noch überwunden werden?
Clermont: Ich glaube, die größte Herausforderung ist es, ein passendes Angebot für diese heterogene Gruppe anzubieten. Der erste Schritt ist nun sicherlich, einen kleinen Teilnehmer-Stamm aufzubauen, mit dem das Angebot weiterläuft, um dann mit dem nötigen Feingefühl auf die Wünsche aus diesem Stamm eingehen zu können. Diesen Teil sehe ich persönlich aber als durchaus machbar.
Zugleich hat dieses Angebot keine übergeordneten Strukturen, die es unterstützen, wie es bspw. einen Hauptjugendpastor im Bereich der Jugendarbeit gibt. Ich wünsche mir sehr, dass das Angebot auch ohne uns vier als „Leithammel“ weiterlaufen kann, wenn wir mal durch familiäre Veränderungen oder jobbedingt das Angebot nicht aufrechterhalten können. Hier müsste sich ein gutes Nachrückerprogramm entwickeln.
Allen voran brauchen wir Teilnehmer. Bei dem Werben gilt es nun, Möglichkeiten zu finden, um auch die Jungen Erwachsenen zu erreichen, die nicht mehr regelmäßige Gottesdienstbesucher sind oder/und wegen fehlender Veranstaltungen in den Gemeinden nicht zu erreichen sind.
SELK.de: Was wünschen Sie sich von den Gemeinden, vom Kirchenbezirk und von der Gesamtkirche an Unterstützung?
Clermont: Zuallererst wünsche ich mir von allen Genannten die Begleitung unserer Arbeit in Gebet und Fürbitte.
Von den Gemeinden in Hessen-Süd wünschen wir uns insbesondere die Weitergabe von Informationen über unser neues Angebot an Junge Erwachsene, die daran Interesse haben könnten – auch, wenn diese womöglich nicht sonntäglich im Gottesdienst sitzen und die Abkündigungen hören mögen. Ebenso erhoffen wir uns offene Türen und Unterstützung für die Durchführung unserer Präsenztermine.
Wir haben uns bewusst dafür entschieden, das Angebot auf der Bezirksebene anzusiedeln, da ein Treffen auf Gemeindeebene vermutlich zu wenig Zulauf finden würde und wir so auch übergemeindliche Kontakte stärken und ausbauen können. Der Kirchenbezirk Hessen-Süd hat dort hineinwirkend schon einiges getan: Arbeitsgruppe gebildet, den Posten für die Bezirksbeauftragung geschaffen und besetzt. Dafür bin ich sehr dankbar!
Weiterhin sehe ich es als die Aufgabe des Bezirkes, die Vorhaben dieser Gruppe unterstützend voranzutreiben, zugleich dieser ehrenamtlichen Arbeit wertschätzend zu begegnen und das neue Angebot als gemeinsames Angebot – und nicht nur als „Privatvergnügen“ Einzelner – wahrzunehmen.
Ich persönlich wünsche mir von der Gesamtkirche, dass wir – die Jungen Erwachsenen – wahrgenommen werden und Möglichkeiten, uns zu beteiligen und einzubringen, bewusst ausgelotet und/oder ausgeweitet werden. Dies könnte bei Terminen, an denen auch junge Arbeitnehmer problemlos teilnehmen können, beginnen, sollte bei entsprechenden Angeboten auf Kirchentagen sowie in den Bezirken etc. weitergehen und könnte sich in einer noch stärkeren und bewussten Berücksichtigung Junger Erwachsener bei der Besetzung von Kommissionen und Arbeitsgruppen niederschlagen.
Ich wünsche mir, dass Projekte und Ideen in der Gesamtkirche besser bekannt gemacht werden (Stichwort: Vernetzung/Digitalisierung). So könnte etwa unsere Idee für Junge Erwachsene in anderen Bezirken aufgegriffen werden oder es gibt woanders bereits gute Vorhaben, die wir übernehmen könnten.
Ich träume vorsichtig von einer flexiblen Kirche, in der wir gerade auf Bezirksebene Ressourcen der einzelnen Gemeinden gemeinsam nutzen; in der wir durch dafür passende Strukturen im Haupt- oder Nebenamt fröhliche, gesund ausgelastete Mitarbeiter haben; in der wir alte eingefahrene Wege verlassen, um neue und das darin liegende Potenzial zu entdecken. Wie können wir unsere Kirche gestalten?
Gerne wäre ich auch einfach mal nur Teilnehmer und nicht gleich der Veranstalter. Wenn ich das Angebot, an dem ich teilnehmen möchte, erst selbst ins Leben rufen muss – macht uns das attraktiv?
SELK.de: Vielen Dank für das Interview. Wir wünschen Ihnen Gottes Segen – beruflich, persönlich, ehrenamtlich!