Zum 200. Geburtstag von Friedrich Brunn (1819 – 1895)
Am 15. Februar 2019 jährt sich der Geburtstag von Friedrich Brunn zum 200. Mal. Er gilt als Begründer der evangelisch-lutherischen Zionsgemeinde in Steeden, die heute zur Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche (SELK) gehört. Brunn zählt zu den geschichtlich und theologisch entscheidenden Persönlichkeiten bei der Entstehung selbständiger evangelisch-lutherischer Kirchen in Deutschland im 19. Jahrhundert.
Propst i.R. Manfred Weingarten (Verden/Aller) skizziert im Kirchenblatt der SELK, „Lutherische Kirche“, wesentliche Lebensstationen und erläutert, warum es sich lohnt, sich auch noch heute an Brunn zu erinnern. Dieser Beitrag wird auch hier veröffentlicht.
Die Zionsgemeinde Steeden geht zurück auf das Wirken von Pfarrer Friedrich August Brunn, der vor 200 Jahren, am 15. Februar 1819, auf Schloss Schaumburg bei Balduinstein als Sohn des dortigen reformierten Hofpredigers Friedrich August Brunn geboren wurde.
Der Vater war von dem damals vorherrschenden Rationalismus, dem „Vernunftglauben“ der Aufklärungszeit, geprägt und entsprechend war auch die Erziehung seiner Kinder. Friedrich Brunn berichtet in seiner Selbstbiographie „Mitteilungen aus meinem Leben, dass er in seinem Elternhaus kein Gebet gelernt und keine Beziehung zu Gott und dem Glauben gefunden habe.
Er besuchte von 1833 bis 1837 das Gymnasium in Weilburg. Er wurde auch dort, wie er in seinen Mitteilungen schreibt, in religiöser Hinsicht nicht gefördert. Trotzdem entschloss Brunn sich auf Wunsch des Vaters zum Studium der Theologie und ging nach Leipzig an die Universität. Dort lernte er den späteren Direktor der Leipziger Mission, Karl Graul, kennen und kam durch den Kontakt mit ihm und in der Beschäftigung mit dem Wort Gottes zum lebendigen Glauben an Jesus Christus. Von Leipzig aus ging er nach Bonn und dann an das theologische Seminar in Herborn. So war sein Weg als Pfarrer in der seit 1817 unierten Kirche in Hessen und Nassau festgelegt. Am 19. Oktober 1842 wurde ihm von dem Fürsten, Herzog Adolf von Nassau, eine Berufung als Kaplan nach Runkel ausgestellt, nachdem er in Wiesbaden die Ordination zum Amt der Kirche erhalten hatte. Zu dem Kirchspiel Runkel gehörten auch die Dörfer Ennerich, Hofen und Steeden.
Durch seine vom Glauben geprägten Predigten und seine intensive seelsorgerliche Tätigkeit gewann er immer mehr Anhänger. Das wirkte sich auch bald im Besuch der Gottesdienste aus. Der Raum der Kirche reichte nicht mehr aus, so dass er auch im Freien predigte, z.B. von der Runkeler Schlosstreppe.
Als Brunn sich in dieser Zeit immer intensiver mit dem lutherischen Bekenntnis beschäftigte, weil er auch für sich selbst die Stärkung des Glaubens und der Heilsgewissheit suchte, kam er zu ganz neuen Erkenntnissen. Die unierte Kirche stand für ihn nicht im Einklang mit der Lehre Martin Luthers und dem Augsburger Bekenntnis von 1530.
In seiner Predigt am 2. Pfingstfeiertag 1846 sprach er unverhohlen aus, dass nach seiner Erkenntnis die nassauische Kirche vom schriftgemäßen Bekenntnis abgewichen sei. Dies brachte ihm einen Verweis der Kirchenoberen ein. Pfarrer Brunn und 32 Familien aus Steeden, Hofen und Ennerich erklärten ihren Austritt aus der Landeskirche mit der Absicht, eine freie Gemeinde mit klarem lutherischem Profil zu gründen. Brunn selbst war zu diesem Entschluss gekommen durch ein Gutachten von Prof. von Harless aus Leipzig und einen Brief von Wilhelm Löhe aus Neuendettelsau. Beide hatten Brunn zum Austritt und zur Bildung einer eigenständigen lutherischen Gemeinde geraten.
