
Lesenswert
An dieser Stelle werden auf selk.de regelmäßig Bücher vorgestellt: zum Lesen, zum Verschenken, zum Nachdenken, zum Diskutieren – Buchtipps für anregende Lektürestunden. Die hier veröffentlichten Buchvorstellungen hat Doris Michel-Schmidt verfasst.
Halt in der BrandungIm August 1853 legte die Candace, ein Missionsschiff der Hermannsburger Mission, zu ihrer ersten Fahrt nach Afrika ab. Ludwig Harms, Prediger und Gründer der Mission, hatte den Schiffsbau initiiert und dafür unermüdlich zum Spenden aufgerufen, so dass tatsächlich das Vorhaben realisiert werden konnte.
Dann war es so weit: Hunderte Männer und Frauen waren extra zum Stapellauf nach Harburg gekommen. Weil Ludwig Harms verhindert war, kam sein Bruder Theodor und hielt die letzte Andacht, bevor es losging.
Im Roman von Maria Albers geht als einzige Frau Emilie von Eichenstedt mit an Bord, die durch einen Unfall ihre Mutter und ihren älteren Bruder verloren hat und erst jetzt erfährt, dass das Gut der Familie hoch verschuldet ist. Auf einmal ist ihre scheinbar heile Welt als gut situierte Dame zerbrochen. Die einzige Hoffnung, die ihr bleibt, ist ihr zweiter Bruder Maximilian, der vor Jahren plötzlich verschwunden ist. Nach dem Tod ihrer Mutter hat Emilie einen Brief von ihm gefunden – aus Afrika! In ihrer Not macht sie sich auf die Suche nach ihm und gelangt dadurch auf die Candace.
Die Autorin Maria Albers, die aus der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche (SELK) hervorging, lebt mit ihrem Mann, Pfarrer der Freien Evangelischen Synode in Südafrika, und den drei Kindern mittlerweile in Südafrika. Ihr Interesse für die Hermannsburger Mission erklärt sich also fast von selbst – und ihr „doppelter“ Blick zeigt sich in dem einfühlsamen Verständnis für die Missionare und die Umstände, die sie in Afrika vorfinden.
Maria Albers hat die Geschichte der Candace genau recherchiert und beschreibt den Verlauf der Reise nah an den Berichten, die es darüber gibt. Sie tut das so lebendig, dass man dabei ist bei der Weihnachtsfeier mit den erloschenen Kerzen, beim Wäschewaschen im Regen, beim Sturm vor Kapstadt, als sie sich schon in Sicherheit wähnten.
Gekonnt hat die Autorin die Geschichte der Candace und der Missionare verwoben mit der fiktiven Geschichte Emilies, die mit Conrad, einem Handwerker an Bord, ihr Glück finden wird. Ja, der Leser weiß ziemlich bald, dass es ein Happyend geben muss, aber die verschlungenen Umwege dahin machen die Geschichte eben auch besonders spannend. Und man wünscht sich, bald mehr zu lesen davon, wie es den Missionaren (und Emilie) in Afrika ergangen ist.
Maria Albers
Halt in der Brandung – Aufbruch nach Afrika
Francke-Verlag 2025, 368 Seiten, 17,00 Euro
Gott„Dieses Buch spielt in zweiundvierzig Kapiteln mit dem Gedanken, dass nicht der Mensch, sondern Gott die Antwort ist.“ Für Ralf Frisch, Professor für Systematische Theologie an der Evangelischen Hochschule Nürnberg, ist die Gottesfrage die eigentliche Frage unserer Zeit. Für einen Theologen ist das vielleicht nicht überraschend. Erhellend – oder besser: erschreckend ist allerdings seine Diagnose, dass Gott inzwischen sogar in Theologie und Kirche ausfällt als Schöpfer und Retter der Welt.
Ist Gott in einer säkularen Welt, in einer Epoche, die seit einigen Jahren Anthropozän heißt, kein Thema mehr, weil er, wie wir glauben sollen, nur ein Produkt des Menschen sei? Weil offenbar der Mensch die einzige Antwort ist, die infrage kommt?
Der Mensch, so Frisch, „spielt die Rolle des Schuldigen und des Richters, die Rolle des Verderbers und des Retters. Er spielt die Rolle des Teufels und die Rolle Gottes“.
Und die Theologie hat diese Hybris in vielen Spielarten übernommen. Wie Ralf Frisch dies aufdeckt, ist spannend, inspirierend, aufregend. Als Laie kommt man kaum hinterher, so furios reiht der Autor Gedanken und Erkenntnisse aneinander, und dies in durchaus anspruchsvoller Sprache. Er prangert die „Humanisierung Gottes an, die „nur als Verohnmächtigung und schließlich Erledigung Gottes Gestalt gewinnen kann“ und zeigt die fatale Folge auf: „Dieser Fehlschluss lässt die Theologie mehr oder weniger unversehens gemeinsame Sache mit der Religionskritik machen. Dass Gott in irgendeiner Weise zu fürchten und ihm nicht mit Hochmut, sondern mit Demut zu begegnen sein könnte, ist eine Vorstellung, die von der humanistischen Theologie unserer Gegenwart nahezu rückstandslos entsorgt wird.“
Ralf Frisch traut sich, die Grundlagen des Glaubens in einer Klarheit in die Mitte zu holen, die Gläubige heutzutage oft vermissen. Ja, so spannend kann Theologie sein!
Frischs mitunter bissige Analyse der gegenwärtigen „Verstofftierung“ Gottes ist ein brillanter Weckruf an Theologie und Kirche.
Ralf Frisch
Gott
Ein wenig Theologie für das Anthropozän
Theologischer Verlag Zürich 2024, 215 Seiten, 25,00 Euro
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Nachdenken über den 15. Allgemeinen Pfarrkonvent in Hofgeismar
Stellungnahme von Bischof Hans-Jörg Voigt D.D.
In der Kirchenzeitung „Lutherische Kirche“ 8/25 habe ich meine persönlichen Wahrnehmungen der Beschlüsse auf dem 15. Allgemeinen Pfarrkonvent (APK) der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche (SELK) und der Aufnahme dieser Beschlüsse im Nachgang zu diesem Konvent dargestellt. Ich habe diesen Artikel etwas aktualisiert und möchte ihn hier einer breiteren Öffentlichkeit zur Verfügung stellen.
Schwerpunktthema Ordination von Frauen
Als ich am letzten Tag dieses Konvents, der vom 23. bis 27. Juni 2025 in Hofgeismar bei Kassel stattfand, ins Auto stieg, hatte ich auf der Gefühlsebene noch nicht verstanden, was wir da alles beschlossen hatten. Meine Frau hatte spontan entschieden, mich abzuholen, so dass ich auf dem Beifahrersitz eine Zeitlang in Ruhe mit geschlossenen Augen nachdenken konnte. Natürlich hatte ich bei der Abstimmung den Text der Anträge zum Thema der Ordination von Frauen verstanden, aber mir war zu diesem Zeitpunkt unklar, welche Auswirkungen diese Texte im Einzelnen auf die Kirche, auf Gemeindeglieder und auf mich haben würden.
Was zum Thema beschlossen wurde:Der 15. APK hatte durch einen Ausschuss einen Pressetext erarbeiten lassen und diesen dann verabschiedet. Ich versuche hier meine kurze Zusammenfassung der Antragsteile 381,01 und eines Meinungsbildes wie folgt: Der 15. Allgemeine Pfarrkonvent stellt fest, dass aktuell eine Mehrheit seiner Mitglieder aus praktischen und theologischen Gründen ein gleichberechtigtes Nebeneinander der Praxis der Ordination von Frauen und der Ablehnung dieser Praxis in der SELK für nicht möglich hält. Der vollständige Pressetext, der auch die eigentlichen Antragstexte enthält, kann auf dieser Seite nachgelesen werden.
Zudem wurde folgender Beschluss gefasst, hier im vollständigen Wortlaut: „Die Mitglieder des 15. Allgemeinen Pfarrkonvents der SELK verpflichten sich dazu, die Dienste von Frauen in der SELK, wie sie in den Ordnungen der Kirche vorgesehen sind, weiterhin zu fördern: Pastoralreferentinnen, Lektorinnen, Kirchenvorsteherinnen, Kirchenrätinnen, Diakoninnen, Katechetinnen, Dozentinnen an der Lutherischen Theologischen Hochschule etc.“ (Antrag 381.01, 3. Abschnitt, mit 67 Ja-Stimmen, 9 Nein-Stimmen und 7 Enthaltungen mit mehr als 80% Zustimmung beschlossen).
Viele Gemeindeglieder schwer enttäuscht
Ich kann mir vorstellen und weiß, dass durch diese Beschlüsse viele Gemeindeglieder und auch Pfarrer und Pastoralreferentinnen schwer enttäuscht sind, die erwartet hatten, dass nun endlich die Ordination von Frauen eingeführt wird. Dafür habe ich Verständnis. In der beschlossenen Verlautbarung war dies dem APK schon deutlich. Es heißt da: „Es ist dem Konvent bewusst, dass dieses Ergebnis Hoffnungen von Gemeindegliedern enttäuscht, die auf eine baldige Änderung in der Frage der Ordination von Frauen gehofft haben. Der Konvent bittet die Gemeindeglieder weiter um das Gebet für die Selbständige Evangelisch-Lutherische Kirche sowie um Verständnis, dass nach Auffassung des Allgemeinen Pfarrkonvents die kirchliche Einheit durch den nun gewählten Weg am besten gewahrt werden kann.“ Dem Allgemeinen Pfarrkonvent waren die unterschiedlichen Stimmungen in den Gemeinden sehr klar vor Augen.
