Interview mit Superintendent Sebastian Anwand
Sebastian Anwand, geboren 1984 in Dresden, Vikariat in Verden/Allen und Rotheburg/Wümme, langjähriger Gemeindepfarrer im Westerwald und seit Sommer 2024 in Potsdam. Er ist verheiratet mit Miriam, geb. Süß. Das Ehepaar hat drei Kinder.
Lieber Sebastian, du wurdest im März 2025 zum Superintendenten des Kirchenbezirks Berlin-Brandenburg gewählt. Was waren Deine ersten Erfahrungen und Erlebnisse in diesem neuen Amt?
Es ging gleich voll zur Sache. Natürlich tragen Gemeindeglieder und Pfarrer ihre Anliegen recht bald an den Neuen heran. Das ist auch gut so und ich beginne mein Amt auch mit großem Interesse an ihnen. So versuche ich in den ersten Monaten alle Kirchenvorstände zu besuchen, denn manche Gemeinden kenne ich noch gar nicht. Im vergangenen Sommer bin ich aus dem Kirchenbezirk Hessen-Süd gewechselt und wollte mich eigentlich erstmal vollkommen auf meine Gemeinden in Potsdam und Luckenwalde konzentrieren. Dann kam es anders und ich war nach sechs Monaten einziger Kandidat für das Superintendentenamt.
Was hat dich auf Deinem Lebensweg bisher geprägt? Wo stehst du gerade biographisch?
Ich bin schon ein Kind des Ostens. Aufgewachsen bin ich in Dresden, meine Frau kommt aus Brandenburg. So rücken wir mit dem Umzug nun wieder näher an unsere Familien und Freunde heran. Geprägt haben mich die Kirchenmusik im Sprengel Ost, u.a. der Jugendchor Ostinato und die Posaunenchorarbeit. Auch die Kinder- und Jugendarbeit in der Dresdner Gemeinde war für mich ein wichtiger Schritt hin zum Studium der Theologie in Oberursel, Halle/Saale und St. Louis (USA). Nun habe ich meine ersten Jahre mit Erfahrung im Pfarramt auf dem Buckel. Ich war sehr gerne Pfarrer in Allendorf/Ulm und Gemünden und auch Jugendpastor. Diese schöne Zeit und die wunderbaren Menschen, denen ich in unserer Kirche begegne, bringe ich als gutes Reisegepäck mit zu meinen neuen Aufgaben im Osten. Mit 40 Jahren soll das Leben ja nochmal so richtig losgehen. Das kann ich durchaus bestätigen. Ich habe Freude an dem, was ich tun darf.
Welche Interessen oder Hobbies beschäftigen Dich neben dem beruflichen Alltag?
Ich bin ein politisch interessierter Mensch. Mit mir kann man über gesellschaftliche Entwicklungen und politische Themen sprechen. Aber ich muss aufpassen, dass ich hier nicht zu viel konsumiere – das ist auch nicht gut. Ein gutes Interview im Deutschlandfunk oder eine aufschlussreiche Talkshow laufen bei längerem Autofahren oder in der S-Bahn sehr häufig als Podcast. Und ich versuche wieder mehr Sport zu machen, was aber nach einer längeren Zwangspause wegen einer OP noch ausbaufähig ist. Neulich habe ich seit Monaten mal wieder Fußball gespielt mit vielen Menschen aus der Potsdamer Gemeinde. Die 40 Lebensjahre waren in den Folgetagen stark zu spüren.
Siehst Du Herausforderungen, vor denen unsere Kirche insgesamt oder dein Kirchenbezirk stehen? Welche sind das und was gibt Dir angesichts dessen Mut?
Im Kirchenbezirk Berlin-Brandenburg sind wir intensiv damit beschäftigt die Gemeindeglieder und Pfarrer darauf vorzubereiten, dass wir im kommenden Jahr mit acht Pfarrstellen klarkommen müssen. Im Moment sind es 12, wobei wir ab diesem Sommer schon vier vakante Pfarrstellen haben werden. In unserer Kirche werden in den kommenden Jahren immer weniger Pfarrer arbeiten. Diesen Wandel sollten wir nicht nur erleiden, sondern aktiv gestalten. Sowohl die Arbeit der Pastoren wird sich verändern als auch die Gestaltung des geistlichen Lebens der Gemeinden. Hierbei können wir von den Erfahrungen unserer Mütter und Väter der Vorgängerkirchen der SELK profitieren; eine Zeit, in der Gemeinden ein hohes Maß an Eigenverantwortung übernommen haben und die Pastoren sich auf die Kernaufgaben des geistlichen Dienstes konzentriert und beschränkt haben.
Es macht mir Mut, dass unsere Kirche schon immer nur durch die Mitarbeit von geistbegabten und hochmotivierten Menschen Bestand hatte. Und diese Menschen gibt es heute genauso. Unsere Lage ist gar nicht aussichtslos. Wir sollten z.B. den Dienst von Lektorinnen und Lektoren fördern und ihnen Gestaltungsfreiheit lassen. Wir brauchen uns gar nicht von der Anzahl der besetzbaren Pfarrstellen abhängig zu machen, sondern einige dieser Stellen, die wir absehbar nicht mehr besetzen können, umwandeln und Menschen anstellen, die einen anderen beruflichen Hintergrund haben. Diakoninnen, Diakone, Sozialpädagogen, Erzieher, Musikerinnen und Lehrer, um nur einige zu nennen.
Und meines Erachtens brauchen wir dringend einen kürzeren Ausbildungsweg hin zur Ordination. Warum sollte nur jemand, der sechs bis acht Jahre Theologie studiert hat und dann noch über zwei Jahre Vikar war geeignet sein das Hl. Abendmahl mit seiner Gemeinde zu feiern, zu taufen, zu beerdigen und zu predigen. Es passt nicht zusammen, wenn (zu Recht!) gesagt wird, dass die Kirche von den Sakramenten und der Wortverkündigung lebt, wir dann aber die Hürden für diesen Dienst so hochsetzen, dass kaum mehr jemand bereit ist ihn zu leisten.
Wenn Du jemanden von der SELK überzeugen möchtest – mit welchen Argumenten tust Du das? Welche Schätze und Stärken haben wir Deiner Meinung nach in unserer Kirche?
Unser Schatz ist Jesus Christus. Alles, was wir tun, kommt von ihm her und führt zu ihm hin. In der Potsdamer Kirche steht groß geschrieben: „Kommt her zu mir alle, alle, die ihr mühselig und beladen seid; ich will euch erquicken.“ Das lutherische Bekenntnis stellt diesen Christus, den menschenfreundlichen Sohn Gottes und Retter aller, in den Mittelpunkt. Weil das so ist, lade ich gerne in unsere Gottesdienste ein.