Seminar: Christentum und Toleranz | 10.11.2021

"Christentum und Toleranz"
SELK: Prof. Dr. Behrens als Referent beim Löhe-Seminar

Korbach/Oberursel, 10.11.2021 - selk - Onlinegestützt trafen sich am 30. Oktober Kirchglieder aus verschiedenen Gemeinden der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche (SELK), um in einem Seminar des in der SELK beheimateten Wilhelm-Löhe-Seminars am Diakonissenwerk Korbach über das Thema "Christentum und Toleranz" nachzudenken und sich auszutauschen. Als Referent wirkte Prof. Dr. Achim Behrens von der Lutherischen Theologischen Hochschule Oberursel der SELK mit.

Behrens leitete das Thema mit einem Blick auf die heutige Gesellschaft ein. Er stellte fest, dass die Spannungen in der Gesellschaft in den Medien sehr starke Beachtung finden.

Er stellte schon zu Anfang die Frage "Ist Gott tolerant?" und spannte damit einen Bogen mit Einblicken in die Bibel in Altem und Neuem Testament, in die Geschichte und bis in aktuelle gesellschaftliche Entwicklungen. Religion neige zwar insofern zur Intoleranz, als dass alle religiösen Überzeugungen den Anspruch auf Wahrheit stellten, aber gerade in Deutschland habe sich Toleranz gerade in konfessionellen Auseinandersetzungen nach der Reformation entwickelt.

Toleranz sei gerade dann nötig, wenn es um existenzielle Überzeugungen gehe, so der Referent. Dann nämlich gelte es, diese eigene Überzeugung gewinnend zu vertreten und den anderen ihre eigene Überzeugung zuzugestehen. Es gebe auch aus Sicht des Glaubens nicht auf alles eine einfache Antwort, und so seien Differenzen auch auszuhalten.

Behrens fragte dann vor allem nach dem Gottesbild der Bibel. Mit dem biblischen Monotheismus, dem Glauben an nur einen Gott, sei auch der Unterscheidung von "wahr" und "falsch" in die Religion gekommen, so griff Behrens eine These des Ägyptologen Jan Assmann auf. Und so finden sich gerade im Alten Testament Züge Gottes, die bis heute auch für glaubende Menschen schwer zu verstehen seien. Behrens nannte etwa die Kriege, die Israel im Namen Gottes zur Eroberung des Landes geführt hat, oder die einseitige Parteinahme Gottes für sein Volk. Der Referent ordnete diese Beobachtungen in ein historisches Verständnis der biblischen Texte ein und wies darauf hin, dass es bereits im Alten Testament auch "andere Seiten" Gottes zu entdecken gebe, so etwa die Hinwendung zur ganzen Welt im Bekenntnis zu Gott als Schöpfer oder das berühmte Gebot "Liebe deinen Nächsten wie dich selbst", das sich bereits im Alten Testament (3. Mose, Kapitel 19,Vers 18) finde.

Im Neuen Testament wird dann Gott neu sichtbar. Er wird Mensch. Jesus manifestiere das Gottesbild des Neuen Testamentes. In den mit dem schon erwähnten Rückbezug zum Alten Testament formulierten Forderungen der Nächsten- und Feindesliebe (Matthäusevangelium, Kapitel 5, Verse 43 und 44) werde dies erneut deutlich. Jesus erweitere dies durch das Gebot "Richtet nicht, damit ihr nicht gerichtet werdet" (Matthäusevangelium, Kapitel 7, Vers 1). Das letzte Urteilen komme nicht den Menschen zu, so der Referent.

Liebe sei bewusste Zuwendung zum anderen. Am Beispiel des biblischen Gleichnisses vom verlorenen Sohn (Lukasevangelium, Kapitel 15, Verse 11-32) erklärte Behrens Gottes Handeln und die menschliche Unfähigkeit, nach Gottes Geboten zu leben. Gott verurteile die Sünder nicht, sondern trage die Folgen. Ist Gott nun tolerant? Oder eher: Sind Christen zur Toleranz fähig? So fragte der Referent.

Eine starke Überzeugung halte aus, dass sie infrage gestellt würde. Die Gewissheit des eigenen Glaubens lasse Raum für Toleranz. Der Gott der Bibel toleriere Menschen auch als Sünder!

Zum Thema "Christentum und Toleranz" ist ein Heft aus der Reihe der Oberurseler Hefte Nr. 55 erschienen. Dies als Hinweis für alle, die gerne nachlesen wollen.

Es folgte eine lebhafte und sehr vielschichtige Aussprache unter den Teilnehmenden, in denen über eigene Erfahrungen von Toleranz und Intoleranz unterschiedlichster Art berichtet wurde. Der Bogen spannte sich von gesellschaftlichen Erfahrungen über ökumenische bis hin zu privaten Erfahrungen in Gemeinde und Nachbarschaft. Konsens war bei den Teilnehmerinnen und Teilnehmern: "Wir brauchen mehr Kommunikationsräume, um über Glauben und Erfahrungen sprechen zu können, damit wir sprachfähig werden."

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Ein Bericht von selk_news /
Redaktion: SELK-Gesamtkirche /
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