Lesenswert
An dieser Stelle werden auf selk.de regelmäßig Bücher vorgestellt: zum Lesen, zum Verschenken, zum Nachdenken, zum Diskutieren – Buchtipps für anregende Lektürestunden. Die hier veröffentlichten Buchvorstellungen hat Doris Michel-Schmidt verfasst.
Ihr sollt wissen, dass wir noch da sind
Am Ende versteht man, warum die Suche nach ihren Vorfahren für Esther Safran Foer zu einer Obsession wurde. Sie ist das Kind von Holocaust-Überlebenden. Ihre Eltern wollten nicht über die Vergangenheit sprechen, aber sie wollte wissen. Sie wollte die vielen Lücken in ihrer Familiengeschichte füllen. Sie wollte das Schtetl in der heutigen Ukraine finden, wo ihr Vater gelebt hatte. Sie wollte herausfinden, wer ihn vor den Nazis versteckt hatte und ihm damit das Leben rettete. 1942 hatten die deutschen Truppen die Juden in Trochenbrod ein Massengrab ausheben lassen und sie dann erschossen.
Puzzle für Puzzle setzt Safran Foer zusammen, erfährt, dass sie eine Halbschwester hatte. Sie reist nach Südamerika, nach Israel und schließlich in die Ukraine, um Zeitzeugen zu befragen und das Bild zu vervollständigen.
Wo ihr Sohn, Jonathan Safran Foer, seine Familiengeschichte in seinem erfolgreichen Roman „Alles ist erleuchtet“ noch über weite Strecken „erfinden“ musste, konnte seine Mutter die Lücken nun mit ihren Rechercheergebnissen füllen. Das Buch ist ein beeindruckendes Zeugnis der Erinnerung, die umso wichtiger wird, je weniger Holocaust-Überlebende noch da sind, die von der Vergangenheit erzählen können.
Esther Safran Foer
Ihr sollt wissen, dass wir noch da sind
Verlag Kiepenheuer & Witsch 2020, 288 Seiten, 22,00 Euro
Engelspost
Im ersten Halbjahr 1913 wurden in Amerika Dutzende Kinder per Post verschickt. Das klingt absurd, und dieser postalische Transport von Kindern wurde denn auch bald wieder verboten. Diese wahnwitzige Episode hat die Autorin Iris Muhl zu einer Geschichte inspiriert, die eben auf einer solchen Zugfahrt spielt. Eliott White, ein Hochstapler, Dieb und Betrüger, begegnet dabei einem verwahrlosten Waisenmädchen, dem eine Briefmarke angeheftet wurde, als sei es ein Paket. Wie sich am Ende herausstellt, ist das Mädchen schicksalhaft mit seinem Leben verbunden; in der Begegnung mit ihr wird sich White seiner Schuld bewusst und erkennt, dass er so nicht weitermachen kann. „Ich meinte, im Leben alle Trümpfe in der Hand zu halten“, sagt er, „und genau deswegen beging ich immer wieder Todsünden. Und dann stand dieses Kind vor mir mit einer Waffe, gegen die ich mich nicht zur Wehr setzen konnte.“ Es ist die Waffe der Zuneigung, der ungeschützten Aufrichtigkeit.
Iris Muhl erzählt die Geschichte mittels einer Rahmenhandlung: Fast 40 Jahre später wird Eliott White, mittlerweile zum erfolgreichen (ehrlichen) Unternehmer geworden, zum Radio-Interview gebeten und legt – für die Radiomacher und die Hörer unerwartet – so etwas wie seine Lebensbeichte ab. Hörer – und Leser – werden Zeugen dieser Beichte, in der ein Mann sein Leben reflektiert, mit all seinen Sünden und seinem Kampf gegen das schlechte Gewissen.
Er habe nur dann über Gott nachgedacht, wenn es ihm richtig gut ging, sagt er über sein früheres betrügerisches Leben. Denn dann sei ihm jeweils bewusst geworden, dass jemand anders gerade leiden musste. „Andere Menschen denken ja nur über Gott nach, wenn es ihnen schlecht geht. So war das bei mir aber nicht. Wurde ich enttäuscht oder war mit meinen Geschäftsideen wieder einmal am Ende, löste ich das, indem ich der Welt mit Flüchen begegnete.“ Eliott White hatte gemeint, sich einen Gott im Leben „nicht leisten zu können“. „Was bedeutete mir ‚göttliche Gerechtigkeit‘, wenn ich mir meine eigene zusammenbauen konnte?“ Geprägt von einer Kindheit, in der jeder sehen musste, wo er blieb, war er zum Zyniker geworden.
Wie die Zugfahrt, wie die Begegnung mit dem seltsamen Mädchen ihn verwandeln, das ist eine sehr berührende Geschichte über Schuld und Vergebung.
Iris Muhl
Engelspost, Die Geschichte eines Betrügers
Fontis-Verlag 2021, 176 Seiten, 18,00 Euro
Weitere Buchtipps finden Sie im Archiv.
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Im Weltabenteuer Gottes leben
Mitgliederschwund, Bedeutungsverlust, Erschöpfung – man könnte glauben, die Kirche habe angesichts der eigenen Nöte selbst die Hoffnung und den Trost verloren. Günter Thomas, Professor für Systematische Theologie an der Ruhr-Universität Bochum, lenkt in seinem Buch den Blick auf die „theologische Fehlersuche“ und legt die tieferliegenden Gründe der Kirchenkrise frei. Das provoziert (manche), könnte aber die Verantwortlichen auch entlasten, die sich im Strudel der Struktur- und Organisationsdebatten erschöpft haben.
Was die Thesen von Günter Thomas grundiert, ist die Überzeugung, dass „nicht nur der akademischen Theologie, sondern auch der Kirche (…) die Vorstellung von Gottes Lebendigkeit abhandengekommen“ sei. Wie ein „unterirdischer Schwelbrand“ habe sich die Überzeugung verbreitet: „Was auch immer Gott ist, er ist kein lebendiger Akteur“. In der Konsequenz wird die Theologie allein auf eine ethisch-politische Weltverantwortung umgestellt – und die Kirche damit hoffnungslos überfordert. Die Anforderungen werden grenzenlos, die To-do-Listen unendlich. „Jede Reform erzeugt neue Aufgabenfelder“, so Thomas, „jede Suche nach Relevanz schafft einen neuen Job.“ Häresien (Irrlehren) gibt es noch, aber nur auf moralischem Feld. Die aber zerreißen Gemeinden, belasten Synoden, spalten Familien und entfachen im Internet wahre Glaubenskriege.
Freude kommt dabei sicherlich keine auf. Und die Botschaft der Kirche kommt bei vielen so an: „Achtung der Menschenrechte und der Goldenen Regel, das reicht“. Dem entspreche ein „Entrümpeln“ der Theologie, sagt Thomas und nennt diese Strategie „spirituelles Feng Shui“: „Befreien wir uns von altem religiösen Gerümpel, so werden wir besser verstanden! Himmelfahrt Christi? Versteht keiner, raus! Rede von Sünde? Hat nur Schlimmes angerichtet, weg damit! Offenbarung Gottes in Christus? Stiftet nur Streit, stört das harmonische multireligiöse Miteinander! Ein zorniger Gott? Toxisch für Liebe und Humanität! Ein jüngstes Gericht? Mein Gott, wie altmodisch! Vater unser? Eine Unheilsgeschichte beenden! Gemeinden? Muffig, kümmerlich!“ Am Ende stünde in dem leeren Haus der Theologie noch die kleine Truhe der Theologie der Krabbelgottesdienste: „Gott liebt dich und begleitet dich!“ Thomas scharfe Kritik: „Wer die Schwere, Dichte und Sperrigkeit der Erzählungen von Gottes Weltabenteuer unter das Niveau des gesunden Menschenverstandes drückt, sollte sich über Austritte nicht wundern. Wer will in so kahlen Gemäuern wohnen?“
Der „theologischen Fehlersuche“ des Autors folgt man fasziniert, zustimmend, manchmal irritiert und zum Widerspruch genötigt, aber immer hineingezogen in ein produktives Nachdenken über die Zukunft der Kirche. Seine Lösungsvorschläge überzeugen in mancher Hinsicht nicht. Und das Durchdeklinieren der Paulinischen Trias von Glaube, Liebe und Hoffnung mittels der Schablone des „Weltabenteuers Gottes“ wirkt zuweilen redundant und philosophisch-wolkig. Trotzdem: sehr lesenswert!
Günter Thomas
Im Weltabenteuer Gottes leben, Impulse zur Verantwortung für die Kirche
Evangelische Verlagsanstalt 2020, 363 Seiten, 16,00 Euro
Johann Sebastian Bachs Töchter
1750 stirbt Johann Sebastian Bach, der große Musiker und Leipziger Thomaskantor, der zu Lebzeiten immer um Auskommen und Anerkennung kämpfen musste. Für seine Witwe Anna Magdalena und die vier Töchter beginnt nun eine ungewisse Zeit. Sie müssen die Kantorenwohnung räumen, sind von finanziellen Zuwendungen abhängig, rutschen mehr und mehr in die Armut.