Ich nehme seitdem wahr, dass zahlreiche Gemeindeglieder nun den Gedanken an einen Austritt aus der SELK haben. Auch in einigen Gemeinden wird darüber nachgedacht, die SELK zu verlassen. Der dritten Synodaltagung der 15. Kirchensynode, die vom 17. bis 20. September 2025 in Fulda tagt, liegen Anträge vor, nun das Ausscheiden von Gemeinde aus der SELK zu ermöglichen.
32 Pfarrer veröffentlichten eine Erklärung
Gerade eine Woche nach dem Ende des 15. APK veröffentlichen 32 stimmberechtigte Pfarrer eine Erklärung, in der sie die Beschlüsse des APK, zum ordinierten Dienst von Frauen in Gemeinden, die das wünschen „sehr bedauern“. Zu der Tatsache, dass die Selbstverpflichtung des APK, „die Dienste von Frauen in der SELK, wie sie in den Ordnungen der Kirche vorgesehen sind, weiterhin zu fördern“ mit 67 Ja-Stimmen, 9 Nein-Stimmen und 7 Enthaltungen beschlossen wurde, also mit mehr als 80% Zustimmung, schreiben sie: „Erschrocken sind wir über eine auf dem APK deutlich gewordene Infragestellung geltender Ordnungen zum Dienst von Frauen in unserer Kirche.“
Ich halte es grundsätzlich für irritierend, wenn Mitglieder eines Gremiums unmittelbar nach der Beschlussfassung sich davon teilweise distanzieren und dies dann öffentlich kritisch kommentieren. Ich habe deshalb den 32 Unterzeichnern einen Brief geschrieben, der allen stimmberechtigten Mitgliedern des APK zuging. Auch auf Grundlage anderer Briefe haben die 32 Unterzeichner ihr Schreiben revidiert. Eine Passage, die eine Lehrverurteilung beinhaltete, haben sie ganz zurückgenommen und dazu geschrieben: „Für die missverstehbaren Formulierungen bitten wir um Entschuldigung. Das [eine Lehrverurteilung] lag und liegt nicht in unserer Absicht.“ Ein Gespräch zwischen einem größeren Teil der Unterzeichner und mir hat zudem im Kirchenbüro stattgefunden.
Frauen melden sich selbst zu Wort
Auf diesen Brief der 32 Pfarrer haben sich Frauen aus der SELK zu Wort gemeldet mit einem offenen Brief „Frauenordination in der SELK? – Jetzt reden die Frauen“. Darin heißt es: „Wir möchten klarstellen, dass die Befürworter der Frauenordination, wie zum Beispiel die 32 Pfarrer mit ihrer Erklärung, nicht in unserem Namen sprechen und nicht unsere Interessen vertreten, wenn sie von Frauen in der SELK reden. Wenn es ein Gebot des Herrn der Kirche ist, dass Frauen nicht öffentlich lehren, d.h. predigen und die Gemeinde geistlich leiten sollen (1.Kor.14,37), dann vertrauen wir darauf, dass dies eine gute Ordnung zu unser aller Bestem ist und tun unseren Dienst gern an anderer Stelle.“
Fundamentalismus, Faschismus und ein neutraler Bischof?
Mir begegnen in diesen Tagen nach dem Allgemeinen Pfarrkonvent verstärkt die Aussage, dass man sich gegen „Fundamentalismus“ in der Kirche wende. Die Fundamentalismus-Keule funktioniert „hervorragend“ bei Menschen, die nicht meiner Meinung sind. (Das meine ich ironisch und gern auch selbstironisch.)
Ein Gemeindeglied schrieb mir: „Die Kleinhaltung von Frauen ist nur ein Charakteristikum des Faschismus. Wir wissen alle, welche zerstörerische Kraft diesem hasserfüllten Weltbild inhärent ist.“
Eine „Petition an die Kirchensynode, die Pfarrer und die Kirchenleitung der SELK“ wird zur Unterschriftensammlung veröffentlicht. Darin heißt es unter anderem: „1. Wir fordern, dass die beiden Positionen Pro und Contra FO, die „derzeit nicht kirchentrennend sind“, dauerhaft gleichberechtigt in der SELK vertreten und kirchliche Praxis werden können. … 3. Wir fordern von der Kirchensynode, bei ihrer Sitzung im September 2025 Beschlüsse zu fassen, die beide Praktiken ermöglichen. … 5. Wir fordern, dass der Bischof entsprechend Art 19 (2) der Grundordnung der ganzen Kirche dient. Auch im Hinblick auf die Frauenordination.“
Ich lasse es mal unkommentiert, dass hier gleich mal das Gegenteil von dem gefordert wird, was der 15. APK mit relativ breiter Mehrheit beschlossen hat. Der 5. Punkt betrifft meinen Dienst. Ich verstehe diese Bitte so, dass ich mich in der Debatte neutral verhalten solle. Nach unserem Augsburger Bekenntnis, Artikel 28, ist es aber Aufgabe eines Bischofs, „Lehre zu beurteilen und die Lehre, die dem Evangelium entgegen ist, zu verwerfen…“ Deshalb folgt dem Satz in Artikel 19, Absatz (2) der Grundordnung der SELK, den die Petition hier zitiert ein weiterer Satz, der in der Petition weggelassen wurde: „Der Bischof dient der ganzen Kirche. Er achtet darauf, dass das Wort Gottes schrift- und bekenntnisgemäß verkündigt und gelehrt wird und die Sakramente recht verwaltet werden.“ Beides will ich weiterhin geduldig und gern tun.
Wie das Ende der DDR - vom Unterschied zwischen Ideologie und Glauben
In einem privaten YouTube-Video sagt Michael Sommer von „der Kirchenleitung unter Bischof Voigt … Das erinnert mich an die Endphase der DDR. Da war der Kontakt zwischen Oben und Unten ja auch verlorengegangen.“
Es mag überraschen, aber der Vergleich, den Michael Sommer recht unfreundlich aufmacht, kommt mir regelmäßig selbst in den Sinn, wenn ich an eigene Erfahrungen und Erlebnisse hinter dem „Eisernen Vorhang“ in der Zeit meines Studiums in Leipzig erinnert werde. Ich stelle mir dann die Frage: „Kann die SELK überhaupt bestehen mit ihrer in der Kirchenverfassung geschriebenen Satz, dass das Dienstamt der Kirche ‚nur Männern übertragen‘ werden kann, wenn dieses gesamte Gemeinwesen ‚Deutschland‘ anders denkt?“
Eine Staats-Ideologie funktioniert in der Weise, dass eine anfangs existierende schwerwiegende Fragestellung in ein Weltbild gepresst wird und dann die Welt danach mit staatlicher Gewalt gestaltet wird. Entwickelt sich die Welt anders, als in einer Ideologie beschrieben, verliert sie ihre Anhänger und bricht mit Getöse oder still und leise zusammen. An dieser Stelle findet der Kontaktverlust statt.
Die Inhalte des christlichen Glaubens waren und sind schon immer weltfremd gewesen. Dass ein Toter nach seiner Kreuzigung aufersteht ist weltfremd. Dass Jesus Christus ganz Gott und ganz Mensch ist, ist völlig weltfremd. Dass wir an die Auferstehung des Leibes glauben, ist völlig weltfremd. Dass die Kirche sich seit ihren frühesten Anfängen gegen Abtreibung positioniert hat, ist mittlerweile fast weltfremd. Der christliche Glaube ist jedoch von einer Ideologie grundlegend zu unterschieden, weil er auf die Ausübung von weltlicher Macht aus sich selbst heraus verzichtet. Und immer dann, wenn weltliche Macht und Glauben zu nah zusammenkamen, wurde der Glaube zur Ideologie.
Glauben bewahren gegen gesellschaftliche Mehrheiten?
Das ist aus meiner Sicht die Grundsatzfrage die hinter der Frage nach der Ordination von Frauen steht. Selbst wenn die SELK diese derzeit so heftig umstrittene Frage endgültig gelöst hätte, würden sofort ein ganzer Wald neuer Fragen hinter diesem einen „Baum“ auftauchen. Ich meine, dass die Grundsatzfrage des 21. Jahrhunderts – letztlich für alle Kirchen in der westlichen Hemisphäre – lautet: Kann Kirche Glaubenswahrheiten öffentlich bekennen und vertreten, die von einer gesellschaftlichen Mehrheit nicht mehr geteilt oder klar abgelehnt werden? Oder: muss Kirche Glaubenswahrheiten ständig anpassen? Die Antwort muss unabhängig von der Ordinationsfrage lauten: Ja, Kirche muss an ewigen Glaubenswahrheiten festhalten oder sie ist nicht mehr Kirche.
Weil diese Grundsatzfrage hinter der Ordinationsfrage steht, deshalb streitet unserer Kirche mit solcher Vehemenz. In diesem Zusammenhang ist mir aufgefallen, dass in der Argumentation derer, die für eine Ordination von Frauen eintreten, an irgendeiner Stelle immer die Wortgruppe: „heute nicht mehr zu sagen“ auftaucht.
