Südafrika: Aufarbeitung der schmerzlichen Vergangenheit

 
Seit vier Jahren bearbeitet im Auftrag der Selbständigen Lutherischen Kirche (SELK), der Lutherischen Kirchenmission (LKM) und der Schwesterkirchen in Südafrika* eine Kommission das Thema „Mission und Apartheid“ im südlichen Afrika. Prof. Dr. Werner Klän (Oberursel) leitet die Kommission, die sich jüngst zu einer weiteren Sitzung in Tshwane/Pretoria zusammenfand.

Mission

Auch zwanzig Jahre nach dem Ende der Apartheidpolitik in Südafrika, die die Rassentrennung zwischen „Weißen“ und „Schwarzen“ brutal durchsetzte, sind die Folgen noch nicht überwunden. 2011 war das Symposium über „Mission und Apartheid“, das die Lutherische Theologische Hochschule in Oberursel veranstaltete, ein wichtiger erster Beitrag zur Aufarbeitung des Themas in den lutherischen Kirchen. Welche Impulse gingen von dem Symposium aus?

Klän: Das Symposium war der Auftakt zur Gründung der Trilateralen Apartheids-Kommission. Sie wurde 2012 durch Beschlüsse der Kirchenleitungen von LCSA*, FELSiSA* und der Selbständigen Lutherischen Kirche (SELK) samt der LKM ins Leben gerufen. Die Kommission wurde eingesetzt, um den Prozess der Versöhnung in den beteiligten Kirchen und Institutionen zu ermöglichen. Inzwischen haben jährlich zwei Sitzungen der Kommission stattgefunden. Dabei standen zunächst Verabredungen zur Planung im Vordergrund. Hinzu kam die Kenntnisnahme einschlägiger Untersuchungen zur Vorgeschichte und Geschichte der Apartheid überhaupt.

Eine wichtige Aufgabe der Kommission war die Sammlung und Bewertung von historischen Quellen. Inwieweit hat man dafür auch mündliche Berichte von Zeitzeugen einbeziehen können?

Klän: Die Organisation der Befragung von Zeitzeugen ist eine sehr wichtige Aufgabe, vor allem im Bereich der LCSA. Schriftliche Dokumente sind besonders bei der Lutherischen Kirchenmission und im Archiv der FELSiSA vorhanden. Dr. Radikobo Ntsimane, ein Experte auf dem Gebiet von „Oral History“ und Pastor der LCSA, hat auf Bitten der Kommission sich bereiterklärt, Workshops für die Befragung von Zeitzeugen vorzubereiten. Freilich ist hier noch viel zu tun. Auf der Ebene der Pfarrer kommt es bereits zu Begegnungen, bei denen auch dieses Thema angesprochen wird. Die Doktorarbeit von Pfr. Dr. Karl Böhmer über die Anfänge der südafrikanischen Missionsgeschichte findet erfreulich weite Verbreitung; seine Forschungsergebnisse tragen viel zum Verständnis der getrennten Entwicklung bei, die lange vor der Apartheidsgesetzgebung begann.

Wie kann „Vergangenheitsbewältigung“ im Kontext der Apartheidsgeschichte für die lutherischen Kirchen im südlichen Afrika aussehen?

Klän: Das Allerwichtigste sind Gespräche und Begegnungen zwischen Kirchgliedern, Gemeinden und offiziellen Vertretern der beteiligten Kirchen. Die leidvolle Geschichte ist in weiten Kreisen beider Kirchen immer noch ein Tabu. Es besteht große Scheu, alte Wunden aufzureißen. Aber es gibt meines Erachtens keine Alternative dazu, die Vergangenheit nüchtern anzuschauen, auch mit ihren schmerzlichen Seiten. Dazu ist es erforderlich, Umgebungen zu schaffen, in denen ein Gespräch „auf Augenhöhe“ stattfinden kann.

Inwiefern beeinflussen aktuelle gesellschaftliche, wirtschaftliche und politische Entwicklungen in Südafrika und weltweit diesen Prozess?

Klän: Die Geschichte hat Spätfolgen bis heute, denken Sie an die hohe Arbeitslosigkeit im Land, oder an das Ungleichgewicht in Bildung und Ausbildung. In den ländlichen Gebieten besteht neben der unterschiedlichen Kirchenzugehörigkeit und parallel dazu auch ein Unterschied der gesellschaftlichen Stellung: der (weiße) Farmer ist gleichzeitig auch der „Herr“ der (schwarzen) Landarbeiter. Hinzu kommt, dass die Gesetzgebung im Neuen Südafrika viele weiße Bürger befürchten lässt, dass sie ihren Wohlstand und Besitz verlieren. Andererseits leidet die LCSA darunter, dass ihre Finanzkraft aufgrund der wirtschaftlichen Lage der meisten ihrer Mitglieder sehr gering ist. So besteht auch zwischen unseren beiden Partnerkirchen im südlichen Afrika ein großes wirtschaftliches Gefälle.

Wie soll aus Sicht der Kommission der Prozess der Aufarbeitung weitergeführt werden? Was können die SELK und die LKM ihrerseits dazu beitragen?

Klän: Die Kommission hat beschlossen, zum nächsten Jahr, in dem in Südafrika drei Gedenkfeiern anstehen (500 Jahre Reformation, 125 Jahre Bestehen der FELSiSA, 50 Jahre Unabhängigkeit der LCSA), einen Zwischenbericht vorzulegen, der gewiss nur vorläufige Ergebnisse bieten kann. Es wird Sache der Kirchen- und Missionsleitungen sein, darüber zu entscheiden, wie diese Jubiläen begangen werden. SELK und LKM können sich dafür einsetzen, dass dieses möglichst in einem gemeinsamen Gottesdienst geschieht. Und eine Befürwortung der Weiterarbeit in der Kommission durch SELK und LKM hätte sicher Gewicht.


* Zur Information:
Seit 1892 ist die Lutherische Kirchenmission (LKM) in Südafrika tätig. Alle Arbeit im südlichen Afrika geschieht in Partnerschaft mit der Lutherischen Kirche im Südlichen Afrika (LCSA – Lutheran Church in Southern Africa) und der Freien Evangelisch-Lutherischen Synode in Südafrika (FELSiSA).
Etwa 20.000 getaufte Christen gehören zur LCSA. Die Kirche gliedert sich in 190 Gemeinden und Predigtplätze. In der LCSA wird Englisch, Zulu, Swasi, Tswana und Kalanga (im Nordosten von Botswana) gesprochen.
Die Freie Evangelisch-Lutherische Synode im Südlichen Afrika (FELSiSA) entstand 1892 aus deutschstämmigen Gemeinden, die im Zuge des Bruchs innerhalb der Hermannsburger Mission (der zum Entstehen der LKM führte) den Verbund der Hermannsburger Mission verließen. Heute besteht die FELSiSA aus 17 Gemeinden mit etwa 2900 Gliedern.
Mehr Informationen: mission-bleckmar.de

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