
Angedacht!
„Liebt ihr mich, so werdet ihr meine Gebote halten. Und ich will den Vater bitten und er wird euch einen andern Tröster geben, dass er bei euch sei in Ewigkeit: den Geist der Wahrheit, den die Welt nicht empfangen kann, denn sie sieht ihn nicht und kennt ihn nicht. Ihr kennt ihn, denn er bleibt bei euch und wird in euch sein.
Johannes 14,15-17Liebe Leserinnen und Leser,
das sind zwei Sätze aus dem Mund Jesu. Es geht darum, wie die Jünger nach den Ereignissen von Tod, Auferstehung und Himmelfahrt weiterleben sollen. Am Abend vor Jesu Tod endete für die Jünger erst einmal „alles“. Alles – wie sie ihn bisher erfahren hatten, die Art, wie er mit ihnen sprach, sie lehrte, heilte, wie er für sie da war – kam an ein Ende. Und gleichzeitig begann damit alles. Aus den Jüngern wurde die Kirche. Jesus hat sie nicht ihrem Schicksal überlassen, er ist weiterhin da, aber anders, nun durch den Heiligen Geist. Im Gegensatz zu Christus in seinen Erdentagen ist der Heilige Geist unsichtbar. Man könnte denke, er wäre vielleicht die Erscheinungsweise, die Jesus annimmt, um nach seiner Himmelfahrt trotzdem weiter bei seinen Gläubigen zu sein. Aber so ist es gerade nicht, Jesus ist Jesus und der Geist ist der Geist, zwei unterschiedliche Personen der Dreieinigkeit. Dazu gehört Gott der Vater als dritte Person. Und nun verspricht Jesus den Jüngern, dass er den Vater bitten wird, den Geist zu senden. Wir sehen an dieser Stelle, was eigentlich ständig unsichtbar abläuft, was die Dreieinigkeit auszeichnet, nämlich Dynamik und Kommunikation.
Der Geist ist der Tröster, der Beistand, der Fürsprecher, der bei der Kirche sein wird und in jedem einzelnen Gläubigen und das für immer. Der Heilige Geist ist der „Gott in uns“. Eine seltsame und nicht wirklich zu beschreibende Tatsache, finde ich. Das gibt es in Glaubensdingen ja häufig, dass man weiß, dass etwas so ist, aber jemandem, der diese Glaubenserfahrung nicht teilt, nicht beschreiben oder gar beweisen kann, wie es ist. Das ist wohl damit gemeint, dass die „Welt“ diesen Geist nicht kennt, nicht sehen kann und ihn auch nicht empfangen kann.
Ist es nicht eine Herausforderung, dass Jesus bei diesem Thema von einem so klaren Unterschied zwischen seiner Kirche und der Welt spricht? Natürlich „erfüllt der Geist des Herrn das All“, wie es in einem Lied heißt, aber er wirkt in der Kirche, er ist bei den Jüngern, er ist in ihnen lebendig – und in der Welt ist er so nicht. Vielleicht regt sich in manchen jetzt spontan Widerstand, weil sie denken: „Ja klar, die Christen haben die Wahrheit gepachtet, wussten wir doch, dass die so ticken.“ Das ist ein zwar naheliegendes, aber trotzdem ein Missverständnis. Wir besitzen den Geist der Wahrheit nicht als etwas, über das wir verfügen könnten. Es geht auch nicht um Rechthaberei. Sondern darum, dass der Geist der Wahrheit in die Wahrheit – also zu Gott – führt, sie bezeugt, sie verständlich macht und hilft, bei ihr zu bleiben.
Seit unserer Taufe ist der Heilige Geist eine Realität in unserem Leben, in unserer Persönlichkeit. Wir haben ihn nicht erworben, sondern empfangen. Wir bestimmen nicht über ihn, zum Beispiel wenn er das Wort Gottes für uns erschließt, sondern er bestimmt über uns. Man kann ihn nicht zwingen, man kann ihn aber auch nicht folgenlos ignorieren.
Und nun, lösen sich damit alle Probleme und Lebensfragen, die ein Christ haben könnte? Das müsste doch so sein, wenn man den Geist der Wahrheit hat. Das ist aber nicht so. Der Geist ist kein Prinzip, sondern Person. Es geht um Beziehung zu Gott, nicht um eine irgendwie magische Erleuchtung.
Das kommt in diesem Bibelwort auch zum Ausdruck. Warum sonst bringt Jesus das Halten der Gebote ins Spiel? Man kann auch das missverstehen, wenn man nicht funktionierende menschliche Beziehungen im Hinterkopf hat. „Wenn du mich liebst, dann tust du alles, was ich will. Wenn du das nicht tust, liebe ich dich nicht mehr.“ Gemeint ist aber: „Weil wir uns lieben, tue ich, was der andere will.“ Die Beziehung, der Glaube, das Einssein mit Christus, das geht dem Halten der Gebote voraus. Gottes Gebote und Ordnungen zu respektieren ist nicht die Voraussetzung, sondern die Folge der Beziehung zu Gott.
Daran sehen wir auch, dass der Geist der Wahrheit mit dem Wort Gottes zusammengehört. Man kann nicht erwarten, dass der Geist der Wahrheit einen leitet, wenn man gleichzeitig das Gebot des Herrn mit Füßen tritt. Man darf die Rechnung nicht ohne den Wirt machen und das ist in der Kirche der Heilige Geist. Der leitet die Gläubigen auch heute und er tut es eigentlich immer so, dass die „Welt“ den Kopf schüttelt. Aber die Welt und ihre Maßstäbe sind eben nicht der Maßstab des Heiligen Geistes, sondern das ist das Gebot Jesu.
Sowohl in der Kirche als auch im Leben des einzelnen Christen kann das unpopulär und unbequem sein. Da wäre es vielen sogar ganz Recht, wenn Jesus einfach bei der Himmelfahrt verschwunden wäre und die Kirche nichts als ein Erinnerungsverein an ihn wäre, wo eigentlich jeder nach Bedarf selbst die Regeln bestimmt. Die Kirche hat aber einen Herrn. Das ist der Heilige Geist. Jeder Christ ist nach seinem Herrn genannt, Christus. Es ist gut, dass Gott unser Vater uns nicht einfach machen lässt, sondern dass er den Tröster und Beistand und Fürsprecher sendet, weil Christus ihn darum bittet.
Ihre Andrea Grünhagen