Ich bin gern bereit, Neues auszuprobieren


Im Sommer 2017 wechselte Pfarrer Matthias Tepper von Brüssel in die St. Matthäus-Gemeinde der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche (SELK) in Plauen. Mit neuen missionarischen Initiativen und frischen Impulsen versuchen er und die Gemeinde seither, das Evangelium unter die Leute zu bringen.

Plauen

selk.de: Herr Pfarrer Tepper, Sie sind seit Sommer 2017 Pfarrer der St. Matthäus-Gemeinde in Plauen – mit welchen Erwartungen sind Sie von Brüssel hierhergekommen?


Tepper: Ein Umzug ist ja immer eine Umstellung und das ist besonders spürbar, wenn man international die Adresse wechselt. Auch wenn ich wieder in mein Heimatland zurückgekehrt bin, haben sich Land und Leute in den zehn Jahren doch weiterentwickelt, und unsere neue Heimat hier im Osten war uns ja auch unbekannt. In Belgien haben wir auf dem Land außerhalb von Brüssel gewohnt, jetzt leben wir in der Innenstadt, und anstelle einer internationalen Metropole, arbeite ich nun in einer vergleichsweise kleinen Stadt. Ich hatte eine große Umstellung erwartet und habe von Anfang an erstmal alles auf mich zukommen lassen.
Andererseits ist die Gemeindegröße hier nicht viel anders als in Brüssel, wenn es dort auch immer ein reges Kommen und Gehen gab. Die Entsendung in den Pfarrbezirk Plauen-Greiz ist mit der Aufgabe der Gemeindeentwicklung verbunden, die auch nicht viel anders war als zuvor in Belgien. Diesen Fokus für meinen neuen Arbeitsbereich habe ich hier also erwartet.
Zunächst bin ich als zurückkehrender Missionar für ein Einarbeitungsjahr hierher entsandt. Im Sommer soll meine Arbeit mit einer Berufung hier für zwei weitere Jahre verlängert werden. Meine Erwartung war, dass diese Zeit schnell vorbeigeht.

selk.de: Welche Erwartungen haben sich (nicht) bestätigt?

Tepper: Die Zeit ist tatsächlich wahnsinnig schnell vorübergegangen und unser Umzug jährt sich in Kürze schon zum ersten Mal.
Es war auch wirklich eine Umstellung, die Gott sei Dank gut gelungen ist. Die nette und einladende Art der Gemeindeglieder hat dazu einen großen Teil beigetragen. Sie waren auch sehr daran interessiert, wie wir die Gemeindeentwicklung gestalten können und haben offen und konstruktiv mitgearbeitet.

selk.de: Sie haben in kurzer Zeit mit der Gemeinde verschiedene missionarische Initiativen ergriffen, so haben Sie 5.000 Buttons mit der Aufschrift „Du bist geliebt“ verteilt und dazu auch eine Homepage (www.dubistgeliebtvon.de) ins Netz gestellt. Sie haben eine kostenlose Busfahrt nach Tschechien angeboten, und Sie sind einmal in der Woche mit der „Kaffee-Karre“ in der Stadt unterwegs. Welche Reaktionen bekommen Sie?

ButtonTepper: Was wir tun, haben wir im Kirchenvorstand und mit der Gemeinde geplant. Manches davon mag dem einen oder anderen unkonventionell vorgekommen sein. Aber wir wollten es nicht unversucht lassen. Die Reaktionen aus der Gemeinde, der Stadt und überregional sind alle durchweg positiv. Mit der Kaffeekarre sind wir im April mit großen Fotos und positiven Berichten in zwei Zeitungen gekommen und sogar ins Fernsehen (MDR). Von der Karre sowie von den Buttons hat das evangelische Nachrichtenmagzin idea.spektrum berichtet. Darüber freuen wir uns sehr. Aber am wichtigsten ist, dass wir hier vor Ort mit den Menschen in Kontakt kommen. Unsere Initiativen helfen uns dabei.

selk.de: Auch Auftritt und Sprache der neu gestalteten Internetseite der Gemeinde (www.selk-plauen.de) wirken frisch, jung; die Besucher werden mit „Du“ angesprochen: Welches Zielpublikum habt ihr vor Augen?

Tepper: Wir möchten gerne jeden ansprechen. Dabei spiegelt die Webseite wider, was die Besucher vor Ort in unserer Gemeinschaft antreffen: Eine fröhliche, offene Familienatmosphäre, die einlädt und in der man sich zuhause fühlen kann. Unsere Gemeindeglieder duzen sich untereinander, was auch anderen gerne angeboten wird, wer es möchte.

selk.de: In Ostdeutschland ist die Zahl der säkularen Menschen besonders hoch. Wie erleben Sie das Umfeld in der Stadt?