Grundordnung nicht vollständig demokratisch
Ein weiteres Problem muss in dieser Debatte klar benannt werden. Die Tatsache, dass die SELK von einigen als völlig antiquiert in der kirchlichen und gesellschaftlichen Landschaft dieses Landes wahrgenommen wird, liegt an einem Detail ihrer Verfassung, dass sich gleichwohl der Heiligen Schrift verdankt: Die Verfassung der SELK ist nicht vollständig demokratisch durchstrukturiert. Vom Allgemeinen Pfarrkonvent, also der Versammlung aller zum „Hirtendienst“ in der Kirche ordinierten, heißt es nämlich: „Es gehört zu den Aufgaben des Allgemeinen Pfarrkonventes: … b) über Fragen der Lehre, des Gottesdienstes und der kirchlichen Praxis zu beraten. Er kann dazu Beschlüsse fassen. Solche Beschlüsse bedürfen der Zustimmung durch die Kirchensynode, wenn sie bindende Wirkung für die Kirche haben sollen.“ Artikel 24, Absatz b). Die Zusammenkunft der Ordinierten entscheidet Fragen der Lehre, des Gottesdienstes und der kirchlichen Praxis. Dieses geistliche Leitmotiv vom Hirtendienst ist ein starkes biblisches Bild, dass freilich in keiner Weise mehr in unsere Zeit passt. Das ist altkirchlich aber wohl kaum demokratisch und man muss das wollen in dieser Kirche, will man sich nicht ständig fragen, warum alles so theologisch und so schwerfällig ist. Die Synode der Kirche, als demokratisch gewählte Versammlung, hat die Aufgabe, zu solchen Beschlüssen des APK „Stellung zu nehmen“ in Zustimmung, Ablehnung oder Kommentierung. Diese Vernetzung von APK und Kirchensynode sichert in unserer Verfassung ab, dass der Hirtendienst nicht an den Gemeinden vorbei oder gegen diese agiert. Die große Enttäuschung, die nach den Beschlüssen des 15. APK in Gemeinden herrscht, hängt mit den basisdemokratischen Erwartungen zusammen, Entscheidungen durch Umfragen und Meinungsbilder in Gemeinden herbeizuführen. Dies ist jedoch in der Verfassung der SELK nicht abgebildet.
Wie weiter? Anfangen aufzuhören!
Auf dem Allgemeinen Pfarrkonvent fiel mir irgendwann an Tag drei auf, wie anders das ist, wenn man Menschen direkt begegnet und miteinander redet. Ich glaube, dass es vielen so ging. Ich habe noch nie so stark den Unterschied zwischen der Kommunikation in sozialen Netzwerken im Gegensatz zu persönlichen Begegnungen erlebt, wie in Hofgeismar. Ich kam mir vor, als tauchten wir an der Wasseroberfläche auf und sahen uns in die Augen mit dem Gedanken: „Hey, dich gibt’s ja wirklich! Schön, dass wir uns sehen!“
„Anfangen aufzuhören“ im doppelten Wortsinn: Wir müssen anfangen aufzuhören mit der ungeheuren Geschwindigkeit moderner Medien ständig Druck aufeinander auszuüben. Lassen wir die Gremien der Kirche in Pfarrkonventen und Kirchensynoden ihre verfassungsgemäße Arbeit machen. Und Kirche, die Gemeinden, die Gemeindeglieder und Hauptamtlichen und ich müssen wieder ganz neu „auf-hören“ auf das Wort des Heilandes und Friedensbringers Jesus Christus.
Bischof Hans-Jörg Voigt D.D.
Stellungnahme von Bischof Hans-Jörg Voigt D.D.
... zur Abschiebung von zum christlichen Glauben konvertierten Gemeindemitgliedern nach Afghanistan und zum Kirchenasyl – „Ich unterstütze die gewissenhaften Entscheidungen zum Kirchenasyl“Die Grundfrage ist einfach: Kann man zum christlichen Glauben konvertierten getauften Menschen zumuten, in ein islamistisch regiertes Land zurückzukehren? Oder noch konkreter formuliert: Darf man getaufte Christen nach Afghanistan abschieben?
Wer diese Frage mit „Ja“ beantwortet, muss natürlich vor seinem Gewissen einen Weg finden, mit der Tatsache umzugehen, dass diese vom Islam abgefallenen Christen in Afghanistan mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit der Tod erwartet.
Hamburgs Erster Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) kritisiert seinen Berliner Kollegen, den Regierenden Bürgermeister Kai Wegner (CDU), nun öffentlich, dass er drei Personen nicht zur Überstellung nach Schweden ausliefert, da er es ablehnt, diese Menschen mit polizeilichen Mitteln aus dem Kirchenasyl der evangelisch-lutherischen Dreieinigkeits-Gemeinde Berlin-Steglitz der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche (SELK) holen zu lassen. Peter Tschentscher spricht vom „systematischen Missbrauch des Kirchenasyls“.
Formaljuristisch und auf den ersten Blick scheint Peter Tschentscher im Recht zu sein und Schweden, das EU-Land, in das die drei überstellt werden sollen, ist doch so ein nettes Urlaubsland – denkt man sich! Eine Überstellung nach Schweden käme aber faktisch einem Todesurteil gleich, da Schweden konsequent und knallhart Abschiebebescheide in ihr Heimatland für afghanische Christen ausstellt.
Pfarrer Dr. Gottfried Martens D.D. entscheidet gemeinsam mit dem Kirchenvorstand seiner Gemeinde, wen er ins Kirchenasyl aufnimmt. Es handelt sich dabei nicht um Rechtsbruch, sondern um eine Gewissensentscheidung im Sinne einer Güterabwägung. Es gilt dabei abzuwägen das Leben von Menschen gegen die christliche wie bürgerliche Pflicht zur Befolgung geltenden Rechts. Pfarrer Martens entscheidet sich, seinem Gewissen folgend, für das Leben einzelner Menschen. Das hat meine volle Unterstützung und verdient Respekt. Mich beeindruckt, dass der Regierende Bürgermeister Berlins, Kai Wegner, bereit ist, für eine solche Position öffentlich einzutreten.
Ich konnte mich bei meinen Besuchen in der evangelisch-lutherischen Dreieinigkeits-Gemeinde der SELK jedes Mal von der Ernsthaftigkeit des christlichen Glaubens der Flüchtlingsgemeinde in Berlin-Steglitz überzeugen. Mein letzter Besuch fand am 1. Juli 2025 statt. Ich wünschte mir eine solche Glaubensfestigkeit und Verbindlichkeit für manche unserer Gemeinden. Getauft werden Menschen dort erst nach einem mehr als dreimonatigen farsisprachigen Unterricht und einer Prüfung, die etwa 1/3 nicht bestehen. Auf Grund meiner persönlichen Begegnungen vor Ort unterstütze ich die Arbeit von Pfarrer Dr. Gottfried Martens D.D. und seine gewissenhaften Entscheidungen zum Kirchenasyl.
Auf dem 15. Allgemeinen Pfarrkonvent (APK) der SELK, Ende Juni in Hofgeismar, habe ich diese Problematik in meinem Bericht angesprochen. Der 15. APK hat mich daraufhin gebeten, eine Stellungnahme hierzu zu verfassen, nachdem er mit großer Besorgnis aus Gemeinden der SELK gehört hat, dass geflüchteten, ehemals muslimischen Gemeindegliedern, denen ihre Pfarrer als ihre Seelsorger schriftlich und mündlich bescheinigt haben, dass sie identitätsprägend zum christlichen Glauben übergetreten sind, immer wieder vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) Abschiebebescheide in ihr muslimisches Heimatland erhalten.
Insbesondere Christen, die nach Afghanistan abgeschoben werden sollen, sind dort akut mit dem Tod bedroht. Mindestens ein nach Afghanistan abgeschobenes Gemeindeglied der SELK ist nach seiner Abschiebung nicht mehr erreichbar und vermutlich ums Leben gebracht worden.
Verschiedene Pfarrer bestätigen mir, dass sich in letzter Zeit die Lage weiter zugespitzt hat, da die Entscheidungspraxis des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) in Bezug auf konvertierte afghanische Christen in den vergangenen Monaten deutlich verändert wurde: Sie erhalten nun nicht mehr – wie in den Jahren zuvor – zumindest ein Abschiebeverbot, sondern oftmals Bescheide in schärfster Form, wonach sie in kurzer Frist nach Afghanistan abgeschoben werden sollen. Ich habe mich deshalb am 18. Juli 2025 in einem Brief an den Präsidenten des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge, Herrn Dr. Hans-Eckhard Sommer in Nürnberg, gewandt.
Wir schließen uns der Forderung der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM) von 2019 an: „Für all diejenigen getauften konvertierten Christen aus islamischen Ländern, in denen eine ernsthafte Konversion eine Gefahr für Leib und Leben bedeuten würde, denen der zuständige Seelsorger ihrer Kirchengemeinde in einer aussagekräftigen pfarramtlichen Bescheinigung die Ernsthaftigkeit ihrer Konversion und die Identitätsprägung durch den christlichen Glauben bescheinigt, wird vom BAMF ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 oder 7 des Aufenthaltsgesetzes festgestellt.“
Hannover, am 25. Juli 2025
Bischof Hans-Jörg Voigt D.D.
Bezirksfreizeit Süddeutschland
Volles Haus im Ausbildungszentrum für „grüne Berufe“ in Kirchheim unter Teck (DEULA)
Bereits im Januar waren fast alle Plätze für die dritte Bezirksfreizeit nach 2019 und 2023 vergeben.
Die meisten Teilnehmer trafen am Donnerstagnachmittag (24. April 2025) trotz des Regenwetters fröhlich bei der DEULA ein. Das Programm startete mit dem Abendbrot und einer Abendandacht. Bei den Kennenlernspielen im Anschluss kam jeder zu Wort und wir lernten mehr übereinander, aus welchen Gemeinden wir kommen, wo wir gerne Urlaub machen und vieles mehr.
Am Freitag und Samstag begannen die Tage jeweils mit einer Andacht nach dem Frühstück. Pfarrer Matthias Tepper (Plauen) leitete uns durch den Vormittag mit Vorträgen und Kleingruppenarbeit zum Freizeitthema „Christus Nachfolgen in dieser Welt“. Sein Schwerpunkt lag auf der Frage, wie wir in unserem Umfeld in unserem Alltag den Menschen Jesus vorleben können. Pfarrer Tepper gab praktische Beispiele, wie er zusammen mit anderen Christen den Leuten von Jesus erzählt hat. Auch berichtete er von Aktionen zusammen mit anderen Kirchen, die das Ziel hatten, den Menschen die Liebe Jesu zu vermitteln.
