Angedacht!


Ja, sollte Gott gesagt haben: Ihr sollt nicht essen von allen Bäumen im Garten?“
1. Mose 3,1


Dr. Andrea GrünhagenLiebe Leserinnen und Leser,

ein ironisches Sprichwort sagt: „Man kann allem widerstehen – außer der Versuchung.“ Davon wird uns schon auf den ersten Seiten der Bibel erzählt. Wahrscheinlich kennen Sie die Geschichte vom „Sündenfall“, in der Eva von der Schlage überredet wird, die Frucht vom Baum der Erkenntnis zu essen.

Die Schlange ist ein Bild für den Teufel, den Versucher schlechthin. Wobei der Text als solcher auf den ersten Blick nur von einer Schlange spricht, die im Garten Eden zu Eva redet.

Es lohnt sich, diese alttestamentliche Lesung zum Sonntag Invokavit einmal im Ganzen zu lesen. Denn daran wird deutlich, wie „Versuchung funktioniert“, immer und immer wieder, auch in unserem Leben.

Die Schlange lügt. Aber nicht offensichtlich, sondern indem sie die Aussagen Gottes leicht verdreht. Gott hatte Adam und Eva erlaubt, von allen Früchten des Gartens zu essen. Nur von dem einen, dem Baum der Erkenntnis, eben nicht. Indem die Schlange aber fragt, wie sie fragt, sät sie Misstrauen gegen Gott und seine Güte. will Gott dem Menschenpaar etwa die Früchte vorenthalten? Meint er es vielleicht doch nicht gut? Eva lässt sich auf die Diskussion ein. Das war wahrscheinlich der entscheidende Fehler. Als der Teufel Jesus in der Wüste versuchte, wovon wir im Evangelium dieses Sonntags hören, begeht der Herr diesen Fehler nicht. Sondern er weist den Versucher mit dem Hinweis auf Gottes Wort jedes Mal ab. Die ersten Menschen glauben der Schlange ihre Lügen. auch, als sie die Konsequenzen des möglichen Ungehorsams in Zweifel zieht. Da lügt sie dann noch einmal. Gott hatte nicht gesagt, dass Adam und Eva auf der Stelle tot umfallen werden, wenn sie die Frucht essen. Sie werden leider in einem viel umfassenderen Sinn sterben, ja, sie werden sterblich. Auch über die angeblich so positiven Wirkungen der verbotenen Frucht lassen sich die Menschen täuschen. Ihnen werden zwar die Augen aufgetan, aber was sehen sie: dass sie nackt sind. Die Scham folgt der Schuld auf dem Fuße.

„Ja, sollte Gott gesagt haben …?“ Damit fängt Verführung immer an. Auch bei uns. Da kennt ein Christ vielleicht Gottes Wort, er weiß um die Gebote und in seinem Gewissen spürt er auch, was richtig und falsch ist. Aber dann setzt der Versucher an und sät Zweifel. Ob Gott das wirklich so gesagt hat? Vielleicht hat sich das betreffende Gebot ja nur „die Kirche“ ausgedacht? Oder es wird falsch ausgelegt? Dient so ein Gebot überhaupt dem Leben? Wird mir vielleicht etwas vorenthalten, was ich gerne genießen würde? Wie kommt Gott dazu, mir etwas vorzuenthalten?

Was unserem Zugriff entzogen ist, wirkt auf uns Menschen besonders reizvoll. Das ist seit dem Sündenfall so. Man könnte sagen, der Schutz durch ein Gebot macht die Sache noch reizvoller, statt den Übergriff zu verhindern.

Warum machen wir Menschen oft solch fatale Fehler, obwohl wir die bösen Folgen schon ahnen? Offenbar können wir diese Ahnung gut verdrängen oder der unmittelbare Nutzen oder Genuss erscheint uns das Risiko wert zu sein.

Offensichtlich findet der Teufel, der Versucher, zielgenau unsere Schwachstellen, die individuellen Einfallstore für das Böse. Und sage kein Mensch, er hätte keine.

Darum werden uns zwei Versuchungsgeschichten am Beginn der Fastenzeit erzählt. Ein geistlicher Sinn dieser 40 Tage ist es, an sich selbst zu entdecken, wo diese individuellen Einfallstore liegen. Dazu kann ein Hinweis sein, wie ich reagieren, wenn ich bewusst auf etwas verzichte. Was fehlt mir wirklich? Auf was könnte in niemals verzichten? Was vermisse ich am meisten? Wozu kann ich nicht „Nein“ sagen?

Meistens haben die wirklichen Versuchungen mit ernsteren Dingen zu tun als mit Schokolade oder anderen Genussmitteln, auf die gerne verzichtet wird. Es geht mehr darum, das Nein-Sagen einzuüben, innerlich mehr Widerstandskraft zu entwickeln. Weder werden wir es so schaffen, immun gegen Versuchungen zu werden, noch verdienen wir uns auf diese Weise etwas bei Gott und doch ist es eine gute geistliche Übung. Es geht auch nie nur um den Verzicht als solchen, sondern immer darum, Gottes Wort mehr Raum zu geben. Beim Wort Gottes setzt der Versucher an und nur das Wort Gottes hilft in der Versuchung.

Nicht zuletzt bleibt uns die Bitte, Gott möge uns in der Versuchung bewahren und uns von dem Bösen zu erlösen. Beten Sie es doch bewusst in den 40 Tagen bis Ostern.

Ihre Andrea Grünhagen

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