Flüchtlinge als Herausforderung für christliche Gemeinden
39. Louis-Harms-Konferenz
„Was können wir für die hier kürzer oder länger bleibenden Flüchtlinge tun?“ Auf diese Frage gab es auf der 39. Louis-Harms-Konferenz am 12. November in den Räumen der Pella-Gemeinde der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche (SELK) in Farven sehr differenzierte Antworten. Weitgehender Konsens dabei war: Es braucht persönliche Kontakte, das gegenseitige Kennenlernen, um Unsicherheit und Angst abzubauen. Und: Hilfe muss zuerst ohne Absicht sein. Das Gespräch über den Glauben folgt dann automatisch, wenn Vertrauen gewachsen ist.
Anhand konkreter Beispiele wurden an der Konferenz Probleme und mögliche Lösungsansätze in der Arbeit mit Flüchtlingen aufgezeigt. Pastor Markus Kalmbach (Winsen/Luhe), früher Missionar in Südafrika, machte die Zusammenhänge deutlich zwischen der wirtschaftlichen Entwicklung in einer globalisierten Welt und den Krisen und Kriegen, die Menschen zur Flucht zwingen. Unser Wohlstand hier im reichen Norden sei auch auf den Ressourcen des Südens errichtet worden, sagte Kalmbach und illustrierte dies mit eindrücklichen Beispielen. Wir dürften uns daher nicht wundern, wenn Menschen zu uns kommen. Das Problem seien nicht die Flüchtlinge, sagte der Referent: „Das Problem, die Ursache sind die vielen Kriege, der Terrorismus und die Folgen des Klimawandels. Die Flüchtlinge sind immer nur eine Folge.“ In Winsen/Luhe hatte der ehemalige Missionar das „Internationale Café“ mit initiiert, in dem sich nicht nur Gemeindeglieder engagieren. Vor Ort wird weitgehend anerkannt, dass dieses breit gefächerte Angebot wesentlich dazu beigetragen hat, dass es bisher keinerlei üble Zwischenfälle gab. Man habe das Projekt anfangs bewusst nicht missionarisch angefangen, so Kalmbach, aber jetzt, nach drei Jahren, würden sie häufig gefragt: Warum macht ihr das? Und so habe sich ein Gesprächskreis formiert mit Flüchtlingen, die mehr über den christlichen Glauben wissen wollten.
Ebenfalls engagiert berichtete Pastor i.R. Klaus Fitzner von Erfahrungen in Schwanewede, wo in einer Kaserne eine Massenunterkunft als Notbehelf eingerichtet wurde. Der seit 38 Jahren bestehende Runde Tisch, der sich immer um Flüchtlinge gekümmert hatte, wurde wieder aktiv. Die Behörden, die mit der Situation völlig überfordert waren, überließen den Ehrenamtlichen viel Freiräume und Verantwortung, so dass sie sich nicht nur um die äußeren Bedürfnisse kümmern konnten, sondern auch um die geistlichen. Sie richteten einen Raum der Andacht ein, legten christliche Literatur in Farsi und Arabisch aus und gaben Taufunterricht.
Für den erkrankten SELK-Pfarrer Thomas Seifert war SELK-Pfarrer i.R. Fritz-Adolf Häfner eingesprungen und berichtete über die Anfänge der Arbeit mit Iranern in Leipzig und die Entwicklung seither. Er schickte seinen Ausführungen eine kurze Rechtfertigung vom christlichen Zeugnis für Muslime voraus und erzählte dann von zwei Iranern, die durch viel Not und großem Risiko zu Christus gefunden und ihre neue Überzeugung glaubhaft gelebt haben, denen aber deutsche Richter dies absprachen, sodass sie wieder abgeschoben wurden.
Dass Migranten auch für andere, für uns, zum Segen werden können, klang in verschiedenen Beiträgen immer wieder an. Und nicht nur in der Bibelarbeit über das Gleichnis vom barmherzigen Samariter wurde klar, dass all die Fluchtgeschichten in der Bibel aufzeigen, wie Gottes Heil sich ereignet – mitten in allem menschlichen Versagen.
Die rund 110 Teilnehmenden zeigten sich beeindruckt und betroffen von den erzählten Erfahrungen und den Informationen. „Louis Harms hätte sich über diese Konferenz gefreut!“, sagte Pfarrer i.R. Dr. Hartwig Harms (Hermannsburg | Foto), einer der Organisatoren, am Schluss der Konferenz. Er erinnerte an den Namensgeber der Konferenz, der damals, im 19. Jahrhundert, genauso mit dem Thema konfrontiert war. Hartwig Harms: „Die Worte ‚Flüchtling‘, ‚Migration‘ und ‚Asyl‘ waren zwar zu seiner Zeit noch nicht üblich. Doch die damit gemeinten Migrationsbewegungen waren damals genauso stark wie heute, und auch er hatte damit zu tun. Nur dass die Migration vor allem aus Deutschland heraus führte – nach Übersee – und man von ‚Auswanderung‘ sprach.“