Wieder da! „Rotes Berliner Heft“ wieder erhältlich
Druckfrisch im Kirchenbüro eingetroffen und ab sofort bestellbar: „Die Selbständige Evangelisch-Lutherische Kirche (SELK). Ein Informationsschrift“. Von vielen Kirchgliedern wird diese Broschüre (99 Seiten) liebevoll nur „Das rote Berliner Heft“ genannt. Erschienen ist sie 1975, erarbeitet von einigen (West-)-Berliner Pastoren und sie war mit einem leuchtend roten Einband versehen. Daher der Name. Nun liegt die 5. Auflage vor – in einem veränderten Format, etwas weniger grellrot, sprachlich ganz leicht überarbeitet und mit neuem Layout versehen. Und inhaltlich so weit angepasst, wie es sein musste, weil sich z.B. Strukturen o.ä. geändert haben. Aber ansonsten: die bewährte Informationsschrift über die SELK.
Was kostet das?
Weniger, als es auf jeden Fall wert ist. Damit Gemeinden oder auch Einzelpersonen genügend Exemplare bestellen können, ohne zu hohe Kosten tragen zu müssen, kostet die einzelne Informationsschrift nur 2,50 Euro (zuzüglich Versand).
Was macht man damit?
Man liest es. Wenn man schon zur SELK gehört, damit man sich selbst informiert und Auskunft geben kann. Oder man gibt es weiter, wenn jemand Interesse an der SELK hat. Genauer gesagt, wenn jemand ein bisschen mehr Interesse hat, und deshalb etwas Umfangreicheres als nur einen Flyer möchte.
Und was steht da drin?
Es gibt 5 Kapitel. Es geht um „Das Werden der lutherischen Kirche“ (die hat nämlich nicht erst 1972 begonnen), „Von Glauben und Lehre der lutherischen Kirche“, „Vom Gottesdienst der lutherischen Kirche“, „Vom Leben der Christen“ und „Von der Selbständigen evangelisch-lutherischen Kirche“.
Ist das nicht total veraltet, wenn das ursprünglich von 1975 ist?
Nein, gar nicht, es zeigt nämlich, was sich in der lutherischen Kirche alles nicht geändert hat. Die Kirchengeschichte sowieso nicht, weil man Geschichte nicht ändern kann. Der Glaube und die Lehre ändern sich auch nicht, denn Lehraussagen werden nach dem lutherischen Bekenntnis (Konkordienformel Solida Declaratio 12) „vor dem Angesicht Gottes und der ganzen Christenheit, bei den jetzt Lebenden und denen, die nach uns kommen“, getroffen. Mangel an Veränderung ist in diesem Fall also ein Qualitätsmerkmal. Über den Gottesdienst ist seinem Wesen nach ebenfalls nichts grundsätzlich Neues zu sagen. In der Ethik treten gelegentlich neue Fragestellungen auf und andere treten in den Hintergrund, aber wer die Heilige Schrift als Maßstab hat, wird wohl auch an diesem Punkt nicht zu grundstürzend anderen Aussagen kommen können. Die äußere Gestalt der Kirche verändert sich, dem trägt das Heft Rechnung. Es handelt sich um die 5. bearbeitete Auflage.
Wer hat diese neue Auflage bearbeitet?
Federführend bis zu seinem Tod im Herbst 2021 Bischof i.R. Dr. Jobst Schöne D.D., der einer der ursprünglichen Autoren war. Und ansonsten Dr. Andrea Grünhagen, Referentin für Theologie und Kirche im Kirchenbüro der SELK, und der Geschäftsführende Kirchenrat der SELK, Michael Schätzel
Wie kann ich das bestellen?
Bestellungen sind an das Kirchenbüro der SELK zu richten:
Schopenhauerstr. 7, 30625 Hannover, Tel.: 0511 - 55 78 08, Fax: 0511 - 55 15 88, E-Mail Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!
Lesenswert
An dieser Stelle werden auf selk.de regelmäßig Bücher vorgestellt: zum Lesen, zum Verschenken, zum Nachdenken, zum Diskutieren – Buchtipps für anregende Lektürestunden. Die hier veröffentlichten Buchvorstellungen hat Doris Michel-Schmidt verfasst.
