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SELK-Aktuell

50 Jahre SELK: Talkrunde an Frankfurter Buchmesse


Der Zusammenschluss eigenständiger lutherischer Kirchen zur Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche SELK, der sich im nächsten Jahr zum 50. Mal jährt, war Thema einer Talkrunde an der Frankfurter Buchmesse. Für selk.de fasst Doris Michel-Schmidt das Gespräch zusammen.

Talkrunde

Eingeladen zu der Talkrunde hatte der Verlag Edition Ruprecht, in dem mehrere Bücher von SELK-Autoren erschienen sind. Auf dem Podium saßen Prof. Achim Behrens, Rektor der Lutherischen Theologischen Hochschule (LThH) Oberursel, Werner Klän (Lübeck), emeritierter Professor der LThH, und Dr. Lothar Triebel vom Konfessionskundlichen Institut Bensheim. Moderiert wurde das Gespräch von Andreas Odrich, Redaktionsleiter beim ERF in Wetzlar.

Was das Besondere an der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche sei, wollte der Moderator zu Beginn wissen. Achim Behrens stellte in seiner Antwort die SELK zunächst in zwei Traditionsstränge: sie sei erstens Kirche im großen Strom der einen Christenheit, gebunden an das Evangelium – deshalb evangelisch. Sie sehe sich zweitens im Strom der lutherischen Reformation. Er verwies dabei auf das Motto der Hochschule in Oberursel: „VERBO SOLO – FIDE SOLA“, das jüngst wieder an das neu errichtete Haupt- und Bibliotheksgebäude angebracht wurde. Der Rektor war erstaunt, wieviel Interesse diese angebrachten Worte neu hervorriefen; man könne daran gut erläutern, was ein Grundsatz lutherischer Theologie sei: Allein durch das Wort und allein durch den Glauben werden wir Menschen vor Gott selig, kommen wir mit Gott ins Reine. Selbständig schließlich, so Behrens, sei die SELK, weil sie im 19. Jahrhundert in einem emanzipatorischen Prozess aus der Übernahme der Verantwortung für das lutherische Bekenntnis in die Selbständigkeit gegangen sei.

Wie dieser Prozess vor 200 Jahren in einem „Akt der Befreiung“ angefangen hatte, skizzierte Prof. Werner Klän am Beispiel des Königreichs Preußen, wo sich zunächst vor allem in Schlesien Lutheraner gegen die von König Friedrich Wilhelm III eingeführte Vereinigung der lutherischen und der reformierten Kirche wehrten. In der Folge wurden sie vom Staat an den Rand gedrängt und unterdrückt. Klän verdeutlichte das am Beispiel eines Müllers, der in Erfurt seine Tenne für die nun „illegalen“ lutherischen Gottesdienste zur Verfügung stellte. Er wurde verpfiffen, die Gendarmen kamen und belegten ihn mit einer Strafe von 1 Taler. Der Müller weigerte sich zu zahlen, er berief sich auf seine Gewissens- und Religionsfreiheit – sehr moderne Werte im 19. Jahrhundert. Was ihm nichts nützte: Er wurde immer und immer wieder verdonnert – am Ende hätte er 40 Taler zahlen müssen, was damals dem Jahresgehalt eines Pfarrers entsprach. Am Ende musste er zwar nicht zahlen, weil der König starb und die politischen Entwicklungen eine andere Richtung nahmen. Aber, so Klän: „Der Mann wäre bereit gewesen, diese immense Strafe auf sich zu nehmen. Das ist nur ein Beispiel dafür, welch hohes Maß an Emanzipation gegenüber dem Staat und welch hohes Maß an Verantwortung für den eigenen Glauben und die Kirche diese Menschen damals aufbrachten.“
Auf die Nachfrage, warum es zu diesen Repressionen durch den Staat kam, erläuterte Klän: „In einem staatskirchlichen Konzept dient die Kirche auch der Stabilisierung des Staatswesens und dem gesellschaftlichen Zusammenhalt.“ Dazu kam, so Klän, eine theologische Tendenz, die Unterschiede zwischen Lutheranern und Reformierten nicht mehr so wichtig zu nehmen. Aufklärung und Pietismus hätten diese Differenzen nivelliert, so dass es auch innerhalb der Kirchen eine starke Tendenz gegeben habe, zu sagen: Lasst uns doch zusammengehen. Aber es gab eben auch die Lutheraner, die dagegenhielten und unabhängig bleiben wollten.

„Ist die SELK so etwas wie das gallische Dorf in der Kirche?“ fragte der Moderator anschließend den Konfessionskundler Lothar Triebel. Der antwortete diplomatisch, die SELK sei jedenfalls etwas Besonderes, in dem sie zwei Elemente verbinde, die es in dieser Kombination in Deutschland sonst nicht gebe. Das lutherische Bekenntnis würden auch Landeskirchen für sich in Anspruch nehmen, während die Selbständigkeit bei vielen Freikirchen typisches Merkmal sei. Das lutherische Bekenntnis und die eigene Selbständigkeit zu verbinden, sei das Besondere der SELK.

Schließlich kam man auf den Zusammenschluss zur SELK 1972 zu sprechen. Ob das denn damals noch zeitgemäß gewesen sei, fragte der Moderator, und warum man sich nicht der EKD beziehungsweise den lutherischen Landeskirchen angeschlossen habe.
In seiner Antwort wies Werner Klän darauf hin, dass schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts den verschiedenen unabhängigen lutherischen Kirchen zunehmend bewusst geworden sei, dass sie enger zusammengehörten, als die territorialen Abgrenzungen glauben machen wollten. Entwicklungen in den Landeskirchen und in der akademischen Theologie hätten diese Erkenntnis verstärkt. Nach dem 2. Weltkrieg habe es dann einen Schub gegeben, den Zusammenschluss nun auch zu konkretisieren, denn die Gründung der Evangelischen Kirche in Deutschland, der EKD, und der Beitritt der lutherischen Landeskirchen (VELKD) zur EKD hätten das Motiv zur Entstehung der selbständigen lutherischen Kirchen im 19. Jahrhundert neu aktiviert. Man wollte nicht zu einer konfessionsübergreifenden – und aus Sicht der Lutheraner damit auch konfessionsnivellierenden – Großkirche gehören.
Bis es schließlich 1972 zum Zusammenschluss kam, habe es allerdings Zeit gebraucht. Unterschiedliche Ausprägungen, die sich in den vorangegangen 150 Jahren in den verschiedenen eigenständigen Kirchen ausgebildet hatten, wollten berücksichtigt werden. 1972 konnte schließlich die Grundordnung als gemeinsame Verfassung in Kraft treten.

