Flüchtling aus Syrien berichtet | 22.02.2016

Rückkehr, wenn die Heimat sicher ist
SELK in Radevormwald: Flüchtling aus Syrien berichtet

Radevormwald, 22.2.2016 - BM/RGA/selk - Auf großes Interesse stieß ein Vortrag von Yousef Yaghmour in der Martini-Gemeinde der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche (SELK) in Radevormwald. Knapp 100 Zuhörende kamen am 13. Februar zusammen, um von dem 35-jährigen Syrer, studierter Maschinenbau-Ingenieur, etwas über die bewegte Geschichte seines Landes und seine Sicht des Syrien-Konflikts zu erfahren.

Yaghmour kam im September 2014 nach Deutschland und wenig später nach Radevormwald. Hier fand er schnell über einen Sprachkurs den Kontakt zur Martini-Gemeinde, erfuhr Hilfe und Anschluss und war schon an mehreren Veranstaltungen aktiv beteiligt, so beim Sommerfest unter dem Thema "Miteinander - Füreinander". 2015 konnte er auch seine Frau und seine drei Kinder nach Deutschland nachholen, die zwar in relativer Sicherheit in Istanbul geblieben waren, aber keinen Kindergarten und keine Schule besuchen durften.

In seinem Vortrag rückte Yaghmour aber nicht sein eigenes Schicksal in den Mittelpunkt, sondern das der Menschen in der "Syrisch arabischen Republik".

Ein Land, halb so groß wie Deutschland, mit 23 Millionen Einwohnerinnen und Einwohnern - vor dem Krieg. Bis heute sind etwa vier Millionen Syrer aus ihrer Heimat geflohen. Yaghmour zeigte Bilder von Jahrtausende alten Kulturstätten in Palmyra, Basra und Aleppo, Weltkulturerbe, das fachmännisch restauriert wurde, bis der Islamische Staat (IS) große Teile davon zerstörte.

Ausführlich berichtete der Syrer über den hohen Stellenwert der Familie in der syrischen Gesellschaft. Loyalität zur Familie bestimme die wirtschaftliche, soziale und politische Stellung des einzelnen Menschen.

Ältere Generationen blieben ein Leben lang bei der Familie, Altenheime gebe es nicht. Arrangierte Ehen seien in Syrien weit verbreitet, Scheidungen dagegen sehr selten. Bei Hochzeiten zahle die Familie des Bräutigams einen hohen Brautpreis, von 100.000 Euro an aufwärts. Der 35-jährige reagierte auf das Staunen der Zuhörerschaft: "Frauen sind in Syrien eben sehr wertvoll."

Syrien war einst das viertsicherste Land der Welt, jetzt ist es das gefährlichste. 40 Jahre Frieden und Stabilität fanden mit der Ausbreitung der revolutionären Gedanken des "arabischen Frühlings" 2011 ein Ende. Jetzt rächte sich, dass die Präsidenten Hafez und später Bashar al-Assad mit harter Hand regierten, Oppositionsparteien verboten, Geheimdienst- und Sicherheitsbehörden auch gegen das eigene Volk agieren ließen und so eine Atmosphäre der Unterdrückung entstand.

Über den Verlauf und die Gründe des aktuellen Konflikts sagte Yaghmour, dass es ein Kampf zwischen mehreren Parteien sei, die allesamt Kriegsverbrechen begangen hätten: Syrer gegen das Assad-Regime, Syrer gegen Syrer und verschiedene Regime und Regierungen gegeneinander. Religiöse Ideen hätten den Konflikt von Anfang an befeuert: "Der IS mordet unter dem Vorwand, den Regeln des Islam werde nicht genügend Folge geleistet." Der Konflikt habe längst die geographischen Grenzen der Region überschritten und drohe, ein globaler Konflikt zu werden. "Syrien ist ein Land des Blutes geworden", sagte Yaghmour.

"Wer Yousef kennt, weiß, dass er ein geduldiger und bescheidener Mann ist", erklärte SELK-Gemeindepfarrer Johannes Dress zu Beginn der Veranstaltung.

Doch irgendwann hielten er und seine Familie es nicht mehr aus. "Wir sind vor der Hölle geflohen".

Yaghmour und seine Familie engagieren sich sehr für ihre Integration in Deutschland. Doch der Flüchtling sagt: "Ich habe mein Land nicht verlassen, weil ich wollte, sondern weil ich musste. Deswegen würde ich gerne zurückgehen, sobald es wieder sicher ist."

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Ein Bericht von selk_news /
Redaktion: SELK-Gesamtkirche /
Quelle: Bergische Morgenpost und
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