Die Autorin Carola Moosbach stellt Bachs Töchter ins Zentrum ihres historischen Romans. Während die Söhne Bachs aus seiner ersten Ehe ihre Karrieren als begabte Musiker begonnen haben – und später wie ihr Vater zu Ruhm gelangen –, ist von seinen Töchtern wenig bekannt. Auf einfühlsame und wunderbare Weise zeichnet Carola Moosbach deren Leben nach dem Tod des Vaters nach. Sie schafft es, ihre Detailkenntnis umzusetzen in ein lebendiges Bild der damaligen Zeit und der Familie. Besonders die jüngste der Bach-Töchter, Regina, wächst einem beim Lesen ans Herz. Auch sie hat das musikalische Talent geerbt, es wird aber kaum gefördert und versandet unter den beschwerlichen Lebensumständen.
Wie die Frauen kämpfen – gegen Armut, gegen Kränkungen und Krankheiten, wie sie geknickt werden und doch ihre Würde behalten: das ist großartig beschrieben und ein lehrreiches Lesevergnügen.
Carola Moosbach
Johann Sebastian Bachs Töchter
Benno Verlag 2021, 272 Seiten, 16,95 Euro
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„Weil ich auf den Gekreuzigten schaue ...“
Bischof i.R. Dr. Jobst Schöne D.D., von 1985 bis 1996 leitender Geistlicher der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche (SELK), verstarb am 22. September 2021 im Alter von 89 Jahren in Berlin. Drei Tage vorher, am 16. Sonntag nach Trinitatis, 19. September 2021, hielt er – von schwerer Krankheit gezeichnet, aus dem Rollstuhl heraus - im Gottesdienst seiner Mariengemeinde in Berlin-Zehlendorf seine letzte Predigt. Diese Predigt dokumentiert selk.de an dieser Stelle mit freundlicher Erlaubnis der Familie.
Bibelabschnitt zur Predigt: Klagelieder 3, 22-26.31-32: Die Güte des HERRN ist's, dass wir nicht gar aus sind, seine Barmherzigkeit hat noch kein Ende, sondern sie ist alle Morgen neu, und deine Treue ist groß. Der HERR ist mein Teil, spricht meine Seele; darum will ich auf ihn hoffen. Denn der HERR ist freundlich dem, der auf ihn harrt, und dem Menschen, der nach ihm fragt. Es ist ein köstlich Ding, geduldig sein und auf die Hilfe des HERRN hoffen. Denn der Herr verstößt nicht ewig; sondern er betrübt wohl und erbarmt sich wieder nach seiner großen Güte.
Der HERR segne an uns dies Wort. Amen.
Liebe Gemeinde! Dies wird eine kurze Predigt, Coronas wegen und in dieser Situation, in der sich der heutige Prediger auf dieser eigenartigen Kanzel befindet. Aber wir wollen doch ein bisschen dem nachdenken, was uns der Prophet Jeremia hinterlassen und der Heilige Geist für aufzeichnungswert gehalten hat.
Denn da stellen sich gleich zwei Fragen: 1.) Wer oder was spricht hier? Das ist ein Mensch im 6. Jahrhundert vor Christus weit weg von uns. Aber es spricht zugleich der Heilige Geist, der uns seine Worte in den Mund legen will. 2.) Wo sind wir in diesem Wort der Schrift, wir mit unseren Erfahrungen, Empfindungen, Erlebnissen? Denn in den biblischen Worten und Bildern sind wir immer irgendwo, das gilt es zu entdecken. Denn unsere Sache wird verhandelt.
Wo also stehen diese Worte in der Heiligen Schrift? Im Alten Testament, im Buch der Klagelieder Jeremias. Das ist um 600 vor Christi Geburt. Und was der Prophet Jeremia erlitten hat an Verfolgung, Ablehnung, Hunger, Angst, Elend – das alles kann man nachlesen. Ihm ist wirklich nichts erspart geblieben. Er erlebte die Belagerung Jerusalems durch die Babylonier, den Untergang der Stadt, Gefangenschaft – und ist am Ende irgendwo in Ägypten verschollen. Ein trostloses Schicksal.
Da jammert, klagt, fleht der Prophet und hat allen Grund dazu. Aber plötzlich ändert sich seine Stimme, wird aus dem Klagelied ein Lobgesang. Welch ein Wechsel. Den schafft nicht jeder. Viele bleiben beim Klagen und Jammern stehen. Nicht so Jeremia.
Was wir eben gehört haben, ist kein Jammern mehr, sondern das Gegenteil. Es ist wie wenn die dunklen Wolken über uns auf einmal aufreißen und das helle Licht der Sonne scheint. Oder anders gesagt: da blickt der Prophet ins Herz GOTTes und es verschlägt ihm buchstäblich die Sprache. Er merkt, dass GOTT sich uns in Liebe, Barmherzigkeit, Erbarmen zuwendet. Nicht die Sprache des Zornes, der Bestrafung, der Abwendung und des Fallenlassens ist GOTTes eigentliche Sprache, sondern die der Güte, der Freundlichkeit, der Zuwendung: hier bin ICH, ICH helfe dir, ICH bin an deiner Seite. Mag kommen was will.
Ja, GOTT wickelt seine Zuwendung, seine Güte, sein Erbarmen oftmals ein in das glatte Gegenteil, in das, was uns hart, schlimm, trostlos erscheinen möchte. Ich suche ein Bild dafür, finde aber nur ein sehr schwaches. Nämlich: in meiner Kinderzeit hat meine Mutter für die Familie und für viele, die sie beschenken wollte, in der Adventszeit Christstollen zubereitet. Die wurden zum Ausbacken zu unserem Bäcker getragen, der den nötigen Ofen hatte. Dazu waren die vorbereiteten Laibe in alte Tücher, unansehnlich und nicht sehr verheißungsvoll eingeschlagen.
Den köstlichen Christstollen sah man nicht. Und gibt es einen köstlicheren Stollen als den, den die eigene Mutter bereitete? Als wir‘s vom Bäcker abholten, da duftete es so sehr, dass wir Kinder es kaum erwarten konnten, hineinzubeißen.
Was ich damit sagen will? Genau so etwas tut ja GOTT, will ich sagen: ER wickelt seine Barmherzigkeit ein, manchmal in ganz Unansehnliches, ins glatte Gegenteil. Aber was sagt, betet, lobpreist der Prophet? „Die Güte des HERREN ist's, dass wir nicht gar aus sind, seine Barmherzigkeit hat noch kein Ende, sondern sie ist alle Morgen neu“. So hat er's erfahren, mitten in all seinem Elend.
„Der HERR ist mein Teil, spricht meine Seele“. Als das Volk Israel ins Heilige Land eingewandert war - nach 40 (!) Jahren in der Wüste – da wurde das Land verteilt unter die Stämme. Nur ein Stamm bekam keinen Teil: die Leviten, weil ihr „Teil“ der Heilige Dienst im Tempel war – „der HERR ist mein Teil“. Waren sie deshalb benachteiligt? Zu kurz gekommen? Nichts da, man kann eher sagen: sie rückten ein Stück näher an GOTT heran als die anderen.
So rücken auch wir näher an GOTT heran, wenn er uns das entzieht, was wir für unser „Teil“, für unentbehrlich halten mögen: Gesundheit, Auskommen, Wohnung, die sichere Rente oder Gehalt, Bewegungsfreiheit, vielleicht die Familie oder Menschen, die uns sehr viel bedeuten.
Nimmt uns GOTT davon etwas, dann macht er uns – momentan – zwar ärmer, so will es scheinen. Aber ER ist und bleibt freundlich dem, der auf IHN harrt, der nach IHM fragt. ER verstößt nicht auf ewig, sondern: ER betrübt wohl und erbarmt sich wieder nach seiner großen Güte.
Woher ich das weiß? Weil ich dazu auf den Gekreuzigten schaue, der unsere Schuld, unser Weglaufen von GOTT auf sich nahm und abbüßte. Der aus dem Tod erstand, lebendig, mächtig, ein Retter aus aller Not. Deiner Not, meiner Not. ER ist Güte, Barmherzigkeit, Treue, Erbarmen in Person.
„Denn der HERR ist freundlich dem, der auf IHN harrt, und dem Menschen, der nach IHM fragt. Denn der HERR verstößt nicht auf ewig; sondern ER betrübt wohl und erbarmt sich wieder nach seiner großen Güte.“ „Der HERR“, das ist nicht irgendwer. Das ist JEsus CHristus, gelobt in Ewigkeit. Amen.
Professor Salzmann im Interview
Prof. Dr. Jorg Christian Salzmann tritt Ende August in den Ruhestand. Knapp 30 Jahre hat er zunächst als Lehrbeauftragter, dann als Professor für Altes Testament und schließlich als Professor für Neues Testament an der Lutherischen Theologischen Hochschule in Oberursel (LThH), einer Kirchlichen Hochschule in Trägerschaft der SELK, gearbeitet. Für selk.de hält er Rückschau auf diese Zeit.
