Lexikon - U
Übertritt in die SELK
siehe → Kircheneintritt → auch: Übertrittsvereinbarung
Übertrittsvereinbarung
Zwischen der SELK und einigen Gliedkirchen der EKD (bzw. Landesarbeitsgemeinschaften Christlicher Kirche - ACK -) bestehen sog. Ü.n.
Darin wird geregelt, dass Kirchglieder der Landeskirchen von den bislang für sie zuständigen evang. Pfarrämtern auf dem Weg einer Überweisung in eine Kirchgemeinde der SELK übertreten können, ohne zuvor persönlich beim Standesamt oder Amtsgericht einen Austritt aus der EKD erklären und einem Aufnahmeverfahren in der SELK unterzogen zu werden.
Ü.n bestehen z.B. mit den Ev.-luth. Landeskirchen Hannovers, Braunschweigs, Schaumburg-Lippes, dem Bereich der ACK Baden-Württemberg, der ACK im Freistaat Sachsen, den Kirchen in Mecklenburg-Vorpommern.
Uniert
1. Was bedeutet „uniert“ oder „Union“ im kirchlichen Zusammenhang?
Als Unionen bezeichnet man in Theologie und Kirchengeschichte die teils aus kirchenpolitischen, teils aus staatspolitischen Gründen (oft unter Zwang) verfügten Vereinigungen unterschiedlicher Konfessionskirchen in einer einheitlichen Kirchenorganisation, ohne dass hierbei die theologisch und kirchlich trennenden Unterschiede auch theologisch überwunden wurden.
Zumeist handelt es sich bei Unionen um Vereinigungen zwischen ehemals lutherischen und ehemals reformierten (calvinistischen) Kirchen. Die größte Kirchenunion in Deutschland ist die sog. „Evangelische Kirche in Deutschland“ (EKD) einschließlich ihrer Teilorganisationen wie der → Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands (VELKD).
Unionen können als reine „Verwaltungsunionen“ bestehen, bei denen die einzelnen Gemeinden ihre jeweiligen Bekenntnisse weiterhin für sich führen, aber darauf verzichten, die dem eigenen Bekenntnis widersprechenden Aussagen der jeweils anderen Konfession förmlich zu verwerfen. Auch Verwaltungsunionen praktizieren selbstverständlich völlige Kirchengemeinschaft (also Kanzel- und Sakramentsgemeinschaft untereinander).
Es gibt aber auch sog. „Bekenntnis- oder Konsensunionen“, bei denen man an die Stelle der bisherigen Bekenntnisse ein neues Kompromissbekenntnis gesetzt hat, in dem die bisher strittigen Aussagen entweder ausgeklammert oder durch einen Minimalkonsens und durch Kompromissformeln ersetzt wurden.
Seit 1973 die sog. „Leuenberger Konkordie“ für die Gliedkirchen der EKD in Kraft trat und deren Aussagen zu einer Reihe von bislang strittigen theologischen Themen als verbindlicher Konsens und über den traditionellen Bekenntnissen stehend angenommen wurden, ist die EKD ihrem Wesen nach eine „Konsensunionskirche“.
Darin finden sich noch Spuren lutherischer und reformierter Traditionen.
Sie ist aber keine lutherische Kirche in konfessioneller Eindeutigkeit und kirchlicher Verbindlichkeit.
2. Beispiel für die Unionisierung einer Bekenntnisaussage
Das lutherische Bekenntnis sagt, dass die Kommunikanten in, mit und unter dem Brot und Wein den wahren Leib und das wahre Blut Jesu Christi zur Vergebung der Sünden, zur Anteilhabe am Leib Christi und zur Stärkung des Glaubens empfangen.
Es sagt weiter, dass Leib und Blut Christi unter Brot und Wein mit dem Mund von allen Kommunikanten empfangen wird, wobei diejenigen, die das Sakrament im Glauben empfangen, dies zum Heil, diejenigen, die es im Unglauben empfangen es sich aber zu geistlichem Schaden nehmen.
Das reformierte Bekenntnis besagt, dass das Abendmahl eines reines Gedächtnis sei, bei dem man nur Brot und Wein empfange. Nach Calvin wird dabei eine spirituelle (geistliche im Gegensatz zur leiblichen) Gegenwart des zur Rechten des Vaters erhöhten Christus angenommen. Die leibliche Gegenwart Christi mit seinem Leib und Blut unter Brot und Wein wird entschieden abgelehnt.