In den Mittagspausen konnten die Teilnehmer unterschiedliche Angebote wahrnehmen: Musik machen, Modeschmuck und Ketten mit Perlen herstellen, Kulissen für den bunten Abend basteln, Spazieren gehen, Tischtennis und Spikeball spielen oder einfach miteinander plaudern. Samstagnachmittag machte eine große Gruppe der Teilnehmer einen Ausflug zur Burg Teck. Oben angekommen hatten wir eine gute Aussicht auf die Umgebung beobachteten die Segelflugzeuge, die am bewölkten Himmel unterwegs waren.An beiden Tagen gab es nachmittags eine Auswahl an Workshops zum Thema „Nachfolge“. Man konnte mehr lernen über Demenz oder Erste Hilfe, beides sehr nützlich und praktisch, um die Nächstenliebe anzuwenden und Christus nachzufolgen. Es gab die Möglichkeit, die neusten CoSi Lieder kennen zu lernen und sich über den Kindergottesdienst/Kinderarbeit im Bezirk auszutauschen. Im Kindergottesdienst Workshop haben sich die Teilnehmer auch mit Paulus und seiner Missionsarbeit beschäftigt. Auch für die Jugendlichen gab es einen Workshop zum, Thema “Als Christ an einem neuen Ort”.Was tue ich, wenn keine SELK-Gemeinde in der Nähe ist? Hole ich mir in einer anderen Gemeinde geistliche Nahrung oder lebe ich meinen Glauben allein? Wer Lust hatte konnte auch nochmal mit Pfarrer Tepper sich weiter austauschen, wie man im Alltag Jesus nachfolgen kann und vor allem was man in der eigenen Gemeinde tun kann.
Am Freitagabend fand ein Filmabend statt und am Samstag ein bunter Abend. Er begann mit dem Kinder-Mini-Musical „Zachäus“, welches die Kinder an den vergangen zwei Tagen sehr eifrig eingeübt hatten. Auch die Kulissen hatten sie selbst gebastelt und sich reichlich aus dem Verkleidungsfundus bedient. Erleichtert und stolz nahmen sie den frenetischen Applaus der großen Freizeitgruppe entgegen. Danach brachten die Teilnehmer weitere sehr abwechslungsreiche und kreative Beiträge ein.
Die gute Stimmung auf der Freizeit spiegelte sich auch in der regen Beteiligung im Nachtcafé wider, wo die Abende gemütlich ausklangen.Der festliche Abschlussgottesdienst am Sonntag wurde mit der Musik vom Posaunenchor und der Freizeitband bereichert. Es kamen auch noch einige Gäste aus der Gemeinde Stuttgart dazu. Nach dem Mittagessen und dem Reisesegen verabschiedeten sich die neuen und alten Bekannten nach drei Tagen toller Gemeinschaft.
Ein besonderer Dank gilt dem Johannes-Bugenhagen-Verein, dem Diasporawerk und dem KAS-Süd für die finanzielle Unterstützung dieser Freizeit.
Text von Senta Bunge, München
Interview mit Missionsdirektor Pfarrer i.R. Edmund Hohls
Missionsdirektor Edmund Hohls ist seit 1. März 2025 im Amt. Die Fragen stellte Pfarrer Martin Benhöfer. Das Interview ist auch im Missionsblatt der Lutherischen Kirchenmission (Bleckmarer Mission) e.V. Heft 3 (April/Mai) 2025 nachzulesen.
Edmund, was hat dich bewegt, dass du in die Mission gegangen bist?
Die Frage des damaligen Missionsdirektors, Dr. Volker Stolle, ob ich mir vorstellen könnte, in die Mission zu gehen? Und Begegnungen mit Missionaren, erbliche Vorbelastungen, der Heilige Geist.
Wie kam es, dass du im Ruhestand noch einmal durchstartest als Missionsdirektor?
Eigentlich wollte ich etwas anders starten, nämlich große Trecker oder andere imponierende Landmaschinen. Da ich auf einer Farm aufgewachsen bin, interessiert mich die Landwirtschaft sehr und ich wollte gerne einmal meiner Leidenschaft frönen, nämlich in einem modernen landwirtschaftlichen Betrieb als Fahrer mitzuarbeiten. Dafür habe ich vor einigen Jahren in Berlin den T-Führerschein gemacht. Vielleicht komme ich dazu, wenn ich einmal im Ruhestand bin …
Da der Wahlausschuss keinen Kandidaten fand, der bereit war, die Aufgabe auszuüben, und ich seit einigen Jahren als stellvertretender Missionsdirektor in der Missionsleitung mitgearbeitet habe, stelle ich mich der Aufgabe gern, denn ich bin überzeugt, dass alle unsere Mitarbeitenden in Deutschland, Brasilien und in Südafrika Not-wendende und wichtige Dienste machen.
Welche Erfahrungen gibt es, die du aus der Zeit im Gemeindepfarramt mitnimmst?
Offen sein und bleiben für Neues, Staunen über die Wunder, die Gott tut, bereit sein, Menschen anzunehmen, die der Heilige Geist hinzuführt.
Fast alle deine Vorgänger hatten erkennbare Schwerpunkte in ihrer Arbeit, z. B. die Selbstständigwerdung der südafrikanischen Missionskirche, oder das Knüpfen von Kontakten ins frankophone Afrika, den fernen Osten oder die USA. Gibt es einen Schwerpunkt, den du für deine Arbeit siehst?
Einen wichtigen Aspekt möchte ich hervorheben: In der Zeit von Missionsdirektor Nietzke ist etwas ganz Entscheidendes passiert, nämlich die Konstituierung der MLC (Mission of Lutheran Churches) in Südafrika. Zwar mögen gesetzliche Vorschriften des südafrikanischen Staates dafür den Anstoß gegeben haben, aber gleichzeitig wurde damit ein Forum geschaffen, in dem mehrere Partner gleichberechtigt zusammenarbeiten. Ich würde mich freuen, wenn wir in diesem Forum außer unseren Partnerkirchen, der Lutheran Church in Southern Africa (LCSA) und der Freien Ev.-Luth. Synode in Südafrika (FELSiSA), weitere Partner begrüßen könnten. Hier wird deutlich: Mission ist keine Einbahnstraße — was sie übrigens nie gewesen ist.
Worin siehst du heute die größten Herausforderungen für die LKM?
Wir haben viele Mitarbeitende weltweit, die sehr gute Arbeit leisten. Sie alle zu unterstützen und zu versorgen, ist eine bleibende Herausforderung für unsere Kirche, denn die LKM ist zwar vereinsrechtlich verfasst, aber sie ist das Missionswerk unserer gesamten Kirche. Außerdem stehen wir vor riesigen Herausforderungen, was die Bausubstanz in Bleckmar betrifft.
… und was ist dir speziell an der Lutherischen Kirchenmission besonders wichtig?
Beten, als ob alles Arbeiten nichts nützt, und arbeiten, als ob alles Beten nichts nützt.
Interview mit Superintendent Sebastian Anwand
Sebastian Anwand, geboren 1984 in Dresden, Vikariat in Verden/Allen und Rotheburg/Wümme, langjähriger Gemeindepfarrer im Westerwald und seit Sommer 2024 in Potsdam. Er ist verheiratet mit Miriam, geb. Süß. Das Ehepaar hat drei Kinder.
Lieber Sebastian, du wurdest im März 2025 zum Superintendenten des Kirchenbezirks Berlin-Brandenburg gewählt. Was waren Deine ersten Erfahrungen und Erlebnisse in diesem neuen Amt?
Es ging gleich voll zur Sache. Natürlich tragen Gemeindeglieder und Pfarrer ihre Anliegen recht bald an den Neuen heran. Das ist auch gut so und ich beginne mein Amt auch mit großem Interesse an ihnen. So versuche ich in den ersten Monaten alle Kirchenvorstände zu besuchen, denn manche Gemeinden kenne ich noch gar nicht. Im vergangenen Sommer bin ich aus dem Kirchenbezirk Hessen-Süd gewechselt und wollte mich eigentlich erstmal vollkommen auf meine Gemeinden in Potsdam und Luckenwalde konzentrieren. Dann kam es anders und ich war nach sechs Monaten einziger Kandidat für das Superintendentenamt.
Was hat dich auf Deinem Lebensweg bisher geprägt? Wo stehst du gerade biographisch?
Ich bin schon ein Kind des Ostens. Aufgewachsen bin ich in Dresden, meine Frau kommt aus Brandenburg. So rücken wir mit dem Umzug nun wieder näher an unsere Familien und Freunde heran. Geprägt haben mich die Kirchenmusik im Sprengel Ost, u.a. der Jugendchor Ostinato und die Posaunenchorarbeit. Auch die Kinder- und Jugendarbeit in der Dresdner Gemeinde war für mich ein wichtiger Schritt hin zum Studium der Theologie in Oberursel, Halle/Saale und St. Louis (USA). Nun habe ich meine ersten Jahre mit Erfahrung im Pfarramt auf dem Buckel. Ich war sehr gerne Pfarrer in Allendorf/Ulm und Gemünden und auch Jugendpastor. Diese schöne Zeit und die wunderbaren Menschen, denen ich in unserer Kirche begegne, bringe ich als gutes Reisegepäck mit zu meinen neuen Aufgaben im Osten. Mit 40 Jahren soll das Leben ja nochmal so richtig losgehen. Das kann ich durchaus bestätigen. Ich habe Freude an dem, was ich tun darf.
Welche Interessen oder Hobbies beschäftigen Dich neben dem beruflichen Alltag?
Ich bin ein politisch interessierter Mensch. Mit mir kann man über gesellschaftliche Entwicklungen und politische Themen sprechen. Aber ich muss aufpassen, dass ich hier nicht zu viel konsumiere – das ist auch nicht gut. Ein gutes Interview im Deutschlandfunk oder eine aufschlussreiche Talkshow laufen bei längerem Autofahren oder in der S-Bahn sehr häufig als Podcast. Und ich versuche wieder mehr Sport zu machen, was aber nach einer längeren Zwangspause wegen einer OP noch ausbaufähig ist. Neulich habe ich seit Monaten mal wieder Fußball gespielt mit vielen Menschen aus der Potsdamer Gemeinde. Die 40 Lebensjahre waren in den Folgetagen stark zu spüren.
