BAMF-Abschiebebescheide erneut beklagt | 30.06.2019

"Grad an Zynismus nur schwer erträglich"
SELK: Gottfried Martens beklagt erneut BAMF-Abschiebebescheide

Berlin, 30.6.2019 - selk - In dieser Woche habe wieder eine besonders engagierte christliche Familie aus seiner Gemeinde ihren Abschiebebescheid für den Iran erhalten, berichtet Pfarrer Dr. Gottfried Martens D.D., der als Pfarrer der Dreieinigkeits-Gemeinde Berlin-Steglitz der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche (SELK) schwerpunktmäßig unter Geflüchteten arbeitet, auf der Facebook-Seite seiner Gemeinde.

In dem Abschiebebescheid werde unterstellt, so Martens, dass in der Dreieinigkeits-Gemeinde "iranische Asylbewerber bei derartigen Treffen, die z.B. in Form von Bibelkreisen und Büchertischen stattfinden, miteinander auch über ihre Situation und erfolgversprechende Möglichkeiten, einen gesicherten Aufenthaltsstatus zu erhalten, sprechen. Als eine solche Möglichkeit wird insbesondere die Konversion zum Christentum angesehen." Hier hapere es beim BAMF schon allein bei der elementaren Logik, kommentiert der Steglitzer Pfarrer: Wenn Asylbewerber angeblich erst bei Bibelkreisen darauf aufmerksam gemacht würden, dass sie die Konversion zum Christentum als erfolgversprechende Möglichkeit, einen gesicherten Aufenthaltsstatus zu erhalten, vorbringen könnten, hätten sie ja offenbar vorher ohne solche Gedanken bereits an diesem Bibelkreis teilgenommen, seien also aus ehrlichem Interesse zu diesen Bibelkreisen gekommen. Aber mit so viel Logik dürfe man das BAMF wohl nicht überfordern. Er habe das BAMF bereits wiederholt darauf aufmerksam gemacht, dass es in seiner Gemeinde keinen Büchertisch gebe. Er habe ihm wiederholt eidesstattliche Versicherungen angeboten, dass in dem persischen Bibelkreis und in dem afghanischen Jugendbibelkreis seiner Gemeinde überhaupt nicht über "erfolgversprechende Möglichkeiten, einen gesicherten Aufenthaltsstatus zu erhalten", gesprochen werde. Doch daran sei das BAMF überhaupt nicht interessiert. "Dazu macht es ihm offenkundig zu viel Spaß, unsere Arbeit mit bösartigen Unterstellungen zu verleumden, die mit der Realität nichts zu tun haben", schlussfolgert Martens: "Und so werden Glieder unserer Gemeinde seit Jahren mit immer demselben Textbaustein in den Iran zurückgeschickt."

Der aktuelle Abschiebebescheid enthalte einen weiteren immer wieder verwendeten Satz: "Es ist auch den iranischen Behörden bekannt, dass iranische Staatsangehörige in Asylverfahren immer wieder zum christlichen Glauben konvertieren, um so bessere Chancen im Asylverfahren zu erhalten." Dass die betreffende Familie nicht "im Asylverfahren" zum christlichen Glauben konvertiert sei, sondern bereits im Iran, lasse man einfach beiseite.

"Mit der Unterstellung, dass iranische Staatsangehörige nur aus dem Grund zum christlichen Glauben konvertieren, um bessere Chancen im Asylverfahren zu erhalten, werden Asylanträge christlicher Konvertiten vom BAMF hier in Berlin mittlerweile praktisch zu 100 % abgelehnt", schreibt Martens. Wenn ein iranischer Christ in der Anhörung sage, dass er Christ sei, könne er eigentlich nach zwei oder drei Minuten wieder das Zimmer verlassen. "Ich warne vor Beginn eines jeden Taufunterrichts alle Taufbewerber davor, dass sie sich mit ihrer Konversion jegliche Chancen verspielen, vom BAMF ein positive Antwort in ihrem Asylverfahren zu erhalten", so der Pfarrer: "Ich sage ihnen sehr deutlich: ,Wenn ihr eine positive Antwort im Asylverfahren haben wollt, dann erklärt, dass ihr Salafisten seid. Dann habt ihr hundertmal bessere Chancen, anerkannt zu werden, als wenn ihr sagt, dass ihr Christen seid.'" Jeder Neugetaufte in seiner Gemeinde wisse, dass er als Christ keine Chance beim BAMF habe. Dennoch werde diese Behauptung vom BAMF immer noch weiter in den Abschiebebescheiden kolportiert, dass iranische Staatsangehörige konvertieren, um so bessere Chancen im Asylverfahren zu erhalten.

Und während das BAMF behaupte, die Konvertiten hätten keine Verfolgungsmaßnahmen zu befürchten, weil es den iranischen Behörden bekannt sei, dass iranische Staatsangehörige ja nur aus asyltaktischen Gründen konvertieren würden, sähen dies die Behörden am Flughafen in Teheran offenkundig anders und verhafteten diese Leute, denen das BAMF bescheinigt hat, sie hätten keine Verfolgungsmaßnahmen zu befürchten.

"Der Grad an Zynismus in diesen Abschiebebescheiden ist nur schwer erträglich", beklagt Martens: "Und dann kommt, wie in einem groß Teil der Abschiebebescheide, das krönende Argument zum Abschluss: Iranische Staatsangehörige befinden sich in Deutschland ,im Feindesland', ,und dort ist es durchaus erlaubt, durch Täuschungshandlungen den Feind zu überlisten.'" Pauschal werde allen iranischen Staatsangehörigen unterstellt, sie sähen Deutschland als Feind an. "Das ist Rassismus vom Feinsten", resümiert Martens. Nach Auffassung des BAMF bestehe die Dreieinigkeits-Gemeinde zum größten Teil aus Feinden der Bundesrepublik Deutschland.

"Jede Woche empfangen viele hundert Feinde der Bundesrepublik Deutschland in unserer Gemeinde den Leib und das Blut des Herrn und überlisten mit solchen Täuschungshandlungen den Feind, zu dem das BAMF wohl auch mich zählen dürfte, der ich diese Menschen getauft habe", schreibt Martens. "Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit": So lasse sich mit einem Fachausdruck die Begründungsstruktur für die Abschiebung der in Rede stehenden Familie und unzähliger anderer christlicher Konvertiten zusammenfassen. "Ich habe gegenüber dem BAMF immer und immer wieder gegen diese Argumentationen protestiert - doch das BAMF hält eisern daran fest, dass unsere Gemeindeglieder Feinde der Bundesrepublik Deutschland sind. Und so werden konvertierte Christen aus dem Iran auch in Zukunft wohl keine Chance haben, hier in Deutschland ihren christlichen Glauben praktizieren zu können. Feinde müssen schließlich bekämpft werden - und das macht das BAMF mit aller Konsequenz."

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Ein Bericht von selk_news /
Redaktion: SELK-Gesamtkirche /
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