Ökumene
Unsere ökumenische Verantwortung
Als die evangelischen Reichsstände und ihre Theologen am 25. Juni 1530 Kaiser Karl V. auf dem Reichstag zu Augsburg ihr nach dem Tagungsort „Augsburgisch“ genanntes Grundbekenntnis übergaben, wollten sie ganz bewußt nicht nur ihre eigene Einmütigkeit in Glauben, Lehre und Bekenntnis dadurch ausdrücken, sondern auch unter Beweis stellen, daß sie sich im Einklang und in der Glaubens- und Lehreinheit mit der katholischen, ja der römischen Kirche befinden. (vgl. CA, Beschluß des 1. Teils – BSLK 83c,1-)
So ist das Augsburgische Bekenntnis nicht die Gründungungsurkunde einer „neuen“ Kirche, sondern ein Dokument der Einheit, mit dem die innerkatholische Reformbewegung des 16. Jahrhunderts um Martin Luther die ganze Kirche wieder zum Evangelium zurückrufen wollte.
Die Übergabe des Augsburgischen Bekenntnisses war also –nach heutigem Sprachgebrauch- ein „ökumenischer“ Akt.
Daraus ergibt sich bis heute für die lutherische Kirche eine grundsätzliche ökumenische, d.h. auf die Einheit der Kirche ausgerichtete Verpflichtung und Verantwortung.
Die lutherische Kirche will für sich nichts Besonderes oder Unterscheidendes in Anspruch nehmen, sondern möchte Zeugin des Evangeliums von Jesus Christus vor der Welt und gegenüber allen Christen sein. Sie kann sich nicht in einen konfessionellen Schmollwinkel zurückziehen, sondern muß nach Maßgabe ihrer Möglichkeiten konstruktiv und engagiert am ökumenischen Gespräch teilnehmen.
Allerdings vertritt die lutherische Kirche die Überzeugung, daß die Einheit der Kirche nicht anders denkbar und praktizierbar ist, als in der Wahrheit des Evangeliums und in der Liebe. Einheit, Wahrheit und Liebe lassen sich dabei nicht gegeneinander ausspielen oder nur teilweise verwirklichen.
Einheit ohne Übereinstimmung in der Wahrheit des Evangeliums, und zwar des ganzen, unveränderten und ungekürzten Evangeliums ist nicht die Einheit, um die Christus selbst den Vater gebeten hat. (Joh 17, 17)
Aber auch Wahrheit, die lieblos vertreten und anderen „um die Ohren gehauen“ wird, ist am Ende nur „todrichtig“ und dient nicht, sondern schadet der Einheit.
Diese Eckpunkte markieren die Haltung der heutigen Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche in den Fragen der Ökumene.
Praktisch führt dies zu folgenden Konsequenzen:
1) Mitgliedschaft in ökumenischen Vereinigungen
Die SELK beteiligt sich überall da an ökumenischen Vereinigungen, wo die nach wie vor trennenden Lehr- und Glaubensfragen nicht übersprungen oder ausgeklammert, sondern ernsthaft und in gegenseitigem Respekt (auch in Respekt vor den Gewissengrenzen des jeweils anderen) erörtert werden. Dies schließt jedoch aus, daß die SELK Vollmitglied in solchen ökumenischen Vereinigungen sein kann, die die praktizierte Kirchengemeinschaft (also Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft) zur Bedingung für die Mitgliedschaft machen, ohne daß die Einigkeit in Glauben und Lehre dafür vorausgesetzt oder überhaupt angestrebt wird.
Die SELK ist daher Vollmitglied in der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Deutschland (ACK) und im Internationalen Lutherischen Rat (ILC).
Sie steht in unterschiedlich abgestufter Beziehung zu Aussschüssen der VELKD, zum Martin-Luther-Bund, zum Diakonischen Werk der EKD und der Deutschen Bibelgesellschaft.
Sie gehört aber weder zum Ökumenischen Rat der Kirchen (ÖRK), noch zum Lutherischen Weltbund (LWB), noch zur Vereinigten Ev.-Luth. Kirche in Deutschland (VELKD), noch zur Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).
Mit der VELKD und seit 2008 auch mit der Römisch-Katholischen Kirche besteht ein geordneter theologischer Dialog.