Siehst Du Herausforderungen, vor denen unsere Kirche insgesamt oder dein Kirchenbezirk stehen? Welche sind das und was gibt Dir angesichts dessen Mut?
Im Kirchenbezirk Berlin-Brandenburg sind wir intensiv damit beschäftigt die Gemeindeglieder und Pfarrer darauf vorzubereiten, dass wir im kommenden Jahr mit acht Pfarrstellen klarkommen müssen. Im Moment sind es 12, wobei wir ab diesem Sommer schon vier vakante Pfarrstellen haben werden. In unserer Kirche werden in den kommenden Jahren immer weniger Pfarrer arbeiten. Diesen Wandel sollten wir nicht nur erleiden, sondern aktiv gestalten. Sowohl die Arbeit der Pastoren wird sich verändern als auch die Gestaltung des geistlichen Lebens der Gemeinden. Hierbei können wir von den Erfahrungen unserer Mütter und Väter der Vorgängerkirchen der SELK profitieren; eine Zeit, in der Gemeinden ein hohes Maß an Eigenverantwortung übernommen haben und die Pastoren sich auf die Kernaufgaben des geistlichen Dienstes konzentriert und beschränkt haben.
Es macht mir Mut, dass unsere Kirche schon immer nur durch die Mitarbeit von geistbegabten und hochmotivierten Menschen Bestand hatte. Und diese Menschen gibt es heute genauso. Unsere Lage ist gar nicht aussichtslos. Wir sollten z.B. den Dienst von Lektorinnen und Lektoren fördern und ihnen Gestaltungsfreiheit lassen. Wir brauchen uns gar nicht von der Anzahl der besetzbaren Pfarrstellen abhängig zu machen, sondern einige dieser Stellen, die wir absehbar nicht mehr besetzen können, umwandeln und Menschen anstellen, die einen anderen beruflichen Hintergrund haben. Diakoninnen, Diakone, Sozialpädagogen, Erzieher, Musikerinnen und Lehrer, um nur einige zu nennen.
Und meines Erachtens brauchen wir dringend einen kürzeren Ausbildungsweg hin zur Ordination. Warum sollte nur jemand, der sechs bis acht Jahre Theologie studiert hat und dann noch über zwei Jahre Vikar war geeignet sein das Hl. Abendmahl mit seiner Gemeinde zu feiern, zu taufen, zu beerdigen und zu predigen. Es passt nicht zusammen, wenn (zu Recht!) gesagt wird, dass die Kirche von den Sakramenten und der Wortverkündigung lebt, wir dann aber die Hürden für diesen Dienst so hochsetzen, dass kaum mehr jemand bereit ist ihn zu leisten.
Wenn Du jemanden von der SELK überzeugen möchtest – mit welchen Argumenten tust Du das? Welche Schätze und Stärken haben wir Deiner Meinung nach in unserer Kirche?
Unser Schatz ist Jesus Christus. Alles, was wir tun, kommt von ihm her und führt zu ihm hin. In der Potsdamer Kirche steht groß geschrieben: „Kommt her zu mir alle, alle, die ihr mühselig und beladen seid; ich will euch erquicken.“ Das lutherische Bekenntnis stellt diesen Christus, den menschenfreundlichen Sohn Gottes und Retter aller, in den Mittelpunkt. Weil das so ist, lade ich gerne in unsere Gottesdienste ein.
SELK-Theologe mit Roman-Debüt
Matthias Krieser, emeritierter Pfarrer der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche (SELK), hat einen Roman vorgelegt. Auf dem rückwärtigen Buchcover ist zu lesen: „‘Mein erster und letzter Roman‘, meint der pensionierte Pfarrer Matthias Krieser, der vorher ganz andere Bücher geschrieben hat.“ Umso mehr wird das Interesse geweckt, wie der Autor, der bisher ausschließlich dezidiert kirchlich-theologische Bände vorgelegt hat, einen Roman konzipiert und verfasst. Michael Schätzel, ebenfalls emeritierter Pfarrer der SELK, hat das Buch gelesen und rezensiert.
Der Roman „Weg-Weichen“ von Matthias Krieser wäre schnell erzählt, wenn er nicht durchzogen wäre von ausführlichen Selbstreflexionen und Gesprächen, die Gelegenheiten bilden, in einer Art Kompendium relevante Themen aus Gesellschaft und christlicher Ethik zu behandeln. Da kommen beispielsweise das Modell des staatlich gewährten Grundeinkommens für alle und das Thema Wirtschaftspolitik ebenso zur Sprache wie die Fragen nach der Homosexualität, dem ungeborenen Leben und unterlassener Hilfeleistung.
Christian Pinchowski, die Hauptperson, findet nach dem Unfalltod seiner Eltern bei Pflegeeltern ein behütetes Zuhause – und zum christlichen Glauben. Dies ist eine der entscheidenden Weichen eines Lebensweges, menschlich konsequent, jedoch letztlich von Gott so gelenkt. Immer wieder taucht dieses Motiv der Weg-Weichen im Buch auf. Nach drei abgebrochenen Studiengängen versucht sich der einerseits intellektuelle, meinungssichere und wertkonsequente, anderseits aber auch zaudernde und im Grunde lebensuntüchtige Christian durch Bescheidenheit und Jobs über Wasser zu halten, was ihm so eben gelingt. Vor allem seine mathematische Intelligenz (Christian ist ein echter Zahlen-Nerd!) kommt in Kriesers Roman immer wieder zur Sprache.
Neben Christian spielt dessen frühere Klassenkameradin Claudia Papenburg eine Hauptrolle. Die Psychologin ist auf der Suche nach Christian, nachdem sie ihn zufällig aus der Ferne wiedergesehen hat. Sehnsucht markiert ihre Suche. Im Wechsel mit den Erzählabschnitten über Christian folgen (kursiv abgesetzt) solche über Claudia, die Psychologin ist und – in der fiktiven Romanwelt ist das erlaubt – Gespräche mit Klienten wiedergibt, die zu den thematischen Abhandlungen des Buches gehören. Dabei wird beispielsweise eine Eheproblematik ebenso behandelt wie eine (vermutete) Altersdepression, der Aufbau von Beziehungen ebenso wie die Anfechtungen einer Bundestagsabgeordneten
Christian trägt seinen Glauben nicht vor sich her. Mitunter findet er gar nicht ausdrücklich Erwähnung, wird gleichwohl als Grundlage von Christians Denken deutlich; hier und da argumentiert der Protagonist ausdrücklich gottes- und bibelbezogen. Dass er mit seinem Glauben in einer Kirchengemeinde beheimatet ist, erfährt der Leser kurz vor Schluss des Romans eher beiläufig. Der Gottesdienst kommt gar nicht vor. Aber der Roman gliedert sich kapitelweise in fünf (Werk-)Tagen im Leben des Christian P.; ein Sonntag ist eben einfach nicht dabei.
Gerade weil Christian seinen Glauben so unaufgesetzt authentisch lebt, werden die pointiert eingestreuten Aussagen über den Gott, der die Menschen liebt und ihnen gegenüber Gnade vor Recht ergehen lässt, zu echten Perlen in einem durchaus anstrengenden, gleichwohl lohnenden Buch. Gut denkbar ist es, einzelne Kapitel in Gemeindekreisen zu lesen und zu besprechen. Mit Gewinn.
Matthias Krieser
Weg-Weichen
Sola-Gratia-Verlag 2025, 342 Seiten, ISBN: 978-3-948712-29-7
Preis: 12 Euro, als E-Book kostenlos herunterladbar
Zum Heimgang von Papst Franziskus
Zum Heimgang von Papst Franziskus kondolierte der Bischof der SELK, Hans-Jörg Voigt D.D., dem Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Georg Bätzing. Darüber hinaus hat Professor i.R. Dr. Werner Klän das Wirken des Oberhauptes der Römisch-Katholischen Kirche in einem Nachruf zusammengefasst und eingeordnet.
Papst Franziskus †
von Prof. i.R. Dr. Werner Klän
Am Morgen des Ostermontags starb Papst Franziskus nach einem dreizehnjährigen Pontifikat. Zuletzt hatte er, trotz starker gesundheitlicher Schwierigkeiten, sein Amt ausgeübt. Noch am Ostersonntag spendete er, sichtlich angestrengt den traditionellen Segen „Urbi et orbi“.
Der Papstname, den Jorge Mario Bergoglio nach seiner Wahl zum Oberhaupt der Römisch-Katholischen Kirche wählte, war Programm: Franziskus. Noch nie hatte ein Papst sich nach dem Heiligen des 13. Jahrhunderts aus Assisi genannt.
So warb Papst Franziskus dafür, dass die Kirche eine Kirche der Armen sein müsse. Sein vielfältiger Einsatz für Flüchtlinge, Randsiedler der Gesellschaft war von diesem Vorbild geprägt. Dem Beispiel Jesu wollte er nachkommen, indem er Gefängnisinsassen am Gründonnerstag die Füße wusch. Dass er zur Frage der Migration mahnende Worte an die Politik, besonders in Europa richtete, hängt wohl auch mit seiner Familiengeschichte zusammen: Seine Großeltern, die aus Italien nach Argentinien auswandern wollten, verpassten das erste Schiff; dies aber sank.
Franziskus war in mancher Hinsicht ein „politischer“ Papst. Er scheute sich nicht, die herrschende Weltwirtschaftsordnung als „tödlich“ zu bezeichnen (Evangelii Gaudium, 2013). Er setzte sich mit Umweltfragen auseinander (Laudato si, 2015) und sah durch die Ausbeutung der Erde die Lebensmöglichkeiten der Menschen, besonders in der „Dritten Welt“ bedroht.
