
„Tröstet, tröstet mein Volk!“
Hirtenbrief an die Gemeinden der SELK
„Tröstet, tröstet mein Volk!, spricht euer Gott. Redet mit Jerusalem freundlich und predigt ihr, dass ihre Knechtschaft ein Ende hat, dass ihre Schuld vergeben ist; … Es spricht eine Stimme: Predige!, und ich sprach: Was soll ich predigen? Alles Fleisch ist Gras … Das Gras verdorrt, die Blume verwelkt, aber das Wort unseres Gottes bleibt ewiglich.“
(Jesaja 40,1-2+6-8)
Liebe Gemeindeglieder,
liebe Gäste und Freunde der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche,
Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater, und dem Herrn Jesus Christus! Amen.
Mit diesem Hirtenbrief wende ich mich an euch und Sie, um auszurichten, was Gott seinem Volk und seiner Kirche in schweren und dunklen Zeiten immer wieder hat ausrichten lassen: den Trost und die Zuversicht, die aus seinem Wort fließen.
Ein persönliches Beispiel
Unser erstes Enkelkind ist 10 Monate alt. Nachts kommt es immer wieder einmal vor, dass das Kind im Dunkeln aufwacht. Ich stelle mir vor, wie es die Augen öffnet und nichts sieht und nichts hört. Alles, was ihm vertraut ist, scheint verschwunden. Das Kind beginnt zu weinen. Da kommen seine Mutter oder sein Vater, öffnen die Tür und schon fällt ein wenig Licht in das Zimmer. Das Kind wird aus dem Bett gehoben und spürt die Nähe der Mutter oder des Vaters hört ein paar geflüsterte Worte des Trostes und sofort wird es ruhig, denn die Einsamkeit und das bedrohlich wirkende Dunkel sind aufgehoben in den Worten von Mutter oder Vater.
In der vor uns liegenden Advents- und Weihnachtszeit mag es uns wie solch einem Kind ergehen: Alles liegt dunkel vor uns. Viele Menschen fürchten in diesen Tagen um ihre wirtschaftliche Existenz. Krankheit wird in Zeiten der Krise doppelt bedrohlich. Für einige unserer Glaubensgeschwister aus dem Iran, aus Afghanistan, Pakistan oder Syrien kommt die Angst hinzu, nicht in unserem Land bleiben zu dürfen. Wir werden uns nicht in großer Runde zum Singen der Advents- und Weihnachtslieder treffen können. Der große Familienbesuch zu Weihnachten fällt wahrscheinlich aus und die Einsamkeit könnte in diesen Tagen vermehrt zum Problem werden. Auf welche Weise wir die Weihnachtsgottesdienste erleben werden, ist noch ungewiss. Zudem schwinden die Kräfte in Gesellschaft und Kirche, all dies mit Geduld zu ertragen. Vielerorts machen sich Zorn und Misstrauen gegen Verantwortungsträger breit. Man möchte wie ein Kind schreien in dunkler Nacht.
Trost aus Gottes Wort
Da geht die Tür aus Gottes Wort auf und ein Lichtstrahl fällt in die Dunkelheit und Gott ist es, der uns in seine Arme nimmt und uns leise ins Ohr sagt: „Ich tröste dich. Ich rede freundlich mit dir. Deine Knechtschaft hat ein Ende. Deine Schuld ist vergeben.“
Das Wort aus dem Propheten Jesaja, das über diesem Brief steht, wendet sich an das Gottesvolk, das, in die Fremde verschleppt, alle Hoffnung auf Rückkehr in die Heimat verloren hatte. Auch damals gab es die zwei Gruppen: die einen, die sich sehr schnell mit der Situation arrangiert hatten, das Beste aus der misslichen Lage machten und sich rasch eine neue Existenz aufbauten. Und es gab die andere Gruppe, die von Trauer und Zorn erfüllt war. Das erzeugte auch damals große Uneinigkeit.
Ist die gegenwärtige Not Strafe Gottes?
Für das Volk Israel war die Gefangenschaft Strafe Gottes. Daran hat der Prophet keinen Zweifel gelassen. Deshalb stellen viele Christinnen und Christen auch heute die Frage nach der geistlichen Deutung der gegenwärtigen Not. Diese Frage erfordert eine zweifache Antwort: Einerseits ist die Viruserkrankung, die die Welt derzeit plagt, ein natürliches Phänomen. Die Naturwissenschaften arbeiten mit Hochdruck und offenbar gutem Erfolg an der Erforschung und Bekämpfung des Virus. Ärztinnen, Ärzte und Pflegekräfte geben ihr bestes Wissen und alle Kraft, um den Erkrankten mit ihrer Kunst zu helfen.
Andererseits fühlt sich die gegenwärtige Lage tatsächlich wie ein Strafgericht Gottes an und Krankheit ist der Schöpfung nach dem Sündenfall zuzurechnen. Der christliche Glaube bekennt, dass nichts auf dieser Welt geschieht ohne Gottes Zulassen. Beginnt man aber über diese Aussage nachzudenken, stößt man auf die dunkle und verborgene Seite Gottes, die wir nicht verstehen können und die uns in die Verzweiflung führen kann. Dass Gott so viel Krankheit, Elend und alle anderen Plagen der Menschheit scheinbar einfach hingehen lässt, können wir nicht verstehen. Es geht uns damit wie den Israeliten in der Gefangenschaft.
Auf Christus schauen
Man hat den Propheten Jesaja den Evangelisten des Alten Testaments genannt, weil er den Trost Gottes durch den Knecht Gottes ankündigt, der in Jesus Christus Mensch geworden ist. „Predigt ihr, dass ihre Knechtschaft ein Ende hat, dass ihre Schuld vergeben ist“, heißt es hier zu Beginn des großen Trost-Kapitels. Und wenige Kapitel später wird der Gottesknecht angekündigt, von dem es heißt: „Fürwahr, er trug unsre Krankheit und lud auf sich unsre Schmerzen. … Er ist um unsrer Missetat willen verwundet und um unsrer Sünde willen zerschlagen.“ (Jesaja 53,4+5). Jesus Christus hat all unser Leid schon am eigenen Leib erfahren und ist deshalb unser Trost in dunkler Nacht.
Und so beten wir zu Jesus Christus und vertrauen ihm, als ob es keine Ärzte gäbe, und nutzen die Kunst der Ärztinnen und Ärzte, als ob es kein Gebet gäbe.
Vertrauen tut Not
Die derzeitigen Entwicklungen in unserer Gesellschaft und teilweise auch in unserer Kirche lassen sich als einen großen Vertrauensverlust beschreiben. Menschen gehen auf die Straße, weil sie offenbar das Vertrauen verloren haben, dass Politikerinnen und Politiker es bei aller Irrtumsfähigkeit gut meinen. Das Vertrauen in die Möglichkeiten von Forschung und Naturwissenschaft oder die verantwortliche Medien- und Pressearbeit geht bei manchen verloren.
In Kirche und Gemeinde droht an einigen Orten das Vertrauen ineinander zu schwinden, dass wir aus verschiedenen Blickwinkeln im Umgang mit der Krise das Richtige tun und der Kirche nicht schaden wollen.
Woran könnte das liegen? Vertrauen ist eine Kraft, die sich nach außen wendet. Nicht umsonst sagen wir, dass wir jemandem „Vertrauen entgegenbringen“. Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass unsere Gesellschaft als ganze am Corona-Virus „erkrankt“ ist, also an den Folgen leidet. Wer erkrankt ist, hat häufig nicht mehr die Kraft, auf andere zu achten. Der Blick des Erkrankten ist natürlich ganz auf sich selbst gerichtet. Dies könnte ein Grund dafür sein, dass die Kraft, Vertrauen entgegenzubringen, schwindet. Vertrauen ist eigentlich ein anderes Wort für Glauben und vom Glauben sagen wir, dass er durch den Heiligen Geist geschenkt wird, weil er eine Kraft ist, die wir selbst nicht hervorbringen können. Die geistgewirkte Kraft des Glaubens hält die Kirche und ihre Glieder zusammen. Auch wenn Vertrauen in Institutionen und der Glaube an Gott grundsätzlich zu unterscheiden sind, habe ich den Eindruck, dass das Abnehmen des Glaubens im Land auch mitursächlich für das Abnehmen des gesellschaftlichen Zusammenhalts ist, was durch die Corona-Krise wie durch eine Lupe verstärkt wird.
Die Menschen im Land brauchen den Trost und die Liebe Gottes, damit das Vertrauen wieder wachsen kann. Ja! Tröstet, tröstet mein Volk!
Gemeinsam die Genesung im Blick haben
In diesem zweiten Teil des Jesaja-Buches wird dem Volk neben dem geistlichen Trost der Vergebung auch die zeitliche Rückkehr in die Heimat angekündigt. Diese Hoffnung ist für die Menschen ebenso wichtig.
Wenn wir alle auf verschiedene Weise und unterschiedlich stark an den Folgen der Corona-Krise leiden und auf diese Weise indirekt schon mit „erkrankt“ sind, dann ist es von großer Bedeutung, dass wir diese Zeit auch hinter uns lassen wollen und die Hoffnung darauf nicht verlieren. So wie jemand, der sich ein Bein gebrochen hat, dankbar im Rollstuhl sitzt und die Vorzüge des Fahrens genießt, ist der Wille, wieder laufen zu lernen, von entscheidender Bedeutung. Alle technischen Möglichkeiten, die wir in dieser Zeit dankbar aufgegriffen und für uns entdeckt haben, sind willkommene Hilfsmittel, die uns in dieser schwierigen Zeit das Leben leichter machen. Vieles davon wird uns gewiss auch in Zukunft von Nutzen sein.
Dennoch wollen wir wieder „gesund“ werden und bitten Gott darum. Für alle Formen der Gemeinschaft, die uns die moderne Kommunikationstechnik zur Verfügung stellt, sind wir sehr dankbar. Aber: Leiblichkeit prägt unser Sein. Mit dem Christfest feiern wir ja die Menschwerdung Gottes in seinem Sohn Jesus Christus. Diese Leiblichkeit schenkt uns Gott mit Leib und Blut seines Sohnes im Heiligen Abendmahl. So hoffen wir auch darauf, dass Gott uns neue Gelegenheiten schenkt, einander von Angesicht zu Angesicht zu begegnen und leiblich nahe zu sein.
