In Zeit und Ewigkeit: Konzert mit dem Collegium vocale | 11.11.2016
Eine lange gesungene Predigt
SELK: Konzert "In Zeit und Ewigkeit" mit dem Collegium vocale
Bochum/Neukirchen-Vluyn, 11.11.2016 - selk - Die Neue Rheinzeitung (NRZ) titelte ihren Bericht über das Konzert in Neukirchen-Vluyn "Das Collegium vocale und die längste gesungene Predigt" und beschrieb damit zutreffend den tiefgreifenden geistlichen Kern der "Musikalischen Exequien" von Heinrich Schütz, dessen großartiges Werk im Zentrum der beiden Chorkonzerte des Collegium vocale der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche (SELK) am vergangenen Wochenende in Bochum (Kreuzkirche der SELK) und Neukirchen-Vluyn (evangelische Dorfkirche) stand.
Eröffnet wurde das Konzert mit der Schütz-Motette "Das ist je gewisslich wahr", die der Komponist 1630 für das Begräbnis von Johann Hermann Schein komponiert hatte und in die er - wie das ausführliche Programmheft in den Vorbemerkungen ausführte - "alle ihm zur Verfügung stehenden kompositorischen Möglichkeiten zu Ehren seines Freundes auszuschöpfen trachtete". Das Collegium vocale und die Kölner Vokalsolisten gestalteten dieses Werk, unterstützt von der Continuogruppe des Cölner Barockorchesters (Theorbe, Violoncello, Violone, Orgel) im Wechsel von vokaler Tutti und Solo-Besetzung. Es folgte eine weitere Schütz-Motette mit einem Text, der auch in den Exequien vertont wird "Unser Wandel ist im Himmel" - a cappella von den Kölner Vokalsolisten, wunderbar transparent dargeboten.
Die "längste gesungene Predigt" schloss sich an, die "Musikalischen Exequien" von Schütz, ein "vielschichtiges Werk, das unter Nutzung des Raumeffektes durch seine zum Teil doppelchörige Anlage in der Kirche eine feierliche Klangfülle entfaltete"(NRZ). Chorleiter Hans-Hermann Buyken war es wichtig, diese von Schütz selbst intendierten Effekte unter Nutzung der Empore, einer weiteren Orgel und der Verteilung der Continuogruppe und der Solisten im Kirchraum wirkungsvoll hörbar zu machen.
Im Programmheft hatte Buyken ausführlich erläutert, wie Schütz' Landesvater, ein musikbegeisterter, gebildeter, tiefreligiöser Mensch, bereits ein Jahr vor seinem Tod seine Beerdigung in den Blick genommen und auch sämtliche Texte für seine Begräbnismusik festgelegte hatte. Ja, er hatte insgeheim einen Sarg anfertigen und diesen mit den ausgewählten Bibel- und Liedzitaten - kunstvoll darauf angeordnet - verzieren lassen. Die Exequien seien, so Buyken, eine Art "vertonter Sarg", der neben der Trauer den Trost und die christliche Hoffnung der Auferstehung zum ewigen Leben in einmaliger Weise ergreifend hörbar mache, eine zutiefst lutherische "musikalische Predigt".
Die auf die Exequien folgenden Werke nahmen die ausgewählten "Sarg-Verse" und vergleichbare Texte in weiteren Vertonungen auf. Alles kreiste jetzt um Johann Sebastian Bach - zunächst die schlichte Motette des Bach-Onkels Johann Michael "Ich weiß, dass mein Erlöser lebt", dann Bach selbst mit einem seiner schönsten Choräle: "Es ist genug, so nimm Herr meinen Geist". Es folgten die Motette des Bach-Schülers Gottfried August Homilius "Herr, lehre uns bedenken, dass wir sterben müssen" und zum Schluss aus der Motette "Wachet auf, ruft uns die Stimme" des Bachsohns Johann Christoph Friedrich der dritte Teil, das "Gloria sei dir gesungen".
Um dem Chor eine kleine Atempause zu gönnen, waren in der Konzertmitte die "Lamentationes secunda" des flämischen Komponisten Joseph-Hector Fiocco eingebaut worden, eine großartige Komposition mit Versen aus den Klageliedern Jeremias, liturgisch dem Gottesdienst in der Nacht vor Karfreitag zugeordnet, zutiefst innig und höchst musikalisch dargeboten von Julia Reckendrees von den Kölner Vokalsolisten (Sopran), Evelyn Buyken (konzertierendes Cello) und den anderen Mitgliedern des Cölner Barockorchesters.
Die Rheinische Post titelte zum Konzert "Solisten, Instrumentalisten und Chor sind exzellent aufeinander abgestimmt" und schließt ihren Bericht mit "Das Publikum bedankte sich im Anschluss mit tosendem Beifall bei den engagiert teilnehmenden Musikern für das hervorragende Chorkonzert". Für viele war es noch mehr, nämlich eine "musikalische Predigt", die, wie eine Zuhörerin anmerkte, "unter die Haut gegangen ist". Ein anderer Besucher schrieb an den Chor: "Es war ein großes Erlebnis und ich fühlte mich aus dem Alltag herausgehoben, angerührt - Gott etwas näher, wenn ich das so etwas pathetisch sagen darf. Danke!"
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