Diese und andere Stellungnahmen von Papst Franziskus waren nicht unumstritten. Die Beteiligung von Laien und Frauen in der Bischofssynode, die Besetzung von Spitzenämtern im Vatikan durch Frauen, die Freigabe der Segnung homosexueller Paaren trug ihm harsche Kritik ein, auch aus den Reihen der eigenen Kirche. „Konservative“ Bischöfe und Kardinäle nahmen öffentlich gegen diese Maßnahmen Stellung. „Reformgesinnten“ Katholiken gingen seine Vorschläge nicht weit genug. Bei der Aufarbeitung der Fälle von Missbrauch Schutzbefohlener durch katholische Priester sprach er schon 2014 eine erste Bitte um Vergebung aus, aber die Aufarbeitung dieses Unrechts bleibt bisher hinter den Erwartungen vor allem der durch Missbrauch Betroffenen zurück.
Auch wenn Franziskus immer wieder reformerische Signale setzte; in der Lehre der katholischen Kirche kam es zu keinen Änderungen. So weigerte er sich konsequent, der Weihe von Frauen zum Priesteramt den Weg zu öffnen. Auch der „Synodale Weg“ in der katholischen Kirche Deutschlands, der weitgehende Reformen anstrebte, wurde von Papst Franziskus kritisch beobachtet. Dies zeigt in aller Deutlichkeit, dass die Römisch-katholische Kirche nicht so homogen ist, wie sie manchmal von außen scheinen mag.
Franziskus steht auch für eine „Ökumene der Religionen“. Im interreligiösen Dialog setzte er Akzente, besonders mit dem Islam. So unterzeichnete er 2019 mit dem Groß-Imam der Kairoer Al-Azhar-Universität ein Dokument über Menschliche Brüderlichkeit“. Im September 2024 nahm er an einer Begegnung in der größten Moschee Asiens in Jakarta teil; dort sprach er sich für eine Fortsetzung der Dialoge zwischen den Religionen aus mit dem Ziel, „Starrheit, Fundamentalismus und Extremismus zu verbannen“. Bemerkenswert bleibt jedenfalls sein Einspruch gegen jede Art von Antisemitismus.
In einer Vesper zur Gebetswoche für die Einheit der Christen – während des Heiligen Jahres 2025 – erinnerte der Papst auch an den 1700jährigen Jahrestag des Konzils von Nicäa (325) und nannte die Feier des Osterfestes durch westliche und östliche Kirchen zu demselben Datum (20. April 2025) „eine Gelegenheit für alle Christen, die dasselbe Glaubensbekenntnis sprechen und an denselben Gott glauben: Lasst uns die gemeinsamen Wurzeln des Glaubens wiederentdecken, lasst uns die Einheit bewahren!“ Dann schlug er vor, endlich für alle Christen und Kirchen ein gemeinsames Osterdatum festzulegen, als Zeichen der Einheit.
Bei den Feierlichkeiten des Lutherischen Weltbundes zum 500jährigen Reformationsjubiläum 2016 in Lund/Schweden, sprach sich Papst Franziskus dafür aus, dass Lutheraner und Katholiken „Kontroversen und Missverständnisse überwinden, die oft verhindert haben, dass wir einander verstehen konnten.“ Vertreter beider Kirchen baten um Vergebung für das Leid, das die Spaltung der abendländischen Kirche nach sich gezogen habe.
Gewiss können konkordienlutherische Kirchen manchen Stellungnahmen und Initiative von Papst Franziskus nicht zustimmen. Es wird auch abzuwarten sein, ob und was von ihnen unter einem neuen Papst Fortsetzung findet oder zurückgenommen wird. Gleichwohl sieht sich auch der Internationale Lutherische Rat verpflichtet, das Gespräch mit der Römisch-katholischen Kirche fortzusetzen, nicht zuletzt im Blick auf das Gedenken an die Überreichung des Augsburgischen Bekenntnisses im Jahr 2030.
Dies geschieht unter dem Vorsitz von Bischof Dr. Juhana Pohjola (Evangelisch-Lutherische Missionsdiözes, Finnland, Vorsitzender des Internationalen Lutherischen Rates) und Weihbischof Dr. Peter Birkhofer (Erzbistum Freiburg im Breisgau, Deutschland) im „Konkordienlutherisch-katholischen Arbeitskreis Augustana“ als einem eigenen ökumenischen Format. Seit 2024 behandeln die Teilnehmer die Themen „Katholizität und Apostolizität im Augsburgischen Bekenntnis“, und war in einer vorkonfessionellen und ökumenischen Perspektive. Denn 1530 war die abendländische Christenheit noch nicht gespalten, und das Augsburgische Bekenntnis war ein Dokument, das der Bewahrung der Einheit dienen sollte.
Bei dem Arbeitskreis handelt es sich nicht um eine offizielle Dialogkommission. Ziel ist nicht die Erstellung eines kirchlichen Konsensdokumentes. Die Veröffentlichung der gemeinsamen Forschungsergebnisse soll freilich die ökumenische Diskussion auf indirekte Weise bereichern. Das lutherische Bekenntnis erhebt ja eine – im besten Sinne des Wortes – „katholischen“ Anspruch. Dies stellt zugleich eine Verpflichtung dar, mit der Römisch-katholischen Kirche im Gespräch zu bleiben.
© Foto: Annett Klingner | pixabay.com
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An dieser Stelle werden auf selk.de regelmäßig Bücher vorgestellt: zum Lesen, zum Verschenken, zum Nachdenken, zum Diskutieren – Buchtipps für anregende Lektürestunden. Die hier veröffentlichten Buchvorstellungen hat Doris Michel-Schmidt verfasst.
Herzen ohne MauerEs brauchte Mut, in der DDR für seinen Glauben einzustehen. Christen wurden schikaniert, sie durften nicht studieren, hatten Benachteiligungen im Beruf in Kauf zu nehmen. Aber sie fanden in der Gemeinschaft eben auch Halt und Orientierung.
Viola Ramsden, 1976 in der DDR geboren, war dreizehn, als die Mauer fiel. Nach dem Schulabschluss ging sie, wie so viele junge Leute, in den Westen, lebte nach dem Studium viele Jahre in London. 2019, nach 24 Jahren in der Ferne, zog sie mit ihrer Familie zurück nach Sachsen.
In ihrem Buch versammelt sie Geschichten von Christen, die auf ihr Leben in der DDR, die friedliche Revolution und die Zeit nach der Wende zurückblicken. Es ist spannend, diesen Interviewten gleichsam zuzuhören, zumal sie mit Viola Ramsden ein Gegenüber haben, das eine Atmosphäre schaffen kann, in der in kurzer Zeit Vertrauen entsteht.
Wie genau sich die Befragten noch an Details erinnern, zeugt davon, wie sehr sie geprägt wurden durch ihren Glauben, aber eben auch durch die Entbehrungen und Anfechtungen. Zum Beispiel, wenn sie in der Schule nicht in der Pionieruniform zum morgendlichen Fahnenappell antraten und dadurch schon „farblich aus dem Rahmen“ fielen. Oder wenn sie nicht an der Jugendweihe teilnahmen, sondern sich konfirmieren ließen. Wenn sie kein Abitur machen durften und damit so viele Berufswege verbaut wurden. Wenn sie den Wehrdienst verweigerten. Wenn sie bei der Arbeit Missstände anprangerten.
Die Geschichten erzählen auch davon, dass nach der Wende nicht einfach alles besser war. Viele haben ihre Arbeit verloren, weil Firmen sehr schnell „abgewickelt“ wurden. Den Schulen wurde das westdeutsche System übergestülpt. Alles war neu und ungewohnt. Junge Leute zogen in den Westen, wo sie nicht selten als „Ossi“ abgestempelt wurden. Und natürlich hat sich auch die kirchliche Landschaft durch die Wiedervereinigung verändert.
Immer wieder nimmt Viola Ramsden Erlebnisse auf, um kurze historische Erläuterungen einzuflechten. Das hilft zur Einordnung des Erzählten, aber es hilft eben auch zu einem verständnisvolleren Blick auf den Osten Deutschlands – nicht nur zu DDR-Zeiten, sondern auch heute.
Es ist beeindruckend, wie sich Christen in der DDR gegenseitig gestärkt haben und wie die Gemeinden es waren, die Schikanen, Ungerechtigkeit und Unterdrückung erträglich machten. „Inmitten dieser lähmenden Atmosphäre haben Christen und Kirchen einen Raum geschaffen, in dem die Menschen sich nach Veränderung ausstreckten, neue Kraft schöpften, echt sein und aufatmen konnten“, schreibt die Autorin im Nachwort. Ihr Buch gibt ein eindrucksvolles Zeugnis davon.
Viola Ramsden
Herzen ohne Mauer –
Wie Christen die DDR, die Friedliche Revolution und die Zeit danach erlebten
SCM Hänssler Verlag 2024, 252 Seiten, 23,00 Euro
Das vergessene GeheimnisEigentlich mag ich Bücher nicht besonders, die als aphoristische Sammlung angelegt sind; zu kurzgesprungen ist mir oft solches „Gedanken-Hopping“. Aber das neue Büchlein von Hans-Joachim Eckstein, der lange Professor für Neues Testament in Heidelberg und Tübingen war, ist „Häppchenkost“, die nahrhaft ist. Die kurzen Texte – zwei, drei Seiten maximal, oft als Gedichte geformt – haben etwas Widerständiges. Was, mindestens dem frommen Christen, zunächst eingängig klingt, stellt – gerade auch den Glaubenden – beim genauen Lesen immer wieder in Frage. Und führt ihn damit in die tiefere Beschäftigung mit Gottes Wort. Dafür sind zu fast jedem Text entsprechende Bibelstellen angegeben.