Dankbarkeit
In unseren Gemeinden erlebe ich in diesen Wochen und Monaten viel wertvollen Einsatz und Mühe. Kirchenvorsteherinnen, Kirchenvorsteher und andere Ehrenamtliche gehen an ihre Grenzen, um Gottesdienste zu ermöglichen. Pfarrer, Pastoralreferentinnen, Pfarrvikare, Pastoren im Ehrenamt, Pfarrdiakone und Vikare, Lektorinnen und Lektoren erhalten gemeinsam mit ihren Gemeinden vielerorts das digitale Angebot aufrecht und nehmen voller persönlichem Einsatz die Herausforderungen von Präsenzgottesdiensten unter Corona-Bedingungen an. Sehr viel Schönes und Kreatives haben wir in diesem Jahr erlebt. Auch im Namen von Kirchenleitung und Kollegium der Superintendenten danke ich hierfür sehr.
Eine engagierte Arbeitsgruppe (AG) zur Bewältigung der Corona-Krise in unserer Kirche hat sich in den vergangenen Monaten immer wieder mit der Lage beschäftigt und etliche Einzelfragen bearbeitet. Die Entstehung dieses Briefes hat diese AG mit begleitet. Herzlichen Dank! Eine weitere Arbeitsgruppe beschäftigt sich mit den mittelfristigen Folgen dieser Krise. Auch für ihre Arbeit danke ich herzlich.
Ein schwieriges Jahr neigt sich dem Ende und dennoch nehme ich aus vielen Gemeinden das Signal wahr, dass die Spendenbereitschaft nicht nachgelassen hat. Die Fülle der Gaben und Opfer an Geldmitteln und Zeit stimmt uns alle sehr dankbar.
Gottes Wort bleibt
Das Kind auf dem Arm seiner Mutter oder seines Vaters braucht wenige Worte, um die Orientierung wieder zu gewinnen. Wenn wir in diesem Jahr das Christfest in Sorgen und Ungewissheit verbringen und vieles vermissen, kann uns die Stille wieder helfen, die Stimme Gottes in unserm Ohr flüstern zu hören, ganz nah und unverstellt: „Das Gras verdorrt, die Blume verwelkt, aber das Wort unseres Gottes bleibt ewiglich.“ Gottes Zusage steht damit fest: Er ist in aller Not bei uns. Das gilt. Das gilt auch uns.
Ihnen und euch persönlich und den Familien und Gemeinden
wünsche ich in schwerer Zeit gesegnete Advents- und Weihnachtstage
Zum 1. Advent 2020.
Bischof Hans-Jörg Voigt D.D.
Der Hirtenbrief als PDF-Datei:
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Stellungnahme zum gegenwärtigen islamistischen Terror in Europa
In diesen Tagen bekam Bischof Hans-Jörg Vogt D.D. (Hannover), der leitende Geistliche der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche (SELK) eine schriftliche Anfrage, warum die SELK sich nicht zu den jüngsten islamistischen Terroranschlägen in Europa zu Wort gemeldet habe. Voigt unternimmt im Folgenden den Versuch, in Form einer anonymisierten Antwort auf diese Anfrage differenziert Stellung zu beziehen.
Sehr geehrter, lieber Herr Z., Ihre Anfrage, warum die Kirchen in Deutschland zu den jüngsten Terroranschlägen besonders in Frankreich so „laut“ geschwiegen haben, hat mich erreicht, und zwar im doppelten Sinn des Wortes. Deshalb befrage ich mich, warum ich selbst bisher geschwiegen habe.
Zunächst liste ich die Geschehnisse für mich auf:
4. Oktober 2020: In Dresden greift ein mutmaßlich islamistisch motivierter Gewaltverbrecher zwei Mensch mit einem Messer an. Eines der Opfer wird getötet , das andere schwer verletzt.
17. Oktober 2020: Brutale Enthauptung des Lehrers Samuel Paty in einem Pariser Vorort. Der Täter gibt im Internet als Begründung an, dass der Lehrer „es gewagt hat, Mohammed zu erniedrigen".
29. Oktober 2020: Bei einem mutmaßlich islamistischen Terroranschlag werden in der Kirche Notre-Dame-de-l’Assomption in Nizza zwei Frauen und der Küster der Kirche mittels einer Stichwaffe getötet und geköpft. Die beiden Frauen waren ins Gebet vertieft. Die Polizei nahm in der Nähe des Tatorts einen 21-jährigen Tunesier fest, der im September 2019 über Lampedusa in Europa eingereist sein soll.
31. Oktober 2020: Ein orthodoxer Priester wurde in der französischen Stadt Lyon mit einer abgesägten Schrotflinte angegriffen und schwer verletzt. Der 52-jährige Geistliche war gerade dabei, seine Kirche abzuschließen, als ein Unbekannter aus kürzester Entfernung zweimal aus einer abgesägten Schrotflinte auf ihn schoss. Über den Täter gibt es bisher noch keine Angaben.
2. November 2020: In der Altstadt Wiens schießt ein Täter wahllos aus einer Maschinenpistole auf Passanten und Restaurantbesucher. Fünf Todesopfer und zahlreiche Verletzte sind zu beklagen. Der Täter war ein der Polizei bekannter Islamist.
Ich verurteile und verabscheue diese Taten zutiefst! Mein Mitgefühl und meine Gebete sind bei den Opfern. Bisher habe ich geschwiegen, weil diese Verurteilung eine einzige große Selbstverständlichkeit ist. Es ist unerträglich, dass ein Lehrer angegriffen wird, der sich der schweren und derzeit auch in Deutschland zu Unrecht wenig populären Aufgabe stellt, die nachwachsende Generation zu bilden und auf das Leben vorzubereiten. Es ist unerträglich, dass nun in Frankreich Christen, Schwestern und Brüder, in einer Kirche ermordet werden. Wo bleibt eigentlich der Aufschrei: „Je suis l‘église“ – „Ich bin Kirche“? Ich versuche folgende Erklärung: Christinnen und Christen werden immer noch als stabile meinungsgebende Mehrheit wahrgenommen, die keinen besonderen Schutz und auch kein Mitleid benötigt. Dies entspricht gerade in Frankreich schon seit der Französischen Revolution nicht mehr der Wirklichkeit. Ja, und das lerne ich immer wieder, es ist notwendig, auch das Selbstverständliche laut, unmissverständlich und notfalls auch wiederholt auszusprechen.
Mein Zögern liegt aber in einem weiteren Umstand begründet, der eine solche Stellungnahme ausgesprochen verkompliziert und erschwert: Ich lehne die sognannten Mohamed-Karikaturen ab, ohne damit die Bluttaten auch nur im Geringsten rechtfertigen oder auch nur erklären zu wollen. Ich kann einfach nicht verstehen, warum nun mittlerweile der ganze französische Staat sein Verständnis von Freiheitsrechten an der Möglichkeit religiöser Beleidigung durch die Mohamed-Karikaturen fest macht. In Deutschland gilt immer noch § 166 des Strafgesetzbuches, in dem es heißt: „(1) Wer öffentlich oder durch Verbreiten von Schriften (§ 11 Abs. 3) den Inhalt des religiösen oder weltanschaulichen Bekenntnisses anderer in einer Weise beschimpft, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.…“ Dabei ist mir bewusst, dass dieser Paragraf eigentlich kaum noch anzuwenden ist und dass manches, was zunächst als Blasphemie bezeichnet wurde, später in der christlichen Kunst anerkannt wurde. Aber wieso es grundsätzlich ein Freiheitsrecht sein soll, andere religiös zu beleidigen und zu verletzen, vermag ich nicht zu verstehen. Jesus sagt: „Alles nun, was ihr wollt, dass euch die Leute tun sollen, das tut ihr ihnen auch! Das ist das Gesetz und die Propheten.“ (Matthäus 7,12).
Übrigens leben Christen seit 2000 Jahren mit einer sehr bekannten Karikatur. Die älteste Kreuzesdarstellung zeigt Christus mit einem Eselskopf. Römische Soldaten hatten dieses Spottkreuz an eine Kasernenwand geritzt, um ihren christlichen Gefährten mit Namen Alexamenos zu beleidigen. Das Kreuz selbst war und ist ein Zeichen der Schande und Erniedrigung, das gleichwohl zum Heilszeichen geworden ist. Aber wie schon gesagt: Die sinnlose und menschenverachtende islamistische Gewalt ist durch diesen Umstand nicht zu erklären.
Lieber Herr Z., das bringt mich schließlich zu einem weiteren Punkt, der eine Stellungnahme so schwierig macht. Der gesunde Menschenverstand fragt nach solch einer Serie von Gewalt, ob das alles nicht doch etwas mit dem Islam als Religion zu tun hat. Natürlich halte ich die Unterscheidung zwischen Islam und Islamismus für unverzichtbar, denn die ganz überwiegende Zahl von Menschen muslimischen Glaubens lebt friedlich in Europa und trägt ganz erheblich zu unserem gemeinsamen Wohlergehen bei. Sie sind eben nicht mit den irregeleiteten Gewalttätern in Zusammenhang zu bringen und verdienen unvermindert unseren Respekt und freundliche Nachbarschaft.
Aber die Frage stellt sich auf grundsätzlicher Ebene doch, ob der Islam mit dem westlichen Wertesystem, mit Freiheitsrechten, mit Toleranz und einer bestimmten Form offener gesellschaftlicher Austragung von Konflikten kompatibel ist, da er die Unterscheidung zwischen Staat und Religion nicht nachvollzieht. Was den christlichen Kirchen mit den Worten Jesu sozusagen in die Wiege gelegt ist – „Gebt der Kaiser, was des Kaisers ist, und Gott, was Gottes ist" (Matthäus 22,21) – und was die westlichen Gesellschaften und ihre Kirchen über Jahrhunderte in schmerzhaften und teilweise auch kriegerischen Erfahrung erstritten haben, nämlich eine konsequente Unterscheidung ihrer jeweiligen Interessen, ist dem Islam fremd. Diese Frage gehört in den öffentlichen Diskurs unserer Gesellschaften, nicht um Menschen muslimischen Glaubens zu diskriminieren, sondern um ihnen die Bedeutung und die Grundlagen westlicher Werte deutlich zu machen, ja, und sie darauf auch zu verpflichten.
