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SELK-Aktuell

Jubiläumsbriefmarken: 50 Jahre SELK


Briefmarken


Am 25. Juni 2022 feierte die Selbständige Evangelisch-Lutherische Kirche (SELK) ihr 50-jähriges Bestehen. Aus diesem Anlass gab deren Kirchenleitung in Zusammenarbeit mit der Sammlergilde St. Gabriel einen Zehnerbogen Briefmarken individuell mit verschiedenen Motiven heraus. Helmut Koopsingraven (Uelzen), emeritierter Pfarrer der SELK und St. Gabriel-Gildenmeister, der den Bogen initiiert hat, gibt nähere Informationen.


KoopsingravenDie SELK entstand durch den Zusammenschluss dreier selbstständiger lutherischer Kirchen. Diese hatten ihren Ursprung in der lutherischen Erneuerungsbewegung des 19. Jahrhunderts. Damals widersetzten sich lutherische Pfarrer und Gemeinden einer staatlich verordneten Vereinigung lutherischer und reformierter Kirchen und gründeten eigene Kirchen. Nach dem 2. Weltkrieg fanden diese zu einer engen kirchlichen Gemeinschaft, die 1972 am Gedenktag der Augsburgischen Konfession von 1530, der zentralen Bekenntnisschrift der Lutherischen Kirche, zur vollständigen Vereinigung führte.

Die Briefmarken zeigen die Gründerväter der drei Vorgängerkirchen, die Gotteshäuser der Muttergemeinden der Kirchen sowie den ersten Bischof der SELK und das Portal des ehemaligen Hauptgebäudes der Lutherischen Theologischen Hochschule in Oberursel (Taunus).

Der Briefmarken-Zehnerbogen kann zum Preis von 13 Euro zzgl. Versandkosten im Kirchenbüro der SELK bestellt werden: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

 

Lesenswert


An dieser Stelle werden auf selk.de regelmäßig Bücher vorgestellt: zum Lesen, zum Verschenken, zum Nachdenken, zum Diskutieren – Buchtipps für anregende Lektürestunden. Die hier veröffentlichten Buchvorstellungen hat Doris Michel-Schmidt verfasst.

Lesenswert


Zur Antwort bereit

Cover MartensWer kennt sie nicht, die Argumente gegen den christlichen Glauben: Die Wissenschaft habe den Glauben längst widerlegt. Jeder solle seinen eigenen Glauben haben. Man könne doch heute nicht mehr an die Bibel glauben. Und Christ sein gehe auch ohne Kirche …

Die Einwände sind nicht neu, aber sie scheinen selbst in Kirche und Gemeinden zunehmend (wieder) zu verfangen. Klingt doch ganz plausibel, dass es die Wahrheit nicht gibt und jeder nach seiner Façon selig werden soll, oder nicht? Und was entgegnet man, wenn einem vorgehalten wird, dass es einen Gott, der so viel Leid zulässt, nicht geben könne? Dass die Bibel heutigen Erfahrungen und Erkenntnissen widerspreche? Dass Jesu Auferstehung sich nicht beweisen lasse und die Hölle eine Erfindung der Menschen sei?

Ja, was antworten, wenn man als Christ nach dem eigenen Glauben gefragt wird? Dr. Gottfried Martens, evangelisch-lutherischer Gemeindepfarrer in Berlin, hatte vor einiger Zeit für seine damalige Gemeinde Texte verfasst, die die wesentlichen Inhalte des christlichen Glaubens erklären.

Unter dem Titel „Woran ich glaube“ erläutert Martens entlang dem Glaubensbekenntnis die Basics des christlichen Glaubens. Er tut das anschaulich, anregend, inspirierend, so dass man den eigenen Glauben selbst wieder besser versteht, darin bestärkt und dann eben auch auskunftsfähig wird. Denn nur wer seinen Glauben kennt, kann auch Zeugnis darüber ablegen.

In einem zweiten Teil antwortet der Autor auf häufige Argumente gegen den Glauben. Er ordnet ein, rückt zurecht, entlarvt – eindeutig, aber ohne Polemik, kenntnisreich und nachvollziehbar.

Dass manche dieser Texte mittlerweile vielerorts in Gemeindebriefen abgedruckt wurden zeigt, wie groß das Bedürfnis nach verständlichen, fundierten, klaren Erklärungen ist. Es ist daher sehr zu begrüßen, dass sie jetzt zusammengestellt als Buch herausgegeben wurden.

Gottfried Martens
Zur Antwort bereit. Hilfen zum Gespräch über den christlichen Glauben
Sola-Gratia-Verlag 2022, 120 Seiten, 6,00 Euro; erhältlich beim Verlag oder im Buchhandel.
Als E-Book kostenlos über die Verlags-Website www.sola-gratia-verlag.de




Gott ist einfach wunderbar

Cover KrieserDas Angebot an Andachtsbüchern ist überschaubar; wer für die tägliche Andacht Texte lutherischer Autoren sucht, wird dieses Buch daher gern aufschlagen. Matthias Krieser, SELK-Pfarrer im Ruhestand, hat über 400 Andachtstexte verfasst, für jeden Tag des Jahres. Jede Andacht umfasst eine Seite, beginnt mit einem Bibelwort und endet mit einem Gebet.

Der Autor betont, dass die Gedanken und Erklärungen zu dem Bibelwort „in einfacher Sprache“ gefasst seien. Das stimmt insofern, als kurze Sätze, kaum Fremdwörter, einfache Vergleiche und Bilder das Verstehen erleichtern. Aber die Sprache ist eben nicht derart „einfach“, dass sie dem biblischen Wort seine Tiefe, seine Komplexität, seine Stärke weg kürzt und die Botschaft simplifiziert. „Einfach“ sind die Texte, weil sie nicht den Zweifel mit ins Boot holen, sondern immer Christus-zentriert bleiben. „Einfach“ sind die Texte, weil sie auf das Ziel hinweisen und auf Gottes Handeln. Insofern sind sie einfach tröstlich, wie gute Verkündigung es immer ist.

