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An dieser Stelle werden auf selk.de regelmäßig Bücher vorgestellt: zum Lesen, zum Verschenken, zum Nachdenken, zum Diskutieren – Buchtipps für anregende Lektürestunden. Die hier veröffentlichten Buchvorstellungen hat Doris Michel-Schmidt verfasst.
Herzen ohne MauerEs brauchte Mut, in der DDR für seinen Glauben einzustehen. Christen wurden schikaniert, sie durften nicht studieren, hatten Benachteiligungen im Beruf in Kauf zu nehmen. Aber sie fanden in der Gemeinschaft eben auch Halt und Orientierung.
Viola Ramsden, 1976 in der DDR geboren, war dreizehn, als die Mauer fiel. Nach dem Schulabschluss ging sie, wie so viele junge Leute, in den Westen, lebte nach dem Studium viele Jahre in London. 2019, nach 24 Jahren in der Ferne, zog sie mit ihrer Familie zurück nach Sachsen.
In ihrem Buch versammelt sie Geschichten von Christen, die auf ihr Leben in der DDR, die friedliche Revolution und die Zeit nach der Wende zurückblicken. Es ist spannend, diesen Interviewten gleichsam zuzuhören, zumal sie mit Viola Ramsden ein Gegenüber haben, das eine Atmosphäre schaffen kann, in der in kurzer Zeit Vertrauen entsteht.
Wie genau sich die Befragten noch an Details erinnern, zeugt davon, wie sehr sie geprägt wurden durch ihren Glauben, aber eben auch durch die Entbehrungen und Anfechtungen. Zum Beispiel, wenn sie in der Schule nicht in der Pionieruniform zum morgendlichen Fahnenappell antraten und dadurch schon „farblich aus dem Rahmen“ fielen. Oder wenn sie nicht an der Jugendweihe teilnahmen, sondern sich konfirmieren ließen. Wenn sie kein Abitur machen durften und damit so viele Berufswege verbaut wurden. Wenn sie den Wehrdienst verweigerten. Wenn sie bei der Arbeit Missstände anprangerten.
Die Geschichten erzählen auch davon, dass nach der Wende nicht einfach alles besser war. Viele haben ihre Arbeit verloren, weil Firmen sehr schnell „abgewickelt“ wurden. Den Schulen wurde das westdeutsche System übergestülpt. Alles war neu und ungewohnt. Junge Leute zogen in den Westen, wo sie nicht selten als „Ossi“ abgestempelt wurden. Und natürlich hat sich auch die kirchliche Landschaft durch die Wiedervereinigung verändert.
Immer wieder nimmt Viola Ramsden Erlebnisse auf, um kurze historische Erläuterungen einzuflechten. Das hilft zur Einordnung des Erzählten, aber es hilft eben auch zu einem verständnisvolleren Blick auf den Osten Deutschlands – nicht nur zu DDR-Zeiten, sondern auch heute.
Es ist beeindruckend, wie sich Christen in der DDR gegenseitig gestärkt haben und wie die Gemeinden es waren, die Schikanen, Ungerechtigkeit und Unterdrückung erträglich machten. „Inmitten dieser lähmenden Atmosphäre haben Christen und Kirchen einen Raum geschaffen, in dem die Menschen sich nach Veränderung ausstreckten, neue Kraft schöpften, echt sein und aufatmen konnten“, schreibt die Autorin im Nachwort. Ihr Buch gibt ein eindrucksvolles Zeugnis davon.
Viola Ramsden
Herzen ohne Mauer –
Wie Christen die DDR, die Friedliche Revolution und die Zeit danach erlebten
SCM Hänssler Verlag 2024, 252 Seiten, 23,00 Euro
Das vergessene GeheimnisEigentlich mag ich Bücher nicht besonders, die als aphoristische Sammlung angelegt sind; zu kurzgesprungen ist mir oft solches „Gedanken-Hopping“. Aber das neue Büchlein von Hans-Joachim Eckstein, der lange Professor für Neues Testament in Heidelberg und Tübingen war, ist „Häppchenkost“, die nahrhaft ist. Die kurzen Texte – zwei, drei Seiten maximal, oft als Gedichte geformt – haben etwas Widerständiges. Was, mindestens dem frommen Christen, zunächst eingängig klingt, stellt – gerade auch den Glaubenden – beim genauen Lesen immer wieder in Frage. Und führt ihn damit in die tiefere Beschäftigung mit Gottes Wort. Dafür sind zu fast jedem Text entsprechende Bibelstellen angegeben.
„Es ist alles ganz schlimm“ ist zum Beispiel ein Text überschrieben. Und dann beginnt er: „Weltverdrossenheit allein ist noch kein hinreichender Ersatz für die christliche Hoffnung auf Gottes Reich.“ Schon darüber könnte man lange nachdenken. Der Text geht weiter: „Weltfremdheit als solche macht einem den Himmel noch nicht zur Heimat. Wer von der Freude an Gott und von der Vorfreude auf die himmlische Welt erfüllt ist, der wird gewiss Probleme und Entbehrungen auf Erden viel leichter ertragen. Aber indem wir auf alle irdischen Freuden verzichten und in der Welt immer nur Probleme sehen, haben wir dadurch noch keinen Anteil am ewigen Leben.“
Das ist ein Ton, der biblische Wahrheit frisch verkündet, der nicht so schnell überlesen wird, der aufhorchen lässt. Eckstein hat in seinen zahlreichen Büchern einfühlsam und sprachgewandt zum Glauben an Jesus Christus eingeladen. Diese Sammlung kurzer Texte tut das auch, zur täglichen Andacht, als Impuls vor dem Schlafen, oder immer dann, wenn die Gedanken einem davonlaufen wollen.
Hans-Joachim Eckstein
Das vergessene Geheimnis – Christus in uns
SCM-Verlag 2024, 240 Seiten, 18,00 Euro