Für Ihr Nachfragen, lieber Herr Z. danke ich Ihnen, denn Sie haben mich zum Nachdenken gebracht.
Ihr Bischof Hans-Jörg Voigt D.D.
Gedenkstelle für Sternenkinder in Radevormwald
Die Martini-Gemeinde der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche (SELK) hat eine Gedenkstelle für Sternenkinder eingerichtet. Im Folgenden wird das Projekt näher vorgestellt.
Schon zu Jahresbeginn ist die Gedenkstelle für Sternenkinder auf dem Friedhof der Martini-Gemeinde der SELK in Radevormwald durch eine gemeinsame Initiative von Friederike und Gemeindepfarrer Florian Reinecke in Zusammenarbeit mit der Friedhofskommission der Martini-Gemeinde, einem ortsansässigen Gärtner und einem ebenfalls in Radevormwald tätigen Steinmetz fertiggestellt worden und dient als Ort der Trauer über die in zu vielen Fällen von außen unsichtbaren und zu selten anerkannten Verluste von Kindern, die während oder kurz nach der Schwangerschaft und Geburt – egal ob früh oder spät – verstorben sind. Die erste geplante Andacht zur „Inbetriebnahme“ konnte wegen der Beschränkungen durch die Verordnungen anlässlich der Corona-Pandemie nicht stattfinden.
Eine erste Andacht
Am Samstag, 17. Oktober, fand an der Gedenkstätte für die Sternenkinder nun aber endlich eine erste Andacht statt. Zu dieser Erinnerungsfeier im Anschluss an die internationale Gedenkwoche für Sternenkinder waren alle Betroffenen aus Radevormwald eingeladen, die selbst ein Kind (oder Enkel- oder Geschwisterkind) während oder kurz nach der Schwangerschaft verloren haben. Dabei war gar nicht wichtig, ob das Erleben und Erleiden sehr frisch ist oder bereits viele Jahre zurückliegt.
Die Andacht, in der der auf dem Stein befindliche Vers „Heile du mich, HERR, so werde ich heil; hilf du mir, so ist mir geholfen“ aus dem biblischen Buch des Propheten Jeremia (Kapitel 17, Vers 14) ausgelegt wurde, haben Friederike und Florian Reinecke gemeinsam gehalten und verwiesen dabei die Anwesenden in ihrer Trauer und ihrem Schmerz auf die Gegenwart Gottes, der Hilfe und Heilung für verwundete Herzen und Seelen schenkt.
Im Anschluss an die Andacht gab es im Gemeindehaus der Martini-Gemeinde die Möglichkeit, miteinander ins Gespräch zu kommen, persönliche Erfahrungen auszutauschen und sich über ausliegendes Material weiter zu informieren. Eine solche Andacht zum Gedenken an all die Kinder, die nicht geblieben sind, soll es nun jährlich geben.
Wertschätzende Reaktionen
Eine Veröffentlichung der Radevormwalder Sternenkinder-Gedenkstelle im Rahmen des Instagram-Auftrittes der SELK stieß dort auf große Zustimmung und führte auch zu wertschätzenden Kommentaren. So schrieb der Verein Sterneneltern Achim e.V.: „Wie wundervoll. Es ist so schön zu sehen, wie die Kinder immer mehr einen Platz in unserer Gesellschaft bekommen und die Eltern mit ihrer Trauer, ihren Sorgen und Ängsten wahr genommen werden. Vielen Dank für euer Engagement.“ Und Svana Seidel (kreativwerkstatt.art), die ihren Instagram-Auftritt „erinnerungsbuch-sternenkinder“ überschrieben hat, kommentiert: „Wie schön, dass es jetzt auch etwas bei euch gibt, das Sternenkinder sichtbar macht.“
SELK-Hochschule beginnt die Vorlesungszeit
Mit einem Gottesdienst in der örtlichen St.-Johannes-Kirche eröffnete die Lutherische Theologische Hochschule Oberursel (LThH), die von der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche (SELK) getragen wird, am 20. Oktober die Vorlesungszeit des Wintersemesters 2020/21.
In seiner Predigt nahm der Rektor, Prof. Dr. Christoph Barnbrock, in Auslegung einer biblischen Heilungsgeschichte unter anderem Bezug auf die derzeit geltenden Kontakteinschränkungen und stellte demgegenüber heraus, wie Jesus bei der Heilung eines Aussätzigen diesen berührt und so alle Distanzen überwunden habe. Zwar sei es nicht angemessen, leichtfertig die geltenden Kontaktbeschränkungen außer Acht zu lassen, aber es sei doch tröstlich, dass Jesus Christus sich durch nichts habe davon abhalten lassen, die Distanz zwischen Gott und uns Menschen zu überwinden. Nicht einmal die kleinste Restdistanz sei geblieben. Der Gottesdienst ist auf dem YouTube-Kanal der Hochschule als Aufzeichnung zu finden: https://youtu.be/DIfhrTcY8nU.
An den Gottesdienst schloss sich die Vorstellung der Lehrveranstaltungen an, diesmal aus Gründen des Infektionsschutzes ebenfalls in der St.-Johannes-Kirche. Zu den Angeboten dieses Semesters gehören neben den Veranstaltungen der Professoren und Sprachlehrerinnen und Sprachlehrer unter anderem auch Übungen von Pfarrer Dr. Armin Wenz und Missionsdirektor Roger Zieger. Die bestbesuchte Lehrveranstaltung ist erneut die Bibelkunde-Übung, in der die Teilnehmenden, unter Leitung des wissenschaftlichen Assistenten Niklas Brandt, die prophetischen Bücher des Alten Testaments lesen und in ihrer Grundstruktur und ihrem Grundanliegen kennenlernen. Zwei andere Lehrveranstaltungen in diesem Semester ergänzen sich gegenseitig: Prof. Dr. Gilberto da Silva führt in einer Vorlesung in die „Geschichte der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche (SELK)“ ein. In einer weiteren Übung beleuchtet Pastoralreferentin Dr. Andrea Grünhagen als Gastdozentin „Das Verhältnis von Erweckung und lutherischem Bekenntnis in der Vorgeschichte der SELK“. Über den eigenen Tellerhand hinaus schauen unter anderem die Lehrveranstaltungen „Einführung ins Judentum“ mit Dr. Walburga Zumbroich und „Trauer und Trauma in Seelsorge und Psychotherapie“ mit Bischof Hans-Jörg Voigt D.D. und Dr. Gudrun Schätzel.
Angesichts der Tatsache, dass im Hochtaunuskreis die Sieben-Tage-Inzidenz von Coronafällen deutlich über 50 liegt, findet der Semesterstart unter erhöhten Hygieneauflagen statt. Trotzdem sei man dankbar, so Barnbrock gegenüber selk_news, dass in diesem Semester der Präsenzunterricht wieder möglich sei. Zugleich seien die guten Erfahrungen mit Online-Lösungen aus dem Sommersemester hilfreich, um bei Bedarf auf eine Alternativlösung zurückgreifen zu können, falls der Präsenzunterricht in dieser Form in den nächsten Wochen nicht mehr möglich sein sollte.
Im Wintersemester sind 22 Studierende an der LThH eingeschrieben. Unter ihnen sind drei Studenten aus dem Raum der SELK, die in diesem Wintersemester neu mit dem Theologiestudium begonnen haben.
Neu: Gemeindeadministrator
Interview mit Bernhard Daniel Schütze
Die Trinitatisgemeinde der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche (SELK) in Frankfurt am Main erlebt zurzeit eine Doppelvakanz. Der Gemeinde wurde angesichts dieser Situation für die Dauer von einem Jahr eine Teildienststelle gewährt, auf der ein Gemeindeadministrator vielfältige Aufgaben übernimmt - ein neues Berufsbild in der SELK. SELK.de hat mit dem Stelleninhaber, Bernhard Daniel Schütze, ein Interview geführt.
SELK.de: Herr Schütze, Sie sind seit dem 1. September für die Dauer von einem Jahr mit einem Teildienstverhältnis („halbe Stelle“) im Dienst der SELK tätig. Stellen Sie sich unseren Leserinnen und Lesern bitte kurz vor.
Schütze: Ich bin 28 Jahre alt und komme ursprünglich aus Niedersachsen. Nach Stationen in Hermannsburg und Farven bin ich im Anschluss an mein Abitur nach Hessen gezogen. In Oberursel/Taunus wohnend habe ich 2011-2012 ein Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ) in der Frankfurter SELK-Gemeinde absolviert und anschließend in Frankfurt am Main Gymnasiallehramt für die Fächer „Ev. Religion“ und „Politik & Wirtschaft“ studiert. Im Herbst 2018 zog ich nach Gießen und habe dort mein Referendariat begonnen. Da ich feststellen musste, dass der Lehrerberuf für mich persönlich doch nicht der richtige Beruf ist, habe ich mein Referendariat Anfang dieses Jahres abgebrochen und bin inzwischen erneut in der SELK-Gemeinde Frankfurt tätig.
SELK.de: Ihr Dienst in der Trinitatisgemeinde Frankfurt am Main ist der eines „Gemeindeadministrators“. Das ist ein neues Berufsbild in unserer Kirche. Was sind Ihre Aufgaben?
Schütze: Als Gemeindeadministrator übernehme ich zahlreiche organisatorische und administrative Aufgaben, die in der Gemeinde anfallen. Es handelt sich also insbesondere um eine Tätigkeit im Pfarrbüro. So führe ich die Gemeindekartei und die Kirchenbücher, stelle die Erreichbarkeit der Gemeinde sicher und unterstütze die Gottesdienstleitenden im Vorfeld durch Zusammenstellung von Bekanntmachungen, Erstellung der Gottesdienstblätter sowie Hinweise auf Besonderheiten.
