Kritik an geplanten Asyl- und Abschiebezentren | 18.05.2018

Geplante Asyl- und Abschiebezentren stoßen auf Kritik
SELK-Pfarrer: Religiöse Minderheiten haben dort keine Chance

Berlin, 18.5.2018 - idea/selk - Die geplante Einrichtung von sogenannten Ankerzentren stößt zunehmend auf Kritik - auch unter kirchlichen Experten. In den im Koalitionsvertrag festgeschriebenen Aufnahme-, Entscheidungs- und Rückführeinrichtungen sollen je 1.000 bis 1.500 Flüchtlinge untergebracht werden. Bundesinnenminister Prof. Dr. h.c. mult. Horst Seehofer (CSU) macht sich dafür stark. Der Berliner Pfarrer Dr. Gottfried Martens D.D. von der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche (SELK), der sich besonders für Flüchtlinge einsetzt, die sich dem Christentum zuwenden und zu seiner Gemeinde finden, sieht das Verfahren jedoch als hochproblematisch an - insbesondere für Konvertiten. "Die religiösen Minderheiten haben in derartigen Einrichtungen keine Chance", sagte er der Evangelischen Nachrichtenagentur idea. Die Erfahrungen der vergangenen Jahre hätten gezeigt, dass in solchen großen geschlossenen Flüchtlingslagern sehr bald feste muslimische Gemeinschaften mit einem starken Anpassungsdruck entstehen würden. "Wenn man also eine muslimische Radikalisierung unterstützen will, soll man Ankerzentren schaffen", so der Pfarrer.

Besonders kritisiert Martens die Vorgabe des Koalitionsvertrags, wonach alle Flüchtlinge ohne "positive Bleibeprognose" ausnahmslos in ihre Heimatländer zurückgeführt werden sollen. Dies betreffe mittlerweile auch alle Flüchtlinge aus dem Iran und Afghanistan, deren Anerkennungsquote in der letzten Zeit deutlich nach unten gedrückt worden sei. Damit hätten Christen aus dem Iran und Afghanistan von vornherein keine Chance mehr auf ein Bleiberecht in Deutschland. Diese Vorgabe solle dadurch umgesetzt werden, dass laut Koalitionsvertrag bei der Bearbeitung der Asylverfahren in den Ankerzentren das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) sowie "Jugendämter, Justiz, Ausländerbehörden und andere Hand in Hand arbeiten". "Das Ergebnis der Einzelfallprüfungen wird gleich schon vorgegeben; dazu soll die Justiz zur Erfüllungsgehilfin des BAMF werden", so der Pfarrer. "Zudem wären in den Ankerzentren Kontakte zu muttersprachlichen Kirchen oder eine wirklich unabhängige Rechtsberatung kaum mehr möglich." Martens hofft darum, dass sich die Ankerzentren schlussendlich als "bayerisches Wahlkampfgetöse" herausstellen. Er ist Pfarrer der Dreieinigkeits-Gemeinde der SELK in Berlin-Steglitz. Der leitende Geistliche seiner Kirche, SELK-Bischof, Hans-Jörg Voigt D.D. (Hannover), hatte bereits im Februar die Pläne, "die Justiz ,Hand in Hand' mit irgendwem" in zentralen Aufnahmeeinrichtungen arbeiten zu lassen, als "Skandal" kritisiert.

Seehofer plante ursprünglich eine Testphase in fünf Bundesländern. Neben Bayern hat sich jedoch bisher nur Sachsen zur Teilnahme bereiterklärt. Die Vereinigung Pro Asyl sowie die Flüchtlingsräte der Bundesländer äußerten in einer Erklärung, mit dem Vorstoß würde "das bayerische Modell einer landesweiten Isolation von Geflüchteten zur staatlichen Norm erhoben". Auch die Polizeigewerkschaft und der katholische Wohlfahrtsverband Caritas äußerten Kritik. Der Landessekretär der Caritas in Niedersachsen, Thomas Uhlen, sagte, dies sei der klägliche Versuch, "durch unfaire Verfahren kurzen Prozess hinter Stacheldraht" zu machen: "Eine Unterbringung ohne Sprachkurse, Bildungsangebote für Kinder, Integration und Privatsphäre soll offensichtlich mehr der Abschreckung potenzieller Asylsuchender als der Beschleunigung von Asylverfahren dienen." In einer repräsentativen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Civey sprachen sich hingegen mehr als drei Viertel der Deutschen (77 Prozent) für die Ankerzentren aus, am häufigsten Anhänger von AfD und FDP.

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Ein Bericht von selk_news /
Redaktion: SELK-Gesamtkirche /
Quelle: Evangelische Nachrichtenagentur idea, 18.5.2018
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