Bei der Frage, ob das freikirchliche Modell zukunftsträchtig(er) sein könnte, gab sich der Konfessionskundler Lothar Triebel zurückhaltend. Zentral sei doch, dass die Kirchen miteinander im Gespräch blieben und man auf das schaue, was man gemeinsam gut machen könne.

Das Jubiläum zum 50. Jahrestag des Zusammenschlusses zur SELK wird am 25. und 26. Juni 2022 gefeiert. Zu der Festveranstaltung auf dem Campus der Lutherischen Theologischen Hochschule und dem Gottesdienst am 26. Juni 2022 in der St. Johannes-Kirche in Oberursel sind alle herzlich eingeladen!

 

Der Weg zur Einigung | 50 Jahre SELK


Am 25. Juni 2022 jährt sich der Zusammenschluss eigenständiger lutherischer Kirchen zur Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche (SELK) zum 50. Mal. Eine Arbeitsgruppe bereitet eine Festveranstaltung vor. Auf dem Weg dorthin sollen auf selk.de verschiedene Aspekte des Jubiläums beleuchtet werden, so heute die Tatsache, dass der dem Zusammenschluss zugrundeliegenden Einigung ein längerer Weg der Annäherung vorausgegangen ist.

SELK 50

Am Gedenktag der Augsburgischen Konfession, dem 25. Juni 1972, trat die Grundordnung der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche in Kraft. Damit war der Zusammenschluss dreier eigenständiger lutherischer Kirchen zur SELK auf dem Gebiet der alten Bundesländer vollzogen.

Ein knappes Jahr später, im Mai 1973, fand in Radevorwald die erste Kirchensynode der neu vereinigten SELK statt. In seinem Bericht vor der Synode ließ der damalige Bischof Dr. Gerhard Rost anklingen, wie viele Hindernisse und Schwierigkeiten auf diesem Weg auszuräumen waren. Es sei ein achtjähriges intensives Mühen der beteiligten Kirchen gewesen, so Rost: der Evangelisch-lutherischen (altlutherischen) Kirche, der Evangelisch-Lutherischen Freikirche und der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche.

SELK Logo 180pxNatürlich ging es um theologische Grundsatzfragen, aber ein Zusammenschluss stellt immer auch organisatorische Fragen nach Verfassung, Verwaltung und Struktur.

In den theologischen Grundsatzfragen folgte man nach einigen erfolglosen Versuchen, zu einem gemeinsamen Dokument zu kommen, dem Rat von Prof. Dr. Hermann Sasse. Er hatte empfohlen, zu den Einigungssätzen von 1948 als Lehrgrundlage zurückzukehren. Damals hatten die Auswirkungen des Krieges dazu geführt, dass die lutherischen Bekenntniskirchen näher zusammenrückten, da viele Pastoren und Gemeindeglieder tot oder verschollen, viele Kirchen zerstört oder durch Vertreibung verloren waren. Allein die Altlutherische Kirche hatte über die Hälfte ihrer Gemeinden verloren, die östlich der Oder-Neisse-Grenze gelegen waren.

Einen wichtigen Anstoß hatte damals die Missouri-Synode gegeben, die in dieser Situation mit großzügiger Hilfe den Wiederaufbau unterstützte. In zahlreichen Konferenzen waren die strittigen theologischen Fragen behandelt, die Resultate von einer gemeinsamen Kommission 1947 als sog. „Einigungssätze“ publiziert und allen Gemeinden zur Stellungnahme versandt worden. 1948 konnte die Aufrichtung der Kirchengemeinschaft zwischen der Altlutherischen und der Evangelisch-Lutherischen Freikirche offiziell bekannt gemacht werden. Die Selbständige Evangelisch-lutherische Kirche erklärte 1949 ebenfalls ihre sachliche Übereinstimmung mit den Einigungssätzen.

Die Einigungssätze waren das Fundament der praktizierten kirchlichen Gemeinschaft und damit auch später noch von hoher Bedeutung. So konnten die Kirchenleitungen im Vorfeld der Gründung der SELK sie als Grundlage aufnehmen und stellten in einer Erklärung ihre Verbindlichkeit auch für die SELK klar.

Wer sich heute die Einigungssätze in die Hand nimmt, kann nur staunen über diese Arbeit. Auf über 100 Seiten wurden die theologischen Fragen abgehandelt: „1. Von der Heiligen Schrift, 2. Von der Bekehrung und Gnadenwahl, 3.Von der Kirche und dem Predigtamt, 4. Von den letzten Dingen“. Zu jedem dieser Bereiche gab es eine Vorbemerkung, Thesen, Erläuterungen und Belegstellen. „Über die anderen Stücke unseres Glaubens zu handeln, tut nicht not, da hier keine Differenzpunkte bestanden haben“, heißt es in der einleitenden Bemerkung. Die Art und Weise, wie damals nach dem Krieg – in ungleich schwierigeren Zeiten – Differenzen aufgezeigt, diskutiert und anhand von Bibel und Bekenntnisschriften beigelegt werden konnten, sollte man nicht vergessen ... Die Mühe hatte sich offenbar gelohnt, denn die Einigungssätze waren eine wichtige Voraussetzung und Grundlage für den späteren Zusammenschluss der lutherischen Freikirchen zur SELK.

Das Jubiläum zum 50. Jahrestag des Zusammenschlusses zur SELK wird am 25. und 26. Juni 2022 gefeiert. Zu der Festveranstaltung auf dem Campus der Lutherischen Theologischen Hochschule und dem Gottesdienst am 26. Juni 2022 in der St. Johannes-Kirche in Oberursel sind alle herzlich eingeladen!

 

Lesenswert


An dieser Stelle werden auf selk.de regelmäßig Bücher vorgestellt: zum Lesen, zum Verschenken, zum Nachdenken, zum Diskutieren – Buchtipps für anregende Lektürestunden. Die hier veröffentlichten Buchvorstellungen hat Doris Michel-Schmidt verfasst.


Lesenswert


Ihr sollt wissen, dass wir noch da sind

2021 10 Cover Safran Foer 500pxAm Ende versteht man, warum die Suche nach ihren Vorfahren für Esther Safran Foer zu einer Obsession wurde. Sie ist das Kind von Holocaust-Überlebenden. Ihre Eltern wollten nicht über die Vergangenheit sprechen, aber sie wollte wissen. Sie wollte die vielen Lücken in ihrer Familiengeschichte füllen. Sie wollte das Schtetl in der heutigen Ukraine finden, wo ihr Vater gelebt hatte. Sie wollte herausfinden, wer ihn vor den Nazis versteckt hatte und ihm damit das Leben rettete. 1942 hatten die deutschen Truppen die Juden in Trochenbrod ein Massengrab ausheben lassen und sie dann erschossen.