Eine Anmerkung zur Aufmachung: Vermutlich haben Autor und Verlag als Zielgruppe vor allem auch eine ältere Leserschaft im Blick gehabt und daher ein A4-Format mit großer Schrift und festem Einband gewählt. Der Nachteil ist, dass das Buch dadurch sehr unhandlich und schwer geworden ist. In der Hand haltend oder im (Kranken-)Bett wird man es so wohl eher nicht nutzen.

Matthias Krieser
Gott ist einfach wunderbar. Tägliche Andachten in einfacher Sprache
Sola-Gratia-Verlag 2022, 412 Seiten, 21,00 Euro; erhältlich beim Verlag oder im Buchhandel.
Als E-Book kostenlos über die Verlags-Website www.sola-gratia-verlag.de



Weitere Buchtipps finden Sie im Archiv.

Wieder da! „Rotes Berliner Heft“ wieder erhältlich


Druckfrisch im Kirchenbüro eingetroffen und ab sofort bestellbar: „Die Selbständige Evangelisch-Lutherische Kirche (SELK). Ein Informationsschrift“. Von vielen Kirchgliedern wird diese Broschüre (99 Seiten) liebevoll nur „Das rote Berliner Heft“ genannt. Erschienen ist sie 1975, erarbeitet von einigen (West-)-Berliner Pastoren und sie war mit einem leuchtend roten Einband versehen. Daher der Name. Nun liegt die 5. Auflage vor – in einem veränderten Format, etwas weniger grellrot, sprachlich ganz leicht überarbeitet und mit neuem Layout versehen. Und inhaltlich so weit angepasst, wie es sein musste, weil sich z.B. Strukturen o.ä. geändert haben. Aber ansonsten: die bewährte Informationsschrift über die SELK.

Die SELK

Was kostet das?

Weniger, als es auf jeden Fall wert ist. Damit Gemeinden oder auch Einzelpersonen genügend Exemplare bestellen können, ohne zu hohe Kosten tragen zu müssen, kostet die einzelne Informationsschrift nur 2,50 Euro (zuzüglich Versand).


Was macht man damit?

Man liest es. Wenn man schon zur SELK gehört, damit man sich selbst informiert und Auskunft geben kann. Oder man gibt es weiter, wenn jemand Interesse an der SELK hat. Genauer gesagt, wenn jemand ein bisschen mehr Interesse hat, und deshalb etwas Umfangreicheres als nur einen Flyer möchte.


Und was steht da drin?

Es gibt 5 Kapitel. Es geht um „Das Werden der lutherischen Kirche“ (die hat nämlich nicht erst 1972 begonnen), „Von Glauben und Lehre der lutherischen Kirche“, „Vom Gottesdienst der lutherischen Kirche“, „Vom Leben der Christen“ und „Von der Selbständigen evangelisch-lutherischen Kirche“.


Ist das nicht total veraltet, wenn das ursprünglich von 1975 ist?

Nein, gar nicht, es zeigt nämlich, was sich in der lutherischen Kirche alles nicht geändert hat. Die Kirchengeschichte sowieso nicht, weil man Geschichte nicht ändern kann. Der Glaube und die Lehre ändern sich auch nicht, denn Lehraussagen werden nach dem lutherischen Bekenntnis (Konkordienformel Solida Declaratio 12) „vor dem Angesicht Gottes und der ganzen Christenheit, bei den jetzt Lebenden und denen, die nach uns kommen“, getroffen. Mangel an Veränderung ist in diesem Fall also ein Qualitätsmerkmal. Über den Gottesdienst ist seinem Wesen nach ebenfalls nichts grundsätzlich Neues zu sagen. In der Ethik treten gelegentlich neue Fragestellungen auf und andere treten in den Hintergrund, aber wer die Heilige Schrift als Maßstab hat, wird wohl auch an diesem Punkt nicht zu grundstürzend anderen Aussagen kommen können. Die äußere Gestalt der Kirche verändert sich, dem trägt das Heft Rechnung. Es handelt sich um die 5. bearbeitete Auflage.


Wer hat diese neue Auflage bearbeitet?

Federführend bis zu seinem Tod im Herbst 2021 Bischof i.R. Dr. Jobst Schöne D.D., der einer der ursprünglichen Autoren war. Und ansonsten Dr. Andrea Grünhagen, Referentin für Theologie und Kirche im Kirchenbüro der SELK, und der Geschäftsführende Kirchenrat der SELK, Michael Schätzel


Wie kann ich das bestellen?

Bestellungen sind an das Kirchenbüro der SELK zu richten:
Schopenhauerstr. 7, 30625 Hannover, Tel.: 0511 - 55 78 08, Fax: 0511 - 55 15 88, E-Mail Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

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An dieser Stelle werden auf selk.de regelmäßig Bücher vorgestellt: zum Lesen, zum Verschenken, zum Nachdenken, zum Diskutieren – Buchtipps für anregende Lektürestunden. Die hier veröffentlichten Buchvorstellungen hat Doris Michel-Schmidt verfasst.


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Über den Trost


„Wo bleibst du, Trost der ganzen Welt?“ So eindringlich fleht die Christenheit im Adventslied „O Heiland, reiß die Himmel auf“ um Trost. So sehr brauchen wir Menschen diesen Trost, immer schon und auch und gerade in dieser Zeit. Wo bleibst du, wahrer Trost, der nicht nur vertröstet, nicht verharmlost und nicht beschwichtigt?

Zwei Bücher fragen danach, was Trost überhaupt ist. Was tröstet wirklich, wenn Leben beschädigt, gedemütigt oder sogar ausgelöscht wurde?

Cover StrunkDer Schriftsteller und Theologe Reiner Strunk sucht darauf Antworten anhand von Beispielen in der Bibel, in Literatur, Philosophie und Kunst. Seine kluge und tiefgründige Analyse findet ein überzeugendes Fazit: „Das Geheimnis des Trostes und seiner Wirksamkeit ist die Aussicht auf Verwandlung“. Nicht das sich Abfinden mit dem Unabänderlichen tröstet, nicht das Beschwichtigen, nicht gut gemeinte Ratschläge zur Ablenkung. Wahrer Trost „muss das Erschrecken konterkarieren mit begründeter Zuversicht“.