SELK.de: Es handelt sich also um einen Bürojob.
Schütze: Auch. Aber nicht nur: Ich bin als Gemeindeadministrator auch für die Räumlichkeiten zuständig und habe beispielsweise sicherzustellen, dass diese für Gottesdienste und andere Veranstaltungen angemessen vorbereitet sind. Das geht vom Antependienwechsel über die Kerzenpflege bis zur Sicherstellung von geheizten Räumen und der Getränkebereitstellung. Grundsätzlich soll ich mit offenen Augen und Ohren präsent sein, wahrnehmen und anfallende Arbeiten erledigen oder aber an die dafür Zuständigen weiterleiten. Insbesondere das vielfältige ehrenamtliche Engagement in der Gemeinde soll durch den Gemeindeadministrator sichergestellt und unterstützt werden. Vielleicht lässt sich die Stelle beschreibend als „koordinierende Tätigkeit zur Gemeindeorganisation, Mitarbeiterunterstützung und Gebäudebetreuung“ umreißen. Auch Aufgaben in Ökumene, Öffentlichkeitsarbeit sowie die Leitung der Gemeindebriefredaktion gehören zu meinem vielfältigen Tätigkeitsfeld.
SELK.de: Wie ist die Gemeinde darauf gekommen, für ein Jahr solch eine Stelle zu beantragen?
Schütze: Die Trinitatisgemeinde Frankfurt ist mit rund 800 Gemeindegliedern eine recht große Gemeinde der SELK mit zwei Pfarrstellen. Im letzten Jahr ist Pfarrer Michael Zettler in den Ruhestand gegangen und eine der beiden Pfarrstellen ist seitdem unbesetzt. Am 27. September hatten wir nun den Abschiedsgottesdienst von Pfarrer Christian Hildebrandt, der zum 1. Oktober nun ebenfalls in den Ruhestand getreten ist. Da bisher noch keine neuen Pfarrer berufen werden konnten, steht der Gemeinde eine Zeit bevor, in der erstmals beide Pfarrstellen gleichzeitig vakant sind. Bei den Überlegungen, wie in dieser Situation zum einen die Ehrenamtlichen der Gemeinde nicht überlastet, zum anderen die anfallenden Aufgaben dennoch gut bewältigt werden können, entstand die Idee zur Schaffung der Stelle eines Gemeindeadministrators, der zumindest viele der organisatorischen und administrativen Aufgaben, die bisher beide oder einer der Pfarrer übernommen haben, übernehmen kann. Gemeinsam mit den entscheidenden Gremien von Bezirk und Gesamtkirche wurde die Stelle in den letzten Monaten eingerichtet. Sie ist bei der Gesamtkirche angesiedelt – die Gesamtkirche ist also mein Arbeitgeber, in der alltäglichen Arbeit bin ich jedoch dem Kirchenvorstand der Trinitatisgemeinde zugeordnet.
SELK.de: Was hat Sie gereizt, diese Stelle anzunehmen?
Schütze: Ich bin ein recht strukturierter Mensch, der gerne organisiert und den Überblick hat. Zugleich arbeite ich gerne für und mit Menschen. Da ich mich gerne in der Kirche einbringe und auf verschiedene Weise das kirchliche Leben und die Glaubenspraxis im kirchlichen Rahmen mitgestalte, handelt es sich bei der Stelle des Gemeindeadministrators durchaus um eine attraktive Stelle für mich. Nicht bestreiten kann ich zudem, dass ich den Bedarf in meiner ehemaligen Gemeinde gesehen habe und ich dieses neue Berufsbild als durchaus zukunftsorientiert ansehe. Wir haben in unserer Kirche einen immer größeren Pastorenmangel. Aus diesem Grund müssen wir neue Wege gehen, wobei ich keinesfalls an der Qualifikation und Ausbildung der Pastoren sparen möchte. Allerdings halte ich es für notwendig, Konzepte für die zunehmenden Vakanzen zu entwickeln und unsere Pastoren von vielen administrativen Aufgaben möglichst zu entlasten, damit sie sich auf ihren Hauptauftrag der Verkündigung und der Seelsorge – in Verantwortung für immer mehr Gemeinden je Pastor – konzentrieren können. In dieser Gesamtlage das neue Berufsbild des Gemeindeadministrators selbst mit „auszuprobieren“ hatte und hat – trotz der Befristung und der Teilzeitregelung – für mich einen besonderen Reiz.
SELK.de: Wie sind Ihre ersten Eindrücke nach knapp vier Wochen Ihrer neuen Tätigkeit?
Schütze: Zuallererst bemerke ich eine große Erleichterung und Dankbarkeit in der Gemeinde, dass es auch in der Zeit der Doppelvakanz eine Person gibt, die als Ansprechpartner und Schnittstelle für Außenstehende sowie Gemeindeglieder und -gruppen koordiniert und sich gemeinsam mit den ehrenamtlichen Vorstandsmitgliedern um vieles kümmert. Zugleich stelle ich wieder einmal fest, wie viele Aufgaben unsere Pastoren – neben der Wortverkündigung und Sakramentsverwaltung sowie den anderen in der Pfarrerdienstordnung aufgeführten Aufgaben – wahrnehmen. Hierbei handelt es sich nicht nur um eine Vielzahl, sondern auch um eine zeitintensive Fülle von Aufgaben. Auch ist festzustellen, dass es viel Wissen gibt, das weitergegeben werden muss, um zu verhindern, dass es bei Pfarrerweggängen verloren geht. Somit ist der Einarbeitungsmonat bis zur Verabschiedung von Pfarrer Hildebrandt recht schnell vergangen. Dadurch, dass in den letzten Wochen in der Frankfurter Trinitatisgemeinde zudem sowohl die Konfirmation als auch der Verabschiedungsgottesdienst von Pfarrer Hildebrandt lagen, haben sich direkt einige Mehrarbeitsstunden angesammelt – ich bin sehr gespannt, wie sich Arbeitsweise und Arbeitszeitverteilung in den kommenden Wochen, wenn sich die Arbeit „normalisiert“, darstellen werden. Durch das ganz neue Berufsbild sind wir auch in diesem Bereich in einem spannenden Experimentierfeld. Ich muss aber sagen, dass mein erster Eindruck ein sehr positiver ist: Die Gemeinde hat mich sehr freundlich willkommen geheißen, die Zusammenarbeit mit dem Kirchenvorstand verläuft sehr gut und meine Tätigkeit mit all den neuen Aufgaben ist abwechslungsreich und bereitet mir viel Freude. Ich habe den Eindruck, einen sinnvollen und für die Gemeindepraxis möglicherweise auch zukunftsweisenden Beruf auszuüben.
SELK.de: Sie sind auch ehrenamtlich in der Kirche unterwegs. In welchen Bereichen?
Schütze: Ehrenamtlich bin ich in der SELK insbesondere in der Jugendarbeit aktiv und arbeite in einigen Arbeitsgruppen (AG) des Jugendwerkes der SELK mit. So betreue ich etwa als Mitglied der Öffentlichkeitsarbeits-AG die facebook-Seite des Jugendwerkes. Auch in der AG, die das in der Regel jährlich stattfindende Jugendfestival (JuFe) als gesamtdeutsche Jugendveranstaltung mit ca. 320 Teilnehmern organisiert, bin ich engagiert. Zudem darf ich die AG zur Erstellung eines neuen, vierten Bandes der CoSi-Jugendliederbuchreihe leiten. In der Jugendarbeit „vor Ort“ konnte ich in den letzten anderthalb Jahren die Gemeinde Dreihausen bei dem Neuaufbau eines Jugendkreises unterstützen. Auch als Synodaler bei Kirchen- und Bezirkssynoden bringe ich mich gerne ein. Ein weiterer Bereich, in dem ich aktiv bin, ist die Kirchenmusik. In den letzten Monaten habe ich mehrfach unseren Gottesdienst in Grünberg auf der Trompete musikalisch mitgestalten dürfen. Im Kirchenmusikalischen Arbeitskreis Süd (KAS) bin ich Bläserdelegierter für den Kirchenbezirk Hessen-Süd und seit 2015 darf ich in der Gesangbuchkommission der SELK an der Erstellung des neuen Evangelisch-Lutherischen Kirchengesangbuches (ELKG) mitarbeiten.
SELK.de: Nun handelt es sich bei der Stelle des Gemeindeadministrators um ein Teildienstverhältnis mit 19,5 Std./Woche. Was machen Sie mit dem Rest der Zeit? Üben Sie noch einen weiteren Beruf parallel aus?
Schütze: Bisher noch nicht. Zwar ist das geplant, doch hat sich das leider noch nicht ergeben. Langweilig ist mir dennoch bislang nicht geworden: Da ich Ende Oktober von Gießen nach Frankfurt umziehen werde, gibt es einiges dafür vorzubereiten und insbesondere nach den zahlreichen Veranstaltungsverschiebungen aufgrund der Corona-Pandemie gibt es nun zahlreiche Termine und Aufgaben in verschiedenen Ehrenämtern wahrzunehmen. Somit nutze ich die aktuelle Zeit, den Umzug vorzubereiten, Unerledigtes nachzuholen und vieles ehrenamtlich zu erarbeiten – und hoffe, nach meinem Umzug eine weitere Teilzeitbeschäftigung aufnehmen zu können, die sich gut mit der Tätigkeit als Gemeindeadministrator kombinieren lässt.
SELK.de: Vielen Dank für das Interview und herzliche Segenswünsche für Ihre Arbeit als Gemeindeadministrator!
Unser Bekenntnis – Artikel 5: Vom kirchlichen Amt
Das Augsburger Bekenntnis (Confessio Augustana) ist die grundlegende Bekenntnisschrift der im Konkordienbuch (1580) abgedruckten verbindlichen Bekenntnisse der Kirche der lutherischen Reformation. In loser Folge lesen Sie hier Erläuterungen zu den einzelnen Artikeln von Pfarrer Dr. Gottfried Martens D.D. (Berlin-Steglitz).
