Jahrbuch Mission
Das „Jahrbuch Mission 2020“ (www.demh.de/jahrbuch-mission) erschienen. Superintendent Markus Nietzke (Hermannsburg) von der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche (SELK) hat daran mitgewirkt. Grund genug für das Team von SELK.de, bei ihm nach dieser Publikation zu fragen.
SELK.de: Was ist das „Jahrbuch Mission“?
Nietzke: Das Jahrbuch Mission erscheint seit 1951 im Verlag der Deutschen Evangelischen Missionshilfe. Das Jahrbuch und die Inhalte darin reflektieren das Missionsverständnis vergangener Jahrzehnte und der Gegenwart. Der seinerzeit berühmte Missionswissenschaftler Walter Freytag schrieb 1951 in einem Geleitwort zu dem Jahrbuch von der „notwendigen Neubesinnung über das Wesen der Mission nach der Schrift und im Blick auf die gegenwärtige Lage der Christenheit“ nach dem Zweiten Weltkrieg um dem nach wie vor geltenden „Ruf zur Mission“. Das „Jahrbuch Mission“ (damals hieß es noch „Jahrbuch Deutsche Evangelische Weltmission“) war andererseits auch das Publikationsorgan verschiedener evangelischer Missionskonferenzen, die sich Anfang des 20. Jahrhunderts in verschiedenen Regionen und Ländern Deutschlands gebildet hatten. Im Laufe der Jahrzehnte fielen bestimmte Worte weg, die ihrerseits auch deutlich machen, wie sich das Missionsverständnis wandelte. 1957 entfällt das Wort „Deutsche“ im Titel des Jahrbuchs, 1986 auch das Wort „evangelisch“. Seither heißt es nur noch „Jahrbuch Mission“, weil es prinzipiell ökumenisch ausgerichtet ist. Wiederum wendete sich dieses: Seit 1995 ist der Titel nur noch eine Marke. Seither wird von der Redaktionskonferenz für jeden Jahrgang ein bestimmtes Thema festgelegt. Während das Jahrbuch Anfang der 1990ger Jahre in einer Auflage von knapp 10.000 erschien, liegt die Auflage gegenwärtig bei etwa 3.000 Exemplaren. Gegenwärtig wird das „Jahrbuch Mission“ in vielen längst ökumenisch und partnerschaftlich orientierten Missionswerken und Landeskirchen gerne als Jahresgabe für eine interessierte Leserschaft zu Verfügung gestellt. Überhaupt: Das Thema „Mission“ in Büchern oder Zeitschriftenartikeln trifft nur auf eine sehr kleine Gruppe von Interessierten. Dass es das „Jahrbuch Mission“ also (noch) gibt, ist an sich schon bemerkenswert.
SELK.de: Was haben „wir“ (aus dem Bereich der SELK) damit zu tun?
Nietzke: Solange ich Missionar der Lutherischen Kirchenmission der SELK mit Sitz in Bleckmar und später deren Missionsdirektor war, haben wir das „Jahrbuch Mission“ allen Mitarbeitenden in Deutschland und aller Welt nahezu jährlich zukommen lassen. Ganz im Sinne einer Jahresgabe. Als Vereinbarungspartner des EMW (Evangelisches Missionswerk) haben wir nicht nur den Großteil unserer Finanzüberweisung in alle Welt über „Hamburg“ (Sitz des EMW) abgewickelt, sondern durften als Missionsdirektoren und Missionare an verschiedenen Konferenzen und Veranstaltungen teilnehmen. Sichtbar wurde dieses gute Miteinander in aller Regel auch bei einer Amtseinführung eines Missionsdirektors, wenn der Direktor des EMW zu Gast war. Diese doch recht engen und ausgesprochen guten Beziehungen gehen zurück auf die Zeit von Missionsdirektor Friedrich Wilhelm Hopf, aber auch auf die Herausgeber des Missionsblatts der Bleckmarer Mission seit 1892. Unsere Kirche verdankt dem EMW als Dienstleister für Missionsfragen aller Art erheblich mehr, als gemeinhin bedacht wird oder bekannt ist.
SELK.de: Was sind Ihre Verbindungen zu dem Periodikum „Jahrbuch Mission“?
Nietzke: Ich lese dieses Periodikum also schon seit knapp 40 Jahren. Meine Verbindung dahin möchte ich vielleicht mit einem kleinen Bild umschreiben: Es war schon immer das geöffnete Fenster mit Blick in die weltweite Mission verschiedenster Kirchen und Organisationen. Seit etwa zehn Jahren wirke ich als Mitherausgeber dieses Periodikums mit. Während ich sonst Rezensionen schrieb, durfte ich für dieses Buch (Jahrbuch Mission: Fokus Schöpfung. Klimawandel. Umweltverantwortung. Öko-Theologie.) erstmals einen eigenen Beitrag schreiben.
SELK.de: Wo kommen die Verbindungen zum „Jahrbuch Mission“ her?