Solcher Trost geschieht in der biblischen Josephsgeschichte, in der nach dem vermeintlichen Tod seines Lieblingssohnes der Vater untröstlich ist und seine Söhne ihn mit Lügen trösten wollen, was natürlich nicht funktioniert. Am Ende spendet Joseph echten Trost, der den verschreckten Brüdern einen Neuanfang (mit Gott) ermöglicht.

Solcher Trost geschieht andeutungsweise in Theodor Fontanes Effi Briest, als die unglückliche Effi kurz vor ihrem Tod den einzigen Menschen, der ihr zugetan geblieben ist, fragt, ob sie wohl in den Himmel komme. Und der, ihr Pastor Niemeyer, tröstet sie, indem er ihren Kopf in seine alten Hände nimmt, ihr einen Kuss auf die Stirn gibt und sagt: „Ja, Effi, du wirst“.

Solcher Trost geschieht bei Mose, bei Jona und Elia. Er geschieht in Texten von Heinrich Heine oder Mattias Claudius. In der Musik findet sich Trost, zum Beispiel in Johannes Brahms‘ Requiem.

Aber auch an Beispielen, in denen Trost an der Oberfläche bleibt – therapeutisches Placebo, philosophische Belehrung, billige Vertröstung – lässt sich etwas über Trost lernen. „Vertröstung narkotisiert, Trost antizipiert“, schreibt Reiner Strunk im Kapitel „Trost im Advent“, der ganz im Zeichen des nahenden, erlösenden Gottes steht. Das ist wahrer Trost, der verwandelt und lebendig macht! Das ist die Antwort auf die flehende Bitte „Wo bleibst du, Trost der ganzen Welt?“ Niemand und nichts kann uns angesichts des Todes diesen Trost geben, als allein Christus. Daher singen Christen an Ostern und an den Gräbern: „Christ ist erstanden von der Marter alle; des solln wir alle froh sein, Christ will unser Trost sein“.

Cover IgnatieffVon diesem Trost kann der Autor Michael Ignatieff in seinem Buch „Über den Trost“ nur als distanzierter Nichtgläubiger berichten. Zwar ist er selbst überrascht, dass ihn die Psalmen, insbesondere in ihren Vertonungen, trösten. Er versucht daher zu verstehen, wie „diese uralte religiöse Sprache uns so verzaubert hatte“. Immerhin bleibt da ein Staunen, eine Irritation, dass biblische Texte ihn anrühren können. Wirklich erklären kann er sich den „Zauber“ nicht. Er sucht andere „Tröstungsbemühungen“ an Beispielen von Texten und Porträts, von Cicero, Marc Aurel, Karl Marx, Albert Camus und vielen anderen.

Wenn Michael Ignatieff sich mit Hiob, mit den Psalmen, mit dem Apostel Paulus beschäftigt, sucht er – anders als Reiner Strunk – nicht die verwandelnde Kraft im Trost, sondern ihm reichen die Hilfsmittel, die es erleichtern, weiterzumachen. Seine Porträts sind spannend zu lesen – wirklich tröstlich sind sie nicht. Ihnen fehlt die Kraft zur Verwandlung, die Reiner Strunk in seinem Buch immer wieder sucht und findet. Das Fazit von Michael Ignatieff gibt sich mit sehr viel weniger zufrieden: „Welche Erkenntnis können wir für Zeiten der Dunkelheit gewinnen? Wir lernen etwas ganz Einfaches: Wir sind nicht allein und sind es nie gewesen."



Reiner Strunk
Wer spricht von Trost. Entdeckungen in Literatur und Bibel
Edition Evang. Gemeindeblatt im Evangelischen Verlag Stuttgart 2020, 184 Seiten, 16,95 Euro

Michael Ignatieff
Über den Trost in dunklen Zeiten
Ullstein Verlag 2021, 347 Seiten, 24,00 Euro




Weitere Buchtipps finden Sie im Archiv.


 

 

Spendenaufruf


Kirchenleitung und Diakonisches Werk der SELK erbitten Spenden zur Unterstützung der Hilfsmaßnahmen für Betroffene der Ukraine-Krise:



Seit acht Jahren herrscht Krieg in der Ukraine. Die neuen Kriegshandlungen verschärfen die ohnehin schon schlechte Situation für die Zivilbevölkerung. Massive Fluchtbewegungen in die angrenzenden europäischen Nachbarländer haben begonnen. Stündlich steigen die Zahlen der Menschen, die über die Grenzen nach Polen, Rumänien, Ungarn, die Slowakei und die Republik Moldau fliehen.

Bislang haben sich 520.000 Menschen außer Landes in Sicherheit gebracht, vor allem Frauen und Kinder. In den kommenden Tagen wird es darum gehen, Orientierung zu bieten und Nothilfe zu leisten.

Gemeinsam mit lokalen Partnerorganisationen leistet die Diakonie Katastrophenhilfe Hilfe vor Ort.
Lebensmittel und Hygieneartikel werden an Geflüchtete innerhalb der Ukraine verteilt.
Soforthilfen wie Nahrungsmittel, Trinkwasser oder Notunterkünfte werden bereitgestellt. Eine Partnerorganisation versorgt Menschen an der Grenze zu Ungarn mit Essen und Hygiene-Artikeln.

Der Krieg herrscht nicht nur im Osten der Ukraine, sondern auch in den bislang friedlichen Regionen des Landes. Raketen schlagen in Wohnblöcke und Häuser ein und treffen die Zivilbevölkerung. In den Großstädten suchen Menschen verzweifelt Schutz in U-Bahnhöfen, Tiefgaragen und Kellern. „Den Preis für diesen Krieg werden die Menschen zahlen, die vollkommen unverschuldet ihre Sicherheit und ihr Zuhause verlieren werden“, sagt Dagmar Pruin, die Präsidentin der Diakonie Katastrophenhilfe.