Puzzle für Puzzle setzt Safran Foer zusammen, erfährt, dass sie eine Halbschwester hatte. Sie reist nach Südamerika, nach Israel und schließlich in die Ukraine, um Zeitzeugen zu befragen und das Bild zu vervollständigen.

Wo ihr Sohn, Jonathan Safran Foer, seine Familiengeschichte in seinem erfolgreichen Roman „Alles ist erleuchtet“ noch über weite Strecken „erfinden“ musste, konnte seine Mutter die Lücken nun mit ihren Rechercheergebnissen füllen. Das Buch ist ein beeindruckendes Zeugnis der Erinnerung, die umso wichtiger wird, je weniger Holocaust-Überlebende noch da sind, die von der Vergangenheit erzählen können.

Esther Safran Foer
Ihr sollt wissen, dass wir noch da sind
Verlag Kiepenheuer & Witsch 2020, 288 Seiten, 22,00 Euro




Engelspost

2021 10 Cover Engelspost 500pxIm ersten Halbjahr 1913 wurden in Amerika Dutzende Kinder per Post verschickt. Das klingt absurd, und dieser postalische Transport von Kindern wurde denn auch bald wieder verboten. Diese wahnwitzige Episode hat die Autorin Iris Muhl zu einer Geschichte inspiriert, die eben auf einer solchen Zugfahrt spielt. Eliott White, ein Hochstapler, Dieb und Betrüger, begegnet dabei einem verwahrlosten Waisenmädchen, dem eine Briefmarke angeheftet wurde, als sei es ein Paket. Wie sich am Ende herausstellt, ist das Mädchen schicksalhaft mit seinem Leben verbunden; in der Begegnung mit ihr wird sich White seiner Schuld bewusst und erkennt, dass er so nicht weitermachen kann. „Ich meinte, im Leben alle Trümpfe in der Hand zu halten“, sagt er, „und genau deswegen beging ich immer wieder Todsünden. Und dann stand dieses Kind vor mir mit einer Waffe, gegen die ich mich nicht zur Wehr setzen konnte.“ Es ist die Waffe der Zuneigung, der ungeschützten Aufrichtigkeit.
Iris Muhl erzählt die Geschichte mittels einer Rahmenhandlung: Fast 40 Jahre später wird Eliott White, mittlerweile zum erfolgreichen (ehrlichen) Unternehmer geworden, zum Radio-Interview gebeten und legt – für die Radiomacher und die Hörer unerwartet – so etwas wie seine Lebensbeichte ab. Hörer – und Leser – werden Zeugen dieser Beichte, in der ein Mann sein Leben reflektiert, mit all seinen Sünden und seinem Kampf gegen das schlechte Gewissen.

Er habe nur dann über Gott nachgedacht, wenn es ihm richtig gut ging, sagt er über sein früheres betrügerisches Leben. Denn dann sei ihm jeweils bewusst geworden, dass jemand anders gerade leiden musste. „Andere Menschen denken ja nur über Gott nach, wenn es ihnen schlecht geht. So war das bei mir aber nicht. Wurde ich enttäuscht oder war mit meinen Geschäftsideen wieder einmal am Ende, löste ich das, indem ich der Welt mit Flüchen begegnete.“ Eliott White hatte gemeint, sich einen Gott im Leben „nicht leisten zu können“. „Was bedeutete mir ‚göttliche Gerechtigkeit‘, wenn ich mir meine eigene zusammenbauen konnte?“ Geprägt von einer Kindheit, in der jeder sehen musste, wo er blieb, war er zum Zyniker geworden.

Wie die Zugfahrt, wie die Begegnung mit dem seltsamen Mädchen ihn verwandeln, das ist eine sehr berührende Geschichte über Schuld und Vergebung.

Iris Muhl
Engelspost, Die Geschichte eines Betrügers
Fontis-Verlag 2021, 176 Seiten, 18,00 Euro




Weitere Buchtipps finden Sie im Archiv.


 

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Im Weltabenteuer Gottes leben

Günter ThomasMitgliederschwund, Bedeutungsverlust, Erschöpfung – man könnte glauben, die Kirche habe angesichts der eigenen Nöte selbst die Hoffnung und den Trost verloren. Günter Thomas, Professor für Systematische Theologie an der Ruhr-Universität Bochum, lenkt in seinem Buch den Blick auf die „theologische Fehlersuche“ und legt die tieferliegenden Gründe der Kirchenkrise frei. Das provoziert (manche), könnte aber die Verantwortlichen auch entlasten, die sich im Strudel der Struktur- und Organisationsdebatten erschöpft haben.

Was die Thesen von Günter Thomas grundiert, ist die Überzeugung, dass „nicht nur der akademischen Theologie, sondern auch der Kirche (…) die Vorstellung von Gottes Lebendigkeit abhandengekommen“ sei. Wie ein „unterirdischer Schwelbrand“ habe sich die Überzeugung verbreitet: „Was auch immer Gott ist, er ist kein lebendiger Akteur“. In der Konsequenz wird die Theologie allein auf eine ethisch-politische Weltverantwortung umgestellt – und die Kirche damit hoffnungslos überfordert. Die Anforderungen werden grenzenlos, die To-do-Listen unendlich. „Jede Reform erzeugt neue Aufgabenfelder“, so Thomas, „jede Suche nach Relevanz schafft einen neuen Job.“ Häresien (Irrlehren) gibt es noch, aber nur auf moralischem Feld. Die aber zerreißen Gemeinden, belasten Synoden, spalten Familien und entfachen im Internet wahre Glaubenskriege.

