Angedacht!


„Und ich, wenn ich erhöht werde von der Erde, so will ich alle zu mir ziehen.“
Johannes 12,32


Dr. Andrea GrünhagenLiebe Leserinnen und Leser,

manche Sätze klingen einfach gut. Dieser Bibelvers zum Beispiel, deshalb ist er vielleicht auch der Spruch des Tages am Fest Christi Himmelfahrt. Aber was bedeutet er eigentlich? Von welcher Erhöhung ist da die Rede? Direkt im nächsten Vers liefert uns der Evangelist Johannes gleich eine Deutung: „Das sagte er aber, um anzuzeigen, welchen Todes er sterben würde.“ Dann ist also die Kreuzigung gemeint. Das ist ein sehr nachvollziehbares Bild, wenn ein Kreuz aufgerichtet wird, ist derjenige, der daran hängt, buchstäblich „erhöht“. Mit Erhabenheit hatte eine Kreuzigung ursprünglich wohl eher nichts zu tun.

Doch der Evangelist Johannes verwendet das Wort Erhöhung so, dass es mehrere Dimensionen bekommt. Das ist so ähnlich, wie wenn Künstler den Gekreuzigten darstellen. Viele stellen das Leiden Jesu in den Vordergrund. Aber auf manchen Bildern wirkt er auch wie ein König, der gleichsam auf dem Kreuz thront. In gleicher Weise beschreibt Johannes Jesus als den, der auch am Kreuz der Herr ist. Unter dem Stichwort „Erhöhung“ ist dann Kreuzigung, Auferweckung und Himmelfahrt zusammengefasst.

Christus wurde am Kreuz erhöht, vom Vater aus dem Grab auferweckt und in den Himmel erhoben. Bei seiner Himmelfahrt fand seine endgültige Erhöhung statt. Nun sitzt er als wahrer Mensch und wahrer Gott zur Rechten des Vaters. Deshalb singen wir: „Siegesfürste, Ehrenkönig, höchst verklärte Majestät, alle Himmel sind zu wenig, du bist drüber hoch erhöht.“ (ELKG² 471,1)

Am Tag der Himmelfahrt Christi denken wir auch daran, dass er bei seinem Abschied seinen Aposteln den Auftrag zur Mission gegeben hat. Das Evangelium ist wie ein Netz, das die Apostel als Menschenfischer ziehen helfen. Aber der eigentliche Zug geht von Christus selbst aus. Am Kreuz hat er die Arme weit ausgebreitet. Er will, dass alle zu ihm kommen, in seine ausgebreiteten Arme. Wenn ein Mensch getauft wird, zieht Christus ihn zu sich hin, nimmt ihn an sein Herz, holt ihn raus aus allem, was ihn auf dieser Erde binden und lähmen will, die Sünde und der Tod, und zieht ihn nach oben in das Reich des himmlischen Vaters. Auch wir haben diesen Zug zu ihm hin schon gespürt. Wo wir sein Wort hören oder lesen, da zieht er. Wo wir das Abendmahl feiern, da zieht er. Wo wir mit ihm sprechen im Gebet, da zieht er.

An Himmelfahrt feiern wir, dass wir schon jetzt mit ihm nach oben gezogen sind, ja wir könnten sogar sagen: alle Himmel sind zu wenig, wir sind drüber mit erhöht! Das sehen wir bislang nur im Glauben, aber es ist wahr. So ist Himmelfahrt auch ein besonderer Tag, an dem wir Christus loben und ihm danken und es laut aussprechen, wer er ist, dass ihm allein alle Macht gegeben ist im Himmel und auf Erden, dass ihn der Himmel und aller Himmel Himmel nicht fassen können, dass er der Herr unseres Lebens und der ganzen Welt ist.

Ihre Andrea Grünhagen

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