Die SELK kooperiert mit der Diakonie Katastrophenhilfe des Evangelischen Werkes für Diakonie und Entwicklung, dessen Hilfsmaßnahmen sie unterstützt. Ob darüber hinaus auch Hilfsmaßnahmen anderer kirchlicher Partner unterstützt werden können, wird geprüft.

Wir bitten um Spenden unter dem Stichwort „Ukraine“ auf das folgende Konto:
SELK Katastrophenhilfe
IBAN: DE02 3506 0190 2100 1520 13
BIC: GENODED1DKD
Bank für Kirche und Diakonie

Spendengelder werden umgehend ohne jeden Abzug dem angegebenen Zweck zugeführt. Bei Vorlage der Durchschrift erkennt das Finanzamt Spenden bis 100,00 € an. Bei höheren Beträgen wird Ihnen – bei Angabe von Namen und Anschrift – eine Spendenbescheinigung zugesandt.

Aufruf zur Fürbitte um Frieden


Der Konflikt im Osten Europas zwischen Russland und der Ukraine ist allem Anschein nach die schwerste kriegerische Auseinandersetzung auf dem europäischen Kontinent seit dem Ende des 2. Weltkrieges. Bischof Hans-Jörg Voigt D.D. von der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche (SELK) wendet sich in dieser Situation an seine Kirche, aber auch an die Öffentlichkeit, setzt ergänzend zu den medialen Berichten einen besonderen Schwerpunkt durch seine „Stellungnahme zur kirchlichen Lage in der Ukraine und Russland“ und gibt geistliche Hilfen, darunter auch einen ausführlichen Gebetsvorschlages.

Zum Spendenaufruf bitte hier klicken.

Bischof Voigt


Aufruf zur Fürbitte um Frieden


Der Konflikt im Osten Europas ist allem Anschein nach die schwerste kriegerische Auseinandersetzung auf dem europäischen Kontinent seit dem Ende des 2. Weltkrieges. Ich bitte die Gemeinden der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche (SELK), ihre Glieder und Pfarrer, nicht nachzulassen, um Frieden zu beten.

In unserem neuen Evangelisch-Lutherischen Kirchengesangbuch (ELKG²) finden sich Gebete auf Seite 1594 (Gebet am Mittwoch) und den Seiten 1613 und 1614.

Lieder, die zum Gebet um Frieden geeignet sind, sind unter anderem folgende:
„Verleih uns Frieden gnädiglich“ (ELKG² 669 und 670), „Du Friedefürst, Herr Jesu Christ“ (671), „Unfriede herrscht auf der Erde“ (672), „Gib Frieden, Herr, gib Frieden“ (673), „Hevenu schalom alejchem“ (674), „Dona nobis pacem“ (675 und 677) und „Frieden, Frieden“ (676). Unter der Nummer 157 findet sich ein Kyrie-Ruf aus der orthodoxen Liturgie der Ukraine. Möge unser Gesangbuch in dieser Notzeit seine geistliche Kraft entfalten.

Ich füge zudem einen gottesdienstlichen Gebetsvorschlag an, der sich natürlich auch für das häusliche Gebet eignet.

Herr, erbarme dich!

Am 24. Februar 2022
Bischof Hans-Jörg Voigt D.D
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Stellungnahme zur kirchlichen Lage in der Ukraine und Russland

Mit Traurigkeit und Sorge nehme ich in diesen Tagen das Leid und das Blutvergießen wahr, dass sich in der Ukraine ereignet. Unsere Ohnmacht treibt uns in das Gebet zu Gott, der durch seinen Sohn Jesus Christus Frieden zwischen uns in Schuld und Tod verfallenen Menschen und seiner göttlichen Heiligkeit gestiftet hat.

Weil in der öffentlichen Berichterstattung die kirchliche Lage der Orthodoxen Kirche in Russland und der Ukraine kaum Berücksichtigung findet, möchte ich hier auf einige Hintergründe aufmerksam machen. Das Verhältnis dieser Kirchen scheint mit ursächlich für den Ausbruch des Konfliktes zu sein.

Am 14. September 2018 kam es zum Bruch zwischen der Russisch-Orthodoxen Kirche, Patriarchat Moskau, und dem Ökumenischen Patriarchat von Konstantinopel. Das Patriarchat von Konstantinopel hatte zuvor zwei Exarchen in Kiew ernannt und damit die Unabhängigkeit (Autokephalie) der Orthodoxen Kirche in der Ukraine anerkannt.

Am Donnerstag, 24. Februar 2022, veröffentlichte der Patriarch Kyrill I. eine Ansprache auf der Website des Moskauer Patriarchats, in der er sagt: „Als Patriarch von ganz Russland und Primas der Kirche, dessen Herde sich in Russland, der Ukraine und anderen Ländern befindet, empfinde ich tiefes Mitgefühl mit allen, die von dem Unglück betroffen sind.“ Der Konflikt ist hier zwischen den Zeilen verborgen: Indem Kyrill sich als Patriarch von Russland und der Ukraine bezeichnet, verweigert er die Anerkennung der Autokephalie der Ukraine ein weiteres Mal. Kyrill I. gab seiner Hoffnung Ausdruck, dass die „von Gott geschenkte Gemeinschaft“ dazu beitragen werde, die „Spaltungen und Widersprüche zu überwinden, die zu dem gegenwärtigen Konflikt geführt“ hätten. Im Grunde genommen rechtfertigt er damit den Krieg indirekt.

Die Lehre Einklang (Symphonia) zwischen Staat und Kirche ist die Achillesferse der Orthodoxen Kirche. Am „Tag der Verteidiger des Vaterlandes“ gratulierte Kyrill I. President Putin, seinem „lieben Wladimir Wladimirowitsch“. Putin hatte Kyrill erst am 20. November 2021 zum 75. Geburtstag den Orden des heiligen Apostels Andreas überreicht, die höchste Auszeichnung des russischen Staates. In dieser Woche sagte Kyrill, dass er dafür beten werde, Gott möge „das russische, das ukrainische und andere Völker beschützen, die durch unsere Kirche geistig vereint“ sind.

Auch die Lage der kleineren lutherischen Kirche in der Ukraine ist von Zerrissenheit und Konflikten geprägt und bedarf unserer Fürbitte.