Freude kommt dabei sicherlich keine auf. Und die Botschaft der Kirche kommt bei vielen so an: „Achtung der Menschenrechte und der Goldenen Regel, das reicht“. Dem entspreche ein „Entrümpeln“ der Theologie, sagt Thomas und nennt diese Strategie „spirituelles Feng Shui“: „Befreien wir uns von altem religiösen Gerümpel, so werden wir besser verstanden! Himmelfahrt Christi? Versteht keiner, raus! Rede von Sünde? Hat nur Schlimmes angerichtet, weg damit! Offenbarung Gottes in Christus? Stiftet nur Streit, stört das harmonische multireligiöse Miteinander! Ein zorniger Gott? Toxisch für Liebe und Humanität! Ein jüngstes Gericht? Mein Gott, wie altmodisch! Vater unser? Eine Unheilsgeschichte beenden! Gemeinden? Muffig, kümmerlich!“ Am Ende stünde in dem leeren Haus der Theologie noch die kleine Truhe der Theologie der Krabbelgottesdienste: „Gott liebt dich und begleitet dich!“ Thomas scharfe Kritik: „Wer die Schwere, Dichte und Sperrigkeit der Erzählungen von Gottes Weltabenteuer unter das Niveau des gesunden Menschenverstandes drückt, sollte sich über Austritte nicht wundern. Wer will in so kahlen Gemäuern wohnen?“

Der „theologischen Fehlersuche“ des Autors folgt man fasziniert, zustimmend, manchmal irritiert und zum Widerspruch genötigt, aber immer hineingezogen in ein produktives Nachdenken über die Zukunft der Kirche. Seine Lösungsvorschläge überzeugen in mancher Hinsicht nicht. Und das Durchdeklinieren der Paulinischen Trias von Glaube, Liebe und Hoffnung mittels der Schablone des „Weltabenteuers Gottes“ wirkt zuweilen redundant und philosophisch-wolkig. Trotzdem: sehr lesenswert!

Günter Thomas
Im Weltabenteuer Gottes leben, Impulse zur Verantwortung für die Kirche
Evangelische Verlagsanstalt 2020, 363 Seiten, 16,00 Euro



Johann Sebastian Bachs Töchter

Bachs Töchter1750 stirbt Johann Sebastian Bach, der große Musiker und Leipziger Thomaskantor, der zu Lebzeiten immer um Auskommen und Anerkennung kämpfen musste. Für seine Witwe Anna Magdalena und die vier Töchter beginnt nun eine ungewisse Zeit. Sie müssen die Kantorenwohnung räumen, sind von finanziellen Zuwendungen abhängig, rutschen mehr und mehr in die Armut.

Die Autorin Carola Moosbach stellt Bachs Töchter ins Zentrum ihres historischen Romans. Während die Söhne Bachs aus seiner ersten Ehe ihre Karrieren als begabte Musiker begonnen haben – und später wie ihr Vater zu Ruhm gelangen –, ist von seinen Töchtern wenig bekannt. Auf einfühlsame und wunderbare Weise zeichnet Carola Moosbach deren Leben nach dem Tod des Vaters nach. Sie schafft es, ihre Detailkenntnis umzusetzen in ein lebendiges Bild der damaligen Zeit und der Familie. Besonders die jüngste der Bach-Töchter, Regina, wächst einem beim Lesen ans Herz. Auch sie hat das musikalische Talent geerbt, es wird aber kaum gefördert und versandet unter den beschwerlichen Lebensumständen.

Wie die Frauen kämpfen – gegen Armut, gegen Kränkungen und Krankheiten, wie sie geknickt werden und doch ihre Würde behalten: das ist großartig beschrieben und ein lehrreiches Lesevergnügen.

Carola Moosbach
Johann Sebastian Bachs Töchter
Benno Verlag 2021, 272 Seiten, 16,95 Euro



Weitere Buchtipps finden Sie im Archiv.

 

„Weil ich auf den Gekreuzigten schaue ...“


Bischof i.R. Dr. Jobst Schöne D.D., von 1985 bis 1996 leitender Geistlicher der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche (SELK), verstarb am 22. September 2021 im Alter von 89 Jahren in Berlin. Drei Tage vorher, am 16. Sonntag nach Trinitatis, 19. September 2021, hielt er – von schwerer Krankheit gezeichnet, aus dem Rollstuhl heraus - im Gottesdienst seiner Mariengemeinde in Berlin-Zehlendorf seine letzte Predigt. Diese Predigt dokumentiert selk.de an dieser Stelle mit freundlicher Erlaubnis der Familie.


Jobst Schöne

Bibelabschnitt zur Predigt: Klagelieder 3, 22-26.31-32: Die Güte des HERRN ist's, dass wir nicht gar aus sind, seine Barmherzigkeit hat noch kein Ende, sondern sie ist alle Morgen neu, und deine Treue ist groß. Der HERR ist mein Teil, spricht meine Seele; darum will ich auf ihn hoffen. Denn der HERR ist freundlich dem, der auf ihn harrt, und dem Menschen, der nach ihm fragt. Es ist ein köstlich Ding, geduldig sein und auf die Hilfe des HERRN hoffen. Denn der Herr verstößt nicht ewig; sondern er betrübt wohl und erbarmt sich wieder nach seiner großen Güte.

Der HERR segne an uns dies Wort. Amen.

Liebe Gemeinde! Dies wird eine kurze Predigt, Coronas wegen und in dieser Situation, in der sich der heutige Prediger auf dieser eigenartigen Kanzel befindet. Aber wir wollen doch ein bisschen dem nachdenken, was uns der Prophet Jeremia hinterlassen und der Heilige Geist für aufzeichnungswert gehalten hat.

Denn da stellen sich gleich zwei Fragen: 1.) Wer oder was spricht hier? Das ist ein Mensch im 6. Jahrhundert vor Christus weit weg von uns. Aber es spricht zugleich der Heilige Geist, der uns seine Worte in den Mund legen will. 2.) Wo sind wir in diesem Wort der Schrift, wir mit unseren Erfahrungen, Empfindungen, Erlebnissen? Denn in den biblischen Worten und Bildern sind wir immer irgendwo, das gilt es zu entdecken. Denn unsere Sache wird verhandelt.

Wo also stehen diese Worte in der Heiligen Schrift? Im Alten Testament, im Buch der Klagelieder Jeremias. Das ist um 600 vor Christi Geburt. Und was der Prophet Jeremia erlitten hat an Verfolgung, Ablehnung, Hunger, Angst, Elend – das alles kann man nachlesen. Ihm ist wirklich nichts erspart geblieben. Er erlebte die Belagerung Jerusalems durch die Babylonier, den Untergang der Stadt, Gefangenschaft – und ist am Ende irgendwo in Ägypten verschollen. Ein trostloses Schicksal.

Da jammert, klagt, fleht der Prophet und hat allen Grund dazu. Aber plötzlich ändert sich seine Stimme, wird aus dem Klagelied ein Lobgesang. Welch ein Wechsel. Den schafft nicht jeder. Viele bleiben beim Klagen und Jammern stehen. Nicht so Jeremia.