Nietzke: Mein erstes Exemplar des Jahrbuchs schenkte mir der damalige Vikar meines Vaters, Edmund Hohls, auf der Missionsstation Roodepoort bei Ventersdorp in Südafrika 1987. Die Lektüre des Jahrbuchs öffnete schon immer den Horizont weit über das hinaus, was wir als lokales oder regional tätiges kleines lutherisches Missionswerk in Südafrika, Brasilien, zeitweilig in Australien oder jüngst in Deutschland vor Augen hatten und haben. In einer Befragung vor meiner Wahl zum Missionsdirektor der Lutherischen Kirchenmission 2003 wurde mir die Frage nach einer „gewissen ökumenischen Aufgeschlossenheit“ gestellt. Die trage ich schon seit meiner Geburt in mir. Wenn man in einem kleinen Dorf mit knapp 8.000 Einwohnern mit 20 verschiedenen Kirchen und anderen religiösen Gemeinschaften (Animistischen Religionen, Judentum, Islam, Hinduismus und Buddhismus) in der unmittelbaren Nachbarschaft aufwächst, bleibt das mit einigermaßen offenem Gemüt wohl auch nicht aus. Vor gut zehn Jahren wurde ich eingeladen, Mitglied in der damals noch existierenden „Allgemeinen Hannoverschen Missionskonferenz" (AHMK) zu werden. Diese wiederum war Mitglied im „Verband Evangelischer Missionskonferenzen“ (VEMK), der wiederum den Redaktionskreis des Jahrbuchs Mission berief. Klingt ganz schön kompliziert! Zuerst wurde ich also Mitglied der AHMK, dann der Vorsitzende der AHMK und in dieser Funktion Teil des VEMK. Diese berief mich zum Mitglied der Redaktion des Jahrbuchs Mission. Inzwischen hat die Herausgeberschaft gewechselt und ich bin gespannt, ob ich im nächsten Jahr in einen dann neu zu bildenden Redaktionskreis des Jahrbuchs berufen werde.
SELK.de: Wie gestaltet sich die Mitarbeit am „Jahrbuch Mission“? Was bedeutet das an Arbeit?
Nietzke: Die Redaktionskonferenz tritt zweimal im Jahr für anderthalb Tage zusammen. Dabei werden das Thema und die Konzeption des künftigen Jahrbuchs entwickelt und Rückschau gehalten. Zwischen den beiden Treffen liegt ein halbes Jahr, damit die Gedanken sich sortieren, vertieft oder weitergeführt werden. Es wird auf den Tagungen überlegt, welche Autorinnen und Autoren angefragt werden können. Als Redaktion legen wir großen Wert darauf, dass einerseits möglichst viele jüngere Menschen aus verschiedensten Ländern der Welt und andererseits weit mehr als bisher in der Fachliteratur oft üblich, Frauen und junge Wissenschaftlerinnen zu Wort kommen – aber ausdrücklich ohne Quotengedanken oder ähnlichem Hintergrund. Es geht um die Perspektive. Das Jahrbuch ist keine wissenschaftliche Zeitschrift mit Fußnoten und Ähnlichem, legt aber trotzdem großen Wert auf gut recherchierte und fundierte Artikel. Mit großer Bescheidenheit darf ich sagen, dass ich dabei immer wieder auch auf Referenten oder Rezensentinnen aus dem Bereich der konkordienlutherischen Minoritätskirchen in aller Welt zurückgreifen darf. Ich erinnere beispielsweise an einen Artikel von Professor Dr. Werner Klän vor wenigen Jahren und einige Rezensionen, verfasst von Frauen und Männern aus unserer Kirche und Schwesterkirchen.
SELK.de: Was macht Ihren Beitrag zu Psalm 104 in der aktuellen Ausgabe des Jahrbuchs Mission aus?
Die Welt, die Schöpfung, die uns von Gott geschenkt ist, ist bedroht. Das ist nichts Neues. Nicht nur durch Naturkatastrophen, irgendwelche Kräfte oder Mächte oder sonst wen, sondern öfter, als man denkt, auch durch unser eigenes Zutun oder Handeln. Bitter, aber wahr. In welcher Intensität, darüber kann man bei uns noch streiten – es ändert nichts an der Tatsache, dass die Artenvielfalt kleiner wird, Flüsse verschmutzt sind und und und. Das Buch zeigt auf, wie weit unsere Welt vom Klimawandel und dessen Auswirkungen unter Mitwirkung der Menschheit an unterschiedlichen Stellen auf der Erde bereits vom Wandel geprägt ist. Ich stimme sehr gerne in die biblischen Lobgesänge auf die Natur als Schöpfung Gottes – wie etwa in Psalm 104 pars pro toto vorgegeben – ein. In meinem sehr persönlich gehaltenen Beitrag kommen ein paar dunkle Untertöne zum Klingen. Ich entdeckte in mir Ambivalenzen, ausgelöst durch unvergessliche Begegnungen in Gottes wunderbarer Natur und mit Menschen auf verschiedenen Kontinenten, die ich niemals missen möchte. Weder die Natur noch die Menschen noch die Begegnungen! Aber dann entdecke ich bei näherem Hinschauen beispielsweise den Müll neben der Langlauf-Loipe in den Rocky Mountains, ein verschmutztes Hafenbecken voller Plastik und Öl-Resten in einer Millionenstadt, abgeholzte Urwälder direkt neben einem Naturpark und auf ganz kleiner Ebene immer weniger Bienen, Hummeln und Libellen im eigenen Garten in Hermannsburg. Das hat einerseits eine Nachdenklichkeit in mir erzeugt, andererseits geholfen, meine Zuversicht und Trost darin zu finden, wie es am Ende von Psalm 104 heißt: „... Du machst neu das Antlitz der Erde. Die Herrlichkeit des HERRN bleibe ewiglich, der HERR freue sich seiner Werke!" Mein Beitrag im Jahrbuch 2020 ist so etwas wie ein kleiner Auftakt zu fundierten und sehr lesenswerten Artikeln zu diesem Thema aus aller Welt. Man muss nicht allem zustimmen. Die Betroffenheit über die Umweltzerstörung weltweit, um nur ein Thema zu nennen, überhaupt in ihrer Komplexität wahrzunehmen, das allein ist schon ein kleiner Erkenntnisgewinn.
SELK.de: Vielen Dank!