Über den Trost
„Wo bleibst du, Trost der ganzen Welt?“ So eindringlich fleht die Christenheit im Adventslied „O Heiland, reiß die Himmel auf“ um Trost. So sehr brauchen wir Menschen diesen Trost, immer schon und auch und gerade in dieser Zeit. Wo bleibst du, wahrer Trost, der nicht nur vertröstet, nicht verharmlost und nicht beschwichtigt?
Zwei Bücher fragen danach, was Trost überhaupt ist. Was tröstet wirklich, wenn Leben beschädigt, gedemütigt oder sogar ausgelöscht wurde?
Der Schriftsteller und Theologe Reiner Strunk sucht darauf Antworten anhand von Beispielen in der Bibel, in Literatur, Philosophie und Kunst. Seine kluge und tiefgründige Analyse findet ein überzeugendes Fazit: „Das Geheimnis des Trostes und seiner Wirksamkeit ist die Aussicht auf Verwandlung“. Nicht das sich Abfinden mit dem Unabänderlichen tröstet, nicht das Beschwichtigen, nicht gut gemeinte Ratschläge zur Ablenkung. Wahrer Trost „muss das Erschrecken konterkarieren mit begründeter Zuversicht“.
Solcher Trost geschieht in der biblischen Josephsgeschichte, in der nach dem vermeintlichen Tod seines Lieblingssohnes der Vater untröstlich ist und seine Söhne ihn mit Lügen trösten wollen, was natürlich nicht funktioniert. Am Ende spendet Joseph echten Trost, der den verschreckten Brüdern einen Neuanfang (mit Gott) ermöglicht.
Solcher Trost geschieht andeutungsweise in Theodor Fontanes Effi Briest, als die unglückliche Effi kurz vor ihrem Tod den einzigen Menschen, der ihr zugetan geblieben ist, fragt, ob sie wohl in den Himmel komme. Und der, ihr Pastor Niemeyer, tröstet sie, indem er ihren Kopf in seine alten Hände nimmt, ihr einen Kuss auf die Stirn gibt und sagt: „Ja, Effi, du wirst“.
Solcher Trost geschieht bei Mose, bei Jona und Elia. Er geschieht in Texten von Heinrich Heine oder Mattias Claudius. In der Musik findet sich Trost, zum Beispiel in Johannes Brahms‘ Requiem.
Aber auch an Beispielen, in denen Trost an der Oberfläche bleibt – therapeutisches Placebo, philosophische Belehrung, billige Vertröstung – lässt sich etwas über Trost lernen. „Vertröstung narkotisiert, Trost antizipiert“, schreibt Reiner Strunk im Kapitel „Trost im Advent“, der ganz im Zeichen des nahenden, erlösenden Gottes steht. Das ist wahrer Trost, der verwandelt und lebendig macht! Das ist die Antwort auf die flehende Bitte „Wo bleibst du, Trost der ganzen Welt?“ Niemand und nichts kann uns angesichts des Todes diesen Trost geben, als allein Christus. Daher singen Christen an Ostern und an den Gräbern: „Christ ist erstanden von der Marter alle; des solln wir alle froh sein, Christ will unser Trost sein“.
Von diesem Trost kann der Autor Michael Ignatieff in seinem Buch „Über den Trost“ nur als distanzierter Nichtgläubiger berichten. Zwar ist er selbst überrascht, dass ihn die Psalmen, insbesondere in ihren Vertonungen, trösten. Er versucht daher zu verstehen, wie „diese uralte religiöse Sprache uns so verzaubert hatte“. Immerhin bleibt da ein Staunen, eine Irritation, dass biblische Texte ihn anrühren können. Wirklich erklären kann er sich den „Zauber“ nicht. Er sucht andere „Tröstungsbemühungen“ an Beispielen von Texten und Porträts, von Cicero, Marc Aurel, Karl Marx, Albert Camus und vielen anderen.
Wenn Michael Ignatieff sich mit Hiob, mit den Psalmen, mit dem Apostel Paulus beschäftigt, sucht er – anders als Reiner Strunk – nicht die verwandelnde Kraft im Trost, sondern ihm reichen die Hilfsmittel, die es erleichtern, weiterzumachen. Seine Porträts sind spannend zu lesen – wirklich tröstlich sind sie nicht. Ihnen fehlt die Kraft zur Verwandlung, die Reiner Strunk in seinem Buch immer wieder sucht und findet. Das Fazit von Michael Ignatieff gibt sich mit sehr viel weniger zufrieden: „Welche Erkenntnis können wir für Zeiten der Dunkelheit gewinnen? Wir lernen etwas ganz Einfaches: Wir sind nicht allein und sind es nie gewesen."
