Fragwürdige Glaubensprüfung christlicher Asylbewerber


Die Entscheidungspraxis beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) habe sich seit einigen Monaten deutlich geändert, schreibt Pfarrer Dr. Gottfried Martens von der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche (SELK). In seiner Dreieinigkeitsgemeinde in Berlin-Steglitz betreut er intensiv Konvertiten, hauptsächlich aus dem Iran und Afghanistan, die zum christlichen Glauben konvertiert sind.

Gottfried Martens

Engagierte Christen in seiner Gemeinde, die vom Islam zum christlichen Glauben konvertiert waren, hätten bisher davon ausgehen können, dass sie hier in Deutschland als Flüchtlinge bleiben konnten, schreibt Martens auf seiner Facebook-Seite. Das habe sich deutlich geändert. Die Anhörungen des BAMF und die anschließenden Entscheidungen seien zu einem Glücksspiel geworden. Es gebe viele Anhörer beim BAMF, die in einer fairen Weise mit Asylsuchenden umgingen, so Martens, und auch viele positive Entscheidungen, die konvertierten Christen ein Bleiberecht in Deutschland zusprächen. Doch das Klima habe sich gewandelt. „In den letzten Monaten hat das BAMF viele neue Entscheider eingestellt, die im Schnellverfahren auf ihre Aufgaben vorbereitet wurden und die offenkundig sehr unterschiedliche persönliche Einstellungen zu christlichen Asylbewerbern haben. Manch einer lässt deutlich durchblicken, dass er Asylbewerber, die eine Konversion vom Islam zum christlichen Glauben als Asylgrund vorbringen, von vornherein für unglaubwürdig hält“, schreibt der Pfarrer. Schwerer wiege allerdings, dass es offenkundig keinerlei Vorgaben für die Anhörer gebe, wenn es darum gehe, die Ernsthaftigkeit einer Konversion zum christlichen Glauben festzustellen. „Und so erleben wir in vielen Anhörungen, wie in massiver Weise der Staat in kirchliche Belange eingreift und Kriterien für die Anerkennung als Christ aufstellt, die wenig mit den Kriterien zu tun haben, die die christlichen Kirchen selber benennen würden“, schreibt Martens.

Der SELK-Pfarrer nennt mehrere Beispiele von Fragen, die Asylbewerber gestellt werden. Zum Beispiel müssten sie sich in den deutschen Konfessionsunterschieden auskennen. „Dass sie hier in Deutschland einfach nach einer Kirche gesucht haben, in der sie das Evangelium in ihrer Muttersprache hören und in der die Bibel als Gottes Wort ernst genommen wird, reicht vielen Anhörern nicht“, so Martens. Oder Anhörer ließen sich über das Kreuz aus, das manche Bewerber tragen, und fragten dann wahlweise: „Wo ist Ihr Kreuz? Christen tragen in der Regel ein Kreuz“, oder: „Warum tragen Sie denn eine Kreuzkette? Ich frage, weil es für einen Gläubigen der evangelisch-lutherischen Gemeinde nicht gewöhnlich ist, ein Kreuz zu tragen, wie etwa für einen Gläubigen der katholischen oder orthodoxen Kirche.

Es gebe auch immer wieder Klagen darüber, dass die Aussagen der Asylbewerber über den christlichen Glauben in den Protokollen nur sehr verkürzt oder gar nicht wiedergegeben würden. Oftmals liege das schlicht an den fehlenden Kenntnissen der Übersetzer. Statt der langen inhaltlichen Ausführungen der Flüchtlinge würden sie einfach einige wenige Sätze in erkennbar muslimischer Diktion als Zusammenfassung darbieten. „Da wird Jesus dann als „der Prophet Jesus“ übersetzt, oder statt vom Islam wird von „unserer Religion“ geredet – was einem Asylbewerber dann eine Ablehnung seines Asylantrags einbrachte, weil das Bundesamt messerscharf folgerte, der Asylbewerber habe sich wohl verplappert und sich an dieser Stelle als heimlicher Muslim geoutet. Oder eine Asylbewerberin stellte im Nachhinein bei der Lektüre des Protokolls fest, dass der Dolmetscher ihre Ausführungen darüber, dass das christliche Glaubensbekenntnis für sie so wichtig sei, mit den Worten „Ich kann auf die Zehn Gebote nicht verzichten“ wiedergegeben hatte. Dass die Zehn Gebote nicht das Glaubensbekenntnis der Christen sind, war diesem Dolmetscher offenbar nicht bewusst.“ Mitunter käme es auch vor, dass Dolmetscher offen – in ihrer Muttersprache – ihren Unmut darüber kundtäten, dass sie eine negative Aussage über den Islam übersetzen sollten.

Wenn Gemeindeglieder nach einer solchen Anhörung dann eine Ablehnung ihres Asylantrags bekommen, liest Pfarrer Martens immer wieder die gleichen feststehenden Satzbausteine. Eine besonders absurde Begründung einer aktuellen Ablehnung zitiert Martens auf Facebook: „Auch gaben die Antragsteller an, sich für den christlichen Glauben entschieden zu haben, weil einem dort die Sünden vergeben werden. ... Vergebung durch die Gottheit ist allerdings in allen Religionen verankert. Auch die Priester aller übrigen Religionen dieser Welt behaupten, dass sie ähnliche Gnaden der Vergebung ihrer jeweiligen Gottheiten vermitteln könnten, wenn die Gläubigen nur entsprechende Zeichen der Reue erkennen ließen oder zumindest Gegenleistungen erbringen würden. Und bisweilen gibt es sogar ähnliche Erlösungstaten in außerchristlichen Mythologien wie den Tod des Osiris bei den alten Ägyptern und seine Auferstehung. Die Predigt von der Vergebungs- und Versöhnungsbereitschaft einer Gottheit gehört zum Repertoire aller Religionen. ... Der Vortrag der Antragsteller, dass sie zum Christentum konvertiert seien, um Vergebung der Sünden zu erhalten, kann demnach gerade nicht als Erklärung für eine Konversion herhalten.“

Es sei ein skandalöser Übergriff des Staates in Glaubensfragen, kommentiert Martens, wenn er sich das Urteil anmaße, dass man den Opfertod Jesu am Kreuz mit „außerchristlichen Mythologien wie dem Tod des Osiris“ gleichsetzen könne. „Der deutsche Staat in Gestalt des Bundesamtes erklärt öffentlich, dass der Glaube an den Kreuzestod Jesu zur Vergebung der Sünden kein Grund zur Konversion zum christlichen Glauben ist!“ Wenn im BAMF die Anträge christlicher Asylbewerber weiter mit solchen Begründungen abgelehnt würden, hätten die Verwaltungsgerichte in Zukunft wohl noch sehr viel mehr Arbeit damit, vermutet Pfarrer Martens. Die Zahlen der Klagen vor Gericht gegen eine Ablehnung haben bereits drastisch zugenommen.

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