SELK.de: Wenn Sie auf die knapp 30 Jahre Lehrtätigkeit an der LThH zurückschauen: Was waren die größten Veränderungen, die sich in dieser Zeit ergeben haben? Und was sind die Konstanten über die drei Jahrzehnte hinweg?
Salzmann: Die größten Veränderungen, die ich an der LThH erlebt habe, sind die beiden Personen: Zu Beginn meines Lehrauftrags an der LThH waren noch die Professoren Günther, Hoffmann, Roensch, Rothfuchs und Stolle im Amt. Als ich dann die Nachfolge von Professor Günther antrat, war der Generationswechsel in vollem Gange, und heute ist wieder eine komplett neue Generation hier tätig. Auch beim Hochschulpersonal gab es kurz nach dem Beginn meiner Arbeit als Professor einschneidende Wechsel; seitdem ist das Team allerdings sehr konstant geblieben. Der Rückgang der Studierendenzahlen war schon im Gang, als ich kam; andererseits gehört der stete Wechsel bei den Studierenden ironischerweise zu den Konstanten des Hochschullebens – wie übrigens auch die permanente Arbeit an neuen Studienordnungen. Den Übergang zum modularisierten Studium mit Blöcken von Lehrveranstaltungen, die zu einem Modul zusammengefasst werden, und mit Leistungspunkten, die nach studentischer Arbeitszeit vergeben werden, habe ich allerdings als einen Systemwechsel erlebt, der das Studium sehr verändert, jedoch nicht wirklich verbessert hat.
SELK.de: Sie haben über ein kirchengeschichtliches Thema promoviert, dann eine Zeitlang Altes Testament unterrichtet und dann Neues Testament. Was waren die Herausforderungen, die sich durch diese Veränderungen im Fokus der Arbeit ergeben haben? Und was waren vielleicht auch Bereicherungen?
Salzmann: Meine Doktorarbeit drehte sich um den Wortgottesdienst der neutestamentlichen Zeit und der zwei Jahrhunderte danach; sie war im Fach Neues Testament angesiedelt, ging aber über den Rahmen dieses Fachs hinaus. Dazu passte, dass ich damals an der Universität als Assistent für Kirchengeschichte mit dem Schwerpunkt Alte Kirche gearbeitet habe. Der Übergang zum Fach Altes Testament, das ich hier übernahm, weil kein „richtiger“ Alttestamentler in unserer Kirche zur Verfügung stand, war schwierig, denn ich musste mein Hebräisch wieder auffrischen und vor allem tiefer in die breit gefächerte Fachliteratur zum Alten Testament einsteigen. Bei der gleichzeitig beginnenden Lehre war ich meinen Studierenden dann oftmals gerade so eine Woche voraus … Zugleich ist die intensive Auseinandersetzung mit alttestamentlichen Texten immer schon ein Erlebnis; man steigt in eine fremde und doch vertraute Welt ein, und es gibt viel zu entdecken. Außerdem ist es schließlich auch für das Verständnis des Neuen Testaments enorm wichtig, sich im Alten Testament auszukennen. Schon so zentrale neutestamentliche Begriffe wie Gnade und Sünde, Gottes Volk und Gottesreich, Messias und Bund sind ohne das Alte Testament schlechthin nicht richtig zu verstehen.
SELK.de: Derzeit bewegen sich die Zahlen der Theologiestudierenden eher auf einem niedrigen Niveau – in Oberursel, aber auch andernorts. Viele wissen nicht, warum es sich lohnen sollte, Theologie zu studieren und Pfarrer oder Pastoralreferentin in der SELK zu werden. Welche Gründe würden Sie benennen, wenn ein junger Mensch Sie danach fragen würde?
Salzmann: Gott braucht Menschen für den Bau seiner Kirche, auch solche die bereit sind, hauptamtlich für die Kirche zu arbeiten. Übrigens benötigen die Kirchen trotz rückläufiger Kirchgliederzahlen dringend theologischen Nachwuchs und können diesen nach Menschenermessen auch in Brot und Arbeit halten. Diese Arbeit ist sehr vielseitig und befriedigend, weil sie mit Menschen und den wichtigen Lebensfragen zu tun hat, weil Zuhören und Reden, Predigen und Unterrichten, Organisieren und Dingen ihren Lauf lassen, Feiern und Trauern und noch vieles mehr dazu gehören. Und das Studium ist hochinteressant und ebenfalls sehr vielseitig: Fremdsprachen und der Umgang mit Texten, Geschichte und Philosophie, Sozialwissenschaften und Pädagogik: So viel fließt mit hinein und ist doch fokussiert, ich will als Bibelwissenschaftler einmal sagen fokussiert auf Gottes Wort und sein Wirken in dieser Welt.
SELK.de: Über lange Zeit haben Sie auch dem Grundstücksverein der LThH vorgestanden und sich mit viel Kraft und Leidenschaft um die Baulichkeiten auf dem Campus gekümmert. Als letztes großes Projekt haben Sie den Neubau des Bibliotheks- und Hauptgebäudes der Hochschule begleiten und zur Fertigstellung bringen dürfen. Welche Bedeutung hat dieses Gebäude Ihrer Meinung nach für die Hochschule?
Salzmann: Der Neubau war überfällig, weil Bibliothek und Verwaltung, also zwei der zentralen Funktionsgebäude der Hochschule, über 75 Jahre alte niedrige und baufällige Baracken waren. Der Neubau symbolisiert für mich aber auch einen Neuaufbruch in schwierigen Zeiten, die Hoffnung und Zuversicht, dass die Hochschule gebraucht wird und dass es schön ist hier zu studieren und zu arbeiten. Es wird auf absehbare Zeit genügend Platz nicht nur für die Bücher, sondern für den Hochschulbetrieb überhaupt geben, und es lässt sich in den freundlich hellen Räumen des Neubaus mitten im Grünen gut leben und arbeiten.
SELK.de: Was sind Ihre Pläne für den Ruhestand und was wünschen Sie Ihrer Kirche und Ihrer Hochschule für die Zukunft?
Salzmann: Im Ruhestand muss ich erstmal ankommen; meine Frau und ich werden uns in der neuen Heimat in Norddeutschland einrichten, bestehende Kontakte pflegen und auch neue Kontakte suchen. Gern möchte ich noch ein Buchprojekt zur Theologie des Wortes Gottes in der Bibel zu Ende bringen, das ich schon vor längerem angefangen habe. Ich freue mich aber auch darauf, Zeit zu haben für Kinder und Enkel, für Freunde und Verwandte, Zeit auch zum Reisen und Wandern; und im neuen Haus, das schon älter ist, wird es immer wieder mal was zu werken und zu basteln geben. Meiner Kirche wünsche ich, dass sie mit der Botschaft des Evangeliums viele Menschen erreicht und ihnen eine freundliche und offene geistliche Heimat werden kann. Vom Evangelium und für das Evangelium begeisterte Menschen sind auch das, was die Hochschule braucht; ich wünsche mir, dass die Hochschule auch künftig vielen die befreiende Botschaft des lutherischen Glaubens vermitteln kann.
SELK.de: Vielen Dank für das Interview. Wir wünschen für den neuen Lebensabschnitt Gottes Segen!
Kirche im Mosambik wächst
Die Mission Gottes im südostafrikanischen Mosambik im Indischen Ozean (30,4 Millionen Einwohnerinnen und Einwohner) schreitet voran. Und auch wenn christliche Mission kein kalkulierbares Unternehmen ist und nicht nur nach Zahlen bewertet wird, haben statistische Entwicklungen ihre Bedeutung. Die aus der lutherischen Missionsarbeit auch der Lutherischen Kirchenmission (LKM) der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche (SELK) entstandene Christliche Concordia-Kirche von Mosambik hatte im Jahr 2015 10 Gemeinden und etwa 1.000 Glieder. Im Jahr 2019 waren es 80 Gemeinden und etwa 8.000 Glieder. Die neue Statistik für 2021 weist insgesamt 120 Gemeinden und 43.974 Glieder, etwa 9.000 Familien, aus.
