500 Jahre Reformation in Radevormwald eröffnet | 15.02.2017

"Herr Bürgermeister, sie singen alle!"
SELK: 500 Jahre Reformation in Radevormwald eröffnet

Radevormwald/Hannover, 15.2.2017 - selk - Die Feierlichkeiten zum Jubiläum "500 Jahre Reformation" wurden am vergangenen Sonntag in der Martini-Gemeinde der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche (SELK) in Radevormwald mit einem Festgottesdienst und einem Interview mit Bischof Hans-Jörg Voigt D.D. (Hannover) eröffnet. In seiner Predigt erzählte der Bischof von der Einführung der Reformation in der westfälischen Hansestadt Lemgo. Dem damaligen Bürgermeister Flörke wurde gemeldet, dass die Kirchbesucher von der evangelischen Predigt so begeistern waren, dass sie alle auch in die evangelischen Choräle einstimmten. "Ei, alles verloren!", rief der Bürgermeister aus und legte sein Amt nieder.

Was Martin Luther zum Singen brachte und der Reformation als Singbewegung mit einer ungeheuren Dynamik zur Ausbreitung verhalf, verdankt sich Luthers Entdeckung der Gnade Gottes: Frieden mit Gott haben Menschen allein durch Jesus Christus, allein durch den Glauben, den Gott schenkt. "Mit diesem Frieden", so Bischof Voigt, "haben wir alles gewonnen, was wir brauchen." Die Predigt wurde an einzelnen Stellen unterbrochen, indem die Orgel die Melodie des Chorals "Sollt ich meinem Gott nicht singen" anklingen ließ, in den die Gemeinde dann zum Schluss laut und fröhlich einstimmte.

Nach dem Gottesdienst stellte sich der Bischof im Rahmen eines Kirchenkaffees in einem Interview "Was nun, Herr Bischof?" den Fragen von Gemeindepastor Johannes Dress. Angesichts der aufwendigen Vermarktung des Reformators mit Merchandising-Artikeln und einem Veranstaltungshype müsse man fragen, welcher Luther in der SELK 2017 gefeiert werde: "Wir feiern nicht die Person Martin Luther, sondern das Bekenntnis der evangelisch-lutherischen Kirche, das durch ihn maßgeblich geprägt wurde", so Voigt. Die offiziellen Veranstaltungen der SELK vom 23. bis zum 25. Juni in Berlin und Wittenberg hätten ihren Höhepunkt in einem Beichtgottesdienst in der Stadtkirche Wittenberg am 24. Juni ("Freude der Umkehr, Freude in Christus") sowie in der Aufführung der h-Moll Messe von Johann Sebastian Bach in der Kirche der SELK-Gemeinde in Berlin-Mitte (Annenstraße) und in zahlreichen Gottesdiensten in den Berliner SELK-Gemeinden und in Potsdam mit internationalen Festpredigern am Tag der Augsburger Konfession, Sonntag, 25. Juni.

In dem Interview kamen auch kritische Fragen zur Sprache, wie etwa Luthers Plädoyer zur Niederschlagung der Bauern im Bauernkrieg oder seine antijudaistischen Schriften am Ende seines Lebens. Voigt sagte, hierin zeige sich, wie wichtig die Orientierung der lutherischen Kirche auf das Bekenntnis sei. Verbindlich sei das Bekenntnis und nicht Luther. "Wo Luther geirrt hat, können wir das klar und deutlich aussprechen", sagte Voigt weiter. Positiv würdigte der Bischof, dass erstmals in der Geschichte die römisch-katholische Kirche offiziell das Gedenken der Reformation unterstütze, obwohl die Kirchentrennung schmerzlich auf den Kirchen laste. Aber auch die römisch-katholische Kirche könne heute sehen, dass sie durch die Reformatoren selbst eine Erneuerung erfahren habe.

In einem zweiten Themenblock wurde der Bischof nach den Perspektiven in der SELK heute gefragt. Wenn wegen der äußerst angespannten finanziellen Lage in den nächsten fünf Jahren 19 Pfarrstellen eingespart werden sollen, wie kann dann eine Versorgung der Gemeinden sichergestellt werden? Und wenn die SELK denn mehr Theologiestudierende hätte, die Pfarrer werden wollten, wie sollten sie bezahlen werden? Ihm sei nicht bange um die Zukunft der Kirche, auch wenn sie Veränderungen hinnehmen müsse, erklärte der Bischof. Hier seien innovative Ideen gefragt, die auch umgesetzt werden müssten. Voigt sagte: "Wir haben es mit scheinbar widersprüchlichen Entwicklungen zu tun: Wir wissen, dass wir in Zukunft weniger Pfarrer bezahlen können. Zugleich sehen wir aber auch an den Zahlen der Pfarrer, die in den nächsten Jahren in den Ruhestand gehen, dass wir junge Pfarrer und Pastoralreferentinnen brauchen werden."

Gegenüber selk_news äußerte sich der leitende SELK-Geistliche dankbar über die Gemeindearbeit der Martini-Gemeinde in Radevormwald. Er habe sich über die Vitalität der Gemeinde, die sich in den Gesichtern der jungen Kindergottesdienstteilnehmer, der Kirchenmusik und nicht zuletzt in einer liebevoll gefeierten Liturgie äußere, sehr gefreut.

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