Gemeinsamer Konvent Ost | 03.11.2016
"Kirche und Staat"
SELK: Gemeinsame Tagung der Bezirkspfarrkonvente Ost
Jauernick, 3.11.2016 - selk - Vom 1. bis zum 3. November trafen sich im St. Wenzeslaus-Stift Jauernick (bei Görlitz) die Pfarrkonvente der Region Ost der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche (SELK) zu einem gemeinsamen Fortbildungskonvent. Nach den Synodalbeschlüssen der 13. Kirchensynode 2015, wonach die Sprengel als Verwaltungsebene abgeschafft wurden, hatten die Superintendenten und Konvente der drei östlichen Kirchenbezirke der SELK beschlossen, die bereits vor zwei Jahren noch als Sprengelpfarrkonvent anberaumte Tagung in dieser Form dennoch durchzuführen.
Kirche und Staat
Das Treffen stand unter dem Generalthema "Kirche und Staat", das insbesondere in zwei Hauptreferaten entfaltet wurde: Dr. Carsten Frerk (Berlin), Mitglied des wissenschaftlichen Beirates der "Giordano-Bruno-Stiftung", die eine naturalistische, weltlich-humanistische und religionskritische Ausrichtung hat und deren Ziel es ist, "Grundzüge einer säkularen, evolutionär-humanistischen Ethik" öffentlich zugänglich zu machen, referierte über "Facetten des Verhältnisses von Staat und Kirchen in Deutschland". Dass ein bekennender Agnostiker, der sich in seinen Publikationen (zum Beispiel "Kirchenrepublik Deutschland" | 2015) kritisch mit dem Kirchenfinanzierungssystem, dem kirchlichen Lobbyismus im politischen Berlin und dem aus seiner Sicht und im Verhältnis zur schwindenden gesellschaftlichen Bedeutung zu großen politischen Einfluss der Kirchen auseinandersetzt, als Referent auf einen Pfarrkonvent der SELK eingeladen wurde, mochte manchen Konventualen zunächst erstaunen.
"Die Einladung sehe ich als Konkretion des Arbeitsthemas des Sprengelpfarrkonvents Ost 2011, bei dem als Hauptreferent Prof. Dr. Eberhard Tiefensee aus Erfurt über die ,Ökumene der dritten Art - Christliche Botschaft in einem religiös indifferenten Umfeld' referierte", so Pfarrer Gert Kelter (Görlitz), Propst der Region Ost der SELK gegenüber selk_news.
Etwa 80 Prozent der Ostdeutschen gehörten zu diesem religiös indifferenten oder betont agnostisch-atheistischen Umfeld, in dem wir als Pfarrer im Osten Deutschlands leben und arbeiten, so Kelter weiter. Daher sei es wichtig, nicht nur übereinander, sondern auch einmal miteinander zu reden, diese Bevölkerungsmehrheit in ihrer Argumentationsweise und ihrem Denken wahrzunehmen, um mit Respekt und auf Augenhöhe in einem Dialog bestehen zu können, aber auch in der Lage zu sein, die christliche Botschaft zielgruppenorientiert zu verkündigen.
Umgang mit Flucht und Migration
Durch besondere Aktualität zeichnete sich auch das Referat von Prof. Dr. Werner Klän, Systematiker an der Lutherischen Theologischen Hochschule (LThH) der SELK in Oberursel, aus, der zum Thema "Umgang mit Flucht und Migration am Beginn des 21. Jahrhunderts (in Deutschland / Europa) - Kirchliche Maßstäbe und gesellschaftliche Regelungen" vortrug.
Klän bezeichnete sein Referat als "Werkstattbericht" aus der aktuell laufenden öffentlichen Ringvorlesung an der LThH zur Thematik "Politik und Religion - ein schwieriges Verhältnis". Dabei stellte er zunächst in kritisch-differenzierender Weise die lutherische "Zwei-Regimente-Lehre" dar.
Darauf aufbauend setzte sich Klän mit den Begriffen Gottesebenbildlichkeit, Geschöpflichkeit, Menschenrecht und Menschenwürde auseinander, um auf dieser Basis die in Kirche und Gesellschaft sehr unterschiedlichen vorgenommenen Zugänge und Bewertungen der Flüchtlings- und Migrationsproblematik zu beleuchten.