„Es ist Gott, der durch sein Wort und das Wirken des Heiligen Geistes im Zeugnis eines jeden mosambikanischen Christen handelt, der sein Volk unter Bäumen in Gottesdiensten unter freiem Himmel, in Baracken und Kapellen aus ‚Matope‘ (Lehm und Holz) und in gemauerten Kirchen versammelt“, berichtet Rev. em. Dr. Carlos Winterle LL.D., D.D., D.D., der ehemalige Präses der Lutherischen Kirche von Brasilien, Schwesterkirche der SELK, der nun im Ruhestand wieder in Brasilien lebt, nachdem er in den Jahren zuvor in Südafrika tätig war und dort für einen Teil seiner Arbeitszeit der Lutherischen Kirchenmission der SELK zur Verfügung gestellt wurde, um in Mosambik Pastoren auszubilden. Winterle in seinem aktuellen Mosambik-Rundbrief: „Trotz der Schwierigkeiten, die die Kirchglieder aufgrund des Elends durchmachen, in dem das Land lebt, und der Naturkatastrophen, die ihre Ernten zerstören und den Hunger verursachen, hören diese Menschen nicht auf, sich zu treffen, um Gott zu loben, sein Wort zu hören und zu beten.“
Die Leitung der Kirche durch Laien spielt bei dieser Expansion eine sehr wichtige Rolle, denn ordinierte Pastoren gibt es nur wenige. Nicht nur die Studenten des Theologischen Ausbildungsprogramms (PET), zukünftige Pastoren, tun ihren Teil, sondern lokale Vorsteher an den neuen Orten versammeln die Menschen um das Wort. Jeder neue Gottesdienstort erhält Bibeln, den Kleinen Katechismus, die für jeden Sonntag vorgesehenen Bibellesungen und Kopien der Liturgie. Trotz des geringen Wissens aufgrund des Mangels an weiteren Lehrern ist das, was sie von den Vorstehern hören, genug, um ihren Glauben an Jesus zu wecken und sich im Namen des dreieinigen Gottes zu versammeln.
In der Ausbildung von Pastoren kam es dazu, dass mit einer kanadisch-brasilianisch-südafrikanisch-deutschen Kooperation in Mosambik eine Pastorenausbildung auf Portugiesisch aufgebaut werden konnte – daneben aber auch auf Chisena, einer in Mosambik einheimischen Sprache. Die Studenten sind in der Regel von ihren Gemeinden geschickt worden, die sie als Pastoren haben möchten. Die Ausbildung findet statt in einer ehemaligen Safari-Lodge am Sambesi, einer Art Hüttendorf, wo die Studenten und Lehrer zweimal im Jahr zu mehrwöchigen Blockveranstaltungen zusammenkommen. Zwischen den Ausbildungseinheiten lernen die Studenten selbstständig anhand von Lehrmaterial, das sie zum Selbststudium erhalten und wenden das Gelernte sofort in ihren Gemeinden an, in Seelsorge, Gottesdienst und Unterricht.
„Schätze suchen. Talente finden!“
Die ersten 100 Tage als Fundraising-Referentin der SELK
Seit dem 1. April ist Heike Beckmann (HB) Fundraising-Referentin der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche (SELK). Die Stelle wird gemeinsam getragen von der SELK, der Lutherischen Theologischen Hochschule (LThH) Oberursel und der Lutherischen Kirchenmission und ist bei der LThH angesiedelt. Für selk.de hat Kirchenrätin Dr. Silja Joneleit-Oesch (SJO) Frau Beckmann über ihre Eindrücke und Erfahrungen der ersten 100 Tage gefragt.
SJO: Frau Beckmann, Ihre ersten 100 Tage als Fundraising-Referentin der SELK liegen hinter Ihnen. Sind Sie schon in Ihrem neuen Job angekommen?
HB: Ja, definitiv. Ich bin überrascht, wie schnell die ersten dreieinhalb Monate ins Land gezogen sind. Unter Corona-Bedingungen war es nicht so einfach, die neuen Kolleginnen und Kollegen kennenzulernen. Ich habe zunächst an meinem Dienstort, der Lutherischen Theologischen Hochschule, auf dem Campus in Oberursel in einem der Gästezimmer mein Büro bezogen. Der Neubau des Bibliotheks- und Verwaltungsgebäudes der LThH war im April noch nicht bezugsfertig und die Gästewohnungen standen derzeit leer. Inzwischen bin ich mit meinem Büro in das neue Gebäude gezogen und endlich finden auch vermehrt Begegnungen mit den Mitarbeitenden und Studierenden statt. Und seit den Lockerungen kann ich die SELK in ihrer räumlichen Weite und damit das Leben in den Einrichtungen und Gemeinden vor Ort mehr und mehr kennenlernen. Die Begegnungen mit den Menschen der SELK sind mir sehr wichtig, gerade, weil Fundraising ein Herzens-Prozess ist. Menschen geben für Menschen, Fundraising ist immer sehr persönlich und jede Gemeinde, jede Einrichtung ist anders. Das gilt es immer als Erstes zu berücksichtigen.
SJO: Was fällt Ihnen spontan ein, wenn Sie nach dem Highlight der ersten 100 Tage gefragt werden?
HB: Ein einzelnes Highlight herauszustellen, fällt mir schwer. Beruflich gesehen sind es klar die persönlichen Begegnungen. Ach ja, und eine supernette Begrüßungsmail eines Propstes, der anfangs dem neuen Fundraising-Referat skeptisch gegenüberstand und mich heuer mit seinem konstruktiven Schreiben sehr herzlich willkommen heißt. Diese Offenheit schätze ich sehr.
SJO: Was ist das Erste, das Sie tun, wenn Sie morgens ins Büro kommen?
HB: Ich esse den Frosch. Beim „Eat the Frog“ geht es darum, gleich früh am Morgen die schwierigste und wichtigste Aufgabe zu „verspeisen“ – möglichst noch bevor der eigentliche Büroalltag beginnt. Ich sitze gerne sehr früh am Schreibtisch, wobei dieser sich momentan noch meist im Home-Office befindet.
SJO: Welche Aufgaben fordern Sie derzeit am meisten?
HB: Ganz aktuell beschäftige ich mich gemeinsam mit der Fakultät der LThH mit einem Fundraising-Konzept für die Anschaffung einer nachhaltigen IT-Infrastruktur im Neubau, die aktuellen Standards entspricht, um den Herausforderungen der Zukunft gewachsen zu sein. Die konfessionelle Hochschule ist ein wichtiges überregionales Aushängeschild der SELK, eine hohe Attraktivität – u.a. durch modernste technische Ausstattung – könnte auch dazu beitragen, mehr Studierende zu gewinnen.
Auf gemeindlicher Ebene gibt es mittlerweile fast zehn Beratungsanfragen, die auch oben auf meiner To-do-Liste stehen. Als dritte wichtige Aufgabe beschäftigt mich – und die Fundraising-Steuerungsgruppe – die Ausarbeitung einer systemischen Fundraising-Strategie für die Gesamtkirche.
SJO: Ist der Job so, wie Sie ihn sich vorgestellt haben? Was hat Sie am meisten überrascht?
HB: Eine konkrete Vorstellung habe ich anfangs nicht gehabt. Ich bin seit vielen Jahren beruflich als Fundraiserin und Medienfachfrau in unterschiedlichen kirchlichen Einrichtungen unterwegs; das hilft mir sehr, mich in den Strukturen innerhalb der SELK zurechtzufinden. Insofern bewege ich mich auf bekanntem Terrain. Überrascht hat mich der starke Zusammenhalt in der SELK oder wie Pfarrer Harald Karpe es kürzlich bei unserer Begegnung in Mühlhausen anlässlich der Zusammenarbeit für die SELK-Bausteinsammlung 2022 sympathisch formulierte: „Die SELK ist einfach eine große Familie!“
SJO: Was hat Ihnen in den ersten 100 Tagen weniger gut gefallen?
HB: Ich habe den Eindruck, dass sich in diesen pandemischen Zeiten aufgrund der zahlreichen digitalen Kommunikationskanäle teilweise Unstimmigkeiten entfalten, die sich im direkten persönlichen Austausch so nicht entwickeln können. Ja, und natürlich die coronabedingten Kontakteinschränkungen – aber damit hat es nun hoffentlich bald ein Ende. Ich bin ein sehr optimistischer und kreativer Mensch, der gern mit offenen Augen nach vorne blickt.
SJO: Als FR-Referentin haben Sie sich auf Neuland innerhalb der SELK begeben. Wie gehen Sie vor?
HB: Da fallen mir spontan Äußerungen von Prof. Achim Behrens ein, die er ganz zu Anfang meiner Tätigkeitsaufnahme von sich gab: „Liebe Frau Beckmann, eigentlich müsste ich mich als Ihr direkter Vorgesetzter intensiv um Sie kümmern. Aber Ihr Job ist eine Art Pilotprojekt für die Hochschule und die SELK, Genaues kann ich Ihnen noch nicht sagen. Sprechen Sie mich einfach immer an, wenn Sie Hilfe benötigen und auf einen Kaffee sind Sie jederzeit gern willkommen.“ Ja, die Herausforderungen für die Implementierung von Fundraising sind sicher mannigfach, aber ich bin fest davon überzeugt, dass die SELK und die LThH schon seit jeher eine wunderbare Kultur des Gebens leben, in die es einzutauchen gilt. Der Rest ist gutes Handwerk. Und das gilt es nun umzusetzen. Ich freue mich darauf.
SJO: Was wird für Sie die größte Herausforderung in den nächsten 100 Tagen sein?
HB: Eine gesamtkirchliche Konzeption für das Fundraising der SELK ist zu erarbeiten, was sicherlich die nächsten Wochen gut ausfüllen wird. Ich bin froh, die Fundraising-Steuerungsgruppe an meiner Seite zu haben, damit ich den Kern immer im Auge behalten kann. Dazu kommen erste Besuche in Gemeinden – Workshops und Vorträge müssen vorbereitet werden. Und Teil der Routine sind immer auch neue Anfragen – jede ist einzigartig und braucht eigene Aufmerksamkeit. Insofern wird mir sicher nicht langweilig.