Damit wir diesen Glauben erlangen, hat Gott das Amt der Predigt des Evangeliums und der Austeilung der Sakramente eingesetzt. Denn durch das Wort und die Sakramente wird wie durch Instrumente der Heilige Geist gegeben, der den Glauben – wo und wann es Gott will – in denen wirkt, die das Evangelium hören, nämlich dass Gott nicht um unserer Verdienste willen, sondern um Christi willen diejenigen rechtfertigt, die glauben, dass sie um Christi willen in die Gnade aufgenommen werden.
Sie verdammen die Wiedertäufer und andere, die meinen, der Heilige Geist werde den Menschen ohne das leibliche Wort des Evangeliums durch ihre eigenen Bereitungen, Gedanken und Werke zuteil.
Der vierte und fünfte Artikel des Augsburger Bekenntnisses sind gleichermaßen grammatisch und sachlich ganz eng aufeinander bezogen. Ging es im vierten Artikel darum, dass uns die Rechtfertigung „durch den Glauben“ zuteil wird, so wird nun im fünften Artikel beschrieben, wie sich dieses „durch den Glauben“ vollzieht. Dabei wird der Glaube in bestimmte für ihn konstitutive Zusammenhänge gestellt – und damit wird zugleich bestimmten nicht nur damals, sondern auch heute weit verbreiteten Missverständnissen des Glaubens gewehrt. So ist gerade dieser fünfte Artikel des Augsburger Bekenntnisses für Verkündigung und Praxis der lutherischen Kirche von besonderer Bedeutung.
Der fünfte Artikel betont zunächst einmal, dass der Glaube von außen auf den Menschen zukommt. Er ist keine natürliche Anlage, die schon von vornherein im Menschen schlummert und dort nur zum Leben erweckt werden muss. Sondern dem Menschen fehlt von Natur aus, so hatte es schon der zweite Artikel deutlich gemacht, der Glaube, durch den der Mensch sich im rechten Verhältnis zu Gott befindet. Von daher muss der Glaube, wie der fünfte Artikel formuliert, „erlangt“ und „gewirkt“ werden. Wenn das Augsburger Bekenntnis vom Glauben spricht, meint es also nicht eine menschliche „Gläubigkeit“, sondern eine neue Beziehung zu Gott, in die der Mensch versetzt wird.
Gewirkt wird der Glaube, so betont es der fünfte Artikel, durch den Heiligen Geist. Genauso hat es auch Martin Luther im Kleinen Katechismus formuliert: „Ich glaube, dass ich nicht aus eigener Vernunft noch Kraft an Jesus Christus, meinen Herrn, glauben oder zu ihm kommen kann; sondern der Heilige Geist hat mich durch das Evangelium berufen, mit seinen Gaben erleuchtet, im rechten Glauben geheiligt und erhalten.“
Genau an diesem Punkt beschreibt der fünfte Artikel des Augsburger Bekenntnisses aber nun eine entscheidende Weichenstellung: Der Heilige Geist wird „tamquam per instrumenta“, „wie durch Instrumente“ gegeben: Er wirkt nicht unmittelbar „von oben herab“, sondern durch „Mittel“, die man in der kirchlichen Fachsprache darum auch „Gnadenmittel“ nennt. Diese Gnadenmittel sind das Wort und die Sakramente.
Dass das Wort ein „Gnadenmittel“ sein soll, leuchtete schon damals auf dem Reichstag in Augsburg der Gegenseite nicht ein und leuchtet auch in unserer heutigen Zeit mit ihrer Informationsüberflutung den meisten Menschen nicht ein. Das „Wort“ wird häufig nur als eine Art von Information angesehen, die der Mensch verstehen und gegebenenfalls umsetzen muss. Es verliert als Kommunikationsmittel in unserer immer stärker visuell ausgerichteten Zeit zunehmend an Bedeutung und wird nicht selten zu einer Art von „Hintergrundgeräusch“ degradiert.
Es bedarf von daher heutzutage gerade im kirchlichen Bereich immer neuer Bemühungen, deutlich zu machen, welche Bedeutung das „Wort“ im christlichen Glauben hat und was das ganz konkret auch für das Verständnis des christlichen Gottesdienstes bedeutet. Das Wort, das im Gottesdienst und darüber hinaus in der Kirche verkündigt wird, ist eben nicht menschliches Gequassel, sondern Wort Gottes. Und Gottes Wort ist im Unterschied zum Menschenwort nicht bloß Gerede, sondern wirkmächtiges Wort, das eben dadurch, dass es ausgesprochen und verkündigt wird, wirkt, was es sagt. Am deutlichsten wird dies natürlich in den Sakramentsworten erkennbar: Wenn die Worte Christi bei der Taufe gesprochen werden, dann geschieht durch eben dieses Wort, verbunden mit dem Wasser, die neue Geburt und die Rettung zum ewigen Leben. Das Wort, das die Vergebung der Sünden zuspricht: „Dir sind deine Sünden vergeben“, ist nicht nur eine unverbindliche Absichtserklärung oder Ausdruck einer Hoffnung und erst recht nicht bloß die persönliche Meinung dessen, der diese Worte spricht. Sondern kraft der Zusage Christi bewirken diese Worte, was sie sagen: „Welchen ihr die Sünden erlasst, denen sind sie erlassen.“ (St. Johannes 20,23) Dasselbe gilt beim Heiligen Mahl: Wenn die Stiftungsworte Christi über den Elementen von Brot und Wein gesprochen bzw. gesungen werden, dann bewirken diese Worte, dass das Brot der Leib Christi und der Wein das Blut Christi ist. Die Realität, die durch diese Worte gesetzt wird, besteht unabhängig vom Glauben dessen, der die Worte spricht, und unabhängig vom Glauben derer, die die Worte hören, mit einem lateinischen Fachausdruck: Sie wird „ex opere operato“ gesetzt, eben dadurch, dass die Stiftung Christi vollzogen wird, indem gesagt und getan wird, was er befohlen hat. Aber selbstverständlich zielt die Setzung dieser Realität in den Sakramenten auf den Glauben derer, die sie empfangen. Und das gilt in genau dergleichen Weise auch für die Predigt im Gottesdienst: Sie ist keine religiöse Rede, erst recht nicht auflockernde Unterhaltung, sondern Weitergabe des Evangeliums in konzentrierter Form. Es geht in ihr darum, wie es der fünfte Artikel formuliert, „dass Gott nicht um unserer Verdienste willen, sondern um Christi willen diejenigen rechtfertigt, die glauben, dass sie um Christi willen in die Gnade aufgenommen werden.“ Es geht darum, dass Menschen durch das Wort in das rechte Verhältnis zu Gott gesetzt werden und dass dieses Wort dabei so verkündigt wird, dass bei den Zuhörern ja nicht das Missverständnis entsteht, sie müssten zu diesem rechten Verhältnis zu Gott selber einen Beitrag leisten. Ebenso wenig darf die Predigt aber auch den Eindruck erwecken, als ginge es in ihr nur um die Weitergabe allgemeiner Wahrheiten. Sondern der Hörer soll vernehmen, dass es um ihn geht, dass er um Christi willen „in die Gnade“, also in dieses rechte Verhältnis zu Gott, versetzt und aufgenommen wird. In der Predigt wird also das ewige Heil an die ausgeteilt, die diese Predigt hören. Auch die Predigt ist von daher Gnadenmittel – ein so bedeutsames, dass der deutsche Text des Augsburger Bekenntnisses von daher sogar das kirchliche Amt insgesamt als „Predigtamt“ bezeichnen kann, ohne damit natürlich eine Überordnung des gepredigten Wortes gegenüber dem Wort in Sakramentsform zu behaupten.
„Instrumente“ des Heiligen Geistes sind Wort und Sakrament, die Gnadenmittel. Im Konfirmandenunterricht gebrauche ich immer wieder ein sehr einfaches Beispiel: Wenn ihr Strom haben wollt, könnt ihr den Stecker des Geräts, für das ihr den Strom braucht, nicht einfach in die Luft halten und darauf warten, dass dort irgendwo der Strom fließt. Sondern ihr müsst den Stecker schon in die Steckdose stecken. So ist das auch mit dem Glauben: Wenn ihr den Heiligen Geist bekommen wollt, dann könnt ihr euch nicht sonntags morgens ins Bett legen und darauf warten, dass ihr dort mit einem Mal den Heiligen Geist empfangt. Sondern ihr müsst schon von den Steckdosen des Heiligen Geistes Gebrauch machen. Verzichten könnt ihr auf die keinesfalls: Sonst geht es euch mit eurem Glauben irgendwann wie eurem Handy. Wenn ihr das nicht aufladet, ist irgendwann der Akku alle, und ihr könnt damit nicht mehr kommunizieren.
Wenn wir von den Gnadenmitteln Gebrauch machen, dürfen wir gewiss sein, dass der Heilige Geist in ihnen und durch sie wirkt: Wir begeben uns durch die Gnadenmittel immer wieder in das Kraftfeld des Heiligen Geistes. Wann und wo der Heilige Geist durch diese Gnadenmittel allerdings den Glauben wirkt, das haben wir selber nicht mehr in der Hand. Kein Mensch kann bei einem anderen Menschen den Glauben wirken; kein Mensch hat den Heiligen Geist so in der Hand, dass der Heilige Geist das tut, was der Mensch gerne möchte. Und erst recht können wir dem Heiligen Geist nicht mit irgendwelchen Tricks nachhelfen, um dadurch einen Menschen „rumzukriegen“ zum Glauben. Dies ist für uns oft eine sehr schmerzliche Erfahrung, wenn wir es miterleben müssen, dass Menschen, die uns sehr nahestehen, ja, denen wir vielleicht über viele Jahre das Evangelium nahezubringen versucht haben, von eben diesem Evangelium nichts wissen wollen. Da legt sich dann leicht der Gedanke nahe, ob wir vielleicht in der Vermittlung des Evangeliums versagt haben oder ob es umgekehrt nicht vielleicht doch noch Wege gibt, wie wir diese Menschen zum Glauben bewegen können. Doch es bleibt dabei: „ubi et quando visum est Deo“ – „wo und wann Gott will“.