Im Rückgriff auf Max Webers Unterscheidung zwischen Gesinnungs- und Verantwortungsethik, jüngst durch den Kieler Philosophieprofessor Dr. Konrad Ott im Kontext der Zuwanderungsthematik aktualisiert, erörterte Klän diese unterschiedlichen philosophisch-ethischen Herangehensweisen bei der Beantwortung der Frage nach einem angemessenen Umgang mit Flucht und Migration, deren unterschiedliche Voraussetzungen und Konsequenzen. Die Unterscheidung von Gesinnungs- und Verantwortungsethik finde gewissermaßen eine Parallele in der theologischen Unterscheidung von Gesetz und Evangelium, so Klän.
Strukturarbeit - Wittenberg - Kirchentag - Hochschultage
Berichte aus den Kirchenbezirken, darunter eine Dokumentation des Pfarrkonvents Berlin-Brandenburg, der kürzlich ein "Planspiel" mit dem Ziel durchführte, experimentell darzustellen, ob und unter welchen Bedingungen es mittelfristig gelingen könne, von den bestehenden 13 Pfarrstellen zu künftig nur noch 9 Pfarrstellen zu gelangen, standen ebenso auf der Tagesordnung wie die Vorstellung des lutherischen Studien- und Begegnungszentrums (Alte Lateinschule) in Wittenberg und seiner neuen Leiterin Kristin Lange, aktuelle Informationen zum 9. Lutherischen Kirchentag der SELK (Erfurt 2018) durch den Leiter des Hauptausschusses, Steffen Wilde (Frankfurt/Main), und der Bericht aus der Arbeit der LThH, den der derzeitige Hochschulrektor, Prof. Klän, erstattete.
Klän ermunterte darin die Gemeinden, Vertreter der LThH zu Hochschultagen einzuladen. Dabei sei sowohl die Nachwuchswerbung im Blick als auch die Ermutigung der bereits Studierenden: "Es ist immer wieder berührend, wie hochmotiviert die Studierenden von solchen Gemeinde-Hochschultagen nach Oberursel zurückfahren, wenn sie aus dem Mund von Gemeindegliedern hören, dass man dort auf sie wartet, für sie betet und sie braucht", so Klän. Daher seien Hochschultage auch dann sinnvoll, wenn es in einer Gemeinde derzeit keine Jugendlichen gebe, die potenzielle Anwärter fürs Theologiestudium beziehungsweise den Pfarrerberuf seien.
Rahmenprogramm, Gottesdienste, Wort des Bischofs
Einen Schwerpunkt der gemeinsamen Tagung bildeten die Gemeinschaft und der Erfahrungsaustausch sowie das geistliche Miteinander bei Andachten und Gottesdiensten.
Ein Nachmittag und ein Abend waren einer Exkursion nach Görlitz mit dem Besuch des "Heiligen Grabes" und einer Präsentation der berühmten Görlitzer Sonnenorgel in der Peterskirche sowie einem Abendessen in einem Altstadtrestaurant gewidmet.
Den Abschluss der Tagung bildete ein "Wort des Bischofs an die Konvente", bei dem SELK-Bischof Hans-Jörg Voigt D.D. (Hannover), der auch an diesem Konventstreffen teilnahm. Der Bischof beschrieb in seinem Vortrag den unauflöslichen Zusammenhang zwischen Wahrhaftigkeit und Liebe im Blick auf das innerkirchliche wie ökumenische Zusammenleben. Wahrheit ohne Liebe habe dabei die Wirkung des "tötenden Gesetzes" (nach 2. Korinther 3), Liebe ohne Wahrhaftigkeit verkomme hingegen zur Beliebigkeit.
Die drei Pfarrkonvente versammelten sich bereits zum vierten Mal im St. Wenzeslaus-Stift Jauernick, einer Tagungsstätte des römisch-katholischen Bistums Görlitz. Nicht nur die besondere Atmosphäre dieser Tagungsstätte, sondern auch das Erlebnis des mehrtägigen Miteinanders von Pfarrern einer Region, die unter ähnlichen regionalen Umständen arbeiten und leben, führte am Ende der Tagung bei vielen Konventualen zu der Frage, ob die künftig vorgesehenen Begegnungskonvente zweier Pfarrkonvente aus ganz unterschiedlichen Regionen, die die bisherigen Sprengelpfarrkonvente ersetzen sollen, wirklich ein adäquater Ersatz sein können. Dieser Frage wollen die Pfarrkonvente bei ihren nächsten Tagungen weiter nachgehen.
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Ein Bericht von selk_news /
Redaktion: SELK-Gesamtkirche /
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