SJO: Was macht Ihnen am meisten Spaß?
HB: Die Arbeit mit und für Menschen. Die SELK bietet dafür beste Voraussetzungen.
SJO: Was wünschen Sie sich für das nächste Jahr?
HB: Viele Menschen, die ich davon überzeugen kann, dass Fundraising alles andere als trockenes Handwerk ist. Menschen, die sich von mir begeistern lassen für eine wunderschöne Aufgabe. Und ein paar Projekte, bei deren Umsetzung ich behilflich sein kann. Als Fundraiser wird man auch schnell an seinen „Umsätzen“ gemessen, daher möchte ich natürlich auch gerne viele „schwarze“ Zahlen schreiben.
SJO: Liebe Frau Beckmann, vielen Dank für das Gespräch. Ich wünsche Ihnen, und damit natürlich auch uns allen, ein gutes und erfolgreiches Händchen für das neue Fundraising-Referat. Als Mitglied der Fundraising-Steuerungsgruppe und Teil der Kirchenleitung war es mir eine große Freude, Sie in den ersten 100 Tagen einzuarbeiten und ich wünsche mir nun einen fröhlichen Schub an Ideen und gemeinsamen Umsetzungen für die Gemeinden und überregionale Projekte.
Weitere Stimmen:
Jörn Ziegler (Vorsitzender des Freundeskreises der LThH): „Aus der Perspektive des Freundeskreises der LThH gibt es in unserer Kirche viel unerschlossenes Potential für gutes Fundraising zugunsten von Gemeinden und kirchlichen Werken. Wir sind dankbar, mit Heike Beckmann nun jemanden in der SELK zu wissen, der dieses Potential zu erschließen und entwickeln hilft.“
Ulrich Schroeder (Rendant der Lutherischen Kirchenmission): „Eine Arbeitsgruppe der Lutherischen Kirchenmission überlegt seit einigen Monaten, wie Mission in den Gemeinden, in der Jugend in der Breite ins Gespräch kommt. Knapp tausend Einzelspender tragen mit gut einer dreiviertel Million Euro Spenden die Arbeit der Mission, Tendenz stabil; aus den Gemeinden kommt gut eine Viertel Million Euro, Tendenz deutlich rückläufig. Zu der Entwicklung unserer Überlegungen kommt Frau Beckmann mit ihrer Expertise und sympathischen Vorgehensweise gerade richtig. Ihr professioneller Eintrag bringt uns sehr gut weiter.“
Prof. Dr. Achim Behrens (Rektor der LThH, Oberursel): „Ich freue mich, dass wir die Stelle mit Frau Beckmann professionell besetzen konnten. Eine ganze Reihe spannender Ideen hat sie entwickelt und ich bin gespannt, wie sich manches davon umsetzen lässt. Jedenfalls habe ich jetzt schon viel Neues gelernt und freue mich auf mehr.“
Hartwig Neigenfind überfallen
Pfarrer a.D. Hartwig und Almut Neigenfind, Kirchglieder der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche (SELK), sind im Dienst des Christliche Fachkräfte International e.V. im Entwicklungsdienst in Uganda tätig, um dort die Bildungsarbeit zu fördern. Während seine Frau Almut zu Besuch in Deutschland war, wurde Hartwig Neigenfind in Kampala Opfer zweier Verbrechen. Am 11. Juli hat er darüber mit einer Rundmail an einen größeren Verteiler informiert. Mit seiner Genehmigung veröffentlicht selk.de den Wortlaut an dieser Stelle.
Der Herr ist mein Hirte. Mir wird nichts mangeln. Er weidet mich auf einer grünen Aue. – So weit, so gut. Aber manchmal wandert man auf seinem Lebensweg plötzlich und unerwartet durch ein finsteres Tal und fürchtet sich vor einem Unglück:
Vor etwa drei Wochen bin ich nachts in unserem Haus bei Kampala überfallen worden: Ein junger Mann hatte sich am frühen Abend unbemerkt ins Haus geschlichen. Und als ich spätabends das Haus von innen verriegelt und verrammelt hatte und ins Bett gehen wollte, kam er plötzlich maskiert und mit einem Messer bewaffnet unter unserem Bett hervorgekrochen. Ich wurde von ihm mehrere Stunden gefesselt und geknebelt, musste auf dem Boden kauern, während er das Haus von oben bis unten durchsuchte und mit mir verhandelte, bevor er mit ein paar elektronischen Geräten und ein wenig Bargeld morgens um halb drei über die Mauer verschwand.
Ich bin – Gott sei es gedankt – körperlich völlig unverletzt geblieben. Aber nachdem wohl derselbe Mann zwei Nächte später mit zwei Kollegen wiederkam und unser auf dem Grundstück geparktes Auto ausschlachtete, bin ich nun doch ziemlich mitgenommen. Beim zweiten Besuch der Ganoven habe ich zwar tief und fest geschlafen, aber diesmal wurde unser Wachmann/Gärtner bedroht und zuletzt mit Gas betäubt. Almut war während dieser Zeit in Deutschland, sodass sie glücklicherweise nur indirekt betroffen ist.
Eine direkte Gegenüberstellung einige Tage später mit einem Dutzend Verdächtiger in einem kleinen, dunklen Raum, bei dem ich dem Täter noch einmal Auge in Auge gegenüberstand, ihn identifizieren und beschuldigen musste, war auch recht belastend.
In den Nächten nach den Überfällen wurden wir auf dem Grundstück von schwerbewaffneten Polizisten bewacht, weil die Situation vor Ort leider nicht mehr sicher war. Eine Fortsetzung unserer Tätigkeit war vorerst leider nicht mehr möglich. Mein ugandischer Vorgesetzter, meine Kollegen, die Schuldirektoren und Leute aus unserem Hausbibelkreis waren enorm hilfreich, freundlich und schlossen uns in ihre Fürbittgebete ein.
Wir haben unsere Arbeit in Uganda nur äußerst ungern unterbrochen, weil wir liebe Kollegen und Nachbarn in einer furchtbaren Situation in Afrika zurücklassen mussten: Wegen einer zeitweise leicht erhöhten Zahl an positiven PCR-Testen hat der Präsident einen bis heute andauernden, katastrophalen Lockdown verhängt. Alle Schulen wurden urplötzlich wieder geschlossen. Die Lehrer stehen wieder völlig ohne Gehalt da. Alle Gottesdienste im Land wurden für sieben Wochen verboten. Niemand darf seinen eigenen Landkreis mit einem Auto verlassen, um Lebensmittel von seinen Feldern und Gärten zu holen. Die Lebensmittelpreise sind enorm gestiegen. Die Menschen sind wütend, verzweifelt und hungrig.
Aber auf ärztlichen Rat haben wir das Haus verlassen müssen, in dem die Taten verübt wurden, und sind nun kurzfristig nach Deutschland zurückgekehrt: Ich werde mich in den nächsten Wochen einer speziellen Behandlung unterziehen und von dem Schrecken hoffentlich gründlich erholen.
Unser Ziel ist es, so bald wie möglich fröhlich und optimistisch nach Uganda zurückzukehren und unsere Arbeit fortzuführen. Aber bis dahin liegt noch ein Stückchen Arbeit und Geduld vor uns. Und wir werden sehen, welche Wege uns Gott führen wird – ob und wie schnell wir unser Ziel erreichen.
Wir sind sehr dankbar,
- dass unser Heiland meinem Leben noch eine Spanne hinzugesetzt hat und ich noch Zeit auf dieser Welt habe,
- dass unsere Organisation und meine Projektmanagerin uns mit langer Erfahrung und christlicher Gelassenheit in dieser Ausnahmesituation begleiten. Alle Kosten für Behandlung und Unterhalt werden dankenswerterweise weiter übernommen,
- dass wir sonntags wieder deutsche Choräle singen und Christi Leib und Blut unter Brot und Wein in der Oberurseler Gemeinde empfangen können, wo wir lange Gemeindeglieder waren, wo einer unserer Söhne getauft wurde, wo ich Aushilfsorganist war und Almut in die SELK aufgenommen wurde,
- dass wir nun unsere Kinder, Almuts Mutter und mehrere Geschwister in der Nähe haben,
- dass ich zeitnah einen Behandlungsmöglichkeit gefunden habe, wo mir auf alle Fälle spezialisierte Fachleute bei der Bewältigung der Folgen zur Seite stehen,
- dass wir in einem Vorbereitungskurs vor unserer Ausreise sehr gründlich und sehr realitätsnah von deutschen Sicherheitsfachleuten auf genau die eingetretene Situation vorbereitet wurden, sodass ich bei dem Überfall jederzeit ganz genau wusste, was ich zu tun und was ich zu lassen hatte,
- dass wir diese unerfreuliche Erfahrung dankbar aus Gottes Hand nehmen können und weiter in Christus leben, bleiben und wachsen,
- dass Gott bei uns ist, und ob ich schon wandert im finstern Tal, fürcht´ ich kein Unglück, sein Stecken und Stab trösten uns.
