InFO-Veranstaltung in Stuttgart | 13.02.2019
Argumente ernst nehmen und gewichten
SELK: InFO mit Vortragsveranstaltung in Stuttgart
Stuttgart, 13.2.2019 - selk - Im Rahmen eines Treffens der von Kirchgliedern der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche (SELK) gegründeten privaten "Initiative Frauenordination in der SELK" (InFO) hielt Prof. Dr. Wilfried Härle, emeritierter Professor für Systematische Theologie in Heidelberg, am 9. Februar in den Räumen der Stuttgarter Immanuelsgemeinde der SELK einen Vortrag zur Frage der Ordination von Frauen. Die SELK hat in ihrer Grundordnung festgelegt, dass das Amt der Wortverkündigung und Sakramentsverwaltung nur Männern übertragen werden kann, und befindet sich seit längerer Zeit in einem Beratungsprozess über diese Regelung.
Härle hat 2017 ein Buch mit dem Titel "Von Christus beauftragt. Ein biblisches Plädoyer für Ordination und Priesterweihe von Frauen" veröffentlicht. Er begann seinen Vortrag vor etwa 30 interessierten Zuhörerinnen und Zuhörern mit einer Einführung, wie es zu seinem Buch, das Papst Franziskus gewidmet ist, gekommen sei. Auslöser seien zwei bedeutsame kirchliche Entscheidungen im Jahr 2016 gewesen. Einerseits hatte Papst Franziskus am 3. Juni 2016 den Gedenktag für Maria Magdalena in den Rang eines mit den übrigen Aposteln gleichrangigen Festes erhoben, zum anderen gab es den Änderungsbeschluss der Evangelisch-Lutherischen Kirche Lettlands am 4./5. Juni 2016, die durch die Grundordnung der Kirche bis dahin zugelassene Ordination von Frauen auszuschließen.
Der Referent drückte seine Freude darüber aus, dass das Buch in deutscher und lettischer Sprache erschienen sei. Eine russische Übersetzung sei in Arbeit; eventuell solle das Werk bald auch in italienischer Sprache im Römischen Lateranverlag übersetzt werden. Damit werde deutlich, dass das Thema weiterhin Bedeutung habe und weiter diskutiert werde.
Härle bezog in seinem Vortrag von Anfang an die Zuhörenden mit ein, insofern er sie aufforderte, ihnen wichtige Argumente für und gegen die Ordination von Frauen zu benennen. Im Anschluss daran griff Härle nach einer kurzen Erinnerung an Prof. Dr. Peter Brunner (1900-1981), seinen theologischen Lehrer und bedeutenden Kritiker der Ordination von Frauen, die wichtigsten Argumente in dieser Debatte auf und erläuterte seine Position mit dem Hinweis, dass es nicht darum gehe, dass die Zuhörenden ihm zustimmen müssten. Vielmehr gehe es ihm um einen Dialog, der Argumente ernst nehme und gewichte.
So betonte der Referent, dass aus seiner Sicht fast alle Schriftstellen, die gegen eine Ordination von Frauen unter anderem mit dem Hinweis auf die Unterordnung der Frau unter den Mann zu sprechen scheinen, bei genauerem Hinsehen und der Berücksichtigung der damaligen Situation keinen Ausschluss der Frauen vom Amt rechtfertigen könnten. Im Gegenteil - viele biblische Belege und vor allem die Ostererzählung zeigten, dass mit dem Auftrag an die Frauen, die Auferstehung Jesu den Jüngern zu "verkündigen", eine Ausgrenzung gerade nicht intendiert sei. Auch das Mannsein Jesu Christi und das Mannsein der Apostel seien nicht ausreichend für eine Ablehnung der Ordination von Frauen, da nicht deutlich werde, warum nicht auch andere Merkmale zu Kriterien für eine Ordination werden könnten, wie die Zugehörigkeit zum Judentum, die für Jesus und seine Jünger bedeutsamer gewesen sei als das Mannsein.
Besonders wichtig war es Härle, auf die Worte im 1. Korintherbrief einzugehen, in dem Paulus formuliert: "Das Weib schweige in der Gemeinde" (Lutherübersetzung). Der Referent zeigte auf, dass es Paulus an dieser Stelle nicht um am das "Predigen" (prophetisch reden), sondern um das "Lernen" gehe. Außerdem sei ein störungsfreier Ablauf des Gottesdienstes für Paulus von Bedeutung, indem er (unbedarftem) Fragen und Dazwischenreden eine Absage erteile. Das Ziel sei es ja, dass das Evangelium verstanden werde und so Glauben wirken könne. Die Verkündigung von Frauen dagegen sei bei Paulus selbstverständlich vorausgesetzt, was an anderer Stelle des 1. Korintherbriefes (1.Korinther 11,5) zu erkennen sei.
In der anschließenden Debatte griffen die Zuhörenden verschiedene Argumente des Referenten auf. Härle zeigte sich als guter Zuhörer, der weiter argumentierte und zugleich auch andere Positionen stehen lassen konnte. Besonders wurde in der Ablehnung der Ordination von Frauen auf Matthäus 28 und den sogenannten Missionsbefehl Jesu hingewiesen, bei dem allein die Apostel zur Weitergabe des Evangeliums beauftragt wurden. Dieser Gesprächsgang zeigte unterschiedliche Aspekte des Apostelseins auf und ließ erkennen, dass auch andere Bibelstellen in dieser Frage mitgedacht werden müssten wie zum Beispiel die Aussendung der 70 Jünger sowie die Berufung des Paulus (2.Korinther 1,1) und der Junia (Römer 16,7) zu Aposteln. Härle bezog sich unter anderem auch auf das Augsburger Bekenntnis und dessen fünften Artikel, in dem zuallererst die ganze Christenheit im Blick sei, das Evangelium weiterzutragen.
Der Nachmittag schloss mit dem, was zu Beginn des Vortrags gesammelt worden war. Auf unterschiedlichen Blättern hatte der Referent Pro- und Contra-Argumente gesammelt - und ein Wort hatte beide Seiten miteinander verbunden. Es war das Wort "Geduld". Härle rät in seinem Buch und an diesem Nachmittag, dass Frauen in den Kirchen, die keine Ordination von Frauen zuließen, zur Geduld und zum Dienst gleichsam unter umgekehrtem eschatologischem Vorbehalt: "Das hieße, ein kirchliches Amt, das trotz vorhandener Qualifikation noch kein Pfarramt ist, auszuüben, als sei es eines, also: es nicht zu haben, als hätte man (Frau) es bereits."
Die Veranstaltung endete mit einem starken Applaus an den Referenten und dem Dank an die Gemeinde Stuttgart und ihren Pfarrer, Superintendent Scott Morrison, diesem Vortragsnachmittag Raum gegeben zu haben.
Die InFO sieht sich darin bestärkt, das Thema weiter kontinuierlich in der SELK aufzugreifen, Vorträge zu organisieren und Befürworterinnen und Befürworter sowie und Gegnerinnen und Gegner der Ordination von Frauen miteinander ins Gespräch zu bringen.
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Ein Bericht von selk_news /
Redaktion: SELK-Gesamtkirche /
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