Diese Einschränkung bezieht sich jedoch nur darauf, wann und wo Gott durch den Heiligen Geist den Glauben wirkt. Mitunter wird dieser Satz fälschlich so ausgelegt, als ob sich der Heilige Geist überhaupt nicht an die Gnadenmittel gebunden habe und wir darum gar nicht wissen könnten, ob etwa ein Kind in der Taufe tatsächlich den Heiligen Geist empfängt oder ob wir beim Hören des Evangeliums tatsächlich dem Wirken des Heiligen Geistes ausgesetzt sind. Doch, der Heilige Geist ist da und wird gegeben. Aber wann und wo dadurch der Glaube gewirkt wird, das bleibt allein Gottes Sache.
Eines steht jedoch fest: Der Glaube kommt aus dem Hören (Römer 10,17): Der Heilige Geist wirkt den Glauben bei denen, die das Evangelium hören, formuliert der fünfte Artikel. Wir können nicht damit rechnen, dass Gott an der Verkündigung, an den Gnadenmitteln vorbei Glauben wirkt – auch wenn wir ihm seine Freiheit, auch andere Wege zu den Menschen zu finden, damit nicht bestreiten wollen. Vom Zeugnis des Neuen Testaments her ist jedoch klar: Der Glaube, durch den wir im rechten Verhältnis zu Gott stehen, ist immer kirchlicher Glaube; er hat seinen Ort in der Kirche, wo er durch die Gnadenmittel immer wieder neu geweckt und gestärkt wird. Von daher trägt der fünfte Artikel bezeichnenderweise die Überschrift „Vom kirchlichen Amt“. Im 14. Artikel wird noch spezifisch von der Ordination die Rede sein. Aber auch hier, wo es um die Frage von Glauben und Rechtfertigung geht, betont das Augsburger Bekenntnis schon, dass Kirche und Amt mit Glauben und Rechtfertigung unmittelbar verbunden sind. Weil die Austeilung der Gnadenmittel nicht direkt vom Himmel, sondern durch Menschen geschieht, weil das Evangelium nicht einfach bloß irgendwie „im Schwange geht“, sondern gepredigt wird durch Menschen, die nach dem Zeugnis des Neuen Testaments gesandt sein müssen (vgl. Römer 10,15), muss auch an dieser Stelle schon vom „Predigtamt“ die Rede sein.
Dies ist gewiss eine Provokation für all diejenigen, die glauben, sie könnten sich auch unabhängig von Kirche und Gottesdienst zu Hause ihren eigenen Glauben bilden. Es ist eine Provokation für all diejenigen, die den Heiligen Geist und den Glauben mit bestimmten Emotionen verwechseln, die man angeblich haben muss, um wirklicher Christ sein zu können. Es ist eine Provokation für all diejenigen, die den Heiligen Geist an irgendwelchen spektakulären Erfahrungen und Erscheinungen festzumachen versuchen oder behaupten, man müsse sein Wirken irgendwie „spüren“ können. Und es ist in unserer heutigen esoterisch angehauchten Zeit auch eine Provokation für all diejenigen, die meinen, auch durch Meditationsübungen oder andere Praktiken Verbindungen mit „dem Göttlichen“ aufnehmen zu können: Der rettende Glaube wird nach dem Willen Gottes durch ganz unscheinbare Zeichen geschenkt, eben durch die „Instrumente des Heiligen Geistes“: Wort und Sakrament.
Foto: Altarraum der Christus-Kirche in Wrestedt, Ortsteil Nettelkamp
Unser Bekenntnis – Artikel 6: Vom neuen Gehorsam
Das Augsburger Bekenntnis (Confessio Augustana) ist die grundlegende Bekenntnisschrift der im Konkordienbuch (1580) abgedruckten verbindlichen Bekenntnisse der Kirche der lutherischen Reformation. In loser Folge lesen Sie hier Erläuterungen zu den einzelnen Artikeln von Dr. Gottfried Martens D.D., Pfarrer der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche (SELK) in Berlin-Steglitz.
Es wird gelehrt, dass dieser Glaube gute Frucht und gute Werke bringen soll, und dass man allerlei gute Werke tun müsse, die Gott geboten hat, und zwar um Gottes willen; es wird gelehrt, aber nicht auf solche Werke in der Meinung zu vertrauen, dass wir durch unsere Werke Gottes Gesetz erfüllen oder wegen unserer Werke als gerecht betrachtet werden. Denn wir empfangen Vergebung der Sünde und werden als gerecht betrachtet durch den Glauben um Christi willen, wie Christus spricht: „Wenn ihr das alles getan habt, sollt ihr sprechen: Wir sind unfähige Knechte.“ (Die Bibel: Das Evangelium nach Lukas, Kapitel 17, Vers19). So lehren auch die Kirchenväter, denn Ambrosius spricht: „So ist es beschlossen von Gott, dass, wer an Christus glaubt, selig sei und nicht durch Werke, sondern allein durch den Glauben, ohne Verdienst, Vergebung der Sünden habe.“
Ein immer wiederkehrender Vorwurf gegen die Lehre des lutherischen Bekenntnisses, dass wir vor Gott gerecht werden „aus Gnade um Christi willen durch den Glauben“, besteht darin, dass diese Lehre die Menschen „faul“ macht, sie ethisch verkommen lässt und sie geradezu davon abhält, gute Werke zu tun – wenn die doch zum Erlangen der Seligkeit gar nicht nötig sind.
Mit eben diesem Einwand setzt sich Melanchthon im sechsten Artikel des Augsburger Bekenntnisses auseinander – und macht dabei zugleich deutlich, dass das Leben des Christen und seine Werke durchaus Gegenstand lutherischer Verkündigung ist: Eindrücklich betont er die Notwendigkeit guter Werke für das Leben des Christen, indem er gleich zweimal davon spricht, dass der Glaube gute Werke hervorbringen soll und dass man gute Werke tun muss. Der Zusammenhang macht jedoch umgehend deutlich, was mit diesem „soll“ und „muss“ gemeint ist: Der Christ tut gute Werke nicht, weil er von Gott unter Druck gesetzt oder gezwungen wird – oder gar aus Angst, vielleicht nicht genügend gute Werke im letzten Gericht Gottes vorweisen zu können. Sondern die guten Werke sind „gute Früchte“, wie Melanchthon mit Bezug auf den Sprachgebrauch des Neuen Testaments (z.B. Matthäus 7,16+17; 12,33; Lukas 13,6-9; Johannes 15,1-5; Römer 6,21+22; Galater 5,22) formuliert: Sie wachsen gleichsam von selbst, wenn denn der Baum oder der Weinstock, der sie hervorbringt, gut ist: Ein guter Baum kann gar nicht anders, als gute Früchte hervorzubringen. Er „muss“ sie gleichsam hervorbringen, weil dies seinem Wesen als guter Baum entspricht.
Wenn man also will, dass ein Mensch gute Werke vollbringt, dann erreicht man dies gerade nicht dadurch, dass man alle möglichen Forderungen an ihn richtet und ihm damit droht, was passiert, wenn er diese Forderungen nicht erfüllt. Sondern man leitet einen Menschen gerade dadurch zum Tun guter Werke an, dass man seinen Glauben an Christus weckt und stärkt durch die frohe Botschaft des Evangeliums. Denn der Glaube, der durch diese frohe Botschaft geweckt wird, verändert den Menschen und macht ihn dazu bereit und fähig, die Werke zu tun, „die Gott geboten hat, weil er es will.“ Glaube ist eben nicht ein bloßes „Fürwahrhalten“ von lehrmäßigen Richtigkeiten, sondern der Glaube ist Gabe und Wirkung des Heiligen Geistes, Vertrauen auf Gott und seine Versprechen in seinem Wort, Gemeinschaft mit Christus, die den Menschen nicht unverändert lässt.
© Foto: E. Kopp - pixelio.de
Neues Gesangbuch
Erscheinungstermin: Februar 2021
Das von der Kirchensynode der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche (SELK) im Jahr 2018 verabschiedete Evangelisch-Lutherische Kirchengesangbuch (ELKG) erscheint im Februar 2021 bei der Deutschen Bibelgesellschaft in Stuttgart.
Neben dem Gesangbuch in der Standardausgabe wird es eine Großdruckausgabe und eine ledergebundene Ausgabe mit Goldschnitt geben, dazu Bläser- und Orgelbegleitbücher. Das sehr aufwändige Projekt, dessen Vorbereitung sich über mehrere Jahre erstreckte, befindet sich damit in der Schlussphase der Fertigstellung. Bereits im Herbst 2020 werden die Ausgaben zu einem vergünstigten Subskriptionspreis bei der Deutschen Bibelgesellschaft vorbestellbar sein. Alle Gemeinden werden dazu Ende Oktober umfassende Informationen erhalten.
SELK-Bischof Hans-Jörg Voigt D.D. (Hannover) äußerte seine Freude über die gute Zusammenarbeit mit der Deutschen Bibelgesellschaft und das Erscheinen des Werkes. „Auch die grafische Gestaltung, die ich bisher schon einsehen konnte, hat mich sehr überzeugt“, sagte Voigt.
Der genaue Termin zur Einführung des Gesangbuchs wird in einem offiziellen Schreiben an die Gemeinden bekanntgegeben werden.
