Online-Unterricht an der Lutherischen Theologischen Hochschule
Coronabedingt musste die Lutherische Theologische Hochschule Oberursel, eine staatlich anerkannte kirchliche Hochschule in Trägerschaft der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche (SELK), wie alle Hochschulen und Universitäten in Deutschland im Sommersemester online unterrichten. Der Rektor, Prof. Dr. Christoph Barnbrock, berichtet von den gewonnenen Erfahrungen.
Wenn ich mich in diesen Tagen mit verschiedenen Gesprächspartnern über die Situation an der Hochschule und unseren Unterricht unterhalte, höre ich häufig die Frage „Und, ist der digitale Unterricht jetzt das Modell der Zukunft für euch?“
Ich gestehe, es fällt mir gar nicht so leicht, auf diese Frage zu antworten. Denn einerseits haben wir richtig gute Erfahrungen gemacht. Nicht ohne Sorgen haben wir dem Sommersemester entgegengefiebert, das wir als digitales Semester gestalten mussten. Neben dem, was an der Hochschule ohnehin aus Gründen des Arbeits- und Infektionsschutzes zu organisieren war, war nun zu entscheiden, mit welcher Plattform und wie der Unterricht gestaltet werden konnte, und sicherzustellen, dass alle Beteiligten (Dozierende wie Studierende) mit der nötigen Technik ausgestattet und auch in der Lage waren, mit alldem umzugehen. Wir sind dankbar, dass wir hier großzügige Unterstützung vom Freundeskreis unserer Hochschule erfahren haben. Technisch funktionierte am Ende das Allermeiste besser als gedacht. Sowohl unter den Studierenden als auch unter den Dozentinnen und Dozenten gab es eine große Bereitschaft, sich auf die neuen Formate (Unterricht per Videokonferenz bzw. über aufgezeichnete Videos und per E-Mail-Austausch) einzulassen und sich auch gegenseitig zu unterstützen. So ist es uns gelungen, auch diejenigen Studierenden mit dem Lehrangebot zu versorgen, die sich noch im Ausland aufhalten und wegen der Reisebestimmungen nicht nach Oberursel zurückkehren konnten oder die aus anderen Gründen wegen der gegenwärtigen Krise nicht auf dem Campus sein können. Die digitalen Angebote haben es ermöglicht, flexibel auf die ganz unterschiedlichen Bedürfnisse und Herausforderungen zu reagieren. Dass die Formate gut angenommen worden sind und gegenwärtig als hilfreich wahrgenommen werden, zeigt sich auch daran, dass nur wenige Lehrveranstaltungen jetzt, wo eine Aufnahme des Präsenzunterrichts wieder möglich wäre, in dieses Format zurückkehren.
Gleichzeitig tue ich mich schwer damit, mir den gegenwärtigen Unterricht als „Modell der Zukunft“ vorzustellen. Theologie zu lehren und zu lernen hat für mich auch mit Weggemeinschaft zu tun. Man ist gemeinsam unterwegs, tauscht sich aus. Meinungen werden diskutiert. Fragen werden gestellt. Und manchmal ergeben sich die wichtigen Gespräche gar nicht in der Lehrveranstaltung selbst, sondern beim Zusammenräumen der Unterlagen nach dem Unterricht. Das ist schließlich auch eine besondere Stärke unserer Hochschule, dass solche Begegnungen auch jenseits des Unterrichts möglich sind. Vieles davon entfällt derzeit. Mindestens eine Dimension der Kommunikation entfällt. Das Miteinander ist distanzierter. Und die Gefahr von Missverständnissen wächst. Und gerade für Studierende, die den ganzen Tag Lehrveranstaltungen haben, kann es ermüdend sein, immer auf einen Bildschirm zu starren.
Auch wenn ich meine Lehrveranstaltungen, bei denen die Hälfte der Teilnehmer nicht auf dem Campus sein kann, in diesem Semester online zu Ende bringen werde, freue ich mich deswegen auf das Wintersemester, in dem wir dann hoffentlich wieder zum Präsenzunterricht als Regelbetrieb zurückkehren können. Einiges wird aber gewiss bleiben. Die Erfahrungen dieses Semesters haben gezeigt, dass die verfügbaren technischen Möglichkeiten manche Vorteile bieten, die wir auch für die Zukunft nicht aus dem Blick verlieren sollten.
Warum sollten wir es nicht Interessierten Außenstehenden ermöglichen, die eine oder andere Lehrveranstaltung digital mitverfolgen zu können? Digitale Möglichkeiten könnten außerdem eine Hilfe sein, dass Studium flexibel zu gestalten. Und auch für die Kirche bieten sich eine Reihe von Möglichkeiten: Warum sollte eine Gemeinde nicht einen Professor von der Hochschule zu einem bestimmten Thema als Experten zum Frauenkreis „dazuschalten“, ohne dass dieser 12 bis 24 Stunden unterwegs ist und Reisekosten produziert?
Mir scheint, hier gibt es viele Möglichkeiten, die wir für die Zukunft noch entdecken und ausloten können – genauso, wie es auch noch einige Herausforderungen und offene Fragen zu bewältigen gibt. Dabei wird es immer darum gehen zu entscheiden, wo wir mit dem traditionellen Unterricht mehr gewinnen und wo wir mit neuen, digitalen Formaten besser dem dienen können, was unsere Aufgabe ist. Das lässt sich dann nur von Fall zu Fall entscheiden.
Und ganz neu ist die Fragestellung, wie mit „neuen Medien“ umzugehen ist, auch nicht. Schon bei der Durchsetzung des Telefons war es nicht anders. Manches lässt sich am Telefon gut besprechen. Aber es gibt Situationen, da möchte ich dem anderen von Angesicht zu Angesicht gegenübersitzen. Bei den Chancen und Herausforderungen, vor denen wir heute stehen, ist es nicht anders. Und ich sehe freudig-gespannt dem entgegen, was sich da in den nächsten Monaten und Jahren noch entwickeln wird.