Reiner Strunk
Wer spricht von Trost. Entdeckungen in Literatur und Bibel
Edition Evang. Gemeindeblatt im Evangelischen Verlag Stuttgart 2020, 184 Seiten, 16,95 Euro
Michael Ignatieff
Über den Trost in dunklen Zeiten
Ullstein Verlag 2021, 347 Seiten, 24,00 Euro
Weitere Buchtipps finden Sie im Archiv.
Spendenaufruf
Kirchenleitung und Diakonisches Werk der SELK erbitten Spenden zur Unterstützung der Hilfsmaßnahmen für Betroffene der Ukraine-Krise:
Seit acht Jahren herrscht Krieg in der Ukraine. Die neuen Kriegshandlungen verschärfen die ohnehin schon schlechte Situation für die Zivilbevölkerung. Massive Fluchtbewegungen in die angrenzenden europäischen Nachbarländer haben begonnen. Stündlich steigen die Zahlen der Menschen, die über die Grenzen nach Polen, Rumänien, Ungarn, die Slowakei und die Republik Moldau fliehen.
Bislang haben sich 520.000 Menschen außer Landes in Sicherheit gebracht, vor allem Frauen und Kinder. In den kommenden Tagen wird es darum gehen, Orientierung zu bieten und Nothilfe zu leisten.
Gemeinsam mit lokalen Partnerorganisationen leistet die Diakonie Katastrophenhilfe Hilfe vor Ort.
Lebensmittel und Hygieneartikel werden an Geflüchtete innerhalb der Ukraine verteilt.
Soforthilfen wie Nahrungsmittel, Trinkwasser oder Notunterkünfte werden bereitgestellt. Eine Partnerorganisation versorgt Menschen an der Grenze zu Ungarn mit Essen und Hygiene-Artikeln.
Der Krieg herrscht nicht nur im Osten der Ukraine, sondern auch in den bislang friedlichen Regionen des Landes. Raketen schlagen in Wohnblöcke und Häuser ein und treffen die Zivilbevölkerung. In den Großstädten suchen Menschen verzweifelt Schutz in U-Bahnhöfen, Tiefgaragen und Kellern. „Den Preis für diesen Krieg werden die Menschen zahlen, die vollkommen unverschuldet ihre Sicherheit und ihr Zuhause verlieren werden“, sagt Dagmar Pruin, die Präsidentin der Diakonie Katastrophenhilfe.
Die SELK kooperiert mit der Diakonie Katastrophenhilfe des Evangelischen Werkes für Diakonie und Entwicklung, dessen Hilfsmaßnahmen sie unterstützt. Ob darüber hinaus auch Hilfsmaßnahmen anderer kirchlicher Partner unterstützt werden können, wird geprüft.
Wir bitten um Spenden unter dem Stichwort „Ukraine“ auf das folgende Konto:
SELK Katastrophenhilfe
IBAN: DE02 3506 0190 2100 1520 13
BIC: GENODED1DKD
Bank für Kirche und Diakonie
Spendengelder werden umgehend ohne jeden Abzug dem angegebenen Zweck zugeführt. Bei Vorlage der Durchschrift erkennt das Finanzamt Spenden bis 100,00 € an. Bei höheren Beträgen wird Ihnen – bei Angabe von Namen und Anschrift – eine Spendenbescheinigung zugesandt.
Aufruf zur Fürbitte um Frieden
Der Konflikt im Osten Europas zwischen Russland und der Ukraine ist allem Anschein nach die schwerste kriegerische Auseinandersetzung auf dem europäischen Kontinent seit dem Ende des 2. Weltkrieges. Bischof Hans-Jörg Voigt D.D. von der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche (SELK) wendet sich in dieser Situation an seine Kirche, aber auch an die Öffentlichkeit, setzt ergänzend zu den medialen Berichten einen besonderen Schwerpunkt durch seine „Stellungnahme zur kirchlichen Lage in der Ukraine und Russland“ und gibt geistliche Hilfen, darunter auch einen ausführlichen Gebetsvorschlages.
Zum Spendenaufruf bitte hier klicken.
Aufruf zur Fürbitte um Frieden
Der Konflikt im Osten Europas ist allem Anschein nach die schwerste kriegerische Auseinandersetzung auf dem europäischen Kontinent seit dem Ende des 2. Weltkrieges. Ich bitte die Gemeinden der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche (SELK), ihre Glieder und Pfarrer, nicht nachzulassen, um Frieden zu beten.