Schatz und Acker
Zum Verhältnis von Judentum und Kirche
In einer Betrachtung zum 10. Sonntag nach Trinitatis im evangelischen Kirchenjahr, dem sogenannten „Israel-Sonntag“ gibt der leitende Geistliche der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche (SELK), Bischof Hans-Jörg Voigt D.D. (Hannover) Anteil an einer biblischen Neuentdeckung zu Jesu Gleichnis: „Das Himmelreich gleicht einem Schatz, verborgen im Acker, den ein Mensch fand und verbarg; und in seiner Freude geht er hin und verkauft alles, was er hat, und kauft den Acker.“ (Matthäusevangelium, Kapitel 13, Vers 44)
Am 10. Sonntag nach Trinitatis denkt die Kirche über das Verhältnis zwischen Judentum und Kirche nach. Neulich machte mich ein Freund auf eine für mich völlig neue Auslegung des kurzen Gleichnisses Jesu vom Schatz im Acker aufmerksam. Solche Momente sind nicht so häufig, dass man einen völlig neuen Gedanken hört, der unmittelbar überzeugt und bisherige Auffassungen an die Seite treten lässt: Könnte es sein, dass Jesus mit seiner Beispielgeschichte nicht auf unseren ungeteilten Einsatz für das Himmelreich zielt, sondern dass er vielmehr von seinem Vater im Himmel spricht?Gott findet mit seinem Volk Israel einen Schatz im Acker. Er liebt sein Volk durch die Jahrhunderte. Er will sein Volk Israel auf ewig erlösen und in seiner Liebe halten. Also „verkauft“ er alles, was er hat, seinen geliebten Sohn Jesus Christus. Er opfert ihn am Kreuz in den Tod, um sein Volk Israel freizukaufen und zu erwerben. Und weil es nicht anders geht, kauft er den ganzen Acker – nämlich die ganze Welt – gleich mit.
Hannah Arendt, die jüdische Denkerin aus Hannover, arbeitet in ihrem Lebenswerk heraus, dass eine totalitäre Diktatur mit ihrem Terror entweder ganz oder gar nicht herrscht. Als Michael Gorbatschow 1985 unter dem Stichwort „Glasnost“ auch die Pressefreiheit einführte, diskutierten wir in unserem Leipziger Studentenkreis, dass dies nach Hannah Arendt notwendig das Ende des Sowjetimperiums bedeuten müsse.
Während ich diese Zeilen schreibe kann man dieses Phänomen in Weißrussland hochaktuell studieren: Entweder Lukaschenko, der letzte Diktator Europas, herrscht ganz und unterdrückt alle brutal oder er wird in wenigen Monaten von der Bühne der Geschichte verschwunden sein. Die chinesische Diktatur hat mich vor diesem Hintergrund mit der Behauptung „Ein Land, zwei Systeme“ lange Zeit irritiert. Seit kurzem hat Hannah Arendt auch in China wieder recht: Entweder China herrscht im ganzen Land, auch in Honkong, oder es wird bald aus sein mit der roten Diktatur.
Zurück zum Gleichnis vom Schatz im Acker: Die Diktatur der Unfreiheit von Sünde, Tod und Teufel herrscht entweder auf der ganzen Erde oder gar nicht. Um sein Volk Israel von dieser Diktatur zu retten, hat Gott gleich die ganze Welt durch Jesus Christus mit befreit. Anders ging es nicht, denn die göttliche Freiheit in Christus ist grenzenlos. Gott kauft den ganzen „Acker“ dieser Welt gleich mit und befreit uns als Nichtjuden gleich mit vom Totalitarismus der Sünde, des Teufels und des Todes. Dass es auch in Bezug auf die durch Jesus Christus geschenkte Freiheit zu viele Menschen gibt, die noch am „alten System“ hängen, schmälert diese Erlösung nicht.
Dem entspricht, was der Apostel Paulus der Gemeinde in Rom über das Schicksal des Gottesvolkes schreibt: „Denn Gottes Gaben und Berufung können ihn nicht gereuen. Denn wie ihr zuvor Gott ungehorsam gewesen seid, nun aber Barmherzigkeit erlangt habt wegen ihres Ungehorsams, so sind auch jene jetzt ungehorsam geworden wegen der Barmherzigkeit, die euch widerfahren ist, damit auch sie jetzt Barmherzigkeit erlangen. Denn Gott hat alle eingeschlossen in den Ungehorsam, damit er sich aller erbarme“ (Römerbrief, Kapitel 11, Verse 29–32).
Also wird die Erlösung auch das Volk Israel noch erreichen. Wie Gott das macht, wissen wir nicht. Dass er den „Kaufpreis“ für diesen „Schatz“ mit seinem Sohn Jesus Christus schon bezahlt hat, daran ist kein Zweifel. Also sind wir bis dahin dem Volk Israel das Glaubenszeugnis von Jesus Christus schuldig: mit Hochachtung und Respekt, denn sie sind der eigentliche Schatz, das auserwählte Volk, mit tiefer Demut vor dem Hintergrund unserer deutschen Geschichte und mit Klarheit.
© Gemälde: Rembrandt/Gerard Dou - Yelkrokoyade - wikimedia.org
Der Theologe Hermann Sasse
Kürzlich ist der Reihe der „Oberurseler Hefte. Ergänzungsbände“ der Lutherische Theologischen Hochschule Oberursel der SELK als Band 24 das Buch „Der Theologe Hermann Sasse (1895–1976) Einblicke in seine internationale Wirkung als Exeget, Kirchenhistoriker, Systematiker und Ökumeniker“ erschienen, herausgegeben von SELK-Prof. i.R. Dr. Werner Klän D.Litt. (Lübeck). Anlass war die 125. Wiederkehr des Geburtstages von Hermann Sasse. Das Team von SELK.de hat den Herausgeber zu dem 278 Seiten starken Buch mit 13 Aufsätzen befragt.
SELK.de: Ein Sammelband als Geburtstagsgabe für Hermann Sasse. Was war Ihre Motivation, als Herausgeber eine solche Festgabe zu initiieren?
Klän: Hermann Sasse gehört zu meinen theologischen Lehrern, obwohl ich nie eine seiner Vorlesungen besucht habe. Aber aus seinen Schriften habe ich unendlich viel über den Zusammenhang von klarer konfessioneller Einstellung und bleibendem Wissen um die Einheit der Christenheit gelernt. Der Gedanke an einen Gedenkband entsprang einem Forschungsseminar an der Lutherischen Theologischen Hochschule Oberursel, bei dem einige der künftigen Verfasser von Beiträgen zur Festschrift anwesend waren.
SELK.de: Wie lässt sich die bleibende Bedeutung des Theologen Sasse für die Gegenwart beschreiben?Klän: Hermann Sasse gehört zu den konfessionellen Lutheranern, die im 20. Jahrhundert die Bedeutung des lutherischen Bekenntnisses wiederentdeckt und zu kirchlicher Geltung gebracht haben. Er hatte eine klare lutherische Überzeugung und zugleich ein ausgeprägtes ökumenisches Bewusstsein – im besten Sinn des Wortes. Außerdem gehört er zu den wenigen Lutheranern, die frühzeitig die gottlose und menschenverachtende Natur der nationalsozialistischen Ideologie erkannt und öffentlich kritisiert haben. Auch sein Nachdenken über das Verhältnis Gotteswort und Menschenwort in der Heiligen Schrift oder von christlicher Gemeinde und kirchlichem Dienstamt halte ich immer noch für bedenkenswert.
SELK.de: Welche besondere Bedeutung kommt der konkordienlutherischen SELK als Erinnererin an den „Landeskirchler“ Sasse zu?
Klän: Nun, Hermann Sasse ist ja den Weg von einem persönlich überzeugten Lutheraner innerhalb der Kirche der altpreußischen Union über den Kirchenkampf in den dreißiger und vierziger Jahren des 20. Jahrhunderts in die Evangelisch-Lutherische Kirche Preußens (die „altlutherische“ Kirche) gegangen, bevor er schließlich nach Australien auswanderte und dort unermüdlich für die Vereinigung der damals zwei lutherischen Kirchen zu heutigen Lutherischen Kirche von Australien wirkte. An diesem Werdegang ist abzulesen, wie einer persönliche Bekenntnishaltung sich zur Entdeckung ihrer kirchlichen Bedeutung reift und was daraus – auch an schwierigen und schwerwiegenden Entscheidungen – folgt.
SELK.de: Skizzieren Sie für unsere Leserinnen und Leser bitte kurz Charakter und Vielfalt der Festgabe!
Klän: In diesem Band finden sich Beiträge aus (fast) allen „klassischen“ Fächern der evangelischen Theologie – Auslegungswissenschaft, Kirchengeschichte, Dogmatik, Ökumenik und Praktische Theologie. Darin spiegelt sich die Vielfalt von Hermann Sasses Wirken in Forschung, Lehre und kirchlicher Publizistik. Die Beiträge kommen aus der SELK, auch aus einer Landeskirche und aus unseren Partnerkirchen in Australien, Kanada, den USA und Brasilien. In dieser internationalen Zusammensetzung zeigt sich die breite Wirkung, die Hermann Sasse auf konkordienlutherische Kirche und Theologie in der Welt ausgeübt hat und noch ausübt.
SELK.de: An welches Lesepublikum richtet sich der Band?
Klän: Menschen, die sich für solide Theologie interessieren, die lutherische Kirche schätzen und bei aller bewussten lutherischen Ortsbestimmung noch die Sehnsucht nach der Einheit der Christenheit in der Wahrheit hegen.
SELK.de: Zum Schluss: Gibt es irgendeinen Aspekt / einen Satz / einen Wesenszug … an/von Hermann Sasse, den Sie abschließender in besonderer Weise hervorheben möchten?
Klän: In der Tat finde ich mich in Hermann Sasse Dictum wieder: „Die großen Grunderkenntnisse der Reformation sind nicht das Eigentum einer religiösen Richtung oder einer theologischen Schule, sondern sie gehören, auch wenn sie von einer einzelnen Konfessionskirche gehütet werden, der ganzen Kirche Christi, der einen, heiligen, katholischen Kirche.“
SELK.de: Vielen Dank für dieses Interview!
Glaubenszuversicht
Interview mit Prof. Dr. Christoph Barnbrock
Professor Dr. Christoph Barnbrock, Lehrstuhlinhaber für Praktische Theologie an der Lutherischen Theologischen Hochschule der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche (SELK) in Oberursel, hat in den Sozialen Medien mit einem neuen Projekt begonnen, das den Namen „glaubenszuversicht“ trägt und der persönlichen Praxis des Glaubens gewidmet ist. Das Team von SELK.de hat ihn dazu befragt.
