Bischof als ökumenischer Gast in Hildesheim | 13.03.2017

"Erinnerung heilen - Jesus Christus bezeugen"
SELK-Bischof als ökumenischer Gast in Hildesheim

Hildesheim, 13.3.2017 - dbk/ekd/selk - Mit einem gemeinsamen Buß- und Versöhnungsgottesdienst in der Hildesheimer Michaeliskirche haben die römisch-katholische Kirche und die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) am Samstag eine Umkehr von der Jahrhunderte währenden Geschichte gegenseitiger Verletzungen und Abgrenzung vollzogen. Bei dem Gottesdienst, an dem auch Bundespräsident Dr. h.c. Joachim Gauck und Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel sowie Bundestagspräsident Dr. Norbert Lammert teilnahmen, dankten die Kirchen zugleich für das 500 Jahre nach der Reformation sichtbar werdende gegenseitige Vertrauen. Als ökumenischer Gast nahm auch der leitende Geistliche der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche (SELK), Bischof Hans-Jörg Voigt D.D., an diesem Gottesdienst teil.

"Das Reformationsgedenken soll ein neuer Anfang sein für einen Weg, der uns als Kirchen nicht mehr voneinander trennt, sondern zusammenführt", sagte der Vorsitzende des Rates der EKD, Landesbischof Dr. Heinrich Bedford-Strohm, in einer Dialogpredigt mit dem Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz (DBK), Kardinal Dr. Reinhard Marx. "Wir wollen in der Zukunft nicht mehr getrennt glauben, wir wollen gemeinsam glauben", so Bedford-Strohm. "Wenn alle, die heute hier dabei sind, und auch alle, die heute zuschauen und zuhören, sich gemeinsam verpflichten, die Kraft der Liebe Gottes in unserem Leben zu bezeugen, und sie selbst auszustrahlen, dann können wir diese Gesellschaft erneuern."

Kardinal Marx sprach 500 Jahre nach der Reformation von einem "Tag der Freude". "Ich bin froh, dass wir heute ein Zeichen für ein versöhntes Miteinander setzen. Wir nehmen unsere Geschichte an, schauen auf das, was Christen sich gegenseitig angetan haben, und gehen gemeinsam weiter. Wir tun das nicht anklagend oder niedergedrückt, sondern in einer Haltung der Hoffnung und des neuen Aufbruchs. Dafür bin ich dankbar", sagte der Kardinal.

Im Verlauf des Gottesdienstes hatten Jugendliche in der gemeinsam von römisch-katholischer und evangelischer Gemeinde genutzten Hildesheimer Michaeliskirche eine im Mittelgang liegende symbolische Sperre zu einem Kreuz aufgerichtet. "Es gibt einen Weg heraus aus den Sperren, es gibt Wege, die Trennungen zu überwinden. Und wir haben gesehen, was der Schlüssel dafür ist: Aus der Sperre ist ein Kreuz geworden", sagte Landesbischof Bedford-Strohm. "Ich wünsche mir, dass wir sagen können: Die Christen in unserem Land bekommt man nicht mehr auseinander. Sie stehen im Zeichen des Kreuzes nicht nur für sich selbst, sondern sind Hoffnungsträger für alle Menschen, besonders für die Armen, Schwachen und Hoffnungslosen", betonte auch Kardinal Marx.

Am Ende des Gottesdienstes sprachen die Liturgen eine Selbstverpflichtung, in der sie sich zusagten, im Vertrauen auf die Kraft des Heiligen Geistes "weitere Schritte auf dem Weg zur sichtbaren Einheit der Kirchen zu gehen".

Nach dem Gottesdienst sprachen sowohl Bundespräsident Gauck als auch der Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen (ACK), Bischof Dr. Karl-Heinz Wiesemann, ein Grußwort.

Bischof Voigt sagte gegenüber selk_news, dass er der Einladung der DBK und der EKD gern gefolgt sei, da er als ökumenischer Gast dem theologischen Text, der der Feier zugrunde lag, "Erinnerung heilen - Jesus Christus bezeugen" (www.ekd.de/download/erinnerung_heilen_gt24.pdf) in vielen Teilen zustimmen könne, obwohl die Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen (ACK) und die SELK an dessen Entstehung nicht beteiligt waren. Es werde die Methode des "Heilens der Erinnerungen" (Healing of memories) aus seiner Sicht sehr überlegt angewandt. Voigt: "Es ist klar, dass es darum geht, was die Vorfahren sich angetan haben, aber eben nicht die unmittelbar Beteiligten." Dabei mache die kritische Sicht auf die eigene "Erzähltradition" klar, dass beide Seiten Täter und Opfer seien. Der SELK-Bischof meinte weiter, er halte es für angemessen, dass keine unrealistischen Erwartungen geweckt würden, und bestehende Differenzen wie etwa im Verständnis dessen, wie Kirchliche Einheit und das Heilige Abendmahl theologisch zu verstehen seien, nicht ausgeblendet würden. Dies gelte so auch für das Kirchen- und Abendmahlsverständnis der SELK. Der Bezug auf die Charta Oecumenica und die "Wechselseitige Anerkennung der Taufe" stellten für die SELK die theologischen Anknüpfungspunkte dar. Hingegen habe die SELK die "Gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigungslehre", auf die in Hildesheim ebenfalls Bezug genommen wurde, aus theologischen Gründen nicht unterzeichnet, sodass die SELK in diesem Punkt nicht zustimmen könne. Auch hätte er sich bei den gegenseitigen Schuldbekenntnissen in der Liturgie des Gottesdienstes eine größere theologische Genauigkeit gewünscht, denn dort sei schon sprachlich der Eindruck entstanden, als bekennen sich Landesbischof Bedford-Strohm und Kardinal Marx persönlich zur Schuld an Religionskriegen wie dem Dreißigjährigen Krieg. Aus Sicht der SELK sei es genau genommen nicht sachgemäß, die Kirchentrennung gegenseitig pauschal als Schuld zu bekennen, da so die Frage nach Glaubenswahrheit relativiert werde.

Der leitende Geistliche der SELK resümierte: "Der Gottesdienst hat mich dennoch persönlich bewegt, weil auch die SELK nicht in alten Profilierungsmustern und polemischen Vorurteilen verharren kann und will. Wenn Paulus von Wahrhaftigkeit und Liebe schreibt (Die Bibel: Der Brief an die Epheser, Kapitel 4, Vers 15), so ist in diesem Gottesdienst deutlich geworden, dass Liebe und Wahrhaftigkeit untrennbar zusammengören."

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