In unserem neuen Evangelisch-Lutherischen Kirchengesangbuch (ELKG²) finden sich Gebete auf Seite 1594 (Gebet am Mittwoch) und den Seiten 1613 und 1614.
Lieder, die zum Gebet um Frieden geeignet sind, sind unter anderem folgende:
„Verleih uns Frieden gnädiglich“ (ELKG² 669 und 670), „Du Friedefürst, Herr Jesu Christ“ (671), „Unfriede herrscht auf der Erde“ (672), „Gib Frieden, Herr, gib Frieden“ (673), „Hevenu schalom alejchem“ (674), „Dona nobis pacem“ (675 und 677) und „Frieden, Frieden“ (676). Unter der Nummer 157 findet sich ein Kyrie-Ruf aus der orthodoxen Liturgie der Ukraine. Möge unser Gesangbuch in dieser Notzeit seine geistliche Kraft entfalten.
Ich füge zudem einen gottesdienstlichen Gebetsvorschlag an, der sich natürlich auch für das häusliche Gebet eignet.
Herr, erbarme dich!
Am 24. Februar 2022
Bischof Hans-Jörg Voigt D.D.
Stellungnahme zur kirchlichen Lage in der Ukraine und Russland
Mit Traurigkeit und Sorge nehme ich in diesen Tagen das Leid und das Blutvergießen wahr, dass sich in der Ukraine ereignet. Unsere Ohnmacht treibt uns in das Gebet zu Gott, der durch seinen Sohn Jesus Christus Frieden zwischen uns in Schuld und Tod verfallenen Menschen und seiner göttlichen Heiligkeit gestiftet hat.
Weil in der öffentlichen Berichterstattung die kirchliche Lage der Orthodoxen Kirche in Russland und der Ukraine kaum Berücksichtigung findet, möchte ich hier auf einige Hintergründe aufmerksam machen. Das Verhältnis dieser Kirchen scheint mit ursächlich für den Ausbruch des Konfliktes zu sein.
Am 14. September 2018 kam es zum Bruch zwischen der Russisch-Orthodoxen Kirche, Patriarchat Moskau, und dem Ökumenischen Patriarchat von Konstantinopel. Das Patriarchat von Konstantinopel hatte zuvor zwei Exarchen in Kiew ernannt und damit die Unabhängigkeit (Autokephalie) der Orthodoxen Kirche in der Ukraine anerkannt.
Am Donnerstag, 24. Februar 2022, veröffentlichte der Patriarch Kyrill I. eine Ansprache auf der Website des Moskauer Patriarchats, in der er sagt: „Als Patriarch von ganz Russland und Primas der Kirche, dessen Herde sich in Russland, der Ukraine und anderen Ländern befindet, empfinde ich tiefes Mitgefühl mit allen, die von dem Unglück betroffen sind.“ Der Konflikt ist hier zwischen den Zeilen verborgen: Indem Kyrill sich als Patriarch von Russland und der Ukraine bezeichnet, verweigert er die Anerkennung der Autokephalie der Ukraine ein weiteres Mal. Kyrill I. gab seiner Hoffnung Ausdruck, dass die „von Gott geschenkte Gemeinschaft“ dazu beitragen werde, die „Spaltungen und Widersprüche zu überwinden, die zu dem gegenwärtigen Konflikt geführt“ hätten. Im Grunde genommen rechtfertigt er damit den Krieg indirekt.
Die Lehre Einklang (Symphonia) zwischen Staat und Kirche ist die Achillesferse der Orthodoxen Kirche. Am „Tag der Verteidiger des Vaterlandes“ gratulierte Kyrill I. President Putin, seinem „lieben Wladimir Wladimirowitsch“. Putin hatte Kyrill erst am 20. November 2021 zum 75. Geburtstag den Orden des heiligen Apostels Andreas überreicht, die höchste Auszeichnung des russischen Staates. In dieser Woche sagte Kyrill, dass er dafür beten werde, Gott möge „das russische, das ukrainische und andere Völker beschützen, die durch unsere Kirche geistig vereint“ sind.
Auch die Lage der kleineren lutherischen Kirche in der Ukraine ist von Zerrissenheit und Konflikten geprägt und bedarf unserer Fürbitte.
