13. Sonntag nach Trinitatis – Tätige Nächstenliebe
Der 13. Sonntag nach Trinitatis hat wie jeder Sonntag einen inhaltlichen Schwerpunkt. Allgemein gesprochen geht es um Nächstenliebe oder auch Barmherzigkeit. In unserer Kirche wird er in den letzten Jahren in Anknüpfung an dieses Thema auch als „Diakoniesonntag“ begangen.
Nun sollte man sich klar machen, dass Diakonie nicht eine Erfindung der letzten Jahre oder des 19. Jahrhunderts, als die Anstaltsdiakonie begonnen wurde, ist, sondern auf die Anfänge der Kirche, ja eigentlich auf Jesus selbst zurückgeht. Die Barmherzigkeit Gottes im Wirken Jesu hat von Anfang an zwei Seiten. Er predigt und er heilt. Es ist ganz spannend, dass er das Gleichnis vom barmherzigen Samariter, das das Evangelium dieses Sonntags ist, im Kontext einer Lehrdiskussion mit einem Schriftgelehrten erzählt hat und nicht etwa, nachdem er einen Blinden geheilt oder Hungernde gespeist hat. Dieser Schriftgelehrte hat eigentlich eine ziemlich freche Frage gestellt. „Wer ist denn mein Nächster?“ Das war keine Bitte um Auskunft. „Er wollte sich selbst rechtfertigen …“ steht im Bibeltext. Seine Frage ist sozusagen ein Nachhall der Frage Kains auf den ersten Seiten der Bibel: „Soll ich meines Bruders Hüter sein?“ Eine ebenso freche Rückfrage. Das ist ein interessanter Zusammenhang. Die Geschichte von Kain und Abel ist die alttestamentliche Lesung dieses Sonntags.
Bei Jesus selbst liegen Verkündigung und helfende Tat also noch ganz nahe beieinander, gleichsam ineinander. Und geistlich bleibt das auch so. Nur praktisch, da kommt es früh zu einer Aufgabenteilung. Davon berichtet die Apostelgeschichte im 6.Kapitel (Die Wahl der sieben Diakone). Man könnte sagen, das war der erste Fall von Aufgabenteilung in der Kirchengeschichte. Die Apostel legen sieben Männern die Hände auf, die mit der täglichen praktischen Versorgung der bedürftigen Gemeindeglieder beauftragt werden, während die Apostel selbst sich wieder ausschließlich der Verkündigung widmen. Ganz so klar abgegrenzt scheint es allerdings dann doch nicht gewesen zu sein, denn vom Diakon Stephanus ist uns eine lange Predigt überliefert und der Diakon Philippus lehrt und tauft den Kämmerer aus Äthiopien, während es auch vorkommt, dass Petrus Heilungswunder vollbringt und Paulus eine Kollekte sammelt. Es gehört also immer beides zusammen.
Aber was ist mit uns, was können wir außer dieser mehr theologischen Information mitnehmen? Ich denke, wir können die Frage mitnehmen: „Wer ist denn mein Nächster?“ Nicht, um uns dem Anspruch der Nächstenliebe zu entziehen wie der Schriftgelehrte, sondern um ihn konkret werden zu lassen, immer in dem Bewusstsein, dass wir uns an diesem Punkt eben nicht selbst rechtfertigen können. Wir werden diesem Anspruch nie vollkommen gerecht werden.
Also nochmal: „Wer ist mein Nächster?“ Vielleicht nicht unbedingt der, der meinem Herzen sowieso schon nahe ist. Aber der auch. Vielleicht auch jemand, von dem ich jetzt noch gar nichts weiß, aber den Gott mir morgen zeigt. Oft erschließen sich Worte der Bibel, wenn man sie einfach mit in den Alltag nimmt. Wem kann und soll ich Nähe schenken? Wer darf mir nahekommen, so dass mich seine Not berührt. Aber vielleicht auch so, dass ich selbst mit etwas dadurch beschenkt werde. Der barmherzige Samariter hatte keine Strategie und keinen Plan, er hat Not gesehen und getan, was er konnte. Wahrscheinlich funktioniert Nächstenliebe im Alltag genau so.