Das Bekenntnis der lutherischen Kirche kennt die Unterscheidung der beiden Regierweisen (Reiche) auch wenn es bis in unsere Tage immer wieder zu gegenseitigen Übergriffen kommt. August Vilmar, einer der theologischen Väter der Hessischen Renitenz, einer Vorgängerkirche der SELK, soll seinem Kurfürsten zugerufen haben: „Sire, geben Sie die Kirche frei!“1 Theodor Harms, einer der Väter der Hannoverschen ev.-luth. Freikirche, sagte sehr grundlegend: „Wie soll sich aber die Kirche zum Staate stellen? Ich weiß keine andere Antwort als die: … Freie Kirche und Freier Staat. Ohne Freiheit gedeiht weder Kirche noch Staat.“2 Diese Zitate scheinen heute noch so aktuell wie im 19. Jahrhundert.

Dass bei den gegenwärtigen Kriegshandlungen auch ein kirchlicher Konflikt im Hintergrund steht, erscheint mir besonders bitter zu sein. Dies sage ich mit aller gebotener Demut vor dem Hintergrund der westeuropäischen und unserer deutschen Geschichte des vergangenen Jahrhunderts.

Christus spricht: „Dies habe ich mit euch geredet, damit ihr in mir Frieden habt. In der Welt habt ihr Angst; aber seid getrost, ich habe die Welt überwunden.“ (Johannes 16,33). Hans-Jörg Voigt

.....

1 Vilmar soll in einer persönlichen Audienz den Kurfürsten aufgefordert haben: „Geben Sie die Kirche frei!“. Dies berichtet er in einem Brief an den Bruder W. Vilmar vom 14. Oktober 1849 (vgl. Hopf, A. Vilmar, II, S. 90; Karl Wicke, Die hessische Renitenz: ihre Geschichte und ihr Sinn, Kassel 1930, S. 35.
2 Grünhagen, Andrea, Erweckung und konfessionelle Bewusstwerdung, Berlin, 2010, S. 322. 




Fürbittengebet um Frieden

Liturg zur Gemeinde: Im Frieden lasst uns beten durch unsern Herrn Jesus Christus, den Erlöser der Welt.

Lektor zur Gemeinde: Für den Frieden im Osten Europas / dass der Herr dem Krieg Einhalt gebiete und den Menschen in der Ukraine den Frieden und Freiheit wieder schenke / lasst uns beten:

Gemeinde: Herr erbarme dich. (Hier kann auch das Kyrie aus der orthodoxen Liturgie der Ukraine, ELKG² 157 gesungen werden.)

Lektor zur Gemeinde: Für die Kinder und Jugendlichen / dass der Herr sie an Leib und Seele vor Leid und Verletzung bewahre / lasst uns beten:

Gemeinde: Herr erbarme dich.

Lektor: Für die Brüder und Schwestern in den Kirchen der Ukraine und Russlands / dass Gott ihre Herzen vor Hass aufeinander bewahre / dass er ihnen Wege zeige, dem Frieden zu dienen, das Wort Gottes zu verkündigen und die Sakramente zu feiern / lasst uns beten:

Gemeinde: Herr erbarme dich.

Lektor: Für alle, die politische Verantwortung tragen /dass der Herr ihre Herzen zum Frieden lenke /dass er ihnen helfe der Wahrheit und der Gerechtigkeit zu dienen / dass er die Herzen und Sinne der Menschen vor Irrtum und Lüge bewahre / lasst uns beten:

Gemeinde: Herr erbarme dich.

Lektor: Um Frieden und Eintracht unserem Land /dass der Herr der Polarisierung der Gesellschaft in Interessengruppen wehre / dass er den Frieden an den Arbeitsstätten, Universitäten und Schulen schenke und erhalte / dass er Lehrern und Lehrerinnen neue Kraft gebe und ihre Liebe erhalte / lasst uns beten:

Gemeinde: Herr erbarme dich.

Lektor: Um Frieden in unseren Häusern und Familien / dass der Herr den Eheleuten helfe, die es schwer miteinander haben / dass er gute Verständigung zwischen den Generationen schenke / damit die Kinder in Frieden heranwachsen können und für die ungeborenen Kinder / lasst uns beten:

Gemeinde: Herr erbarme dich.

Lektor: Für ein Ende der weltweiten Krankheitsnot /dass der Herr die Menschen vor Krankheit bewahre / dass er den Pflegekräften und Ärzten neue Kraft gebe / für alle die krank sind, und deren Namen wir hier in der Stille nennen … / lasst uns beten:

Gemeinde: Herr erbarme dich.

Lektor: Für unsere Kirche und Gemeinde / dass der Herr uns bei seiner Wahrheit erhalte / dass er junge Menschen willig mache, in seinen Dienst zu treten / für die Lutherische Theologische Hochschule und alle theologischen Ausbildungsstätten / dass der Herr Lehrende und Lernende in seinem Wort gründe / lasst uns beten:

Gemeinde: Herr erbarme dich.

Liturg zum Altar: Barmherziger Gott, erhalte uns deinen Frieden, schenke Frieden allen Menschen, für die wir gebetet haben, durch Jesus Christus, deinen Sohn, unseren Herrn.
Amen.


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Middlemarch


Cover EliotEs gibt Bücher, in die taucht man ein, sobald man zu lesen beginnt. Sie versetzen einen in ein anderes Leben, das einem selbst genügend fremd ist, um neugierig zu werden und gleichzeitig so nah, um sich selbst darin gespiegelt zu finden. Middlemarch ist so ein Buch. George Eliot, die Autorin, lebte im 19. Jahrhundert in England und hieß eigentlich Mary Ann Evans. Sie legte sich ein männliches Pseudonym zu, um ihre literarische Karriere zu befördern.

