Hartwig Neigenfind überfallen


Pfarrer a.D. Hartwig und Almut Neigenfind, Kirchglieder der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche (SELK), sind im Dienst des Christliche Fachkräfte International e.V. im Entwicklungsdienst in Uganda tätig, um dort die Bildungsarbeit zu fördern. Während seine Frau Almut zu Besuch in Deutschland war, wurde Hartwig Neigenfind in Kampala Opfer zweier Verbrechen. Am 11. Juli hat er darüber mit einer Rundmail an einen größeren Verteiler informiert. Mit seiner Genehmigung veröffentlicht selk.de den Wortlaut an dieser Stelle.

Neigenfind

Der Herr ist mein Hirte. Mir wird nichts mangeln. Er weidet mich auf einer grünen Aue. – So weit, so gut. Aber manchmal wandert man auf seinem Lebensweg plötzlich und unerwartet durch ein finsteres Tal und fürchtet sich vor einem Unglück:

Vor etwa drei Wochen bin ich nachts in unserem Haus bei Kampala überfallen worden: Ein junger Mann hatte sich am frühen Abend unbemerkt ins Haus geschlichen. Und als ich spätabends das Haus von innen verriegelt und verrammelt hatte und ins Bett gehen wollte, kam er plötzlich maskiert und mit einem Messer bewaffnet unter unserem Bett hervorgekrochen. Ich wurde von ihm mehrere Stunden gefesselt und geknebelt, musste auf dem Boden kauern, während er das Haus von oben bis unten durchsuchte und mit mir verhandelte, bevor er mit ein paar elektronischen Geräten und ein wenig Bargeld morgens um halb drei über die Mauer verschwand.

Ich bin – Gott sei es gedankt – körperlich völlig unverletzt geblieben. Aber nachdem wohl derselbe Mann zwei Nächte später mit zwei Kollegen wiederkam und unser auf dem Grundstück geparktes Auto ausschlachtete, bin ich nun doch ziemlich mitgenommen. Beim zweiten Besuch der Ganoven habe ich zwar tief und fest geschlafen, aber diesmal wurde unser Wachmann/Gärtner bedroht und zuletzt mit Gas betäubt. Almut war während dieser Zeit in Deutschland, sodass sie glücklicherweise nur indirekt betroffen ist.

Eine direkte Gegenüberstellung einige Tage später mit einem Dutzend Verdächtiger in einem kleinen, dunklen Raum, bei dem ich dem Täter noch einmal Auge in Auge gegenüberstand, ihn identifizieren und beschuldigen musste, war auch recht belastend.

In den Nächten nach den Überfällen wurden wir auf dem Grundstück von schwerbewaffneten Polizisten bewacht, weil die Situation vor Ort leider nicht mehr sicher war. Eine Fortsetzung unserer Tätigkeit war vorerst leider nicht mehr möglich. Mein ugandischer Vorgesetzter, meine Kollegen, die Schuldirektoren und Leute aus unserem Hausbibelkreis waren enorm hilfreich, freundlich und schlossen uns in ihre Fürbittgebete ein.

Wir haben unsere Arbeit in Uganda nur äußerst ungern unterbrochen, weil wir liebe Kollegen und Nachbarn in einer furchtbaren Situation in Afrika zurücklassen mussten: Wegen einer zeitweise leicht erhöhten Zahl an positiven PCR-Testen hat der Präsident einen bis heute andauernden, katastrophalen Lockdown verhängt. Alle Schulen wurden urplötzlich wieder geschlossen. Die Lehrer stehen wieder völlig ohne Gehalt da. Alle Gottesdienste im Land wurden für sieben Wochen verboten. Niemand darf seinen eigenen Landkreis mit einem Auto verlassen, um Lebensmittel von seinen Feldern und Gärten zu holen. Die Lebensmittelpreise sind enorm gestiegen. Die Menschen sind wütend, verzweifelt und hungrig.

Aber auf ärztlichen Rat haben wir das Haus verlassen müssen, in dem die Taten verübt wurden, und sind nun kurzfristig nach Deutschland zurückgekehrt: Ich werde mich in den nächsten Wochen einer speziellen Behandlung unterziehen und von dem Schrecken hoffentlich gründlich erholen.

Unser Ziel ist es, so bald wie möglich fröhlich und optimistisch nach Uganda zurückzukehren und unsere Arbeit fortzuführen. Aber bis dahin liegt noch ein Stückchen Arbeit und Geduld vor uns. Und wir werden sehen, welche Wege uns Gott führen wird – ob und wie schnell wir unser Ziel erreichen.

Wir sind sehr dankbar,
- dass unser Heiland meinem Leben noch eine Spanne hinzugesetzt hat und ich noch Zeit auf dieser Welt habe,
- dass unsere Organisation und meine Projektmanagerin uns mit langer Erfahrung und christlicher Gelassenheit in dieser Ausnahmesituation begleiten. Alle Kosten für Behandlung und Unterhalt werden dankenswerterweise weiter übernommen,
- dass wir sonntags wieder deutsche Choräle singen und Christi Leib und Blut unter Brot und Wein in der Oberurseler Gemeinde empfangen können, wo wir lange Gemeindeglieder waren, wo einer unserer Söhne getauft wurde, wo ich Aushilfsorganist war und Almut in die SELK aufgenommen wurde,
- dass wir nun unsere Kinder, Almuts Mutter und mehrere Geschwister in der Nähe haben,
- dass ich zeitnah einen Behandlungsmöglichkeit gefunden habe, wo mir auf alle Fälle spezialisierte Fachleute bei der Bewältigung der Folgen zur Seite stehen,
- dass wir in einem Vorbereitungskurs vor unserer Ausreise sehr gründlich und sehr realitätsnah von deutschen Sicherheitsfachleuten auf genau die eingetretene Situation vorbereitet wurden, sodass ich bei dem Überfall jederzeit ganz genau wusste, was ich zu tun und was ich zu lassen hatte,
- dass wir diese unerfreuliche Erfahrung dankbar aus Gottes Hand nehmen können und weiter in Christus leben, bleiben und wachsen,
- dass Gott bei uns ist, und ob ich schon wandert im finstern Tal, fürcht´ ich kein Unglück, sein Stecken und Stab trösten uns.

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