Tepper: Ich kann es schlecht mit anderen Regionen in Deutschland vergleichen. Da fehlt mir der Überblick, als dass ich eine fundierte Bewertung abgeben könnte. Aber es stimmt schon, dass hier nur circa 10 Prozent zur Kirche gehören. Manche haben sich einfach noch nie darüber Gedanken gemacht, andere präsentieren sich als überzeugte Atheisten. Bei unserer Gebetshimmelfahrtsballonevangelisation haben wir allerdings festgestellt, dass doch viele Mitbürger ab und zu beten. Außerdem haben wir uns mit Muslimen, Juden und Anhänger östlicher Religionen unterhalten. Dabei scheint es noch einen Unterschied zwischen dem vergleichbar religiösen Sachsen und dem viel mehr säkularisierten Thüringen zu geben, in dem meine zweite Gemeinde Greiz liegt.

selk.de: Die Gemeinde ist ja zahlenmäßig sehr klein – wie sehen die Gemeindeglieder die Aktionen, wie sind sie eingebunden in die missionarische Arbeit?

Tepper: Die Gemeindeglieder waren sich einig, dass etwas geschehen müsse, und sie sind bereit, mit Hand anzulegen. Wir stimmen darin überein, dass wir keine Christen abwerben, sondern in erster Linie Kirchenfremde erreichen wollen.
Das Konzept haben wir gemeinsam erarbeitet. Es gibt jedem nach seinen Fähigkeiten und Interessen Gelegenheit, sich an der Gemeindeentwicklung zu beteiligen. Es muss nicht jeder mit mir an der Kaffeekarre mit Fremden über die Bedeutung von Jesus für Leben und Tod reden. Aber mancher hat sich schon selber dabei überrascht, wie einfach das geht und wieviel Spaß das macht. Andere organisieren Erlebnistage wie die Busfahrt, laden zu sogenannten Lebenskreisen ein (das sind projektartige Gruppen über einen kurzen Zeitraum) oder gestalten alternative Gottesdienste. Und wir brauchen auch Teilnehmer aus unseren Reihen, die dazukommen und sich mit den Gästen befreunden.

selk.de: Gab es auch schon Dinge, von denen ihr sagt: Das hat nicht funktioniert?

Tepper: Das gab es auch schon. Frei nach dem Motto „Für Christus nichts unversucht lassen“ haben wir z.B. im März zu einer Vater-Tochter-Party eingeladen. Wir haben das in Brüssel mit voller Bude durchgeführt. Leider mussten wir sie in Plauen mangels Beteilung absagen. Das war schade, aber auch dadurch lernen wir immer noch dazu.

selk.de: Was gibt Ihnen persönlich die Kraft, mit so viel Tatendrang hier einzusteigen? Und wie schützen Sie sich vor möglichen Frustrationen?

Tepper: Das Gebet ist für mich eine Quelle der Kraft und der Inspiration: das eigene Gespräch mit meinem Herrn, aber auch die vielen Gebete derjenigen vor Ort, in der SELK sowie international, die unsere Arbeit verfolgen und sie vor Gott bringen.
Außerdem ist es das Evangelium, das mich zu „Taten drängt“, wie Sie es nennen. Das ist es ja, warum ich Pastor und Missionar bin – um Jünger Christi in diesem Evangelium zu bestärken und weitere Jünger für Christus zu gewinnen. Das beinhaltet traditionelle Gemeindearbeit – davon wird nur nicht viel berichtet. Weil es um das Seelenheil der Menschen geht, bin ich aber auch gerne bereit, Neues auszuprobieren. Wir haben früher oft gesungen: „Sucht neue Worte, das Wort zu verkünden, neue Gedanken, es auszudenken, damit alle Menschen die Botschaft hör‘n.“ (SELK-Jugendliederbuch Come on and sing, Nr. 94, Vers 3). Das leben wir hier.
Dabei bin ich mir meiner Begrenztheit bewusst und weiß, dass ich keinen Glauben in den Menschen bewirken kann. Wir tun einfach, was wir in Belgien schon getan haben: pflügen, säen und bewässern. Gott wird die Saat zu seiner Zeit aufgehen lassen (Die Bibel: Das Evangelium nach Markus, Kapitel 4, Verse 26-29). Deshalb pflege ich am Ende des Tagwerks die lutherische Mentalität: „Während ich hier sitze und mein Wittenbergisch Bier trinke, läuft das Evangelium.“ Das kann ein guter Roman und Zeit mit meiner Familie sein. Und ein herzhaftes Bier darf es auch ab und zu mal sein.

selk.de: Herzlichen Dank und Gottes Segen!


Die Fragen stellte Doris Michel-Schmidt

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