Mit Middlemarch inszeniert sie eine Kleinstadt in Mittelengland um 1830. Sie setzt Figuren in diese Szenerie hinein, die sofort lebendig werden. Die Schicksale, die sie nach und nach miteinander verwebt, rühren einen an. Man leidet mit den Menschen, deren Pläne und Hoffnungen zerrinnen, deren Beziehungen geprägt sind von Konventionen und Vorurteilen. Eine der Hauptfiguren ist die verwaiste Dorothea Brooke, die sich nach einem hehren geistigen Leben sehnt und glaubt, dieses in der Ehe mit dem älteren Pastor Casaubon zu finden. Der Geistliche, der sich in seiner fruchtlosen Forschung über Mythologien verloren hat, entpuppt sich aber schnell als liebloser, eifersüchtiger Gelehrter, dem Dorotheas Wissensdurst, den er zunächst als Bewunderung genossen hatte, schnell lästig wird.

Dann ist da auf der anderen Seite der zugezogene junge Arzt Tertius Lydgate. Er ist ambitioniert, idealistisch, schert sich scheinbar nicht um Standesdünkel und Gepflogenheiten. Er will den Kranken helfen, neue medizinische Methoden einführen, baut ein Krankenhaus auf. Und heiratet – die falsche Frau. Das sind nur zwei Schicksale, die mit vielen anderen verknüpft werden: Verwandte, Nachbarn, Pfarrer, Ärzte, der Bankier, Politiker, Gutsbesitzer – sie alle gehören zu diesem Kosmos. Sie sind aufeinander angewiesen und stoßen sich ab. Sie wissen um ihre Schuld und versuchen irgendwie durchzukommen. Sie wollen geliebt werden und finden doch keine Ruhe. Wie im richtigen Leben halt.

Was diesen wunderbaren Roman auszeichnet, ist die Präzision, mit der die Psychologie der Figuren entwickelt wird. In nur wenigen Sätzen wird eine Gemütslage offenbart, werden Hoffnungen angedeutet und verborgene Ängste konkret.

Man kann gar nicht anders, als alle diese Figuren mit großer Sympathie zu begleiten, mit ihnen das Scheitern von Plänen zu erleiden und doch auf einen Ausweg zu hoffen. Und ganz nebenbei erfährt man sehr viel Wissenswertes über die damalige politische Situation, über das Gesundheitswesen, die Landwirtschaft und die Glaubenspraxis im viktorianischen England.

Die Sprachkunst dieser hierzulande viel zu unbekannten Autorin ist unvergleichlich. Ihr Humor ist es auch. Anlässlich ihres 200. Geburtstags 2019 erschienen zwei Neuausgaben mit unterschiedlichen Übersetzungen ihres großen Romans, die nun auch als Taschenbücher erhältlich sind. Wer dicke kluge, unterhaltsame Schmöker mag, muss Middlemarch lesen. Über 1000 Seiten reines Lesevergnügen!


George Eliot
Middlemarch. Eine Studie aus dem Leben in der Provinz.
Roman. Aus dem Englischen von Rainer Zerbst.
Deutscher Taschenbuch Verlag, Taschenbuch-Ausgabe, München 2021. 1150 Seiten, 14,90 Euro

George Eliot
Middlemarch. Eine Studie über das Leben in der Provinz.
Roman. Aus dem Englischen von Melanie Walz.
Rowohlt Verlag, Taschenbuchausgabe Hamburg 2021, 1264 Seiten, 20,00 Euro




Hana

Cover KochHana, Tochter einer Jüdin aus Dresden, ist katholisch getauft und lebt bei ihren Stiefeltern in dem sorbischen 200-Seelen-Dorf Horka in der Nähe von Kamenz. Sie weiß um ihre Herkunft, aber sie ist glücklich in Horka und sie liebt ihre Eltern, die sie angenommen haben und sie wie ihre eigene Tochter aufziehen. Außerdem ist sie verliebt in Boscij und er in sie. Alles könnte gut werden. Aber es ist das Jahr 1939, und auch in Horka zieht die nationalsozialistische Bedrohung die Einwohner mehr und mehr in den Abgrund.

Als ein Dorfbewohner auf mysteriöse Weise ums Leben kommt, wird klar, dass auch Hana bedroht ist. Sie muss bei einer Feier den Tanzsaal verlassen, ein „Vergnügungsverbot“ für Nichtarier verlange das, sagt der Ortspolizist Beier, und er müsse von Amts wegen die Anweisungen durchsetzen, auch wenn er „sie sich nicht ausgedacht“ habe. Wenig später taucht die Gestapo auf und erklärt Hana, dass ihr ab sofort jeglicher Gottesdienstbesuch untersagt ist.

Ihr Freund Boscij versucht, sie außer Landes zu bringen, aber der Fluchtversuch scheitert. Hana wird verhaftet. Was danach mit ihr geschehen ist, bleibt im Dunkeln.

Die Geschichte von Hana beruht auf authentischen Ereignissen. Der Schriftsteller Jurij Koch, der selbst aus dem Dorf Horka stammt, hat ihr in seiner Novelle ein literarisches Denkmal gesetzt.

Der Historiker Hermann Simon hat die Geschichte von Hana ebenfalls akribisch recherchiert. In seinem ausführlichen Nachwort stellt er die Fakten anhand der gefundenen Dokumente dar und ergänzt damit die Erzählung von Jurij Koch. Vermutlich starb Hana 1943. Wo, ist nicht bekannt.

Ein eindrückliches Zeugnis dafür, dass Geschichte deutlich wird am Einzelschicksal. Und dass man nie aufhören darf, Geschichten wie die von Hana zu erzählen.


Jurij Koch
Hana. Eine jüdisch-sorbische Erzählung
Verlag Hentrich & Hentrich, Berlin/Leipzig 2020, 120 Seiten, 16,00 Euro




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Geheiligt werde dein Name

2022 01 Cover Thoele 500pxDer Umgang der Kirchen mit ihren Gottesdiensten verrät mehr über sie selbst, als ihnen lieb ist. Ist dem Gottesdienst das Heilige abhandengekommen? Reinhard Thöles Blick auf die Gottesdienstpraxis jedenfalls ist ernüchternd. Moderne experimentelle Formen sollen das eigene Milieu bei Laune halten. Da wird munter „gestaltet“ mit Versatzstücken aus einer Materialkiste, die sich speist aus tradierten Formen, aus anderen Konfessionen oder gar Religionen.