„Es ist alles ganz schlimm“ ist zum Beispiel ein Text überschrieben. Und dann beginnt er: „Weltverdrossenheit allein ist noch kein hinreichender Ersatz für die christliche Hoffnung auf Gottes Reich.“ Schon darüber könnte man lange nachdenken. Der Text geht weiter: „Weltfremdheit als solche macht einem den Himmel noch nicht zur Heimat. Wer von der Freude an Gott und von der Vorfreude auf die himmlische Welt erfüllt ist, der wird gewiss Probleme und Entbehrungen auf Erden viel leichter ertragen. Aber indem wir auf alle irdischen Freuden verzichten und in der Welt immer nur Probleme sehen, haben wir dadurch noch keinen Anteil am ewigen Leben.“
Das ist ein Ton, der biblische Wahrheit frisch verkündet, der nicht so schnell überlesen wird, der aufhorchen lässt. Eckstein hat in seinen zahlreichen Büchern einfühlsam und sprachgewandt zum Glauben an Jesus Christus eingeladen. Diese Sammlung kurzer Texte tut das auch, zur täglichen Andacht, als Impuls vor dem Schlafen, oder immer dann, wenn die Gedanken einem davonlaufen wollen.
Hans-Joachim Eckstein
Das vergessene Geheimnis – Christus in uns
SCM-Verlag 2024, 240 Seiten, 18,00 Euro
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Nicht sich in ein besseres Licht rückenWolfhart Schlichting ist Pfarrer der Bayerischen Landeskirche. Als profilierter Lutheraner hat sich der promovierte Theologe in Predigten, Aufsätzen und Vorträgen immer wieder auch gegen Entscheidungen seiner Kirche gewandt und die Rechtfertigung des Menschen aus Gottes Gnade in den Mittelpunkt gestellt.
Das vorliegende Buch, erschienen anlässlich seines 85. Geburtstages, gibt nicht nur Einblicke in das berufliche Leben Schlichtings, es ist auch eine lehrreiche Kostprobe seiner Argumentations- und Formulierungskunst. Dazu trägt wesentlich die Dialog-Form bei. Till Roth, Dekan in Lohr am Main, stellt kluge Fragen, um das Gespräch einerseits theologisch fundiert voranzutreiben und andererseits praktisches christliches Leben (in der Gemeinde) im Blick zu behalten.
Wenn Schlichting beispielsweise beschreibt, wie er bei Hausbesuchen gleichsam „mit der Tür ins Haus“ fiel, um das Bibelwort, das er mitbrachte und das er für diesen Tag bedacht hatte, gleich bei der Begrüßung weiterzugeben, hat man sofort die Situation vor Augen. Wenn er erklärt, warum er so gern Beerdigungen machte, wenn er über Vorstandssitzungen spricht, ganz besonders aber, wenn er seine Liebe zum Gottesdienst beschreibt, folgt man ihm gern und mit Interesse.
Wolfhart Schlichting hat als Studentenpfarrer, als Mitgründer des Arbeitskreises Bekennender Christen (ABC), als Gastdozent am Lutherischen Theologischen Seminar in Hongkong und als Gemeindepfarrer in Augsburg sein Christsein gelebt, geschärft und mit andern geteilt. Er ist als konservativer lutherischer Theologe oft angeeckt, davon kann man in diesem Buch auch lesen. Dass sein ambivalentes Verhältnis zu seiner Landeskirche nicht zum Bruch geführt hat, mag man als selbständiger Lutheraner verstehen oder nicht, aber sein „Leiden an der Kirche“ wird in seinen Ausführungen deutlich. Dass er im Internet auf Gottesdienstübertragungen aus der SELK (Dresden) gestoßen ist und dabei die Erfahrung macht, „nicht auf der Hut sein zu müssen vor irreführenden Halbwahrheiten“ mag einen freuen – und ermutigen.
Was Wolfhart Schlichting über Gottesdienst, Predigt, über das Verständnis der Heiligen Schrift und das Bekennen vor den Menschen zu sagen hat, ist für Profis wie für Laien spannend, anregend und aufschlussreich. In jedem Fall macht es Lust, Theologie zu treiben – und die Bibel zu lesen.
Wolfhart Schlichting
„… Nicht sich in ein besseres Licht rücken …“
Ein Gespräch über Religion, Glaube und Frömmigkeit, geführt und aufgezeichnet von Till Roth
Freimund Verlag 2025, 287 Seiten, 14,95 Euro
VergebenDass Gott uns unsere Sünden vergibt, scheint irgendwie selbstverständlich, das ist schließlich sein „Job“, oder nicht? Gott vergibt – aus reiner Gnade. Und wir? „Vergeben – warum eigentlich? Und wenn ja – wie?“ So fragt der Untertitel des Buches von Timothy Keller. Der 2023 verstorbene amerikanische Pastor und Autor blättert darin die vielen Schichten des Themas auf, und das wird manchmal für die ach so gern selbstgerechte Seele ziemlich unbehaglich. Denn es ist ja mitnichten so, dass Christen (automatisch) Gottes Vergebung empfangen und diese barmherzige Liebe dann (automatisch) und bereitwillig an andere weitergeben.
Wie schwer es ist, zu vergeben, erzählen zahlreiche Geschichten in der Bibel, die Keller tiefgründig auslegt. Ja, die Bibel ist DAS Buch der Vergebung. Angefangen in den Büchern Mose über die Psalmen und Propheten bis hin zu der Grundlage – der objektiven Ermöglichung der Vergebung –, dem Sühnetod Jesu Christi am Kreuz.
Keller macht es sich und uns Lesern nicht einfach. Nicht weil er kompliziert schreiben würde, sondern weil die Sache nicht einfach ist. Wenn Jesus für unsere Sünden ans Kreuz ging – unsere Schuld beglichen hat – hat sich Gottes Zorn damit erledigt? Ist er nur mehr ein liebender Gott, der nichts verurteilt, wie ihn viele gerne sähen? Wo bleibt dann aber die Gerechtigkeit, wenn jedem jede Schuld vergeben wird und keiner bestraft wird?
Wie Keller diese Spannung hält und die „geistlichen Verzerrungen“ auf die eine wie die andere Seite erklärt, ohne Haken zu schlagen, ist sehr lehrreich. Wie er die Notwendigkeit der Vergebung für uns aufdeckt, auch die Scham und die Schuldgefühle, die damit verbunden sind, bis hin zu dem Problem, sich selbst nicht vergeben zu können, das ist erhellend und unbequem zugleich. Was er über ganz praktische Schritte der Vergebung und der Versöhnung sagt, mag man vielleicht als übertrieben abtun. Aber genau das ist es, was uns vor Augen führt, wie groß die Liebe Gottes zu uns ist.
Timothy Keller
Vergeben – Warum eigentlich? Und wenn ja – wie?
Brunnen Verlag 2024, 345 Seiten, 22,00 Euro
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Ein Lied für den FeindEs ist Weihnachten, und es ist Krieg. Im Dezember 1914 stehen sich deutsche und englische Soldaten an der Westfront gegenüber. Sie harren aus in den schlammigen Schützengräben, in Kälte und Hunger und in Angst. Dann passiert etwas Unerhörtes. Statt zu schießen, legen die Soldaten auf beiden Seiten die Waffen weg, begraben ihre Toten und feiern mitten in diesem Elend gemeinsam Weihnachten.
Die Autorin Iris Muhl hat um diese wahre Begebenheit herum einen Roman geschrieben, der einen berührt und fesselt. Eindrucksvolle Bilder findet sie für die Szenen an der Front und auch für ihre Naturbeschreibungen. Feinfühlig gestaltet sie die Figuren, so dass man ganz dabei ist, wenn Fred und sein jüngerer Bruder hin und her gerissen sind zwischen dem Wunsch, ihr Zuhause zu verlassen, weil der alkoholkranke Vater die Familie tyrannisiert und den Hof verfallen lässt, und dem schlechten Gewissen der Mutter und den Tieren gegenüber.
Als Fred es schafft, ein Studium der Tiermedizin aufzunehmen, wird er kurz darauf eingezogen. Samuel, sein jüngerer Bruder, meldet sich freiwillig an die Front, um der Gewalt des Vaters zu entkommen.
Aber nicht nur in den Beziehungen in der Familie von Fred und Samuel, auch in der wachsenden Liebe Freds zu Fanny – und selbst in den schlimmsten Tagen des Krieges unter den Soldaten scheinen immer wieder Momente der Menschlichkeit auf. Wenn Fred nicht nur die verletzten Pferde der eigenen, sondern auch der feindlichen Truppen versorgt, wenn Fanny ihm Briefe schreibt und ihm damit Hoffnung gibt. Wenn die Soldaten sich gegenseitig helfen. Und vor allem natürlich, wo sie die Waffen niederlegen und sich als Menschen erkennen, die nichts mehr ersehnen als Frieden.
Bei allen Zweifeln zieht sich ein fester Glaube durch die Geschichte; ja, letztlich ist es die Hoffnung auf Versöhnung – an der Front, aber auch in den familiären Beziehungen –, die tröstet und auf das Kind in der Krippe verweist, auf den, der an Weihnachten Mensch wurde und schließlich die Welt mit Gott versöhnte.
Ein wunderbares „Weihnachtsbuch“.
Iris Muhl
Ein Lied für den Feind
SCM Hänssler Verlag 2024, 298 Seiten, 23,00 Euro
Unter HeidenDas hatte Tobias Haberl nicht erwartet: Als der Journalist kurz vor Ostern 2023 im Magazin der Süddeutschen Zeitung einen Text mit dem Titel „Unter Heiden“ veröffentlichte, bekam er in den Tagen danach Hunderte von Mails. Haberl hatte davon geschrieben, wie er sich als gläubiger Christ zunehmend unverstanden fühlt, „wie eine seltene Affenart, die man lieber von der anderen Seite eines Gitters aus bestaunt.“ Er hatte es gewagt, sich als gläubiger Katholik zu outen. Und das in einer Zeitung, die traditionell kirchenkritisch eingestellt ist. Umso erstaunter war er, dass die allermeisten Reaktionen positiv, ja dankbar waren.
