Angedacht!


„Ich will singen von der Gnade des Herrn ewiglich und seine Treue verkünden mit meinem Munde für und für.“

Psalm 89,2


Dr. Andrea GrünhagenLiebe Leserinnen und Leser,

in Glaubensangelegenheiten gibt es zwei Körperteile, die sehr wichtig sind. Das eine ist das Ohr. Paulus schreibt: „So kommt der Glaube aus der Predigt, das Predigen aber durch das Wort Gottes.“ (Römer 10,17). Genauer müsste man übersetzen: So kommt nun der Glaube aus dem Hören (der Predigt/des Wortes Gottes) … Das Ohr als Empfangsorgan, mit dem man hört, ist also sehr entscheidend, damit Glaube entsteht und wächst.

Dazu gehört, sozusagen komplementär, der Mund, mit dem verkündigt wird. Wenn uns in den Evangelien an verschiedenen Stellen berichtet wird, Jesus habe Menschen, die taub oder stumm oder beides waren, geheilt, bedeutet das mehr, als dass er nur einzelnen Menschen, die damals in Israel dieses Problem hatten, geholfen hat. Wer an Gott glaubt, dessen Mund öffnet sich, einerseits zum Lob Gottes und andererseits zur Verkündigung seiner Taten. Das wusste auch der Psalmbeter. Gnade und Treue sind die Eigenschaften Gottes, mit denen im Alten Testament oft sein Wesen beschrieben wird. Dass Gott sich immer wieder als der erweist, der er ist, nämlich als der in seinem Tun als gnädig und treu erlebte Herr, ruft ebenso ewig und für und für die mündliche Antwort in Lob und Verkündigung hervor.

Man kann sich das wie ein kreisförmiges System vorstellen: Gott schiebt es an durch das, was er tut. Dies wird verkündigt, was zum Lob Gottes führt, was gehört und geglaubt wird, was wieder zur Verkündigung führt, die wiederum Glauben und Lob zur Folge hat und immer so weiter.

Wie gesagt, das ist schon im Alten Testament so und das unterscheidet den biblischen Glauben von dem, was man allgemein Religion nennen kann. Religion funktioniert ganz grob gesprochen eher wie ein immer wieder neu initiierter Austausch: Ich gebe dir etwas, damit du mir etwas gibst, also Verehrung und dafür Belohnung.

Man könnte sagen, in Christus eröffnet Gott nun allen Menschen, auch über das Volk Israel hinaus, diese Möglichkeit, Teil des Glaubenszirkels zu werden, mit ihm in Beziehung zu treten. Und wie in jeder Beziehung, sind Mund und Ohr, Hören und Reden wichtig. Dass unser Gott ein Gott ist, der redend in Beziehung zum Menschen tritt, das ist eigentlich außergewöhnlich. Die Götzen der Völker sind stumm. Auch das meint mehr als die Tatsache, dass so eine von Menschen hergestellte Götterstatue stumm ist und bleibt, weil sie natürlich nicht reden kann.

Wer stumm ist, hat Schwierigkeiten, in Kontakt zu kommen, Kommunikation zu initiieren - Gott hat da keine Schwierigkeiten. Er möchte genau das mit allen Menschen, nicht nur mit seinem auserwählten Volk. Welch eine Gnade und Treue!

Ihre Andrea Grünhagen

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