Was wir eben gehört haben, ist kein Jammern mehr, sondern das Gegenteil. Es ist wie wenn die dunklen Wolken über uns auf einmal aufreißen und das helle Licht der Sonne scheint. Oder anders gesagt: da blickt der Prophet ins Herz GOTTes und es verschlägt ihm buchstäblich die Sprache. Er merkt, dass GOTT sich uns in Liebe, Barmherzigkeit, Erbarmen zuwendet. Nicht die Sprache des Zornes, der Bestrafung, der Abwendung und des Fallenlassens ist GOTTes eigentliche Sprache, sondern die der Güte, der Freundlichkeit, der Zuwendung: hier bin ICH, ICH helfe dir, ICH bin an deiner Seite. Mag kommen was will.

Ja, GOTT wickelt seine Zuwendung, seine Güte, sein Erbarmen oftmals ein in das glatte Gegenteil, in das, was uns hart, schlimm, trostlos erscheinen möchte. Ich suche ein Bild dafür, finde aber nur ein sehr schwaches. Nämlich: in meiner Kinderzeit hat meine Mutter für die Familie und für viele, die sie beschenken wollte, in der Adventszeit Christstollen zubereitet. Die wurden zum Ausbacken zu unserem Bäcker getragen, der den nötigen Ofen hatte. Dazu waren die vorbereiteten Laibe in alte Tücher, unansehnlich und nicht sehr verheißungsvoll eingeschlagen.

Den köstlichen Christstollen sah man nicht. Und gibt es einen köstlicheren Stollen als den, den die eigene Mutter bereitete? Als wir‘s vom Bäcker abholten, da duftete es so sehr, dass wir Kinder es kaum erwarten konnten, hineinzubeißen.

Was ich damit sagen will? Genau so etwas tut ja GOTT, will ich sagen: ER wickelt seine Barmherzigkeit ein, manchmal in ganz Unansehnliches, ins glatte Gegenteil. Aber was sagt, betet, lobpreist der Prophet? „Die Güte des HERREN ist's, dass wir nicht gar aus sind, seine Barmherzigkeit hat noch kein Ende, sondern sie ist alle Morgen neu“. So hat er's erfahren, mitten in all seinem Elend.

„Der HERR ist mein Teil, spricht meine Seele“. Als das Volk Israel ins Heilige Land eingewandert war - nach 40 (!) Jahren in der Wüste – da wurde das Land verteilt unter die Stämme. Nur ein Stamm bekam keinen Teil: die Leviten, weil ihr „Teil“ der Heilige Dienst im Tempel war – „der HERR ist mein Teil“. Waren sie deshalb benachteiligt? Zu kurz gekommen? Nichts da, man kann eher sagen: sie rückten ein Stück näher an GOTT heran als die anderen.

So rücken auch wir näher an GOTT heran, wenn er uns das entzieht, was wir für unser „Teil“, für unentbehrlich halten mögen: Gesundheit, Auskommen, Wohnung, die sichere Rente oder Gehalt, Bewegungsfreiheit, vielleicht die Familie oder Menschen, die uns sehr viel bedeuten.

Nimmt uns GOTT davon etwas, dann macht er uns – momentan – zwar ärmer, so will es scheinen. Aber ER ist und bleibt freundlich dem, der auf IHN harrt, der nach IHM fragt. ER verstößt nicht auf ewig, sondern: ER betrübt wohl und erbarmt sich wieder nach seiner großen Güte.

Woher ich das weiß? Weil ich dazu auf den Gekreuzigten schaue, der unsere Schuld, unser Weglaufen von GOTT auf sich nahm und abbüßte. Der aus dem Tod erstand, lebendig, mächtig, ein Retter aus aller Not. Deiner Not, meiner Not. ER ist Güte, Barmherzigkeit, Treue, Erbarmen in Person.

„Denn der HERR ist freundlich dem, der auf IHN harrt, und dem Menschen, der nach IHM fragt. Denn der HERR verstößt nicht auf ewig; sondern ER betrübt wohl und erbarmt sich wieder nach seiner großen Güte.“ „Der HERR“, das ist nicht irgendwer. Das ist JEsus CHristus, gelobt in Ewigkeit. Amen.

Professor Salzmann im Interview


Prof. Dr. Jorg Christian Salzmann tritt Ende August in den Ruhestand. Knapp 30 Jahre hat er zunächst als Lehrbeauftragter, dann als Professor für Altes Testament und schließlich als Professor für Neues Testament an der Lutherischen Theologischen Hochschule in Oberursel (LThH), einer Kirchlichen Hochschule in Trägerschaft der SELK, gearbeitet. Für selk.de hält er Rückschau auf diese Zeit.


Prof. Salzmann

SELK.de: Wenn Sie auf die knapp 30 Jahre Lehrtätigkeit an der LThH zurückschauen: Was waren die größten Veränderungen, die sich in dieser Zeit ergeben haben? Und was sind die Konstanten über die drei Jahrzehnte hinweg?

Salzmann: Die größten Veränderungen, die ich an der LThH erlebt habe, sind die beiden Personen: Zu Beginn meines Lehrauftrags an der LThH waren noch die Professoren Günther, Hoffmann, Roensch, Rothfuchs und Stolle im Amt. Als ich dann die Nachfolge von Professor Günther antrat, war der Generationswechsel in vollem Gange, und heute ist wieder eine komplett neue Generation hier tätig. Auch beim Hochschulpersonal gab es kurz nach dem Beginn meiner Arbeit als Professor einschneidende Wechsel; seitdem ist das Team allerdings sehr konstant geblieben. Der Rückgang der Studierendenzahlen war schon im Gang, als ich kam; andererseits gehört der stete Wechsel bei den Studierenden ironischerweise zu den Konstanten des Hochschullebens – wie übrigens auch die permanente Arbeit an neuen Studienordnungen. Den Übergang zum modularisierten Studium mit Blöcken von Lehrveranstaltungen, die zu einem Modul zusammengefasst werden, und mit Leistungspunkten, die nach studentischer Arbeitszeit vergeben werden, habe ich allerdings als einen Systemwechsel erlebt, der das Studium sehr verändert, jedoch nicht wirklich verbessert hat.

SELK.de: Sie haben über ein kirchengeschichtliches Thema promoviert, dann eine Zeitlang Altes Testament unterrichtet und dann Neues Testament. Was waren die Herausforderungen, die sich durch diese Veränderungen im Fokus der Arbeit ergeben haben? Und was waren vielleicht auch Bereicherungen?