Neue LuKi-Homepage
Seit dem 1. Mai 2021 ist die neugestaltete Homepage des Kirchenblattes „Lutherische Kirche" (kurz: LuKi) der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche (SELK) am Start: www.lutherischekirche.de. Neben einer erhöhten Benutzerfreundlichkeit bietet sie die Möglichkeit, online einzelne digitale Ausgaben zu erwerben sowie neue Abonnements für die Druckausgabe abzuschließen. Ein Bereich mit Fotos und Videos (der nach und nach noch wachsen wird) und ein Blog, der mindestens einmal wöchentlich um einen neuen Eintrag ergänzt wird sowie einige Seiten zum Probelesen der aktuellen Ausgabe laden dazu ein, die Seite regelmäßig zu besuchen. SELK.de befragte die Chefredakteurin von LuKi, Pastoralreferentin Dr. Andrea Grünhagen (3. von links), zu den Neuerungen.
SELK.de: Andrea, als Chefredakteurin behältst du die LuKi-Homepage genau im Blick. Konntest du bereits beobachten, dass sich etwas verändert hat durch die Neugestaltung?
Grünhagen: Auf jeden Fall konnte ich dabei zusehen, wie die Zahl der Abonnementbestellungen auf diese Weise zugenommen hat, was außerordentlich erfreulich ist. Als wir es im vorigen Jahr unternommen haben, den bisher üblichen Sammelbezug durch Einzelabonnements zu ersetzen, hat das offensichtlich einige der möglichen Leser und Leserinnen vor die Frage gestellt, wie sie denn nun so etwas einzeln bestellen könnten. Und, das fand ich recht lustig, gerade nicht die etwas Älteren hatten das Problem, sondern diejenigen, die sonst alles digital regeln und nicht auf die Idee gekommen sind, dass man ja auch die im Impressum angegebene Telefonnummer anrufen könnte. Die neue Möglichkeit wird also jetzt gerne genutzt.
SELK.de: Da schließt sich gleich die Frage an, ob die Erweiterung des digitalen Angebots auch negative Reaktionen hervorgerufen hat?
Grünhagen: Na ja, im Grunde haben wir ja durch die ganzen Notwendigkeiten im Lockdown Eulen nach Athen getragen. Wer sowieso schon gefühlt pausenlos das ganze computergestützte christliche Angebot nutzt, hat wahrscheinlich nicht gerade auch noch auf uns gewartet. Das heißt aber nicht, dass sich deshalb jemand beschwert hätte. Zumal ja völlig klar ist, dass es die Druckausgabe weiter geben wird, einfach, weil alle sie lesen können und manche auch lieber so lesen wollen.
SELK.de: Und welchen Sinn macht es, dass man auch einzelne Ausgaben digital kaufen kann?
Grünhagen: Das trägt in dem bescheidenen Maße, das uns möglich ist, dazu bei, dass Leser und Leserinnen gezielt das erwerben können, was sie als Thema interessiert. Und dass sie es spontan per Mausklick tun können. Gerade die jüngere Zielgruppe ist es gewohnt, stärker auszuwählen und nichts nur zu konsumieren, weil es „doch von unserer Kirche“ ist.
SELK.de: Wie ist das überhaupt mit der Kirchlichkeit der LuKi? Wäre sie als Magazin eigentlich auch für Christen anderer Konfessionen interessant?
Grünhagen: Was die Themen als solche angeht, auf jeden Fall. Aber sie ist keine Verteilschrift, die so eine Art Schaufenster der SELK darstellt. Neulich las ich von einer anderen Kirche, in der innere Spannungen öffentlich eskalierten, was jemanden so sinngemäß zu dem Kommentar bewegte, dass manche Familien sich eben hinter verschlossenen Türen und manche lauthals im Garten streiten würden. Bei uns ist Letzteres der Fall. Es wird schon deutlich in der LuKi, dass auch die SELK ein gewisses Meinungsspektrum besitzt. Das ist ja schon allein in der Redaktion samt den uns unterstützenden Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen so. Was allerdings feststeht und wofür ich persönlich stehe, ist, dass in der LuKi die theologischen Positionen der SELK vertreten werden, wie sie nach Schrift, Bekenntnis und den geltenden kirchlichen Ordnungen ausgewiesen sind. Außerdem ist die LuKi auch das offizielle Amtsblatt der SELK.
SELK.de: Was bedeutet das?
Grünhagen: Wir haben schon verwunderte bis verärgerte Reaktionen bekommen, weil besonders nach Kirchensynoden auf diesem Wege rechtsverbindlich Ordnungsänderungen und Wahlergebnisse mitgeteilt werden. Oder auch regelmäßig amtliche Bekanntmachungen zu Personen sowie zu Ordnungs- und Strukturänderungen zu lesen sind. Das liegt nicht daran, dass wir irgendwas brauchten, um die Seiten zu füllen, sondern weil jede Kirche ein offizielles Amtsblatt haben muss.
SELK.de: Was wird denn bei der neuen Homepage noch besonders gerne genutzt?
Grünhagen: Die digitalen Einzelausgaben sind auf jeden Fall eine große Freude und Erleichterung für Leser und Leserinnen aus unseren Schwester -und Partnerkirchen weltweit. Es hat auch, aber nicht nur, mit der Pandemie zu tun, dass in einigen Ländern dieser Erde nichts mehr auf dem Postweg zugestellt wird momentan. Ich hätte auch nicht gedacht, dass ich das mal erleben würde, dass wir im Kirchenbüro Briefe mit dem Stempel „Postzustellung eingestellt“ zurückbekommen würden. Da ist es natürlich viel einfacher, wenn jemand digitale Ausgaben kaufen kann. Das ist ja auch immer eine Möglichkeit in Kontakt zu bleiben oder aktuell zu lesen, was uns hier grade so beschäftigt. Dazu dient übrigens auch der Blog.
SELK.de: Der Blog stammt aus deiner Feder, oder?
Grünhagen: Ja. Was nicht heißt, dass nicht auch andere da mal was verfassen könnten. Deshalb heißt er ja auch einfach „LuKi-Blog“. Ich glaube, dieses sehr kleinteilige, lockere Format gefällt vielen ganz gut. Ich erzähle einfach, was mich bzw. uns so beschäftigt, worüber wir gerade reden oder was passiert. Meiner Wahrnehmung nach besteht meine Arbeit vor allem aus Kommunikation. Das bezieht eigentlich alle, die an der Entstehung der LuKi beteiligt sind, mit ein. Die Redaktion stellt nur deren Kern dar. Eigentlich ist jeder Text, jede Bildauswahl, jede Meldung oder Rezension ein mit vielen Personen abgestimmtes Produkt. An der Endgestalt einer Ausgabe arbeiten noch viel mehr Menschen mit, was zum Beispiel die Korrekturphase, das Layout, den Druck und den Versand angeht. Und mit allen stimme ich mich ab, bekomme Rückmeldungen und wir treffen gemeinsame Entscheidungen. Ich habe schon gelegentlich zu hören bekommen, wir seien ja so homogen in unserer Zusammensetzung. Um mit diesem Vorurteil aufzuräumen, will ich beim Blog demnächst mal so nach und nach alle vorstellen, die an der LuKi beteiligt sind.
SELK.de: Man darf also gespannt sein. Vielen Dank für das Gespräch.
Junge Erwachsene im Blick
SELK in Hessen-Süd startet Angebot
Die Synode des Kirchenbezirks Hessen-Süd der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche (SELK) hat im Mai beschlossen, – zunächst zur Erprobung – ein Projekt auf den Weg zu bringen, durch das Junge Erwachsene erreicht werden sollen. Isabell Clermont (Grünberg) wurde mit der Projektleitung beauftragt. Für SELK.de hat sie sich für ein Interview zur Verfügung gestellt.
SELK.de: Frau Clermont, Sie sind kürzlich von der Synode des Kirchenbezirks Hessen-Süd der SELK mit einer Gruppe junger Leute beauftragt worden, ein Bezirksangebot für Junge Erwachsene zu koordinieren, zu planen und durchzuführen. Wie kam es dazu?
Clermont: Dass Angebote für Junge Erwachsene in unserer Kirche eher eine Seltenheit darstellen, ist kein Geheimnis. Das erste Mal habe ich den Wunsch danach in einem Workshop auf einem Jugendfestival (JuFe) vor einigen Jahren gehört. Je älter ich wurde, desto häufiger hörte ich diesen Wunsch. „Wir sollten mal ein Oldie-JuMiG-Treffen machen!“ „Lass uns mal eine Freizeit für die Oldies machen!“ Auch in mir wurde der Wunsch immer stärker (gerade auch je näher mein Ausstieg aus der Jugendarbeit kam). Der eigene Wunsch an einer solchen Veranstaltung teilzunehmen, förderte die Bereitschaft meinerseits, sich für ein solches Angebot einzusetzen.