SELK.de: Herr Professor Barnbrock, Sie haben ein neues Projekt in den Sozialen Medien gestartet: „glaubenszuversicht“. Bevor wir zu der Idee des Projektes kommen: Was bedeutet für Sie „Glaubenszuversicht“?
Barnbrock: Glaubenszuversicht ist für mich etwas anderes als platter Optimismus oder eine Unbekümmertheit, dass alles schon immer gut gehen wird. Sondern für mich schwingt darin mit, dass sich aus dem Glauben an Jesus Christus immer wieder neue Perspektiven ergeben, selbst dann, wenn ich schwere Zeiten durchmache. Die Gewissheit, dass er für mich da ist und er bei mir ist, schenkt mir selbst dann noch Zuversicht, also einen Ausblick, der mich über die Probleme und Sorgen hinwegschauen lässt.
SELK.de: Welche Konzeption liegt dem neuen Projekt zugrunde?Barnbrock: Jetzt hätte ich beinahe geantwortet: Gar keine! Aber das ist natürlich nicht ganz richtig – völlig ohne eigene Überlegungen und Gedanken kommt so ein Projekt natürlich nicht zustande. Es ist allerdings so, dass das Ganze keinen riesengroßen Vorlauf gehabt hat. Ich nehme wahr, dass gerade junge Menschen sich von denjenigen, die auf den Sozialen Plattformen unterwegs sind, einiges abschauen. Da habe ich gedacht: Warum sollte man nicht auch ein Projekt anbieten, bei dem man sich was vom Leben eines Christenmenschen, in diesem Fall mir, abschauen kann. (Wohlgemerkt ohne den Anspruch, dass ich ein perfekter oder auch nur besonders vorbildlicher Christ wäre – aber eben ein Christ.)
SELK.de: Welche Hoffnungen verbinden Sie mit diesem Projekt?
Barnbrock: Ich hoffe, dass meine Beiträge dem einen oder der anderen für ihr geistliches Leben mitten im Alltag des 21. Jahrhunderts helfen. Dass einer sagt: „Ach, so kann man das als Christ auch sehen.“ Oder: „In diesen Worten finde ich mich wieder.“ Oder: „Das macht mir Mut, das hilft mir, Vertrauen zu Gott zu fassen.“ Ich schiele dabei nicht auf große Zahlen oder Erfolge. Wenn es eine Handvoll Menschen gibt, die sagen würden, dass das für sie hilfreich ist, würde sich der Aufwand, glaube ich, schon lohnen.
SELK.de: Welche Frequenz für neue Beiträge haben Sie sich vorgenommen?
Barnbrock: Wenn es mir gelingt, würde ich gerne jeden Tag irgendeinen Impuls auf Instagram, Facebook und Twitter veröffentlichen. In den ersten Wochen ist mir das mehr oder weniger gelungen. Ein besonderes Format sind die Videos, die zusätzlich auch auf YouTube hochgeladen werden. Da ist der Aufwand größer. Hier habe ich es bisher nicht viel öfter als einmal pro Woche geschafft. Aber vielleicht ändert sich das auch noch.
SELK.de: Sie wechseln in Ihrem neuen Format zwischen eigenen Texten und Fremdanleihen. Wie kommen Sie auf die Ideen zu eigenen Beiträgen und wie zu den Wortlauten aus anderen Quellen?
Barnbrock: Grundsätzlich handelt es sich auch bei den fremden Texten oder Impulsen, die ich veröffentliche, immer um etwas, was mich selbst angesprochen hat und auch einmal durch mich hindurch gegangen ist. Das war in den ersten Wochen mal ein Gedanke aus einer Predigt, die ich gehört habe, oder ein Anstoß aus einem Buch, in dem ich gerade gelesen habe. Meist sind es dann gar keine direkten Zitate, sondern das Ergebnis, was die fremden Gedanken bei mir ausgelöst und angeregt haben. Und das versuche ich dann in Worte zu fassen. Trotzdem möchte ich natürlich gerne auch festhalten, dass ich den Impuls jemand anderem verdanke. Die eigenen Texte ergeben sich oft einfach. Ein neues Tischgebet habe ich verfasst, weil wir in der Familie das Gefühl hatten, dass die Gebete, die wir bisher verwendet haben, schon etwas „abgebetet“ sind (was ja grundsätzlich etwas sehr Schönes ist) und wir in eine leere Routine verfallen (was dann nicht ganz so schön ist). Andere Texte fließen mir in die Feder beziehungsweise in die Tasten, wenn ich darüber nachdenke, was das Erleben des jeweiligen Tages mit meinem Glauben zu tun hat.
SELK.de: Das Projekt ist frisch gestartet. Gibt es schon erste Beobachtungen, die sich darstellen lassen?
Barnbrock: Ja, ich bin dankbar für eine ganze Reihe von wertschätzenden Rückmeldungen. Offensichtlich gibt es einige Menschen, die an einem solchen Format Interesse haben und mir auch liebevoll kritische Rückmeldungen geben. Das ist wertvoll. Ansonsten merke ich – wie in vielen anderen Bereichen auch –, dass es wichtig ist, fehlerfreundlich mit sich selbst umzugehen und ein Lernender zu bleiben. Längst nicht alles läuft (schon) rund. Manches kann sicher noch verbessert und angepasst werden. Und „Rückschläge“ und Irritationen wird es sicher auch geben. Aber das Schöne ist ja: Das geht vielen anderen, die sich im Netz tummeln, auch so. Und wenn ich warten würde, bis alles perfekt läuft, dann würde ich so etwas nie angehen. Und das wäre ja vielleicht auch schade!
SELK.de: Vielen Dank! Und herzliche Segenswünsche für immer neue Glaubenszuversicht!
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Für die Würde eines jeden Menschen
Das Naëmi-Wilke-Stift in Guben ist die größte diakonische Einrichtung im Bereich der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche (SELK). In einer am 3. Juli 2020 veröffentlichten Stellungnahme unterstützt das Stift ein von Vielfältigkeit, Respekt und Wohlwollen getragenes Miteinander in der Stadt Guben. Am 17. Juni 2020 hatte Bürgermeister Fred Mahro vor der Stadtverordnetenversammlung der Stadt eine Erklärung abgegeben, die sich auf offensichtlich fremdenfeindliche Vorfälle im Mai in Guben bezog. Das Stift begrüßt die Erklärung von Bürgermeister Mahro und unterstützt seinen Aufruf, Fremdenfeindlichkeit und Rassismus nicht zu tolerieren und sich für die demokratische Grundordnung und eine tolerante Gesellschaft einzusetzen. Zugleich unterstreicht das Stift, dass die Stadt Guben auf vielfältige Weise geprägt ist von Humanität, christlicher Nächstenliebe, Offenheit und Toleranz. Der weitere Wortlaut des Textes, den Rektor Pfarrer Markus Müller für den Stiftsvorstand unterzeichnet hat, wird im Folgenden dokumentiert.
Seit über 140 Jahren lebt das Naëmi-Wilke-Stift, was Stifter Friedrich Wilke in der Satzung als Stiftungszweck festgelegt hat: „… den Dienst christlicher Liebe in der Betreuung kranker und hilfsbedürftiger Menschen ohne Ansehen der Rasse (meint: Menschen unabhängig ihrer ethnischen Herkunft), Konfession und Weltanschauung auszurichten und damit in Wort und Tat das Evangelium von Jesus Christus zu bezeugen.“ Im Rückblick auf die eigene Geschichte zeigt sich, wie wichtig es ist, sich für die Würde eines jeden Menschen einzusetzen. Menschenwürde kann man sich nicht durch Gesundheit, Leistungsfähigkeit, Zugehörigkeit zu einer bestimmten Religion oder Ethnie verdienen. Menschenwürde ist uns durch Gott verliehen. Sie gilt allen Menschen gleich. Wie sehr wir von der Vielfalt unterschiedlichster Menschen profitieren, zeigt sich jeden Tag in unserem Stift. Hier setzen sich Menschen aus vielen Nationalitäten gemeinsam mit großem Erfolg dafür ein, dass Menschen aus der ganzen Region geholfen wird und dass das Leben wieder neue Lebensqualität erhält. Dies gilt nicht nur in der Versorgung von Kranken, sondern ebenso für den Dienst in unseren Beratungsstellen, unserem Kindergarten, der Eltern-Kind-Gruppe und dem Netzwerk Gesunde Kinder, wo ehrenamtliche Familienpaten mit großem Engagement unterschiedlichste Familien begleiten.
Seit Jahren setzt sich das Naëmi-Wilke-Stift dafür ein, dass gute gesundheitliche Versorgung allen Menschen grenzüberschreitend verlässlich zur Verfügung steht. Hierbei kann es nicht allein um politische Grenzen gehen, sondern auch um kulturelle und sprachliche. Wie sehr uns geschlossene Grenzen belasten und behindern, haben wir gerade während der Corona-Krise erfahren. Noch mehr belasten Grenzen in unseren Köpfen das Miteinander und den gemeinsamen Erfolg. Wir merken täglich, dass wir unserem Stiftungsziel am besten dienen, wenn wir die unterschiedlichen Gaben, Fähigkeiten und Kompetenzen aller Mitarbeitenden auf Basis unseres christlichen Werteprofils zusammenbringen. Nur gemeinsam können wir die bestmöglichen Ergebnisse erreichen. Wir machen natürlich auch die Erfahrung, dass das Überwinden von Grenzen im Denken und Handeln Kraft kostet. Wir werden aber viel mehr belohnt durch das gemeinsam Erreichte. Darum ist es uns auch wichtig, dass sich unsere Mitarbeitenden – unabhängig davon, welcher Nation und Weltanschauung sie sich zuordnen – in unserer Stadt wohlfühlen, gerne hier leben und arbeiten. Die Loyalität gegenüber den gelebten Werten in unserer Stiftung kommt letztlich sowohl Mitarbeitenden als auch den Menschen, die uns anvertraut sind, zugute. Darum setzen wir uns für unsere freiheitlich demokratische Grundordnung ein und für ein von Respekt und Wohlwollen getragenes Miteinander.