Salzmann: Meine Doktorarbeit drehte sich um den Wortgottesdienst der neutestamentlichen Zeit und der zwei Jahrhunderte danach; sie war im Fach Neues Testament angesiedelt, ging aber über den Rahmen dieses Fachs hinaus. Dazu passte, dass ich damals an der Universität als Assistent für Kirchengeschichte mit dem Schwerpunkt Alte Kirche gearbeitet habe. Der Übergang zum Fach Altes Testament, das ich hier übernahm, weil kein „richtiger“ Alttestamentler in unserer Kirche zur Verfügung stand, war schwierig, denn ich musste mein Hebräisch wieder auffrischen und vor allem tiefer in die breit gefächerte Fachliteratur zum Alten Testament einsteigen. Bei der gleichzeitig beginnenden Lehre war ich meinen Studierenden dann oftmals gerade so eine Woche voraus … Zugleich ist die intensive Auseinandersetzung mit alttestamentlichen Texten immer schon ein Erlebnis; man steigt in eine fremde und doch vertraute Welt ein, und es gibt viel zu entdecken. Außerdem ist es schließlich auch für das Verständnis des Neuen Testaments enorm wichtig, sich im Alten Testament auszukennen. Schon so zentrale neutestamentliche Begriffe wie Gnade und Sünde, Gottes Volk und Gottesreich, Messias und Bund sind ohne das Alte Testament schlechthin nicht richtig zu verstehen.

SELK.de: Derzeit bewegen sich die Zahlen der Theologiestudierenden eher auf einem niedrigen Niveau – in Oberursel, aber auch andernorts. Viele wissen nicht, warum es sich lohnen sollte, Theologie zu studieren und Pfarrer oder Pastoralreferentin in der SELK zu werden. Welche Gründe würden Sie benennen, wenn ein junger Mensch Sie danach fragen würde?

Salzmann: Gott braucht Menschen für den Bau seiner Kirche, auch solche die bereit sind, hauptamtlich für die Kirche zu arbeiten. Übrigens benötigen die Kirchen trotz rückläufiger Kirchgliederzahlen dringend theologischen Nachwuchs und können diesen nach Menschenermessen auch in Brot und Arbeit halten. Diese Arbeit ist sehr vielseitig und befriedigend, weil sie mit Menschen und den wichtigen Lebensfragen zu tun hat, weil Zuhören und Reden, Predigen und Unterrichten, Organisieren und Dingen ihren Lauf lassen, Feiern und Trauern und noch vieles mehr dazu gehören. Und das Studium ist hochinteressant und ebenfalls sehr vielseitig: Fremdsprachen und der Umgang mit Texten, Geschichte und Philosophie, Sozialwissenschaften und Pädagogik: So viel fließt mit hinein und ist doch fokussiert, ich will als Bibelwissenschaftler einmal sagen fokussiert auf Gottes Wort und sein Wirken in dieser Welt.

SELK.de: Über lange Zeit haben Sie auch dem Grundstücksverein der LThH vorgestanden und sich mit viel Kraft und Leidenschaft um die Baulichkeiten auf dem Campus gekümmert. Als letztes großes Projekt haben Sie den Neubau des Bibliotheks- und Hauptgebäudes der Hochschule begleiten und zur Fertigstellung bringen dürfen. Welche Bedeutung hat dieses Gebäude Ihrer Meinung nach für die Hochschule?

Salzmann: Der Neubau war überfällig, weil Bibliothek und Verwaltung, also zwei der zentralen Funktionsgebäude der Hochschule, über 75 Jahre alte niedrige und baufällige Baracken waren. Der Neubau symbolisiert für mich aber auch einen Neuaufbruch in schwierigen Zeiten, die Hoffnung und Zuversicht, dass die Hochschule gebraucht wird und dass es schön ist hier zu studieren und zu arbeiten. Es wird auf absehbare Zeit genügend Platz nicht nur für die Bücher, sondern für den Hochschulbetrieb überhaupt geben, und es lässt sich in den freundlich hellen Räumen des Neubaus mitten im Grünen gut leben und arbeiten.

SELK.de: Was sind Ihre Pläne für den Ruhestand und was wünschen Sie Ihrer Kirche und Ihrer Hochschule für die Zukunft?

Salzmann: Im Ruhestand muss ich erstmal ankommen; meine Frau und ich werden uns in der neuen Heimat in Norddeutschland einrichten, bestehende Kontakte pflegen und auch neue Kontakte suchen. Gern möchte ich noch ein Buchprojekt zur Theologie des Wortes Gottes in der Bibel zu Ende bringen, das ich schon vor längerem angefangen habe. Ich freue mich aber auch darauf, Zeit zu haben für Kinder und Enkel, für Freunde und Verwandte, Zeit auch zum Reisen und Wandern; und im neuen Haus, das schon älter ist, wird es immer wieder mal was zu werken und zu basteln geben. Meiner Kirche wünsche ich, dass sie mit der Botschaft des Evangeliums viele Menschen erreicht und ihnen eine freundliche und offene geistliche Heimat werden kann. Vom Evangelium und für das Evangelium begeisterte Menschen sind auch das, was die Hochschule braucht; ich wünsche mir, dass die Hochschule auch künftig vielen die befreiende Botschaft des lutherischen Glaubens vermitteln kann.

SELK.de: Vielen Dank für das Interview. Wir wünschen für den neuen Lebensabschnitt Gottes Segen!

 

Kirche im Mosambik wächst

 
Die Mission Gottes im südostafrikanischen Mosambik im Indischen Ozean (30,4 Millionen Einwohnerinnen und Einwohner) schreitet voran. Und auch wenn christliche Mission kein kalkulierbares Unternehmen ist und nicht nur nach Zahlen bewertet wird, haben statistische Entwicklungen ihre Bedeutung. Die aus der lutherischen Missionsarbeit auch der Lutherischen Kirchenmission (LKM) der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche (SELK) entstandene Christliche Concordia-Kirche von Mosambik hatte im Jahr 2015 10 Gemeinden und etwa 1.000 Glieder. Im Jahr 2019 waren es 80 Gemeinden und etwa 8.000 Glieder. Die neue Statistik für 2021 weist insgesamt 120 Gemeinden und 43.974 Glieder, etwa 9.000 Familien, aus.


