50 Jahre SELK: Podiumsveranstaltung | 27.06.2022

Perspektiven: 50 Jahre SELK
Podiumsveranstaltung zum Jubiläum


Oberursel, 27.6.2022 - selk - Am 25./26. Juni feierte die Selbständige Evangelisch-Lutherische Kirche (SELK) das 50. Jubiläum des Zusammenschlusses dreier bis dahin eigenständiger lutherischer Kirchen auf dem Gebiet der alten Bundesländer. Das Festwochenende fand auf dem Campus der Lutherischen Theologischen Hochschule (LThH) der SELK in Oberursel statt, die damit gleichzeitig - nach dreijähriger pandemiebedingter Pause - ihr jährliches Sommerfest verband.

Zur Eröffnung erinnerte der Bischof der SELK, Hans-Jörg Voigt D.D. (Hannover), daran, dass vor 50 Jahren ein Rechtstext - nämlich die Grundordnung der SELK - "gefeiert" wurde. Mit dem Inkrafttreten der von allen drei beteiligten Vorgängerkirchen erarbeiteten Grundordnung am 25. Juni 1972, dem Gedenktag des Augsburger Bekenntnisses, war die Gründung der SELK vollzogen.

Den Auftakt zum Festprogramm bildete eine Podiumsveranstaltung mit vier Kurzvorträgen und einer kurzen anschließenden Diskussionsrunde.

An die Geschichte der Vorgängerkirchen und den Einigungsprozess erinnerte zunächst Dr. Werner Klän D.Litt. (Lübeck), emeritierter Professor für Systematische Theologie der LThH. Am Beispiel der Ereignisse an Weihnachten 1834 in dem schlesischen Dorf Hönigern - als ein preußischer berittener Trupp sich gewaltsam Zugang zur Kirche der lutherischen Gemeinde verschaffte, den Pastor verhaftete und die neue Unions-Agende auf den Altar legte - verdeutlichte Klän, welch große Verantwortung die Lutheraner damals für ihre Kirche übernahmen. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurde eine Annäherung der bisher getrennten konkordienlutherischen Kirchen in Deutschland möglich. Dieser Prozess, so erläuterte Klän, wurde nach dem 2. Weltkrieg durch die geteilte Not beschleunigt. Als wichtige Faktoren mit integrierender Wirkung nannte Klän die Gründung der Lutherischen Theologischen Hochschule als gemeinsame Ausbildungsstätte sowie die Dynamik, die von der Bleckmarer Mission ausging. Der Name der SELK sei Programm, sagte der Referent und fasste dies so zusammen: "Selbständig ist sie, weil alle miteinander Verantwortung für diese unsere geliebte Kirche tragen.

Evangelisch ist sie, weil wir aus der Reformation des 16. Jahrhunderts kommen und Gottes Wort allein zu sagen hat, was in der Kirche gilt. Sie ist bewusst lutherisch - und nicht ,auch' lutherisch, sondern nur lutherisch.

Wir wollen lutherische Kirche in Identität und kirchlicher Verbindlichkeit erhalten, bewahren und fortsetzen." Natürlich stehe die SELK auch vor Herausforderungen, sagte Klän abschließend. Und die größte Herausforderung sei, den inneren Zusammenhalt der Kirche zu bewahren, zu entwickeln und zu verstärken. "Und dann wird die Stimme unserer zahlenmäßig kleinen, aber mit einem reichen Erbe gesegneten Kirche auch hörbar sein in der Ökumene." Denn: "Lutherische Kirche ist im Ansatz und im Anspruch immer ökumenisch und immer konfessionell."

Dr. Andrea Grünhagen, Kirchenhistorikerin und Referentin für Theologie und Kirche im Kirchenbüro der SELK (Hannover), nahm das von Klän erwähnte Beispiel auf und brachte als Ausgangsbild für ihre Ausführungen einen Stein der Kirche von Hönigern mit. Sie zitierte dazu Rudolf Rocholl, der in der Anfangszeit der altlutherischen Kirche als Kirchenrat in Breslau geschrieben hatte: "Unserer Kirche wurde ihre Stellung angewiesen und ihre Aufgabe in die Hand gedrückt, als die Väter in der Winternacht die Kirche von Hönigern umringten." Neben dem Bild des festen Steins, "solide, ein Zeugnis für das Bekenntnis der rechtgläubigen Kirche aller Zeiten", der die SELK auch sei, skizzierte Grünhagen die gegenwärtige Situation der Kirche eher als Mosaik oder gar Kaleidoskop - mit "kleinen Steinen, die verrutschen, die immer wieder neue Muster bilden". Doch bei allen Krisen, die die Kirche derzeit erlebe, wäre es nicht adäquat, so die Referentin, die kirchliche Wirklichkeit nur unter den Stichworten Streit, Abbruch, Verlust zu beschreiben, sondern auch mit Dankbarkeit von Aufbruch, Bewahrung, Glauben, Treue und Freude an der Kirche zu reden.

