Zweites digitales Angebot des Wilhelm-Löhe-Seminars | 25.06.2020

"Menschen am Rande unserer Gemeinden"
SELK: Zweites digitales Angebot des Wilhelm-Löhe-Seminars

Korbach/Hannover, 25.6.2020 - selk - Am Dienstagabend führte Kirchenrat Pfarrer Michael Schätzel (Hannover) von der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche (SELK) im Rahmen eines digitalen Angebotes des Wilhelm-Löhe-Seminars, das dem der SELK zugeordneten Diakonissenwerk Korbach e. V. angegliedert ist, mit seinem Vortrag zum Thema "Menschen am Rande unserer Gemeinden" emphatisch und vielseitig betrachtend die Teilnehmenden durch die Thematik.

Er begann den Vortrag mit vier Leitgedanken, die er während des Vortrages ausführte, und nahm im ersten Teil seiner Ausführungen die Teilnehmenden mit, sich konkrete Gesichter und Namen von "Menschen am Rand" vor Augen zu halten. Über die Frage "Was ist eigentlich ein Restant?" führte er die Stichworte "Abendmahls-" und "Beitragsrestanten" und "Getaufte Christen mit passiver Kirchgliedschaft" aus. Es gebe viele Gründe, warum Menschen an den Rand der Gemeinde geraten, meinte der Referent und zeigte verschiedene Beispiele auf.

Im zweiten Gedanken, den er unten den Schwerpunkt "Karteibereinigung signalisiert Handlungsbedarf" stellt, ließ Schätzel die Teilnehmenden daran teilhaben, was er im Neuen Testament beobachtet habe. So würde etwa im Hebräerbrief darauf hingewiesen, dass auch die Menschen am Rand der Gemeinden von Gott geliebte Gotteskinder seien. Es sei existenzbedrohend, sich aus dem Zentrum Gottes zu entfernen. Daher sei es die Aufgabe von Gemeinden, Kirchenvorstehern und Pfarrern, diese Menschen herzlich und dienend in den Blick zu nehmen. Es solle keiner verloren gehen. Jeder einzelne sei wichtig und verdiene es, liebevoll in den Blick genommen zu werden. In den Gemeindeschreiben der Offenbarung des Johannes liegt seine Entdeckung auf zwei Schwerpunkten. Der Gemeinde insgesamt gelte der Ruf, Christus zu folgen - also in der Spur zu bleiben oder eben wieder in sie zurückzukehren; zudem verlange der Ruf ins Zentrum der Gemeinde "Werde wach und stärke das andere das sterben will!" Beachtung. Aus den Gleichnissen vom Suchen und vom Finden des Lukasevangeliums betonte der Referent unter anderem, die im Finden konstatierten bleibenden Besitzverhältnisse des zuvor Verlorenen und sprach sich gegen jeden Aktionismus im Umgang mit Restanten und für Geduld und langen Atem aus.

Mit Bezug auf die Frage der finanziellen Beteiligung der Gemeindegliedern sprach sich Schätzel gegen das Pro-Kopf-Verfahren aus, das für eine Gemeinde nach der Anzahl konfirmierter Kirchglieder einen bestimmten Beitragsschlüssel errechne. Dies verleite dazu, in Nichtzahlern eine Belastung zu sehen. Tatsächlich bringe aber der Abschied eines Nichtzahlers bekanntlich keinen Cent mehr  die Gemeindekasse. Und Menschen, die die Gemeinde verlassen würden, seien dadurch für die Gemeinde nicht mehr erreichbar. Der Referent ermutigte dazu, für Menschen am Rande die Möglichkeiten neuer Nähe zu sehen und brachte in diesem Zusammenhang eine Restanten-Definition aus dem Duden-Wörterbuch ein, nach der ein Restant ein "nicht abgeholtes Wertpapier" sei.

Der dritte Gedanke widmete sich dem Nachdenken darüber, Restanten seien  "unsere Aufgabe" - mit Risiken und Nebenwirkungen. Hier seien keine "Einzelkämpfer und Heldentaten" gefragt, sondern es gehe darum, gemeinsam das familiäre Miteinander in den Gemeinden zu fördern und zu leben. Auch ein klarer Blick auf die eigenen Gefühle und Befindlichkeiten sei wichtig, sich nicht zu überfordern und nicht mit überhöhtem Anspruchsdenken die Aufgabe anzugehen, sondern Befürchtungen und Zumutungen mit anderen - etwa in Kirchenvorständen und Pfarrkonventen - zu teilen.

Der vierte Leitgedanke betonte den Aspekt, Menschen am Rande nicht als "Objekte", sondern als Gottes Kinder sehen, um die Menschen zu wissen und Kontakte - auch über etwaige "Brückenbauer" in den Gemeinden - zu suchen. Das interessierte Wahrnehmen des Gegenüber sei maßgeblich wichtig: Menschen am Rand der Gemeinde seien individuell mit eigenem Gesicht, eigener Geschichte, eigenen Begabungen und eigenen Erfahrungen. Es lohne sich, sie nicht auf Defizitäres einzugrenzen, sondern das Potenzial zu sehen.

Und nicht zuletzt war dem Referenten die eigene Haltung wichtig, in der vor dem Zugehen auf andere immer das Fragen nach der eigenen Gottesbeziehung stehe. Dies helfe umzusetzen, dass der Umgang mit Menschen am Rand eine dienende, keine herrschende Aufgabe sei. Er sprach sich gegen die "Pistole auf der Brust" aus, um Kontakte nicht zu "verunmöglichen".

Im abschließenden Teil brachte Schätzel Beispiele, wie die Gemeinde im Blick auf Menschen am Rand als "Dienstleister" wirken könne - im zulässigen Service von Amtshandlungen, im strukturierten Gebetsdienst, in biografischen Anknüpfungen, in vielfältigen medialen Gesten der Zuwendung und in Möglichkeiten unerwarteter Treffen an "neutralem Ort". Und das seien nur Beispiele.

Weitere Termine zu Seminar- und Vortragsthemen des Wilhelm-Löhe-Seminars finden sich unter: www.diakonissenwerk-korbach.de.

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