Die Leuenberger Konkordie formuliert eine Kompromissformel, bei der festgehalten wird, dass Christus (auf spirituelle Weise) in der Feier des Abendmahls gegenwärtig sei und diese Gegenwart auch an den Genuss von Brot und Wein gebunden sei.
Die sog. Realpräsenz, also die Gegenwart des wahren Leibes und Blutes Christi, gebunden an die „Materie“ oder die sog. „Realien“ von Brot und Wein, wird jedoch nicht bekannt.
Die Calvinisten mussten sich also von ihren Grundpositionen entfernen und sich bestimmten Aspekten lutherischer Lehre öffnen, die ihre Bekenntnisse noch ausdrücklich verwerfen und ebenso mussten die Lutheraner verfahren.
3. Aus welchen Gründen sind Unionen / unierte Kirchen entstanden?
Im 19. Jahrhundert sind in Deutschland und anderen europäischen Ländern Unionen entstanden, weil man in den Kirchen das Bewusstsein für die Besonderheiten des eigenen Bekenntnisses unter dem Einfluss von Aufklärung, Rationalismus und Liberalismus und im Geist der Romantik weitgehend verloren hatte.
Politisch war vor allem in Preußen die Kirchenunion zwischen reformierter und lutherischer Landeskirche als Ausdruck staatlicher Einheit gewünscht und wurde aufgrund einer königlichen Kabinettsordre (Ministerialgesetz) zwangsweise verfügt.
Ein weitere (staatspolitische) Rolle spielte auch die Gegnerschaft gegenüber der römisch-katholischen Kirche, der man anstelle der in verschiedene Konfessionen zerfallenden nichtrömischen Landeskirchentümer einen „geeinten Protestantismus“ entgegensetzen wollte, um römischen Einfluss in Preußen einzudämmen.
Auch romantisierende Vorstellungen einer geeinten Christenheit trugen bei manchen Unionsbefürwortern unter Christen und Theologen dazu bei, die staatlichen Bemühungen theologisch zu untermauern und innerkirchlich voranzubringen.
4. Wie setzt sich die Unionisierung heute fort?
Die Politik der Unionisierung wird heute nicht mehr staatlicherseits, sondern von Seiten der (protestantischen) Großkirchen betrieben. Sie ist gleichzusetzen mit dem Ziel der Ent-Konfessionalisierung. Die traditionellen kirchlichen Bekenntnisse werden als überholt bezeichnet, die darin enthaltenen Verwerfungen der Gegenlehre als überwunden und nicht mehr treffend und damit die bisherigen konfessionellen Unterschiede als nicht mehr kirchentrennend. Man spricht dann vom Modell „der versöhnten Verschiedenheit“, klammert jedoch die eigentlichen und ursprünglichen Unterscheidungslehren dabei bewusst aus.
Unionisierung ist heute ein Kennzeichen der organisierten Ökumene, wie sie insbesondere vom Ökumenischen Rat der Kirchen (ÖRK-Weltkirchenrat), aber auch von den kirchlichen Weltbünden, hier vor allem vom sog. Lutherischen Weltbund vorangetrieben wird.
Unionisierung bedarf als Grundlage immer einer vorangegangenen Liberalisierung der Theologie, die häufig eine Begleit- und Folgeerscheinung von gesellschaftlicher Liberalisierung ist. Wo klare Positionen, Fundamente und Regeln einer allgemeinen, als Toleranz bezeichneten Beliebigkeit zunehmend weichen, finden Unionisierungsbestrebungen fruchtbaren Nährboden.
Seit dem Zerfall der Sowjetunion, versucht vor allem die EKD in den früheren Sowjetrepubliken (einschließlich der baltischen Staaten und anderer osteuropäischer Staaten wie z.B. Polen oder Weißrussland) die Unionisierung unter den teilweise bis vor kurzer Zeit in Untergrund und Illegalität lebenden lutherischen Christen einzuführen und sie in ihre kirchlichen Strukturen einzubinden.
Hier besteht ein Konflikt zwischen der EKD einerseits und der SELK andererseits, die sich kirchlich und diakonisch um lutherische Gemeinden kümmert, die sich mit der Bitte um theologische Unterstützung an die SELK gewandt und sich von den EKD-geprägten Kirchengebilden losgesagt haben.
Ein Hauptproblem bei der Verhinderung der Unionisierung besteht in der Tatsache, dass die EKD und der LWB aufgrund der größeren finanziellen Mittel die lutherischen Gemeinden im Osten in einen Interessenkonflikt treiben, der für freie Gewissens- und Bekenntnisentscheidungen oftmals keinen Raum lässt.
Ursünde
→ Erbsünde