Robert Kolb, emeritierter Professor des Concordia Seminary in St. Louis, USA, erinnerte an verschiedene Verbindungen zwischen der SELK und ihrer US-amerikanischen Schwesterkirche, der Lutherischen Kirche-Missouri-Synode.

Er tat dies mit persönlichen Reminiszenzen und betonte dabei vor allem die gewinnbringende und wichtige Bedeutung persönlicher Kontakte. Die Gastfreundschaft und die Kollegialität in der SELK beschrieb er als beispielhaft. Beeindruckt zeigte sich Kolb außerdem von dem musikalischen Erbe der SELK. Auch Kolb hob die große Bedeutung der LThH - und aus Sicht seiner Kirche, der Missouri-Synode, besonders die Austauschprogramme der LThH mit dem Concordia Seminary in St. Louis - sowie der Lutherischen Kirchenmission (Bleckmarer Mission) der SELK hervor. Die SELK zeichne sich aus durch die Bereitschaft, mit allen Christen ins Gespräch zu kommen, im Vertrauen darauf, dass die lutherische Theologie der gesamten Ökumene viel zu bieten habe. "Darin ist die SELK für uns auf der anderen Seite des Teichs ein Musterbeispiel, das wir viel ernster nehmen müssten", so der amerikanische Theologe.

Zum Schluss wagte Dr. Christoph Barnbrock, Professor für Praktische Theologie an der LThH, einen Ausblick in die Zukunft des kirchlichen Lebens in der SELK. Er hatte dafür 10 Thesen formuliert. Die SELK werde immer neu lernen müssen, sich darauf zu besinnen, wofür sie in ihrem Kern stehe - und dies auch verständlich auszudrücken, so die erste These, der sich die zweite inhaltlich anschloss, nämlich der Hinweis auf die Bedeutung der kirchlichen Bildungsarbeit. Barnbrock führte aus, dass es der Kirche in Zukunft auch darum gehen müsse, einerseits das Verhältnis von Veränderung und Bewahrung auszutarieren, und andererseits, mehr noch als bisher, der Aufgabe nachzukommen, "ihr Verhältnis zu einer demokratischen, nachaufklärerischen, zunehmend nicht mehr christlich geprägten Gesellschaft zu definieren". Dazu gehöre, so These fünf, auch das Phänomen der Globalisierung. "Auch hierzu wird sich die SELK gerade auch im Miteinander mit ihren Schwester- und Partnerkirchen weltweit verhalten müssen". Die erheblichen Veränderungen in den kirchlichen Strukturen und Arbeitsweisen durch Mitgliederrückgang und Personalmangel, die ökumenische Vernetzung, das Eingeständnis und die kritische Auseinandersetzung mit eigenen Schattenseiten sowie missionarische und diakonische Initiativen waren weitere Themen, die Barnbrock für die Zukunft der SELK und ihre Gemeinden formulierte. In seiner letzten These betonte der Theologe: "In der Krise dürfen wir neue geistliche Aufbrüche erwarten und erbitten." Die Situation sei weder künstlich zu dramatisieren noch schönzureden, sagte der Referent zum Schluss, aber: "Immer wieder in der Kirchengeschichte waren Krisenzeiten auch Situationen, in denen den Kirchen zugleich geistliche Neuaufbrüche geschenkt worden sind. Darauf haben wir keinen Anspruch. Aber der Anfechtung, die wir kirchlich erleben, mit einer intensivierten Lektüre der Heiligen Schrift und im Gebet zu begegnen, trägt auf jeden Fall eine Verheißung."

Die Podiumsveranstaltung wurde umrahmt vom Spiel der Bläsergruppe Hessen-Süd. Die Moderation hatte Doris Michel-Schmidt (Limburg) übernommen.

In zwei parallelen Gesprächsrunden konnten interessierte Besucherinnen und Besucher anschließend mit den Referenten ins Gespräch kommen und das Gehörte vertiefen.

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Ein Bericht von selk_news /
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