Als Lehrbeauftragte in Oberursel


Zusätzlich zu den Professoren und den Sprachlehrkräften gibt es an der Lutherischen Theologischen Hochschule der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche (SELK) in Oberursel eine Reihe theologischer Lehrbeauftragter, die – jeweils befristet von der Kirchenleitung berufen – Zusatzveranstaltungen zu dem Lehrangebot der Fakultät anbieten. Eine dieser Lehrbeauftragten ist Pastoralreferentin Dr. Andrea Grünhagen (Hannover). Für selk.de gibt sie Auskunft über diese Aufgabe.


Oberursel

Sie sind „Lehrbeauftragte“ an der Hochschule in Oberursel.
Was haben Lehrbeauftragte, was die fünf Professoren der Hochschule nicht haben?

„Lehrbeauftragte“ bieten ein Zusatzangebot an Lehrveranstaltungen. Damit die in der Studienordnung für die theologischen Abschlüsse notwendigen Veranstaltungen besucht werden und Leistungsnachweise erbracht werden können, sind die fünf Lehrstühle für die fünf Fächer der Theologie (Altes Testament, Neues Testament, Systematische Theologie, d.h. Dogmatik und Ethik, Kirchengeschichte und Praktische Theologie) Voraussetzung.
Dazu kommen Unterrichtsinhalte z.B. in Missionskunde oder Diakoniewissenschaft oder Kirchenrecht oder Feldern der Praktischen Theologie, die ebenfalls für ein kirchliches Examen nötig sind und die durch Lehrbeauftrage abgedeckt werden. Und dann gibt es Veranstaltungen wie meine Angebote, die die Möglichkeiten für Vertiefung und eine Ausweitung des Themenspektrums liefern.

Ein Unterschied zu den Professoren, die mindestens den Grad eines Doktors der Theologie haben müssen, ist noch, dass dies für Lehrbeauftragte nicht gilt. Man holt sich also auch ein Stück Praxis der kirchlichen Arbeit mit ins Boot.

Welchen Umfang hat so ein Lehrauftrag?
In der Regel ist der Umfang eine Wochenstunde pro Semester und wird meistens in Blockveranstaltungen angeboten. Das dient dazu, dass man nicht jede Woche zum Unterrichten anreisen muss und dass die Veranstaltungen in den Stundenplan, meistens in den Randstunden, einfacher integriert werden können.

Welche Rolle spielen die niedrigen Studierendenzahlen für die Veranstaltungen?
Das ist unterschiedlich. Eine Vorlesung ist in der Vorbereitung immer gleich viel Arbeit, egal ob zwei Leute zuhören oder 200. Für ein Seminar oder eine Übung macht es einen Unterschied. Negativ, weil das Gespräch manchmal besser in Gang käme und noch mehr Sichtweisen eingebracht werden könnten, wenn nicht immer nur die gleichen drei Personen miteinander reden würden. Positiv, weil die Wissensvermittlung viel individueller möglich ist. Eine persönliche Trainerstunde beim Sport oder im Instrumentalunterricht allein kosten ja aus guten Gründen mehr als in der Gruppe. Kleine Lerngruppen bedeuten intensiveren Unterricht.

Wie alle anderen, die an unserer Hochschule lernen oder lehren, wünsche ich mir natürlich auch, dass sich mehr junge Menschen an unserer Hochschule einschreiben würden, nicht nur aus der SELK. Ich möchte auch gerne dazu beitragen, dass in unserer Kirche mehr Jugendliche den Mut fassen, Pfarrer bzw. Pastoralreferentin zu werden.

Die niedrigen Studierendenzahlen an unserer Hochschule bedeuten für mich auch, dass ich, wenn von „den Studenten“ die Rede ist, jeden Einzelnen mit seiner Geschichte, seinen Schwächen und Stärken und seinen (An)-fragen sehen kann.

Ihr Lehrauftrag betrifft das Fach „Kirchengeschichte".
Wo liegt dabei Ihr Schwerpunkt?
Welches Thema haben Sie in diesem Semester behandelt?