In der Folgezeit kam es zur Auseinandersetzung mit der Regierung, die schließlich zur Ausweisung Brunns aus dem Herzogtum führte mit der klaren Untersagung jedweder Amtshandlungen. Brunn folgte dem und ging nach Neuendettelsau zu Löhe und später nach Saarbrücken. Er kehrte aber heimlich und oft bei Nacht und unter Lebensgefahr zurück, um die Glieder der neugegründeten Gemeinde geistlich zu versorgen.
Nach der Zeit der Verfolgung trat nach der Revolution 1848 eine Änderung ein: Die bisherigen Beschränkungen der Religionsfreiheit wurden aufgehoben, und Brunn konnte zurück zu der neugegründeten Gemeinde. Das Staatsministerium bescheinigte in einem Dekret vom März 1848 formal die Freiheit des Gottesdienstes und bestätigte Pfarrer Brunn als Seelsorger der Zionsgemeinde Steeden. Jetzt ging die Gemeinde an den Bau einer Kirche. Die Kirchweihe war am Fest der Himmelfahrt Christi im Jahre 1849.
In der Folgezeit entstanden durch das Wirken von Brunn auch an anderen Orten freie lutherische Gemeinden: Gemünden im Westerwald, Usingen, Allendorf/Lumda bei Gießen, Allendorf/Ulm, Wiesbaden. Für die Gemeinde in Usingen wurde im Oktober 1850 ein junger Mann aus Sachsen von Pfarrer Löhe empfohlen und von ihm in Steeden ordiniert. Das Wirken von Brunn ging über die Landesgrenzen hinaus, und ein Großteil der neu entstandenen Gemeinden existiert noch heute (in der SELK), wie auch die Zionsgemeinde in Steeden heute mit ca. 400 Gliedern. Im Jahre 1952 konnte sogar in Aumenau eine Kapelle für die dortigen Gemeindeglieder gebaut werden.
Als Friedrich Brunn im Jahre 1895 starb, konnte er auf ein bewegtes und segensreiches Leben zurückblicken, wobei ihm am Ende auch in der Öffentlichkeit Anerkennung zuteilwurde.
Das Grab von Friedrich Brunn und seiner Frau ist bis auf den heutigen Tag erhalten geblieben: ein großes steinernes Marmordenkmal mit einem Kreuz. Dabei ist die Inschrift auf der Rückseite bemerkenswert: „gestiftet von seinen früheren Schülern“. Das erinnert an eine Tätigkeit von Brunn, die weitreichende, ja weltweite Wirkung hatte.
Friedrich Brunn pflegte eine intensive Beziehung zu lutherischen Pastoren, die im 19. Jahrhundert zu neuer Erkenntnis des lutherischen Glaubens und Bekenntnisses gekommen waren. So kam er auch in Kontakt zur Ev.-Luth. Missouri-Synode in Nord-Amerika.
Der Präses dieser Synode Friedrich Wyneken hatte in einem Brief an die lutherischen Kirchen in Deutschland auf die Nöte der amerikanischen lutherischen Kirchen verwiesen. Sie hatten zu wenige Pastoren und Lehrer. Und so bat er in dieser Sache um Hilfe und Unterstützung.
Dieser Aufruf fand Gehör und erreichte schließlich auch Friedrich Brunn. 1862 richtete Brunn in Steeden ein so genanntes Pro-Seminar ein. Er unterrichtete junge Männer aus ganz Deutschland, um sie in ca. 2 Jahren auf ein Studium in Amerika vorzubereiten. Sie sollten dort als Pastoren und Lehrer zum Einsatz kommen. So haben in den Jahren 1862 bis 1886 etwa 250 junge Männer bei Friedrich Brunn in Steeden eine Vorbereitung für das Studium erhalten. Unter den Ausgesandten waren auch vier aus der Steedener Gemeinde, darunter zwei Söhne von Brunn.
Manfred Weingarten (gekürzt)