Interview mit Dr. Andrea Grünhagen
Glaube • Hoffnung • Liebe
Dr. Andrea Grünhagen, Pastoralreferentin der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche (SELK) und als Referentin für Theologie und Kirche im Kirchenbüro der SELK in Hannover tätig, hat ein neues Andachtsbuch veröffentlicht: „Glaube, Hoffnung, Liebe – Gedanken zum Kirchenjahr“. selk.de hat die Autorin dazu interviewt.
Liebe Andrea, 2018 hattest du schon ein Buch mit Impulsen zu den Sonntagen, dem Kirchenjahr folgend, veröffentlich. Jetzt ist dein neues Buch erschienen unter dem Titel: „Glaube – Hoffnung – Liebe“: Was hat dich motiviert, neue Texte zu den Sonntagen zu schreiben?
Die Rückmeldungen zu meinem ersten Andachtsbuch. Leute haben mir gesagt, dass es sie irgendwie durch die Coronazeit gebracht hat, als das mit den Gottesdiensten schwierig war. Es wurden ganz verschiedene Aspekte genannt, warum so ein weiteres Buch hilfreich sein könnte, viele auch, die eher in den Bereich der Seelsorge gehören. Also habe ich es getan nach dem Motto: „Keep it simple“. Solide und kostengünstig in Buchform, völlig kostenlos als E-Book. Deshalb bin ich dankbar für die Zusammenarbeit mit dem Sola-Gratia-Verlag.
Ein Stück Motivation war auch, ein Zeichen der Zuversicht zu setzen, damit ich mich nicht nur andauernd mit Kontroversthemen beschäftige in kirchlich schwieriger Lage. Jedenfalls geht es mir nicht darum, meinen Namen mal wieder auf einem Buchdeckel zu lesen. Für das wissenschaftliche Ansehen hilft es eher nicht, wenn man auf die Frage nach seiner jüngsten Veröffentlichung mit „Ein Andachtsbuch!“ antwortet. Das macht mir aber nichts.
Den Dreiklang des Titels – Glaube, Hoffnung, Liebe – kennt man aus dem Vers aus dem 1. Korintherbrief „Nun aber bleiben Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei, aber die Liebe ist die größte unter ihnen.“ Warum hast du ihn als Titel gewählt?
Das hat tatsächlich auch mit dem vorhergehenden Buch zu tun. Jemand machte mich darauf aufmerksam, wie oft ich darin von diesem geistlichen Dreiklang sprechen würde. Mir war es nicht aufgefallen, aber ich begann, darüber nachzudenken, wie Glaube, Hoffnung und Liebe zusammenhängen und warum mir das wichtig ist. Mittlerweile würde ich sagen: es ist mir nach zwei Seiten hin wichtig. Die eine ist die, die ich auch im Vorwort zum neuen Buch erwähne: Ich bin überzeugt, dass Glaube, Liebe und Hoffnung in einem Christenleben wachsen können, dass sie lebendig und dynamisch sind in dem Sinne, dass eine von Gott gegebene Kraft in ihnen liegt. Manchmal wird gesagt: „Menschen ändern sich nicht grundlegend.“ Ich sage dann: „Das mag sein, aber sie können wachsen.“ Es hat aber auch noch eine andere Seite. Mir scheint, die drei Haltungen – was man nicht mit Gefühlen verwechseln sollte – hängen innerlich zusammen. Deshalb können sie sich auch gegenseitig schwächen. Wo die Liebe verloren geht, stirbt die Hoffnung. Wo die Hoffnung zu oft enttäuscht wird, wird das Glauben schwer. Wo der Glaube abnimmt, fehlt die Kraft zu lieben und zu hoffen. Darum ist es wichtig, dass wir uns alles drei immer wieder von Gott stärken lassen. Wir haben das nicht aus uns. Dazu sollen meine Überlegungen helfen.
Deine Texte sind kurz – jeweils zwei bis drei Seiten. Diese Kurzform hat erfahrungsgemäß ihre besonderen Herausforderungen. Wie bist du dabei vorgegangen?
Bei manchen Texten handelt es sich um überarbeitete Varianten von Gedanken, die ich unter www.selk.de/angedacht veröffentlicht hatte. Manche sind ganz neu oder aus einem anderen Anlass geschrieben worden. Anders als viele andere, finde ich es sehr angenehm, mich beim Schreiben auf einen Aspekt, vielleicht sogar auf ein Detail, konzentrieren zu können.
„Angedacht“ ist ja eigentlich ein merkwürdiges, künstliches Wort, und wenn man das Substantiv dazu bildet landet man bei „Andenken“. Andererseits ist es aber eine große Chance, Sachen einfach mal „anzudenken“, ohne den Anspruch zu haben, immer alles sagen zu müssen, was man auch noch sagen könnte. Das hat mich zu dieser Kurzform gebracht. So kann ich auch mal etwas äußern, das vielleicht eher unerwartet ist. Oder eine Anregung zum Weiterdenken und Weitermachen geben. Der Schwerpunkt liegt tatsächlich auf dem geistlichen Leben, auf dem Nachdenken, Umsetzen, Verinnerlichen.