Um ein Thema für ein Semester zu finden, stelle ich mir drei Fragen. 1. Wo habe ich das nötige Fachwissen, z.T. auch, weil es mich mehr interessiert als anderes? 2. Was passt zum sonstigen Lehrangebot in diesem Semester (dazu informieren Prof. Dr Gilberto da Silva und ich uns immer gegenseitig) und 3. Was interessiert die Studenten vermutlich?

Was letzteres angeht, finde ich den pädagogischen Grundsatz ganz einleuchtend, dass man immer vom Bekannten zum Unbekannten gehen sollte, dass es gut ist, wenn es emotionale Anknüpfungspunkte gibt und dass man einem Menschen im tieferen Sinne nur das beibringen kann, was er auch selbst lernen möchte. Ich bin dankbar, dass das bei einem Lehrauftrag möglich ist.

In diesem Wintersemester war das Thema „Zinzendorf und das geistliche Leben der Herrnhuter Brüdergemeine“. Da befinden wir uns im 18.Jahrhundert. Davor gab es „Wilhelm Löhe und die Liturgie der lutherischen Kirche“, also 19.Jahrhundert. Ein Überblick über die Geschichte des Mönchtums (also von den Wüstenvätern bis zum Thema „Kloster in heutiger Zeit“) war ein spannendes Thema, ebenso „Werner Elert und Hermann Sasse im Vergleich“, 20. Jahrhundert, was ich mit Prof. Dr. Christian Neddens vor einiger Zeit gemeinsam unterrichtet habe.

Wo es passt, stelle ich oft auch Bezüge zur Geschichte unserer Kirche her.

Was ist Ihnen als Lehrende an diesem Thema besonders wichtig geworden?
Am Thema dieses Semesters, also die Entstehung und Prägung der Herrnhuter Brüdergemeine, habe ich selbst großes Interesse, weil mich Frömmigkeitsgeschichte fasziniert. Und ich mag die Oberlausitz …. 😊!

Besonders wertvoll waren mir die geistlichen Gespräche, die sich im Unterricht ergeben haben. Man kann ein solches Thema so aufziehen, dass man einfach die Fakten darstellt. Man kann auch Fakten vermitteln und immer gleich bewerten. Dann kommt man zu dem wenig überraschenden Ergebnis, dass Zinzendorf nur bedingt als Lutheraner gelten kann. Ich habe immer wieder Fragen gestellt wie: „Was könnte an dieser Form der Frömmigkeit, an diesem Gedanken, an diesem Phänomen gut sein? Warum hat man das wahrscheinlich so gemacht? Was würden Sie anders machen oder anders sehen? Was können wir für uns daraus lernen?“

Bewegt hat mich, was Studenten zu dem Ausspruch Zinzendorfs, Herrnhut solle „ein Asyl für die Geradheit und Wahrheit“ sein, gesagt haben. Zinzendorf dachte daran, dass eine Gemeinde so etwas wie ein Gasthaus, eine Pilgerherberge, ein Sanatorium zur Erholung von der Arbeit und zur Zurüstung für die Arbeit in der Welt sein sollte. Oder, wie jemand im Unterricht sagte: „Ein Ort, wo es anders ist.“

Lehrauftrag: Last oder Lust?
Für mich auf jeden Fall Lust. Man unterrichtet ja nie, ohne selbst etwas für sich zu lernen. Es ist ein Zeichen des Vertrauens, dem theologischen Nachwuchs etwas beibringen zu dürfen. Ich habe einmal jemanden bei einem SELK-Kirchentag sagen hören, die Kinder, die da gerade auf der Bühne standen, seien nicht die Zukunft der Kirche, sondern ihre Gegenwart. Das gilt für unsere zukünftigen Pfarrer (zukünftige Pastoralreferentinnen haben wir gerade nicht) auch. So möchte ich sie wertschätzen. Die Lehrbeauftragen vermitteln über den eigentlichen Unterrichtsstoff hinaus zusätzlich auch ein Stück „Gegenwart der Kirche“ in ihren unterschiedlichen Arbeitsfeldern, einfach, weil man sich persönlich kennenlernt. Dass ist besonders für diejenigen in Oberursel wichtig, die nicht aus der SELK stammen. Und es ist einfach eine große Freude.

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