Wirklich ausschlaggebend waren verschiedene Gespräche mit Bernhard Daniel Schütze, in denen wir über möglichen Strukturwandel unserer Gemeinde/unseres Bezirkes/unserer Kirche fantasierten, z.B. auf Bezirksebene hauptamtliche Mitarbeiter einzusetzen, die in immer kleiner werdenden Gemeinden Kinder-, Jugend-, und Junge Erwachsenen-Arbeit koordinieren könnten. Daraus entstand eine Wortmeldung auf der Bezirkssynode Hessen-Süd im Herbst 2020. Die Synode sah die Chance und steckte Bernhard Daniel Schütze, Jaira Hoffmann, Miriam Salzmann und mich in eine Arbeitsgruppe, um Möglichkeiten zu prüfen und auf der darauffolgenden Synode ein Konzept vorzulegen.
Relativ schnell war uns klar: wir wollen das Angebot und halten es trotz einiger Stolpersteine für gut durchführbar. Unser Konzept wurde vorgestellt und auf der Bezirkssynode Ende Mai 2021 mit großer Zustimmung beschlossen. Da ist es!
SELK.de: Warum ist Ihnen dieser Arbeitsbereich so wichtig, dass Sie sich an dieser Stelle engagieren?
Clermont: Ich glaube, der Arbeitsbereich Junge Erwachsene ist nicht wichtiger als der für Kinder, Jugend oder Senioren. Allerdings gibt es in den meisten Gemeinden häufig Angebote für Kinder, Jugendliche oder ältere Erwachsene. Das macht ihn so wichtig! Wir wollen mit unserem Angebot eine Lücke schließen, um unsere Kirche auch in diesem Bereich wieder neu aufleben zu lassen.
Zugleich weiß ich von mir selbst, aber auch von den mich umgebenden Jungen Erwachsenen, dass die Sehnsucht nach Austauschmöglichkeiten rund um den Glauben und auch der Wunsch nach Gemeinschaft im Glauben (und in der Kirche) bei vielen nicht abbricht.
Es gibt dann oft keinen Raum mehr, ungezwungen Fragen zu stellen. Für den Jugendkreis ist man zu alt, für den Seniorenkreis zu jung, und im Bibelkreis findet man keinen Anschluss, denn auch dort senkt man den Altersschnitt durch sein Beiwohnen. Hier wollen wir ansetzen.
Mir persönlich ist es wichtig, im Austausch zu bleiben. Ich genieße die Gemeinschaft mit anderen Christen, besonders mit anderen SELKies. Wir alle kommen an Belastungsgrenzen oder fragen nach dem Warum. Ich möchte mit diesem Angebot einen Raum für die Diskussion solcher Fragen schaffen, sodass wir alle – in gemeinsamem Gebet und Austausch – weiter im Glauben wachsen können.
Denn ich glaube mit Gott im Rücken lebt es sich einfach besser, und wenn wir es schaffen sollten, auch nur einem mit unserem Angebot Gemeinschaft im Glauben, Trost durch Gebet und Zuversicht schenken zu können, dann hat es sich gelohnt.
SELK.de: Erste Angebote sind schon angeplant. Können Sie uns schon einen kleinen Einblick geben, was an Veranstaltungen stattfinden wird?
Clermont: Da die Gruppe der Jungen Erwachsenen sehr heterogen ist – Schicht- und Wochenenddienste, Singles oder junge Familien, viel beschäftigt, wenig freie Kapazitäten, schlecht abzugrenzende Altersspanne – haben wir uns für zwei Formate entschieden.
Einmal im Monat sind alle Jungen Erwachsenen zu einem Online-Zoom-Call eingeladen, in dem wir gemeinsam ins Gespräch kommen möchten. Eröffnet wird die Veranstaltung durch eine Andacht und im Anschluss darf über die Andacht, die letzten fünf Jahre seit dem vergangenen Treffen oder die aktuellen politischen Themen diskutiert werden. Mit dieser Veranstaltung soll vor allem Gemeinschaft geschaffen werden, sodass man wahrnimmt: Ich bin mit meinem Glauben in einer Gemeinschaft. Und die Menschen sind auch noch richtig cool. Vielleicht fahren wir ja mal zusammen weg, z.B. zum nächsten SELK-Kirchentag ...
Das Schöne an Online-Veranstaltungen ist, dass wir zu diesen Treffen auch alle ehemaligen Hessen-Südler oder alle anderen Jungen Erwachsenen einladen können.
Darüber hinaus möchten wir in regelmäßigen Abständen auch Präsenztreffen veranstalten. Diese werden sich immer mit einem bestimmten Thema beschäftigen. Das nächste Treffen am 17. Juli wird in Oberursel stattfinden und sich mit dem Thema „Zukunft“ beschäftigen. Wir freuen uns, Prof. Dr. Christoph Barnbrock als Workshopleiter mit dabei zu haben.
Mit diesen beiden Formaten wollen wir starten. Mit welchen wir in fünf Jahren arbeiten, wird sich mit den Teilnehmenden entwickeln und auch von den mithelfenden Menschen abhängen. Ich könnte mir auch gut Freizeiten für junge Familien oder für junge Menschen ohne Kinder oder einen Chor vorstellen!
SELK.de: Welche Herausforderungen sehen Sie für die Junge-Erwachsenen-Arbeit? Welche Hindernisse müssen noch überwunden werden?
Clermont: Ich glaube, die größte Herausforderung ist es, ein passendes Angebot für diese heterogene Gruppe anzubieten. Der erste Schritt ist nun sicherlich, einen kleinen Teilnehmer-Stamm aufzubauen, mit dem das Angebot weiterläuft, um dann mit dem nötigen Feingefühl auf die Wünsche aus diesem Stamm eingehen zu können. Diesen Teil sehe ich persönlich aber als durchaus machbar.
Zugleich hat dieses Angebot keine übergeordneten Strukturen, die es unterstützen, wie es bspw. einen Hauptjugendpastor im Bereich der Jugendarbeit gibt. Ich wünsche mir sehr, dass das Angebot auch ohne uns vier als „Leithammel“ weiterlaufen kann, wenn wir mal durch familiäre Veränderungen oder jobbedingt das Angebot nicht aufrechterhalten können. Hier müsste sich ein gutes Nachrückerprogramm entwickeln.
Allen voran brauchen wir Teilnehmer. Bei dem Werben gilt es nun, Möglichkeiten zu finden, um auch die Jungen Erwachsenen zu erreichen, die nicht mehr regelmäßige Gottesdienstbesucher sind oder/und wegen fehlender Veranstaltungen in den Gemeinden nicht zu erreichen sind.
SELK.de: Was wünschen Sie sich von den Gemeinden, vom Kirchenbezirk und von der Gesamtkirche an Unterstützung?
Clermont: Zuallererst wünsche ich mir von allen Genannten die Begleitung unserer Arbeit in Gebet und Fürbitte.
Von den Gemeinden in Hessen-Süd wünschen wir uns insbesondere die Weitergabe von Informationen über unser neues Angebot an Junge Erwachsene, die daran Interesse haben könnten – auch, wenn diese womöglich nicht sonntäglich im Gottesdienst sitzen und die Abkündigungen hören mögen. Ebenso erhoffen wir uns offene Türen und Unterstützung für die Durchführung unserer Präsenztermine.
Wir haben uns bewusst dafür entschieden, das Angebot auf der Bezirksebene anzusiedeln, da ein Treffen auf Gemeindeebene vermutlich zu wenig Zulauf finden würde und wir so auch übergemeindliche Kontakte stärken und ausbauen können. Der Kirchenbezirk Hessen-Süd hat dort hineinwirkend schon einiges getan: Arbeitsgruppe gebildet, den Posten für die Bezirksbeauftragung geschaffen und besetzt. Dafür bin ich sehr dankbar!
Weiterhin sehe ich es als die Aufgabe des Bezirkes, die Vorhaben dieser Gruppe unterstützend voranzutreiben, zugleich dieser ehrenamtlichen Arbeit wertschätzend zu begegnen und das neue Angebot als gemeinsames Angebot – und nicht nur als „Privatvergnügen“ Einzelner – wahrzunehmen.
Ich persönlich wünsche mir von der Gesamtkirche, dass wir – die Jungen Erwachsenen – wahrgenommen werden und Möglichkeiten, uns zu beteiligen und einzubringen, bewusst ausgelotet und/oder ausgeweitet werden. Dies könnte bei Terminen, an denen auch junge Arbeitnehmer problemlos teilnehmen können, beginnen, sollte bei entsprechenden Angeboten auf Kirchentagen sowie in den Bezirken etc. weitergehen und könnte sich in einer noch stärkeren und bewussten Berücksichtigung Junger Erwachsener bei der Besetzung von Kommissionen und Arbeitsgruppen niederschlagen.
Ich wünsche mir, dass Projekte und Ideen in der Gesamtkirche besser bekannt gemacht werden (Stichwort: Vernetzung/Digitalisierung). So könnte etwa unsere Idee für Junge Erwachsene in anderen Bezirken aufgegriffen werden oder es gibt woanders bereits gute Vorhaben, die wir übernehmen könnten.
