Studientag: Luther und die Juden | 28.01.2017

Großes Interesse an schwierigem Thema
SELK: Studientag "Martin Luther und die Juden"

Oberursel, 28.1.2017 - selk - Weit über 60 Zuhörerinnen und Zuhörer hatten sich im großen Hörsaal der Lutherischen Theologischen Hochschule Oberursel (LThH) eingefunden, als Prof. Dr. Jorg Christian Salzmann gestern den Studientag zum Thema "Martin Luther und die Juden" mit einer Schweigeminute zum Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus eröffnete. Denn die Hochschule der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche (SELK) hatte am 27. Januar, dem Gedenktag für die Opfer der NS-Herrschaft, zu diesem Thema eingeladen. Vier hochkarätige Vorträge erwarteten die Besucherinnen und Besucher.

Den Anfang machte Prof. Johannes Ehmann (Heidelberg) mit "Betrachtungen zum Jubiläumsjahr". Er machte darauf aufmerksam, dass sich das Gedenkjahr zur 500. Wiederkehr der Reformation für Denkmalpflege eigentlich nicht eigne. Der Kirchenhistoriker beleuchtete die hermeneutischen Grundlagen von Luthers judenfeindlichen Schriften und stellte differenziert die (teils schon vorreformatorischen) Ressentiments und Quellen eines Antijudaismus sowie die unterschiedlichen Äußerungen des Reformators dar. Gefolgt wurde er von Prof. Dr. Dorothea Wendebourg (Berlin), die die Rezeption der judenfeindlichen Aussagen Luthers vom späten 19. Jahrhundert bis 1945 analysierte. Obwohl in dieser Zeit vielfach nachgedruckt oder zitiert, sind die antijudaistischen Schriften nicht explizit kirchlich rezipiert worden. Das ändert allerdings nichts daran, dass auch in kirchlichen Kreisen judenfeindliche Ressentiments vorherrschten. Wendebourg schloss mit der kritischen Bemerkung, dass Luther heute vielleicht stärker mit dem Etikett "Judenfeind" belegt würde als in den 30er Jahren. Dabei würde aber die Reduktion auf dieses Thema dem Reformator nicht gerecht, wie andererseits mit der Fixierung auf Luther eine kritische Aufarbeitung der Judenfeindschaft anderer Reformatoren aus dem Blick gerate. Prof. Dr. Martin Stöhr (Siegen) - selbst seit Jahrzehnten ein Protagonist im christlich-jüdischen Dialog - erinnerte an wichtige Stationen dieses Dialogs seit Kriegsende. Dabei wehrte er eine Reduktion des Alten Testaments auf die Kategorie "Gesetz" ab und empfahl mit Karl Barth, die Tora als "notwendige Form des Evangeliums" zu lesen. Auch lutherischerseits ist eine Gleichsetzung des AT mit dem Gesetz ein Fehlurteil. Zugleich ist für lutherische Theologie die Unterscheidung von Gesetz und Evangelium eine zentrale Einsicht. Es wurde deutlich, dass eine klare hermeneutische Standortbestimmung auch dem christlich-jüdischen Dialog nur gut tun kann. Das letzte Referat stammte vom Systematiker der LThH, Prof. Dr. Werner Klän. Dieser warf Schlaglichter auf die Vorgängerkirchen der SELK und deren Umgang mit Mitchristen jüdischer Herkunft während der Zeit des Nationalsozialismus. Die wissenschaftliche Aufarbeitung dieses Themas steckt noch in den Anfängen. Im Hinblick auf Luther warb Klän für eine Bestreitung der judenfeindlichen Äußerungen des späten mit viel dialogbereiteren Ansätzen des jungen Luther. Obwohl Martin Luther eine Kontinuität in hermeneutischen Grundentscheidungen zu bescheinigen sei, habe er doch in unterschiedlichen Phasen seines Lebens ganz gegensätzliche sozialethische Folgerungen daraus gezogen. So könne man gleichsam Luther gegen Luther ins Feld führen. Von den judenfeindlichen Empfehlungen des späten Luther könne sich lutherische Kirche nur distanzieren. Theologisch sei die schon im Neuen Testament zu findende Spannung, dass es neben der Kirche ein Israel gebe, dass Jesus nicht als seinen Messias anerkenne, nicht aufzulösen, sondern auszuhalten. Es habe bleibende Bedeutung, dass Jesus dem Fleisch nach vom Volk Israel stamme.

Da es in der Mensa der LThH vor einigen Wochen einen Schwelbrand gegeben hatte, stand dieser Raum nicht wie sonst üblich für die Bewirtung der Gäste zur Verfügung. Aber die benachbarte St. Johannes-Gemeinde der SELK stellte spontan ihren Gemeindesaal für das Mittagessen zur Verfügung. Dafür ist die Hochschule ebenso dankbar wie für das außerordentliche Engagement ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die dafür sorgten, dass alle Gäste sich an diesem Tag auf dem Campus wohl fühlen konnten.

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