Lutherische Kirche und Judentum


Die Theologische Kommission der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche (SELK) hat in einer Langzeitstudie das Verhältnis zwischen der SELK (und ihrer Vorgängerkirchen) und dem Judentum aufgearbeitet. Sie entspricht damit einem Auftrag der 11. Kirchensynode der SELK 2007 in Radevormwald.

Leuchter

Christliche Kirche hat ihre Wurzeln im Judentum. Jesus Christus war Jude. Die Verbindungen zwischen Kirche und Judentum sind vielfältig. Aber da sind eben auch die Ausgrenzung, die Verfolgung und der Massenmord an Millionen Juden in der Zeit des Nationalsozialismus. Da ist die Schuld, die die christlichen Kirchen – auch die lutherische – auf sich geladen haben. Da sind die judenfeindlichen Äußerungen Martin Luthers, die gerade im Jahr des Reformationsjubiläums verstärkt in den Fokus gestellt wurden. Da tauchen immer wieder Irritationen auf bei der Frage, ob und wie am Karfreitag im Fürbittgebet speziell der Juden gedacht werden soll.

Die Theologische Kommission der SELK geht in ihrer Studie auf alle diese Fragen ein. Sie beginnt mit einer theologischen Grundlegung – den biblischen Grundlagen, systematisch-theologischen und liturgischen Perspektiven. Dabei wird deutlich, wie nah sich Christentum und Judentum stehen: „Keine andere Religion steht dem Christentum näher als das Judentum. Verbunden sind beide miteinander durch denselben geschichtlichen Ursprung, dieselben alttestamentlichen Schriften, dieselben Verheißungen.“ Aber natürlich wird das Trennende auch deutlich: „Gleichwohl unterscheiden sie sich durch ihre Sicht auf den Messias. Die Kirche sammelt sich um Jesus von Nazareth als den Messias, wie er in den alttestamentlichen Verheißungen Israel und den Völkern angesagt wurde. Die Synagoge dagegen lehnt Jesus von Nazareth als die Erfüllung dieser Verheißungen ab und wartet weiterhin auf den für sie noch ausstehenden Messias.“

Gottes Gnadenverheißungen – ebenso wie die Sendung Jesu – galten zuerst Israel. Das, so die Kommission, habe die Kirche „neidlos anzuerkennen“. Und weiter: „Bleibt die Kirche ihren eigenen Grundlagen treu, so hat sie das mehrheitliche jüdische ‚Nein‘ zum messianischen Anspruch Jesu mit dem Apostel Paulus als göttliches Mysterium auszuhalten (Röm 11,25) und nicht aus eigenem ‚frommen‘ Antrieb heraus zu ‚bewältigen‘.“

Von der Einsicht her, dass die Sünde aller Menschen Christus getötet hat, verbiete sich auch die Bezichtigung der Juden als „Gottesmörder“, schreibt die Kommission.

Zum Nebeneinander von Kirche und Synagoge heißt es in der Studie unter anderem: „Da die Kirche ihrem Selbstverständnis nach freilich zum Gott Israels nur über das Heilswerk Jesu Christi (Apg 4,12) und die geistgeleitete Verkündigung seiner Apostel gefunden hat, ergeht ihr Gebet zum himmlischen Vater ausschließlich im Namen Jesu (Gal 4,4; Röm 8,15). Ein gemeinsames Beten von Kirche und SHeft 12ynagoge ist daher nicht möglich, ohne dass dies zu gegenseitigen Vereinnahmungen führen würde, wohl aber die Fürbitte für den anderen (…).“ Zu der Frage des Israel-Gedenkens am Karfreitag empfiehlt die Studie, die bisherige Praxis zu ändern: „Am Karfreitag sollte das Israel-Gedenken im Fürbittengebet vollständig umformuliert werden. (…) Die Gefahr, dass hier Fehlverständnisse befördert werden bzw. Missverständnisse bleiben oder neu entstehen, ist zu groß.“

Ausführlich dokumentiert die Studie die Geschichte des Verhältnisses von Christen und Juden bzw. der lutherischen Kirche und dem Judentum. Sie fasst auch die Debatte um die Judenmission zusammen, erläutert das messianischen Judentum und endet mit Ausführungen zu den Begriffen Chiliasmus und Zionismus.

Die Studie wird dem 13. Allgemeinen Pfarrkonvent der SELK im November vorgelegt. Sie ist als Heft 12 der SELK-Schriftenreihe „Lutherische Orientierung“ erschienen und im Kirchenbüro der SELK in Hannover (für 3 Euro zzgl. Versandkosten) erhältlich.

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