Mosambik

„Es ist Gott, der durch sein Wort und das Wirken des Heiligen Geistes im Zeugnis eines jeden mosambikanischen Christen handelt, der sein Volk unter Bäumen in Gottesdiensten unter freiem Himmel, in Baracken und Kapellen aus ‚Matope‘ (Lehm und Holz) und in gemauerten Kirchen versammelt“, berichtet Rev. em. Dr. Carlos Winterle LL.D., D.D., D.D., der ehemalige Präses der Lutherischen Kirche von Brasilien, Schwesterkirche der SELK, der nun im Ruhestand wieder in Brasilien lebt, nachdem er in den Jahren zuvor in Südafrika tätig war und dort für einen Teil seiner Arbeitszeit der Lutherischen Kirchenmission der SELK zur Verfügung gestellt wurde, um in Mosambik Pastoren auszubilden. Winterle in seinem aktuellen Mosambik-Rundbrief: „Trotz der Schwierigkeiten, die die Kirchglieder aufgrund des Elends durchmachen, in dem das Land lebt, und der Naturkatastrophen, die ihre Ernten zerstören und den Hunger verursachen, hören diese Menschen nicht auf, sich zu treffen, um Gott zu loben, sein Wort zu hören und zu beten.“

MosambikDie Leitung der Kirche durch Laien spielt bei dieser Expansion eine sehr wichtige Rolle, denn ordinierte Pastoren gibt es nur wenige. Nicht nur die Studenten des Theologischen Ausbildungsprogramms (PET), zukünftige Pastoren, tun ihren Teil, sondern lokale Vorsteher an den neuen Orten versammeln die Menschen um das Wort. Jeder neue Gottesdienstort erhält Bibeln, den Kleinen Katechismus, die für jeden Sonntag vorgesehenen Bibellesungen und Kopien der Liturgie. Trotz des geringen Wissens aufgrund des Mangels an weiteren Lehrern ist das, was sie von den Vorstehern hören, genug, um ihren Glauben an Jesus zu wecken und sich im Namen des dreieinigen Gottes zu versammeln.

In der Ausbildung von Pastoren kam es dazu, dass mit einer kanadisch-brasilianisch-südafrikanisch-deutschen Kooperation in Mosambik eine Pastorenausbildung auf Portugiesisch aufgebaut werden konnte – daneben aber auch auf Chisena, einer in Mosambik einheimischen Sprache. Die Studenten sind in der Regel von ihren Gemeinden geschickt worden, die sie als Pastoren haben möchten. Die Ausbildung findet statt in einer ehemaligen Safari-Lodge am Sambesi, einer Art Hüttendorf, wo die Studenten und Lehrer zweimal im Jahr zu mehrwöchigen Blockveranstaltungen zusammenkommen. Zwischen den Ausbildungseinheiten lernen die Studenten selbstständig anhand von Lehrmaterial, das sie zum Selbststudium erhalten und wenden das Gelernte sofort in ihren Gemeinden an, in Seelsorge, Gottesdienst und Unterricht.

„Schätze suchen. Talente finden!“


Die ersten 100 Tage als Fundraising-Referentin der SELK

Seit dem 1. April ist Heike Beckmann (HB) Fundraising-Referentin der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche (SELK). Die Stelle wird gemeinsam getragen von der SELK, der Lutherischen Theologischen Hochschule (LThH) Oberursel und der Lutherischen Kirchenmission und ist bei der LThH angesiedelt. Für selk.de hat Kirchenrätin Dr. Silja Joneleit-Oesch (SJO) Frau Beckmann über ihre Eindrücke und Erfahrungen der ersten 100 Tage gefragt.

Fundraising

SJO: Frau Beckmann, Ihre ersten 100 Tage als Fundraising-Referentin der SELK liegen hinter Ihnen. Sind Sie schon in Ihrem neuen Job angekommen?

HB: Ja, definitiv. Ich bin überrascht, wie schnell die ersten dreieinhalb Monate ins Land gezogen sind. Unter Corona-Bedingungen war es nicht so einfach, die neuen Kolleginnen und Kollegen kennenzulernen. Ich habe zunächst an meinem Dienstort, der Lutherischen Theologischen Hochschule, auf dem Campus in Oberursel in einem der Gästezimmer mein Büro bezogen. Der Neubau des Bibliotheks- und Verwaltungsgebäudes der LThH war im April noch nicht bezugsfertig und die Gästewohnungen standen derzeit leer. Inzwischen bin ich mit meinem Büro in das neue Gebäude gezogen und endlich finden auch vermehrt Begegnungen mit den Mitarbeitenden und Studierenden statt. Und seit den Lockerungen kann ich die SELK in ihrer räumlichen Weite und damit das Leben in den Einrichtungen und Gemeinden vor Ort mehr und mehr kennenlernen. Die Begegnungen mit den Menschen der SELK sind mir sehr wichtig, gerade, weil Fundraising ein Herzens-Prozess ist. Menschen geben für Menschen, Fundraising ist immer sehr persönlich und jede Gemeinde, jede Einrichtung ist anders. Das gilt es immer als Erstes zu berücksichtigen.

SJO: Was fällt Ihnen spontan ein, wenn Sie nach dem Highlight der ersten 100 Tage gefragt werden?

HB: Ein einzelnes Highlight herauszustellen, fällt mir schwer. Beruflich gesehen sind es klar die persönlichen Begegnungen. Ach ja, und eine supernette Begrüßungsmail eines Propstes, der anfangs dem neuen Fundraising-Referat skeptisch gegenüberstand und mich heuer mit seinem konstruktiven Schreiben sehr herzlich willkommen heißt. Diese Offenheit schätze ich sehr.

SJO: Was ist das Erste, das Sie tun, wenn Sie morgens ins Büro kommen?

HB: Ich esse den Frosch. Beim „Eat the Frog“ geht es darum, gleich früh am Morgen die schwierigste und wichtigste Aufgabe zu „verspeisen“ – möglichst noch bevor der eigentliche Büroalltag beginnt. Ich sitze gerne sehr früh am Schreibtisch, wobei dieser sich momentan noch meist im Home-Office befindet.

SJO: Welche Aufgaben fordern Sie derzeit am meisten?

HB: Ganz aktuell beschäftige ich mich gemeinsam mit der Fakultät der LThH mit einem Fundraising-Konzept für die Anschaffung einer nachhaltigen IT-Infrastruktur im Neubau, die aktuellen Standards entspricht, um den Herausforderungen der Zukunft gewachsen zu sein. Die konfessionelle Hochschule ist ein wichtiges überregionales Aushängeschild der SELK, eine hohe Attraktivität – u.a. durch modernste technische Ausstattung – könnte auch dazu beitragen, mehr Studierende zu gewinnen.