Thöle, emeritierter Professor für Ostkirchenkunde an der Theologischen Fakultät Halle-Wittenberg, entwirft in seinem neuen Buch eine Art Psychogramm des Gottesdienstes. Das ist viel mehr – und viel spannender zu lesen – als eine liturgiegeschichtliche Abhandlung. Reinhard Thöle ist ein profunder Kenner sowohl der römisch-katholischen als auch der evangelischen sowie der orthodoxen Tradition und Praxis. Und er ist ein exzellenter Beobachter. „Zeige mir den Gottesdienst, den du feierst, und ich sage dir nicht nur, welche Theologie du vertrittst, sondern auch, welchen Charakter du hast“ schreibt er pointiert. Dass die „liturgische Symphonie der protestantischen Individualisten und Spezialisten“ mit einem religiösen Relativismus einhergeht, lässt sich wohl kaum bestreiten. Ist der Gottesdienst nur noch menschliches Handeln? Muss Gott halt einfach mitspielen bei all den Reformen, Kontroversen und „Verbesserungen“? Reinhard Thöle spitzt zu: „Vielleicht gibt es ja auch Gottesdienstformen, bei denen weder die Gläubigen mitspielen wollen, weil sie keine Liebe zum Gottesdienst mehr verspüren, und bei denen sogar Gott selbst kaum eine Chance hat, der zu sein, der er ist.“

Nicht nur die Anpassung der „Gottesdienstgestaltung“ an vermeintliche Erwartungen der Gemeinde und das damit verbundene Abdriften in die Unverbindlichkeit, beleuchtet Thöle kritisch, als geradezu zerstörerisch beschreibt er den weitgehenden Verlust religiöser Substanz der Gottesdienste.

Der Verlust der sonntäglichen Eucharistie – der gar nicht mehr als schädlich empfunden werde, so Thöle – ist dafür nur das gravierendste Zeichen. „Es ist wie bei einer Autoimmunerkrankung, bei der sich aus Phobie vor dem Sakralen immer neue Schübe zerstörerisch gegen sich selbst richten.“ Ein simplifizierter Predigtgottesdienst sei zum Normalprogramm geworden, „der zu besonderen Anlässen mit säkularen und neoreligiösen Elementen aufgeputzt“ werde.

Phobie vor dem Sakralen? Oder, wie Thöle es an anderer Stelle formuliert: „Angst vor der Verbindlichkeit des Glaubens, die vom Abendmahl ausgeht“? Seine Ausführungen zum „protestantischen Abendmahlsparadox“ zwingen mindestens zu einem geschärften Blick auch auf die Abendmahlspraxis in der eigenen Kirche.

Reinhard Thöles Buch ist nicht nur eine kritische Bestandsaufnahme, es ist ein Weckruf, geht es doch beim Gottesdienst nicht um eine mehr oder weniger gut gemachte Kulturveranstaltung, sondern letztlich um Leben und Tod. „Es geht um eine gefährliche Seriosität“, schreibt Thöle. „Der Mensch begegnet aus der Gefährlichkeit seines Lebens dem Dreieinigen Gott. Und die Begegnung mit ihm ist ebenfalls gefährlich. Im Gottesdienst geht es um ‚alles‘, um unser Leben und unseren Tod innerhalb seines Todes und seines Lebens.“ Und weiter: „Ist das vielleicht einer der Gründe, warum die geistlichen Berufe nicht mehr attraktiv erscheinen, weil man heute in vielen Gottesdiensten den Eindruck gewinnen kann, es geht eigentlich um nichts mehr?“

Ja, es ist ein scharfer Blick, mit dem der emeritierte Theologe die Gottesdienste analysiert. Aber womöglich ein heilsamer. Denn, so Thöle: „Gefährlich ist es, Gott im Gottesdienst zu begegnen, noch gefährlicher ist es, ihm im Gottesdienst nicht zu begegnen.“ Wem der Gottesdienst am Herzen liegt, sollte das Buch lesen.

Reinhard Thöle
Geheiligt werde dein Name – Christliche Gottesdienste zwischen Anbetung und Anbiederung
Tectum Verlag 2021, 178 Seiten, 24,00 Euro



Gottfinder

2022 01 Cover Gottfinder 500pxMatthias Hilbert kann Lebensgeschichten so zusammenfassen, dass sie neugierig machen. Auf die Porträtierten, auf deren Bücher. Auf die Glaubenszeugnisse. Denn wie schon in seinem Buch „Gottsucher“ porträtiert Matthias Hilbert auch in seinem neuen Band Dichter-Persönlichkeiten, die ihren Weg zu Gott fanden. Und auch diesmal gelingt ihm das Kunststück, in komprimierter Form Lebensbilder spannend und einprägsam zu skizzieren und dabei die Suche nach Gott ins Zentrum zu stellen.

Neben bedeutenden Namen wie Augustinus, Paul Claudel, T.S. Eliot oder Blaise Pascal sind diesmal auch weniger bekannte oder vergessene Schriftsteller dabei, wie Manfred Hausmann, Willy Kramp, die englische Krimiautorin Dorothy L. Sayers, Reinhold Schneide oder die norwegische Nobelpreisträgerin Sigrid Undset.

„Dass die vorgestellten Dichterinnen und Dichter nach ihrer Bekehrung bestrebt waren, dem Klang des Evangeliums auch in ihrem Werk eine Stimme zu verleihen, überrascht nicht“, schreibt Matthias Hilbert, denn „das existenzielle Angesprochensein von Gott war für sie weder eine Randnotiz noch eine akademisch-philosophische Angelegenheit, über die sich unverbindlich diskutieren ließe, sondern dieses Angesprochensein von Gott war für sie ein zutiefst erschütterndes Ereignis.“

Man könne den Titel des Buches auch umkehren, meint Hilbert, und feststellen, dass die porträtierten Autorinnen und Autoren sich „von Gott haben finden lassen und seinem Anruf nicht ausgewichen sind, sondern sich ihm gestellt haben“.

