Lesenswert


An dieser Stelle werden auf selk.de regelmäßig Bücher vorgestellt: zum Lesen, zum Verschenken, zum Nachdenken, zum Diskutieren – Buchtipps für anregende Lektürestunden. Die hier veröffentlichten Buchvorstellungen hat Doris Michel-Schmidt verfasst.

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Halt in der Brandung


Cover SchlichtingIm August 1853 legte die Candace, ein Missionsschiff der Hermannsburger Mission, zu ihrer ersten Fahrt nach Afrika ab. Ludwig Harms, Prediger und Gründer der Mission, hatte den Schiffsbau initiiert und dafür unermüdlich zum Spenden aufgerufen, so dass tatsächlich das Vorhaben realisiert werden konnte.
Dann war es so weit: Hunderte Männer und Frauen waren extra zum Stapellauf nach Harburg gekommen. Weil Ludwig Harms verhindert war, kam sein Bruder Theodor und hielt die letzte Andacht, bevor es losging.

Im Roman von Maria Albers geht als einzige Frau Emilie von Eichenstedt mit an Bord, die durch einen Unfall ihre Mutter und ihren älteren Bruder verloren hat und erst jetzt erfährt, dass das Gut der Familie hoch verschuldet ist. Auf einmal ist ihre scheinbar heile Welt als gut situierte Dame zerbrochen. Die einzige Hoffnung, die ihr bleibt, ist ihr zweiter Bruder Maximilian, der vor Jahren plötzlich verschwunden ist. Nach dem Tod ihrer Mutter hat Emilie einen Brief von ihm gefunden – aus Afrika! In ihrer Not macht sie sich auf die Suche nach ihm und gelangt dadurch auf die Candace.

Die Autorin Maria Albers, die aus der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche (SELK) hervorging, lebt mit ihrem Mann, Pfarrer der Freien Evangelischen Synode in Südafrika, und den drei Kindern mittlerweile in Südafrika. Ihr Interesse für die Hermannsburger Mission erklärt sich also fast von selbst – und ihr „doppelter“ Blick zeigt sich in dem einfühlsamen Verständnis für die Missionare und die Umstände, die sie in Afrika vorfinden.

Maria Albers hat die Geschichte der Candace genau recherchiert und beschreibt den Verlauf der Reise nah an den Berichten, die es darüber gibt. Sie tut das so lebendig, dass man dabei ist bei der Weihnachtsfeier mit den erloschenen Kerzen, beim Wäschewaschen im Regen, beim Sturm vor Kapstadt, als sie sich schon in Sicherheit wähnten.

Gekonnt hat die Autorin die Geschichte der Candace und der Missionare verwoben mit der fiktiven Geschichte Emilies, die mit Conrad, einem Handwerker an Bord, ihr Glück finden wird. Ja, der Leser weiß ziemlich bald, dass es ein Happyend geben muss, aber die verschlungenen Umwege dahin machen die Geschichte eben auch besonders spannend. Und man wünscht sich, bald mehr zu lesen davon, wie es den Missionaren (und Emilie) in Afrika ergangen ist.

Maria Albers
Halt in der Brandung – Aufbruch nach Afrika
Francke-Verlag 2025, 368 Seiten, 17,00 Euro



Gott

Cover Keller„Dieses Buch spielt in zweiundvierzig Kapiteln mit dem Gedanken, dass nicht der Mensch, sondern Gott die Antwort ist.“ Für Ralf Frisch, Professor für Systematische Theologie an der Evangelischen Hochschule Nürnberg, ist die Gottesfrage die eigentliche Frage unserer Zeit. Für einen Theologen ist das vielleicht nicht überraschend. Erhellend – oder besser: erschreckend ist allerdings seine Diagnose, dass Gott inzwischen sogar in Theologie und Kirche ausfällt als Schöpfer und Retter der Welt.

Ist Gott in einer säkularen Welt, in einer Epoche, die seit einigen Jahren Anthropozän heißt, kein Thema mehr, weil er, wie wir glauben sollen, nur ein Produkt des Menschen sei? Weil offenbar der Mensch die einzige Antwort ist, die infrage kommt?

Der Mensch, so Frisch, „spielt die Rolle des Schuldigen und des Richters, die Rolle des Verderbers und des Retters. Er spielt die Rolle des Teufels und die Rolle Gottes“.
Und die Theologie hat diese Hybris in vielen Spielarten übernommen. Wie Ralf Frisch dies aufdeckt, ist spannend, inspirierend, aufregend. Als Laie kommt man kaum hinterher, so furios reiht der Autor Gedanken und Erkenntnisse aneinander, und dies in durchaus anspruchsvoller Sprache. Er prangert die „Humanisierung Gottes an, die „nur als Verohnmächtigung und schließlich Erledigung Gottes Gestalt gewinnen kann“ und zeigt die fatale Folge auf: „Dieser Fehlschluss lässt die Theologie mehr oder weniger unversehens gemeinsame Sache mit der Religionskritik machen. Dass Gott in irgendeiner Weise zu fürchten und ihm nicht mit Hochmut, sondern mit Demut zu begegnen sein könnte, ist eine Vorstellung, die von der humanistischen Theologie unserer Gegenwart nahezu rückstandslos entsorgt wird.“

Ralf Frisch traut sich, die Grundlagen des Glaubens in einer Klarheit in die Mitte zu holen, die Gläubige heutzutage oft vermissen. Ja, so spannend kann Theologie sein!
Frischs mitunter bissige Analyse der gegenwärtigen „Verstofftierung“ Gottes ist ein brillanter Weckruf an Theologie und Kirche.

Ralf Frisch
Gott
Ein wenig Theologie für das Anthropozän

Theologischer Verlag Zürich 2024, 215 Seiten, 25,00 Euro




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