Auf gemeindlicher Ebene gibt es mittlerweile fast zehn Beratungsanfragen, die auch oben auf meiner To-do-Liste stehen. Als dritte wichtige Aufgabe beschäftigt mich – und die Fundraising-Steuerungsgruppe – die Ausarbeitung einer systemischen Fundraising-Strategie für die Gesamtkirche.

SJO: Ist der Job so, wie Sie ihn sich vorgestellt haben? Was hat Sie am meisten überrascht?

HB: Eine konkrete Vorstellung habe ich anfangs nicht gehabt. Ich bin seit vielen Jahren beruflich als Fundraiserin und Medienfachfrau in unterschiedlichen kirchlichen Einrichtungen unterwegs; das hilft mir sehr, mich in den Strukturen innerhalb der SELK zurechtzufinden. Insofern bewege ich mich auf bekanntem Terrain. Überrascht hat mich der starke Zusammenhalt in der SELK oder wie Pfarrer Harald Karpe es kürzlich bei unserer Begegnung in Mühlhausen anlässlich der Zusammenarbeit für die SELK-Bausteinsammlung 2022 sympathisch formulierte: „Die SELK ist einfach eine große Familie!“

SJO: Was hat Ihnen in den ersten 100 Tagen weniger gut gefallen?

HB: Ich habe den Eindruck, dass sich in diesen pandemischen Zeiten aufgrund der zahlreichen digitalen Kommunikationskanäle teilweise Unstimmigkeiten entfalten, die sich im direkten persönlichen Austausch so nicht entwickeln können. Ja, und natürlich die coronabedingten Kontakteinschränkungen – aber damit hat es nun hoffentlich bald ein Ende. Ich bin ein sehr optimistischer und kreativer Mensch, der gern mit offenen Augen nach vorne blickt.

SJO: Als FR-Referentin haben Sie sich auf Neuland innerhalb der SELK begeben. Wie gehen Sie vor?

HB: Da fallen mir spontan Äußerungen von Prof. Achim Behrens ein, die er ganz zu Anfang meiner Tätigkeitsaufnahme von sich gab: „Liebe Frau Beckmann, eigentlich müsste ich mich als Ihr direkter Vorgesetzter intensiv um Sie kümmern. Aber Ihr Job ist eine Art Pilotprojekt für die Hochschule und die SELK, Genaues kann ich Ihnen noch nicht sagen. Sprechen Sie mich einfach immer an, wenn Sie Hilfe benötigen und auf einen Kaffee sind Sie jederzeit gern willkommen.“ Ja, die Herausforderungen für die Implementierung von Fundraising sind sicher mannigfach, aber ich bin fest davon überzeugt, dass die SELK und die LThH schon seit jeher eine wunderbare Kultur des Gebens leben, in die es einzutauchen gilt. Der Rest ist gutes Handwerk. Und das gilt es nun umzusetzen. Ich freue mich darauf.

SJO: Was wird für Sie die größte Herausforderung in den nächsten 100 Tagen sein?

HB: Eine gesamtkirchliche Konzeption für das Fundraising der SELK ist zu erarbeiten, was sicherlich die nächsten Wochen gut ausfüllen wird. Ich bin froh, die Fundraising-Steuerungsgruppe an meiner Seite zu haben, damit ich den Kern immer im Auge behalten kann. Dazu kommen erste Besuche in Gemeinden – Workshops und Vorträge müssen vorbereitet werden. Und Teil der Routine sind immer auch neue Anfragen – jede ist einzigartig und braucht eigene Aufmerksamkeit. Insofern wird mir sicher nicht langweilig.

SJO: Was macht Ihnen am meisten Spaß?

HB: Die Arbeit mit und für Menschen. Die SELK bietet dafür beste Voraussetzungen.

SJO: Was wünschen Sie sich für das nächste Jahr?

HB: Viele Menschen, die ich davon überzeugen kann, dass Fundraising alles andere als trockenes Handwerk ist. Menschen, die sich von mir begeistern lassen für eine wunderschöne Aufgabe. Und ein paar Projekte, bei deren Umsetzung ich behilflich sein kann. Als Fundraiser wird man auch schnell an seinen „Umsätzen“ gemessen, daher möchte ich natürlich auch gerne viele „schwarze“ Zahlen schreiben.

SJO: Liebe Frau Beckmann, vielen Dank für das Gespräch. Ich wünsche Ihnen, und damit natürlich auch uns allen, ein gutes und erfolgreiches Händchen für das neue Fundraising-Referat. Als Mitglied der Fundraising-Steuerungsgruppe und Teil der Kirchenleitung war es mir eine große Freude, Sie in den ersten 100 Tagen einzuarbeiten und ich wünsche mir nun einen fröhlichen Schub an Ideen und gemeinsamen Umsetzungen für die Gemeinden und überregionale Projekte.


Weitere Stimmen:

Jörn Ziegler (Vorsitzender des Freundeskreises der LThH): „Aus der Perspektive des Freundeskreises der LThH gibt es in unserer Kirche viel unerschlossenes Potential für gutes Fundraising zugunsten von Gemeinden und kirchlichen Werken. Wir sind dankbar, mit Heike Beckmann nun jemanden in der SELK zu wissen, der dieses Potential zu erschließen und entwickeln hilft.“

Ulrich Schroeder (Rendant der Lutherischen Kirchenmission): „Eine Arbeitsgruppe der Lutherischen Kirchenmission überlegt seit einigen Monaten, wie Mission in den Gemeinden, in der Jugend in der Breite ins Gespräch kommt. Knapp tausend Einzelspender tragen mit gut einer dreiviertel Million Euro Spenden die Arbeit der Mission, Tendenz stabil; aus den Gemeinden kommt gut eine Viertel Million Euro, Tendenz deutlich rückläufig. Zu der Entwicklung unserer Überlegungen kommt Frau Beckmann mit ihrer Expertise und sympathischen Vorgehensweise gerade richtig. Ihr professioneller Eintrag bringt uns sehr gut weiter.“

Prof. Dr. Achim Behrens (Rektor der LThH, Oberursel): „Ich freue mich, dass wir die Stelle mit Frau Beckmann professionell besetzen konnten. Eine ganze Reihe spannender Ideen hat sie entwickelt und ich bin gespannt, wie sich manches davon umsetzen lässt. Jedenfalls habe ich jetzt schon viel Neues gelernt und freue mich auf mehr.“

 

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