Reformatorische Themenabende in Marburg | 07.05.2016

Predigthören und Rechtfertigungsbotschaft
Reformatorische Themen bei SELK in Marburg

Marburg, 7.5.2016 - selk - Die Veranstaltungsreihe "Reformatorische Themen im Vortrag und in der Musik" des Pfarrbezirks Marburg/Treisbach/Warzenbach der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche (SELK) nimmt Fahrt auf.

Zwei Vorträge forderten jüngst die Zuhörerinnen und Zuhörer heraus, sich interessanten Themen zu stellen. Der erste Vortrag wurde von Prof. Dr. Christoph Barnbrock, Lehrstuhlinhaber für Praktische Theologie an der Lutherischen Theologischen Hochschule Oberursel, gehalten. Sein Thema lautete: "Predigthören - eine Entdeckungsreise".

Barnbrock entfaltete sein Thema, zu dem er demnächst ein Buch veröffentlicht, in sieben Schritten. Er begann mit Fragen, die Predigthörerinnen und Predigthörer begleiten: Was erwarte ich von einer (guten) Predigt? Wann kann ich gut zuhören? Was stört mich? Was trage ich eigentlich zum Predigtgeschehen bei? Wie kann ich mich aufs Predigthören vorbereiten? Wie kann eine Predigt noch nachklingen? Wer sich diesen Fragen stellt, wird entdecken, dass es immer wieder zu Störungen oder Schwierigkeiten beim Zuhören kommt. Mal kann jemand zuhören, mal hört er weg oder ist unkonzentriert. Mal verhört man sich oder missversteht den Prediger. Das, was ein Gemeindeglied hört, ist nicht immer das, was der Prediger sagen wollte oder sogar gesagt hat. Es wurde deutlich, dass Hören ein kreativer Prozess ist, bei dem der Hörende selbst aktiv ist und dem Gehörten unabhängig von der Absicht des Predigers eine eigene Bedeutung gibt. Im Anschluss an diese Impulse ging es dem Referenten um konkrete Hilfestellungen für das Hören und Verstehen der Predigt. Nach dem Vortrag entstand ein Austausch darüber, dass manche Pfarrer in den Predigten ihre "Lieblingsthemen" zu Gehör bringen und damit die Gemeinde auf Dauer "langweilen" oder auch verärgern. Es wurde deutlich, dass es immer wieder darum geht, eigene Wahrnehmungen zur Predigt zu formulieren und die Predigt verstärkt in die Gemeindearbeit zu integrieren. Barnbrock ermutigte dazu, verstärkt in Gemeindekreisen die Predigt vor- oder nachzubesprechen, Predigtnachgespräche einzuplanen und sich dafür Zeit zu nehmen. So könne eine Gesprächskultur wachsen, die gerade für den Prediger hilfreich sei.

Außerdem diskutierten die Anwesenden mit Barnbrock die Frage, an welcher Stelle im Gottesdienst Raum und Zeit sei, dem Gehörten nachzusinnen. Kurze Zeiten des Schweigens im Gottesdienst ermöglichten es den Gottesdienstfeiernden, dass Lesungen, Predigt und Gebete "nachwirken" können.

Der zweite Vortrag in der Marburger Auferstehungskirche der SELK befasste sich mit der Rechtfertigungsbotschaft des Apostels Paulus. Prof. Dr. Jorg Christian Salzmann, der das Fach Neues Testament an der Lutherischen Theologischen Hochschule in Oberursel lehrt, entfaltete seinen Vortrag in fünf Schritten. Zunächst führte er seine Zuhörerinnen und Zuhörer in das Thema ein und entfaltete in einer Begriffsklärung, was unter der sogenannten effektiven und forensischen Rechtfertigung zu verstehen sei. In einem weiteren Schritt stellte der Referent kurz das Rechtfertigungsverständnis Martin Luthers dar und beschrieb daraufhin die konfessionellen Positionen damaliger und heutiger Zeit. Die ökumenischen Gespräche und Dokumente zur gemeinsamen Erklärung zur Rechtfertigung aus dem Jahr 1999 wurden ebenso berücksichtigt wie die daran anschließenden kritischen Reaktionen vor allem seitens evangelisch-lutherischer Theologinnen und Theologen und auch der SELK. Ein weiterer Teil des Vortrags zeigte Grundlinien der sogenannten neuen Paulusperspektive auf, die vor allem im englischsprachigen Raum entwickelt worden ist. Dabei gehe es zunächst darum, die Vorstellung abzulegen, als seien das Alte Testament und das Judentum eine "gesetzliche Religion". Schon im Alten Testament fänden sich vielfältig Aussagen, in denen Gott als der gnädige, geduldige und barmherzige Herr beschrieben werde. Paulus gehe es in seiner Rechtfertigungslehre darum, dass Heiden zum Glauben kommen können, ohne Juden werden zu müssen. Das, was das Gesetz fordere, habe er vor und nach seiner Bekehrung gehalten.

In einem letzten Teil bündelte Salzmann seine Ausführungen und verdeutlichte, dass Paulus in Spannungsfeldern denke. So komme es, dass in seinen Schriften scheinbar sich widersprechende Aussagen gegenüberstehen.

Dennoch könne man Paulus nicht einfach als einen dialektisch denkenden Theologen verstehen. Bei ihm gebe es deutliche Schwerpunkte, insofern es ihm darum gehe, zu zeigen, was Gott für die Menschen getan habe. So seien Jesus Christus und das Kreuzesgeschehen der Mittelpunkt seiner Theologie. Von daher habe Paulus auch einen neuen Blick auf seine vorchristliche Vergangenheit gefunden, wie exemplarisch in biblischen Philipperbrief (Kapitel 3, Verse 4 bis 12) zu erkennen sei. Das Leben vor dem Glauben an Christus werde insofern negiert, weil Paulus erkannt habe, dass es nicht mehr um eine eigene aus dem Gesetzesgehorsam entstehende Gerechtigkeit gehe, sondern um die von Gott zugerechnete Gerechtigkeit, die geschenkt wird. Die anschließende lebhafte Diskussion der Zuhörerschaft zeigte, dass dieses Thema bis heute interessant und weiterzutragen ist. Es wurde deutlich, dass es darauf ankomme, die Rechtfertigungsbotschaft heutigen Menschen zu vermitteln, die kaum noch einen Zugang zur Bibel oder zum christlichen Glauben haben.

Das Projekt "Reformatorische Themen im Vortrag und in der Musik" in Marburg entwickelt sich weiter. Gemeindeglieder aus umliegenden und sogar aus weiter entfernten Gemeinden der SELK lassen sich ebenso einladen wie Menschen aus der Stadt Marburg. Im Anschluss an die Vorträge bleiben noch viele Menschen im Vorraum der Auferstehungskirche beieinander, lernen sich kennen oder vertiefen die Themen der Abende mit den Referenten.

Der nächste Abend wird am 17. Juni mit dem Vortrag "Gottes Wort ist der Ort, wo Gott wohnt" von Professor Dr. Werner Klän (Oberursel) stattfinden. Beginn: 19.30 Uhr.

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