Diese Resonanz hat den bayrischen Journalisten ermutigt, ein Buch zu schreiben. Ein Glaubensbekenntnis, das im ersten Teil das Lebensgefühl beschreibt, sich als Christ zunehmend rechtfertigen zu müssen, „als hätte ich den Sprung in die Gegenwart verpasst oder irgendetwas nicht ganz verstanden. Das Gefühl von einer Mehrheit zur Minderheit, vom Mainstream zur Randgruppe zu werden …“
In seinem Umfeld lehnen die meisten den Glauben ab, Kirche sowieso. Was Haberl daran besonders stört ist, dass sie in der Regel wenig Ahnung davon haben, was sie da eigentlich ablehnen, und dass sie ihn ohne große Kenntnisse oder Erfahrungen kritisieren dafür, dass er noch in der Kirche ist, regelmäßig in die Messe geht und zu Gott betet.
Tobias Haberl ist im bayrischen Wald aufgewachsen, er wurde katholisch erzogen, „ohne es zu merken, so natürlich, so selbstverständlich fühlte sich alles an.“ Dass das Christentum eine gewaltige Provokation der herrschenden Verhältnisse ist, habe er erst viele Jahre begriffen, schreibt er.
Wie Haberl die zunehmende Marginalisierung der Christen in diesem Land analysiert, ist erhellend und trifft offensichtlich einen Nerv – nicht nur bei Gläubigen. Seinem persönlichen Glaubensweg kann man auch gut folgen, allerdings wirken manche Passagen, in denen er zum Beispiel einen Aufenthalt in einem Kloster beschreibt, etwas aufgeblasen. Und wenn es theologisch wird, dann nicht nur gut katholisch – klar –, sondern manchmal auch ziemlich geschwafelig und gelegentlich sogar kitschig.
Trotzdem: Die Verteidigung von Kirche und Glaube ist ermutigend zu lesen; ja, man ist dankbar, dass einer mal nicht ins große Horn der Kirchenkritik stößt, sondern von der Schönheit und von der Wahrheit des Glaubens schreibt.
Tobias Haberl
Unter Heiden. Warum ich trotzdem Christ bleibe
btb Verlag 2024, 288 Seiten, 22,00 Euro
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Uganda hatte ich davor definitiv nicht auf dem Schirm
Mia Barnbrock (19), Oberursel, Gemeindeglied der Trinitatisgemeinde Frankfurt/Main der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche (SELK), langjährig in die Jugendarbeit des Kirchenbezirk Hessen-Süd aktiv, zeitweise auch als BezirksJugendVertreterin des Kirchenbezirks, hat in diesem Jahr ihr Abitur absolviert. Zurzeit nimmt sie einen Freiwilligendienst in Uganda wahr. Das Team von selk.de hat Mia nach ihrer Entscheidung für den Freiwilligendienst, dessen Region und dessen Inhalte gefragt, auch nach der kirchlichen Situation vor Ort und ihren Perspektiven für die Zeit „nach Uganda“.
selk.de: Mia, wir kennen uns schon lange und sind beim „Du“. Wenn du nicht protestierst, belassen wir es dabei. (Kein Protest!) – Mia, du absolvierst gerade einen Freiwilligendienst in Uganda für ein Jahr. Wie bist du auf die Idee gekommen, nach dem Abitur erstmal einen Freiwilligendienst wahrzunehmen? Was hat dich motiviert?
Mia: Der Wunsch, im Anschluss an die Schule für ein Jahr nach Afrika zu gehen, entstand bei einem Familienurlaub im dörflichen Tansania 2015. Es hat mich beeindruckt, mit was für einer Freude die Menschen dort ihr Leben führten, obwohl sie vermeintlich wenig besitzen. In dieses Leben wollte ich für eine längere Zeit tiefer eintauchen. Dieser Wunsch blieb die letzten Jahre bestehen. Je näher ich dem Ende meiner Schullaufbahn kam, desto bewusster wurde mir, dass es mir nicht nur guttun würde, für ein Jahr nicht am Schreibtisch zu sitzen, sondern dass ich auch in einer neuen Kultur viel über mich lernen würde und mein Weltbild erweitern könnte.
selk.de: Wie bist du bei der Wahl des Einsatzortes vorgegangen? Was war ausschlaggebend für den Träger und für Uganda?Mia: Dass es nach Afrika gehen sollte, war also ab 2015 klar. Dann musste das Land englischsprachig sein. Und es sollte eines sein, indem ich noch nicht war. Über „Weltwärts“ (Förderprogramm des deutschen Staates für Freiwilligendienste) habe ich nach Projekten gesucht, die interessant klangen. Bei dem Vorstellungsgespräch bei meiner Organisation (Worldwide Volunteers) habe ich mich sofort gut aufgehoben gefühlt und ein Projekt gefunden, das zu mir passte. Worldwide Volunteers ist eine christliche Organisation, die Freiwillige weltweit entsendet und schon ab den ersten Gesprächen einen sehr organisierten Eindruck auf mich gemacht hat (was sich nur noch weiter bestätigte). Uganda wurde es also wegen meiner Projektwahl, denn dieses Land hatte ich davor definitiv nicht auf dem Schirm :)
selk.de: Uganda: Kannst du kurz stichwortartig ein paar Eckdaten benennen, die man über Uganda wissen sollte?
Mia: Uganda ist ein sehr grünes Land im Osten Afrikas und besitzt 45 % des Viktoriasees, der der flächenmäßig drittgrößte See der Welt (damit etwa so groß wie Bayern) ist. Zudem entspringt ein Teil des Nils (White Nile/Victoria Nile) in Uganda (direkt dort, wo ich gerade wohne). Durch eine auffallend vielseitige Bevölkerung mit einer großen Bandbreite unterschiedlichster ethnischer Gruppe und gesprochener Sprachen, wird Uganda als das vielfältigste Land der Welt angesehen. Neben den Hauptsprachen Englisch, Swahili und Luganda, gibt es noch über 40 weitere Sprachen, die im Alltag gesprochen werden.
selk.de: Was sind deine Aufgaben in deinem Freiwilligendienst?Mia: Mein Projekt ist sehr vielfältig, sodass ich viele verschiedene Aufgaben habe und mir auch immer Neue suchen kann. Zum einen arbeite und wohne ich in einem Kinderheim, wo ich mich besonders viel um die kleinen Babys kümmere und mit den Größeren viel Musik höre, tanze und Spiele spiele. Ich verbringe auch viel Zeit in der Klinik, wo ich Babys/Kinder impfe, Patienten auf Malaria teste oder zusammen mit den Mitarbeitenden Schwangerschaftsuntersuchungen durchführe. In der Klinik gibt es wahnsinnig viele verschiedene Aufgaben. Ich liebe es sehr dort hinzugehen, weil es immer etwas Neues für mich zum Lernen gibt. Wenn ich gerade nicht im Kinderheim oder in der Klinik bin, helfe ich manchmal auch in der Schule mit. Ein großer Teil meiner Arbeit ist das Suchen von Spender/innen und Unterstützer/innen, da das Projekt ohne diese Hilfe nicht bestehen könnte. – Mehr zu meinem Alltag: www.miaweltweit.de / Instagram: mia_in_uganda
selk.de: Du warst in der kirchlichen Jugendarbeit intensiv und leitend aktiv. Kannst du in Uganda auch in einem kirchlichen Kontext aktiv sein?
Mia: Kirchen in Uganda sind sehr unterschiedlich zu Deutschen. Ich war mit den Kindern aus dem Kinderheim schon einige Male in der dörflichen Gemeinde meines Projektleiters. Da ist nicht nur die Länge des Gottesdienstes (ca. 4 Stunden), sondern auch die Sprache und Lautstärke eine Herausforderung. Es gibt wenige Bereiche, in denen man sich einbringen kann. Daher ist es für mich, vor allem aufgrund der Sprache, schwierig, mich dort zu engagieren. Zudem war ich nun einige Male in einer amerikanisch geprägten und englischsprachigen Kirche, die mehr meinen Bedürfnissen in einem Gottesdienst entspricht. Ich finde es sehr interessant zu sehen, wie viel ausgeprägter der christliche Glauben hier nicht nur geglaubt, sondern auch gelebt wird. Das ist wahnsinnig beeindruckend zu beobachten, auch wenn nicht immer alle erklären können, warum und an was sie glauben. Für mich ist es wertvoll, so viele neue Glaubensausrichtungen und lebendigen Glauben zu erleben. So wird hier in jedem Gottesdienst ohne Ende gesungen und vor allem getanzt.
selk.de: Weißt du schon, was nach dem Freiwilligendienst und der Rückkehr nach Deutschland als Nächstes kommt?
Mia: Es gibt gerade noch verschiedene Möglichkeiten, wo mein Weg hinführen könnte. Zum einen habe ich einen Studienplatz für Psychologie in Kassel, den ich zum Wintersemester 2025 annehmen könnte. Zum anderen überlege ich gerade noch, für ein halbes Jahr nach Irland zu gehen, um dort zu arbeiten und parallel eine Lizenz als Ernährungsberaterin zu machen. Danach wäre mein Wunsch, entweder Psychologie oder Medizin zu studieren. Diese Entscheidungen haben glücklicherweise noch etwas Zeit, sodass ich mich jetzt noch auf meine wunderbare Zeit in Uganda konzentrieren kann.
selk.de: Mia, ganz herzlichen Dank für die informative und empathische Anteilgabe. Das Team von selk.de wünscht dir für den weiteren Dienst in Uganda Gottes Schutz und Segen und für das, was danach kommen mag, dass Gott dich mit seiner Liebe und Weisheit leiten und dir zeigen möge, welcher Weg passt.