Insofern sind sie Glaubenszeugen geworden, und Matthias Hilbert ist es zu verdanken, dass er in dieser anregenden Art und Weise auf sie neu aufmerksam macht.

Matthias Hilbert
Gottfinder – Dichter-Bekehrungen durch die Jahrhunderte. 14 Dichterporträts
Steinmann Verlag 2021, 144 Seiten, 16,80 Euro



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An dieser Stelle werden auf selk.de regelmäßig Bücher vorgestellt: zum Lesen, zum Verschenken, zum Nachdenken, zum Diskutieren – Buchtipps für anregende Lektürestunden. Die hier veröffentlichten Buchvorstellungen hat Doris Michel-Schmidt verfasst.


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Fährmann, hol über!


Cover HoppeDer Fährmann des Buchtitels ist der heilige Christophorus, der Lieblingsheilige der Autorin Felicitas Hoppe. Ihr Verhältnis zu den Heiligen sei „auf fahrlässige Weise unhistorisch und schwankend“, schreibt sie in ihrem neuen Essayband, es sei „alles andere als theologisch begründet, sondern von alten Bildern grundiert“. Ihren Favoriten, Christophorus, sieht man auf Bildern oft als Riese mit einem Stab, der das Jesuskind („also mich, wen sonst!“ schreibt Hoppe) auf seinen Schultern über einen gefährlichen Fluss trägt.

Es sind solche Bilder aus ihrer katholischen Lebenswelt, die das literarische Schaffen der vielfach preisgekrönten Autorin prägen. Und es macht die Faszination ihrer Texte aus, dass sie diese beiden Welten – Glauben und Literatur – so intelligent, so leicht, so tiefgründig miteinander verbindet oder besser: ins Gespräch bringt.

Der Aufsatz mit dem Titel „Und schrieb in den Sand“ umkreist die Geste Jesu, als er die Ehebrecherin verurteilen soll und stattdessen „in den Sand schreibt“. Was bedeutet sein Schweigen, wie entsteht daraus eine machtvolle Präsenz und Kraft?

Der Text „Wie pfeift man das Johannesevangelium?“ verdankt seinen Titel einer Geschichte aus den Schweizer Alpen. Sie erzählt von zwei Brüdern, von denen der ältere den jüngeren loswerden will und ihn ins sichere Verderben schickt. Die strikte Anweisung lautet: „Du darfst während der ganzen Zeit weder singen, noch beten, noch lesen, noch das Kreuzzeichen machen.“ Das Pfeifen hatte der große Bruder zu verbieten vergessen, und so zog der jüngere mutig los – und pfiff das St. Johannesevangelium (wie auch immer sich das anhören mochte).

Felicitas Hoppe reflektiert ausgehend von Bildern und Geschichten ihr eigenes Schreiben, das Verhältnis von Erzählung und Schrift, von Erlebtem und Gehörtem.

Die Schleifen, die Hoppe vor, hinter und um diese und die anderen Geschichten führt, sind witzig, lehrreich, manchmal verwegen. Wie in all ihren Texten reist man als Lesende gern mit und bekommt Ein- und Aussichten präsentiert, die einen überraschen, erinnern – und trösten. Mehr kann Literatur nicht leisten, aber das ist schon sehr viel.

Felicitas Hoppe
Fährmann, hol über! Oder wie man das Johannesevangelium pfeift
Herder Verlag 2021, 159 Seiten, 18,00 Euro




Wie ich zum Mann wurde

Cover KrylovAlexander Krylov hat viel zu erzählen. Aufgewachsen ist der 52jährige in Russland, in einer deutsch-russischen Familie, seit über zwanzig Jahren lebt er in Deutschland. Nach einer erfolgreichen akademischen Karriere an den Universitäten in Moskau, Bremen und Berlin entschied er sich, Priester zu werden.
In seinem Buch erzählt er kurze Anekdoten, Begebenheiten, Erinnerungen aus seiner Kindheit. Es sind kleine Einblicke in den Alltag in einem ideologischen System, aus der Sicht eines Jungen.

Der Atheismus war Staatsreligion, aber durch die Oma und die Mutter war der katholische Glaube in der Familie präsent, auch wenn eine richtige religiöse Erziehung nicht möglich war. Eine (orthodoxe) Kirche sah der Autor zum ersten Mal mit sechs Jahren, eine römisch-katholische erst mit zwanzig. Aber schon als Fünfjähriger hielt er seine erste Predigt, im Kindergarten. Da die anderen Kinder offensichtlich nichts von Gott wussten, trommelte er die Gruppe zusammen und teilte ihnen mit, wer im Himmel wohnt und was er alles für uns macht. Bei dieser „Verkündigung, die nicht den festgelegten Erziehungsrichtlinien“ entsprach, wurde er von der Kindergärtnerin ertappt. Die treue Sowjetbürgerin versicherte ihm, dass es keinen Gott gäbe, und sie führte als Beweis an, dass der erste sowjetische Kosmonaut Juri Gagarin im Kosmos gewesen sei und dort keinen Gott gesehen habe. Nur dumme und ungebildete Menschen würden an Gott glauben – und damit den Fortschritt stören.

Alexander Krylov beschreibt viele skurrile Szenen aus der Schule, aus seiner Zeit als Pionier, aus dem familiären Alltag. Er tut das mit Witz und Charme. Keine unglückliche Kindheit wird da erzählt, aber immer ist als Hintergrund das autoritäre System deutlich, das verhindern will, dass die Menschen wirklich erwachsen werden. Noch am Schulabschlussball 1986, so schreibt Krylov, konnten die 17jährigen sich nicht vorstellen, dass „der sicherste und auf die Ewigkeit gegründete Staat der Arbeiter und Bauern“ nur fünf Jahre später zusammenbrechen würde.

Eine unterhaltsame Lektüre, die begreiflich macht, wie „das normale Menschliche und das Wahnsinnige oft so nah beieinander lagen, dass man es kaum unterscheiden konnte.“

Alexander N. Krylov
Wie ich zum Mann wurde – Ein Leben mit Kommunisten, Atheisten und anderen netten Menschen
fe-Medienverlag 2020, 200 Seiten, 10,00 Euro




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