2) SELK und Weltluthertum
Die SELK versteht sich als Teil des Weltluthertums und pflegt auch unterhalb der Ebene von offiziell festgestellter Kanzel-und Abendmahlsgemeinschaft zwischen verfaßten Kirchenkörpern lebendige Beziehungen zu lutherischen Kirchen in aller Welt. Das gilt in letzter Zeit besonders für lutherische Kirchen in Osteuropa, z.B. Lettland und Tschechien.
Unterschieden werden muß zwischen „offiziell festgestellter Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft zwischen verfaßten Kirchenkörpern“ und der „innerlutherischen ökumenischen Praxis“.
Wo ein bekenntnistreuer lutherischer Christ aus einer lutherischen Kirche, mit der die SELK nicht in offiziell erklärter Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft steht, die geistliche Gemeinschaft in einer Gemeinde der SELK sucht, wird sie ihm nicht verwehrt, sondern im Rahmen der seelsorglichen Verantwortung des zuständigen Pfarrers- gerne zugestanden werden.
Die SELK vertritt durchaus den Anspruch, in Deutschland die einzige lutherische Kirche in kirchlicher Verbindlichkeit zu sein, weil sie sich ausschließlich an die Bekenntnisse der lutherischen Kirche bindet, wie sie im Konkordienbuch von 1580 gesammelt vorliegen. Eben dies trifft auch auf die Mitgliedskirchen der Vereinigten Ev.-Luth. Kirche Deutschlands (VELKD), also die sog. lutherischen Landeskirchen so nicht zu.
Andererseits ist es unbestritten und unbestreitbar, daß es lutherisches Christentum, ja auch lutherische Gemeinden selbstverständlich außerhalb der SELK gibt und umgekehrt die Zugehörigkeit eines Christen zur SELK längst nicht eine Garantie dafür bietet, daß dieser Christ ein bekenntnisgebundener Lutheraner sein muß.
Das akribische Festhalten an Schrift und Bekenntnis auf der einen Seite und eine dem „Gesetz der Liebe“ entsprechende kirchlich-geistliche Praxis schließen sich daher für die SELK keineswegs aus.
3) Teilnahme am Sakrament des Altars
Die SELK vertritt, ebenso wie auch die römisch-katholische Kirche und die Ostkirchen, den sog. „geschlossenen Altar“. Dies besagt, daß sie prinzipiell nur mit solchen verfaßten Kirchenkörpern Sakramentsgemeinschaft feststellt und generell praktiziert, die sich in derselben Weise wie sie an die Hl. Schrift und die lutherischen Bekenntnisse binden und keine Unionen mit bekenntnisverschiedenen Kirchen eingehen. Das besagt auch, daß die Übereinstimmung eines Kommunikanten mit dem Glauben und der Lehre der lutherischen Kirche die geistliche Voraussetzung für die Zulassung zum Altarsakrament ist.
Darum gilt in der Regel für die Gemeinden der SELK:
Jeder, der zum ersten Mal in einer Kirchengemeinde der SELK kommunizieren möchte, ist gebeten, sich vor dem ersten Gang zum Altar beim Pastor persönlich vorzustellen und anzumelden. Das gilt für lutherische Christen aus einer Gemeinde der SELK und für lutherische Christen aus anderen lutherischen Gemeinden. Dabei ist Gelegenheit gegeben, die Übereinstimmung mit Glauben und Lehre der lutherischen Kirche festzustellen und die Zulassung zum Sakrament auszusprechen.
Ob und inwieweit eine gastweise Zulassung von Christen, die nicht zur SELK oder einer ihrer Schwesterkirchen gehören, mittel- oder langfristig zu einer Entscheidung über die formale Kirchenzugehörigkeit führt oder führen muß, entscheidet der Pastor im jeweiligen Einzelfall in seelsorglicher Verantwortung.
Diese Praxis wird der hohen Verantwortung für die Verwaltung des Altarsakramentes gerecht, die der Kirche und jedem einzelnen Pfarrer aufgetragen ist. Der Einzelne und seine persönliche Glaubensüberzeugung wird dabei jedoch respektiert und ernstgenommen. Engherzigkeit, und formalistische Lieblosigkeit werden jedoch vermieden und es bleibt klar, daß Christus selbst der Einladende und der Herr des Sakramentes ist.