Was unterscheidet dein Buch von anderen Andachtsbüchern, die es auf dem Markt gibt?
Die Orientierung am Kirchenjahr und die Verknüpfung mit dem Gottesdienst, glaube ich. Mir ist wichtig, dass es für ganz unterschiedliche Menschen funktioniert. Alleine kann man das Buch zum Beispiel am Samstagabend als Vorbereitung auf den Sonntagsgottesdienst lesen und sich Zeit nehmen, im Gesangbuch die entsprechenden Lesungen nachzuvollziehen und die Besonderheit jedes Sonn- oder Feiertags zu entdecken. Ein Paar könnte sich vornehmen, beim Kaffeetrinken am Sonntagnachmittag gemeinsam zu lesen und sich darüber auszutauschen. Das wäre eine kleine Möglichkeit, über geistliche Inhalte ins Gespräch zu kommen. Auch bei einer Familienandacht mit größeren Kindern könnte man es benutzen. Ich kenne viele christliche Familien, die das eigentlich gerne mal ausprobieren oder anfangen würden, aber sie machen die frustrierende Erfahrung, dass es im Alltag zu oft unterbleibt. Vielleicht ist es dann ja eine gute Erfahrung, es einmal in der Woche zu probieren.
Ganz bewusst handelt es sich nicht um komplette Andachten mit Vorschlägen für Lieder und Gebete. Man kann die Texte mit jeder Andachtsform kombinieren oder auch mit gar keiner bestimmten Form. Für einen Gemeindekreis ist das Buch eine gute Möglichkeit, auch unter der Woche auf die Themen des Kirchenjahrs Bezug zu nehmen. Nicht zuletzt hilft es vielleicht jemandem, der nicht oder nicht regelmäßig zum Gottesdienst gehen kann, trotzdem im Rhythmus des Kirchenjahres zu bleiben.
Was würdest du sagen: Wo und wie wird dein lutherischer Background in den Texten deutlich?
Tja also, hoffentlich nicht dadurch, dass ich möglichst viele geprägte Ausdrücke der lutherischen Theologie wie „Wort und Sakrament“, „Gesetz und Evangelium“, „Gericht und Gnade“ verwende und am Ende dann „Christus“ die Antwort auf alles ist, egal worum es sich handelt. So was kann zum Zerrbild lutherischer Auslegung werden. Ich hoffe einfach, dass mein Glaube durchscheint. Das ist ja übrigens die Pointe der Bindung an das lutherische Bekenntnis, wie das Bekenntnis es selbst ausdrücklich in der Konkordienformel deutlich macht. Man muss nicht extra sagen, dies und das, was ich sage oder tue, ist jetzt konfessionell-lutherisch. Sondern mein persönlicher Glaube ist nichts anderes als mein öffentliches Bekenntnis und beides nichts anderes als meine theologische Lehre – das ist unser Anspruch als Kirche, das ist mein theologischer Anspruch an mich.
Ich würde ja gerne mit dem Liedvers sagen können: „im Wort, im Werk und allem Wesen, sei Jesus und sonst nichts zu lesen…“, aber dahinter bleibe ich leider im Glauben, Hoffen und Lieben zurück. Es wäre gut und richtig, und in dem Sinne ist Christus auch Anfang und Ende von allem, aber das kann ich leider so nicht von mir behaupten. Hoffentlich hilft es, dass ich das weiß und es auch offen sage.
Eine Frage zum Prozess des Schreibens: Wie sehr profitierst du vielleicht auch selbst, wenn du Bibelverse in dieser Form auslegst, dich so intensiv damit beschäftigst?
Manchmal frage ich mich, ob ich mir eigentlich selbst glaube, was ich da sage. Wenn ich in Gefahr bin, die Hoffnung zu verlieren beispielsweise. Oft mache ich es so, dass ich mir einen konkreten Menschen vor Augen stelle, dem ich jetzt etwas zu einem Bibelvers sagen möchte. Das hilft mir, es konkret zu formulieren. Ich glaube aber nicht, dass diejenigen das automatisch auch wissen, wenn sie meine Texte lesen. Na ja, ganz wenige können wahrscheinlich wirklich zwischen den Zeilen lesen.
Mir selbst hilft es, nicht einzelne Bibelverse zu sehen, sondern mir den Zusammenklang der Lesungen und ggf. Lieder eines Sonntags bewusst zu machen. Man kann liturgisch so viele Entdeckungen machen. Wenn man sich mit Gottes Wort beschäftigt, lässt einen das immer geistlich wachsen, insofern profitiere ich wohl auch davon, aber darüber denke ich nie nach.
Die Fragen stellte Doris Michel-Schmidt
Das Buch „Glaube, Hoffnung, Liebe – Gedanken zum Kirchenjahr“ hat 240 Seiten und ist erschienen im Sola-Gratia-Verlag Rotenburg (Wümme). Es kann für 7,50 Euro beim Verlag oder über den Buchhandel bezogen werden. Weitere Informationen sowie auch ein kostenloser E-Book-Download finden sich auf der Verlagswebsite.