STELLUNGNAHME zum Krieg im Nahen Osten | 09.11.2023

STELLUNGNAHME

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Aus Anlass des 85. Tag des Gedenkens an die Novemberpogrome am 9. November 2023 nimmt Bischof Hans-Jörg Voigt D.D. (Hannover), der leitende Geistliche der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche (SELK), Stellung zum Krieg im Nahen Osten.

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Heute jährt sich zum 85. Mal das Novemberpogrom von 1938, bei dem im Deutschen Reich mehr als 1.400 Synagogen, Versammlungsräume, Betstuben jüdischer Gemeinden und deren Friedhöfe durch Deutsche, die von der nationalsozialistischen Ideologie beeinflusst waren, brutal zerstört wurden. Tausende Geschäfts- und Wohnhäuser von Jüdinnen und Juden wurden beschmiert oder zerstört. Hunderte jüdische Menschen wurden vom 7. bis zum 13. November 1938 ermordet und viele nahmen sich das Leben. Das Novemberpogrom kann als Auftakt zu einer bis heute beispiellosen Judenverfolgung in Deutschland gesehen werden, der am Ende zwischen 5,6 bis 6,3 Millionen Juden im Holocaust zum Opfer fielen. Die Monstrosität dieses Geschehens ist beispiellos.

Auch in den Vorgängerkirchen SELK hat es - von wenigen Ausnahmen abgesehen - Zustimmung zu diesem Antisemitismus oder Antijudaismus gegeben. In dem von der Theologischen Kommission der SELK 2017 herausgegebenen Heft "Lutherische Kirche und Judentum" (https://www.selk.de/download/Lutherische_Orientierung12.pdf) heißt es zutreffend: "Wir bekennen, dass es auch in den Vorgängerkirchen der SELK antijüdische Einstellungen gab und judenchristliche Gemeindeglieder der Diskriminierung ausgesetzt und schließlich zur Deportation freigegeben wurden. Beispielhaft konnte dazu eingestanden werden: ,Ein schweres Unrecht und eine tiefe moralische Schuld ist hier festzustellen.'" (Seite 36). Ausnahmen hat es besonders in den Gemeinden der "Hessischen Renitenz" und durch einzelne Gemeindeglieder und Pfarrer gegeben. Hinzuzufügen ist, dass Luthers späte Judenschriften niemals ein Vorbild für die lutherische Kirche sein können und dürfen (Seite 34). Für die lutherische Kirche verbindlich sind die lutherischen Bekenntnisse im Konkordienbuch von 1580 und nicht die Schriften Luthers.

Vor diesem Hintergrund ist das Erschrecken über die Judenverfolgung im Heiligen Land durch den am 7. Oktober 2023 begonnenen Terrorangriff der Hamas besonders groß. Die Hamas, die mehrheitlich gewählt wurde, ist eine mordende Terrorgruppe, die die Vernichtung des Staates Israel zum Ziel hat. Die erschreckenden Bilder der Verschleppung jüdischer Geiseln, der Mord und die Folter an Zivilistinnen und Zivilisten, mit lachenden Gesichtern von Handy-Kameras gefilmt, sind bestialisch. Es ist zudem unerträglich, dass jüdische Menschen in Deutschland nun wieder Angst haben müssen, in die Synagoge zu gehen oder den Davidsstern zu tragen. Der islamistische Antisemitismus, der sich auch auf den deutschen Straßen zeigt, ist ebenso abzulehnen, wie der politische Antisemitismus von rechts wie von links. Deutschland steht vor dem Hintergrund der historischen Verantwortung zurecht fest an der Seite Israels.

Ja, alle Opfer, die der Hamas in Israel wie auch die zivilen Opfer des Krieges im Gazastreifen, sind zu beklagen. Ich erlebe diese Zeiten als eine tiefe Ohnmachtserfahrung, da die Lage in Israel absolut ausweglos zu sein scheint.

Die anderen Kriege und bewaffneten Konflikte können wir auch nicht vergessen. Jeden Tag sterben Menschen in der Ukraine, daran kann man sich nicht gewöhnen. Von der Öffentlichkeit weithin vergessen ist die Tatsache, dass in Berg-Karabach verbliebene ethnische Armenier der Willkür der aserbaidschanischen Regierung und des Militärs ausgesetzt sind, ohne Einschreiten der internationalen Staatengemeinschaft.

Das erinnert uns als Christinnen und Christen in diesen Tagen am Ende des Kirchenjahres, dass die Klage eine biblische Form des Gebetes ist. Gottes Wege in dieser Welt entziehen sich oft unserem Verstehen. Gott scheint so fern und verborgen in seinem Zulassen menschlicher Schuld. Das lenkt unseren Blick auf den Messias Jesus, der alles Leid dieser Welt und alle Schuld auf sich genommen hat und den schmachvollen Tod am Kreuz gestorben ist. Zu ihm beten wir voller Vertrauen:

"Herr Jesus Christus, wir erinnern uns in diesen Tagen an die Schuld, die von unserem Volk gegen das Volk der Juden ausgegangen ist, und klagen dir alles Leid, das bis in unsere Tage fortwirkt. Wir klagen heute vor dir über all die Toten und an Leib und Seele Verletzten - besonders im Heiligen Land, im Gazastreifen, in der Ukraine und in Armenien. Wir bitten dich um Frieden in diesen Ländern und auf der ganzen Welt. Wir bitten dich um Hilfe für alle Menschen, die ihr zu Hause oder ihre Heimat verloren haben. Sei mit deinem Schutz allen nahe, die Hilfe bringen wollen. Verleih uns Frieden gnädiglich, Herr Gott zu unsern Zeiten. Amen."

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Eine Stellungnahme von selk_news [09.11.2023]
Redaktion: SELK-Gesamtkirche.
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