Ich träume vorsichtig von einer flexiblen Kirche, in der wir gerade auf Bezirksebene Ressourcen der einzelnen Gemeinden gemeinsam nutzen; in der wir durch dafür passende Strukturen im Haupt- oder Nebenamt fröhliche, gesund ausgelastete Mitarbeiter haben; in der wir alte eingefahrene Wege verlassen, um neue und das darin liegende Potenzial zu entdecken. Wie können wir unsere Kirche gestalten?
Gerne wäre ich auch einfach mal nur Teilnehmer und nicht gleich der Veranstalter. Wenn ich das Angebot, an dem ich teilnehmen möchte, erst selbst ins Leben rufen muss – macht uns das attraktiv?
SELK.de: Vielen Dank für das Interview. Wir wünschen Ihnen Gottes Segen – beruflich, persönlich, ehrenamtlich!
Zurück im Dienst
Christian Utpatel arbeitet wieder als Gemeindepfarrer
Seit dem 1. Juni 2021 ist Pfarrer Christian Utpatel wieder im hauptamtlichen Dienst der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche (SELK) tätig und arbeitet – auf eigenen Wunsch zunächst in einem Teildienstverhältnis – im Pfarrbezirk Homberg (Efze)/Berge-Unshausen/Melsungen/Schlierbach. Nachdem er zuvor zehn Jahre als Hauptjugendpastor der SELK tätig gewesen war, ist Utpatel 2007 aus dem hauptamtlichen Dienst ausgeschieden, um sich beruflich anders zu orientieren. Die Rückkehr in den Dienst nahm das Team von selk.de zum Anlass für ein Interview.
SELK.de: Herr Pfarrer Utpatel, Sie sind mit dem 1. Juni nach mehr als 13 Jahren zurückgekehrt in den hauptamtlichen Dienst der SELK. Zum 31.10.2007 waren Sie nach 10-jähriger Amtszeit als Hauptjugendpastor ausgeschieden. Was haben Sie seitdem beruflich gemacht?
Utpatel: Ich war zunächst Mitgesellschafter eines Bus- und Reiseunternehmens in Kassel. Dort wurden vor allem Klassenfahrten und Jugendreisen gemacht. Das war eine interessante Zeit, sozusagen meine Umschulung vom Pfarrer zum Geschäftsmann. Nach zwei Jahren habe ich dann ein eigenes Unternehmen gegründet, die Terra Lu Travel & Consult GmbH. Wir organisieren Reisen für Gruppen, die aus dem Ausland nach Europa kommen, vorwiegend aus Nordamerika und Australien. Wir arbeiten für Reiseveranstalter, deren Kunden oftmals Kirchengemeinden sind, die auf den Spuren der Reformation durch „Terra Lutherana“ reisen wollen. Aber daneben gibt es auch Freizeit- und Kulturreisen. Da gehören dann auch Städte wie Prag, Salzburg und Florenz sowie Schloss Neuschwanstein und das Hofbräuhaus zu den Zielen.
SELK.de: Was war der Anlass dafür, jetzt wieder in den hauptamtlichen Dienst zurückzukehren?
Utpatel: Es war ein Fülle von Gesprächen und Ereignissen. Ich bin ja nie wirklich weit weg gewesen. Zu vielen Reisen meiner Firma gehören Gottesdienste und Andachten. Rund ums Reformationsjubiläum haben wir sieben „Luther500 Festivals“ durchgeführt und werden auch 2022 eines in Wittenberg und Worms machen. Ich habe meine Firma immer auch als eine Form von Verkündigung gesehen. In den letzten Monaten kamen persönliche Erlebnisse dazu. Einmal war ich auf einer USA-Reise bei einer katholischen Gemeinde zu Besuch, und der Pfarrer dort hat mich sehr inspiriert. Später waren es Gespräche mit Freunden. Als im Herbst die Gemeinden Homberg und Schlierbach vakant wurden, richteten sich die Augen auf mich. Und dieses Mal habe ich mich auf Gespräche eingelassen. Beim Bischof und der Kirchenleitung traf ich auf offene Arme. Gerade jetzt, nach Corona, braucht unsere Gesellschaft stabile Kirchengemeinden. Außerdem war mir bewusst, dass ich in einem Alter bin, wo ein beruflicher Neubeginn gerade noch möglich ist. Ich hatte immer tiefen Respekt vor den Aufgaben eines Gemeindepfarrers. Woche um Woche die Menschen zu begleiten ist eine große Herausforderung. Aber am Ende kam alles so zusammen, dass ich sagen konnte: So soll es nun sein. Jemand sagte: „Endlich bist du angekommen!“
SELK.de: Zunächst geschieht Ihr Dienst für anderthalb Jahre in einem Teildienstverhältnis („halbe Stelle“): Warum?
Utpatel: Mein Unternehmen hat noch weitreichende Reiseprojekte unter Vertrag, vor allem 2022 rund um die Passionsspiele in Oberammergau. Das wird ein ganz wichtiges Jahr für den Tourismus in Deutschland, besonders nach der monatelangen Pause. Ich habe ein großartiges Team, das diese Reisen plant und durchführt, aber ich werde auch noch im Tagesgeschäft dabei sein. Deswegen erstmal nur eine halbe Stelle im Pfarramt. Das Gute ist, dass der Firmensitz in Homberg nur eine Straße von der Kirche entfernt ist – hier in der romantischen Altstadt können wir alles ganz einfach miteinander verbinden.
SELK.de: Sie sind im seit Langem heimischen Pfarrbezirk tätig – ein Heimspiel, sozusagen, aber auch eine besondere Situation. Wie erleben Sie diese Konstellation?
Utpatel: Pfarrer zu sein ist nochmal etwas ganz anderes. Schon kurz nachdem die Entscheidung öffentlich wurde, habe ich gespürt, dass man mir eine neue Rolle gibt. Natürlich kennen viele Gemeindeglieder mich seit vielen Jahren. Aber die wirklich ernsthaften Gespräche, das, was man nur bei geschlossener Wohnzimmertür bespricht, ist nochmal wie ein neues Kennenlernen. Und damit ging es schon sofort los. Ich bin getragen von einer großen Welle der Sympathie und des Vertrauens. Da ich Stadtverordneter war und nun meine politischen Ämter niedergelegt habe, hat mein beruflicher Wechsel auch im Städtchen für Aufmerksamkeit gesorgt. Menschen auch aus dem Rand der Gemeinde sowie aus der Ökumene haben ihre Freude über diesen Wechsel ausgedrückt. Nun bin ich Pfarrer in der Reformationsstadt Hessens und sehe alles aus einer ganz neuen Perspektive.
SELK.de: Sie haben auch in der Zwischenzeit als aktives Kirchglied und Kirchenvorsteher Ihrer Gemeinde kirchliches Leben wahrgenommen und gestaltet. Worin sehen Sie die Hauptherausforderungen für die SELK in dieser Zeit?
Utpatel: Es steht mir nicht zu, „der SELK“ irgendwelche Ratschläge zu geben. Aber die Schäden der Coronabekämpfung sind immens, für die Gemeinden und die gesamte Gesellschaft. Das ganze Ausmaß wird sich erst in den nächsten Jahren zeigen. Es ist eine große Herausforderung für alle Kirchen, und natürlich auch für die SELK, wieder Vertrauen zwischen den Menschen zu schaffen. Wir werden große Mühe haben, wenigstens wieder die Kerngemeinde zu aktivieren und alle Gemeindekreise und Chöre neu zu starten. Zugleich leben wir in einer verängstigten Gesellschaft, denn von diesen Schäden ist die ganze Geschäftswelt, jede Schule und jeder Verein betroffen. Der Bischof sprach mal von einer Reha-Phase, wie nach einer schweren Krankheit. Das ist ein gutes Bild. Wir müssen da sein, zuhören, Geduld haben, neue Ideen entwickeln. Bis wir wieder Schulter an Schulter in der Kirchenbank sitzen, bis wir wieder aus voller Kehle singen, bis wir es uns wieder trauen, aus einem Kelch zu trinken, wird es ein langer Weg sein. Ich hoffe, dass unsere Gemeinden für die Menschen wie ein sicherer Hafen sein können.
SELK.de: Zum Schluss noch eine eher persönlich-geistliche Frage: Haben Sie ein Bibelwort, das besonders mit Ihnen geht?
Utpatel: Ich bin gewiss, dass weder Tod noch Leben, weder Engel noch Mächte noch unsere Biografien noch das, worunter wir leiden oder worüber wir uns freuen, noch das, was uns in unserem Leben durcheinander bringt, und auch kein Virus – nichts, aber auch gar nichts uns trennen kann von der Liebe Gottes, die in Christus Jesus ist, unserem Herrn. (Römer 8, 38 + 39 – mit Einschüben)
SELK.de: Vielen Dank für das Interview und Gottes Segen für Ihren Dienst und für Sie persönlich!