Das Bekenntnis der lutherischen Kirche kennt die Unterscheidung der beiden Regierweisen (Reiche) auch wenn es bis in unsere Tage immer wieder zu gegenseitigen Übergriffen kommt. August Vilmar, einer der theologischen Väter der Hessischen Renitenz, einer Vorgängerkirche der SELK, soll seinem Kurfürsten zugerufen haben: „Sire, geben Sie die Kirche frei!“1 Theodor Harms, einer der Väter der Hannoverschen ev.-luth. Freikirche, sagte sehr grundlegend: „Wie soll sich aber die Kirche zum Staate stellen? Ich weiß keine andere Antwort als die: … Freie Kirche und Freier Staat. Ohne Freiheit gedeiht weder Kirche noch Staat.“2 Diese Zitate scheinen heute noch so aktuell wie im 19. Jahrhundert.
Dass bei den gegenwärtigen Kriegshandlungen auch ein kirchlicher Konflikt im Hintergrund steht, erscheint mir besonders bitter zu sein. Dies sage ich mit aller gebotener Demut vor dem Hintergrund der westeuropäischen und unserer deutschen Geschichte des vergangenen Jahrhunderts.
Christus spricht: „Dies habe ich mit euch geredet, damit ihr in mir Frieden habt. In der Welt habt ihr Angst; aber seid getrost, ich habe die Welt überwunden.“ (Johannes 16,33). Hans-Jörg Voigt
.....
1 Vilmar soll in einer persönlichen Audienz den Kurfürsten aufgefordert haben: „Geben Sie die Kirche frei!“. Dies berichtet er in einem Brief an den Bruder W. Vilmar vom 14. Oktober 1849 (vgl. Hopf, A. Vilmar, II, S. 90; Karl Wicke, Die hessische Renitenz: ihre Geschichte und ihr Sinn, Kassel 1930, S. 35.
2 Grünhagen, Andrea, Erweckung und konfessionelle Bewusstwerdung, Berlin, 2010, S. 322.
Fürbittengebet um Frieden
Liturg zur Gemeinde: Im Frieden lasst uns beten durch unsern Herrn Jesus Christus, den Erlöser der Welt.
Lektor zur Gemeinde: Für den Frieden im Osten Europas / dass der Herr dem Krieg Einhalt gebiete und den Menschen in der Ukraine den Frieden und Freiheit wieder schenke / lasst uns beten:
Gemeinde: Herr erbarme dich. (Hier kann auch das Kyrie aus der orthodoxen Liturgie der Ukraine, ELKG² 157 gesungen werden.)
Lektor zur Gemeinde: Für die Kinder und Jugendlichen / dass der Herr sie an Leib und Seele vor Leid und Verletzung bewahre / lasst uns beten:
Gemeinde: Herr erbarme dich.
Lektor: Für die Brüder und Schwestern in den Kirchen der Ukraine und Russlands / dass Gott ihre Herzen vor Hass aufeinander bewahre / dass er ihnen Wege zeige, dem Frieden zu dienen, das Wort Gottes zu verkündigen und die Sakramente zu feiern / lasst uns beten:
Gemeinde: Herr erbarme dich.
Lektor: Für alle, die politische Verantwortung tragen /dass der Herr ihre Herzen zum Frieden lenke /dass er ihnen helfe der Wahrheit und der Gerechtigkeit zu dienen / dass er die Herzen und Sinne der Menschen vor Irrtum und Lüge bewahre / lasst uns beten:
Gemeinde: Herr erbarme dich.
Lektor: Um Frieden und Eintracht unserem Land /dass der Herr der Polarisierung der Gesellschaft in Interessengruppen wehre / dass er den Frieden an den Arbeitsstätten, Universitäten und Schulen schenke und erhalte / dass er Lehrern und Lehrerinnen neue Kraft gebe und ihre Liebe erhalte / lasst uns beten:
Gemeinde: Herr erbarme dich.
Lektor: Um Frieden in unseren Häusern und Familien / dass der Herr den Eheleuten helfe, die es schwer miteinander haben / dass er gute Verständigung zwischen den Generationen schenke / damit die Kinder in Frieden heranwachsen können und für die ungeborenen Kinder / lasst uns beten:
Gemeinde: Herr erbarme dich.
Lektor: Für ein Ende der weltweiten Krankheitsnot /dass der Herr die Menschen vor Krankheit bewahre / dass er den Pflegekräften und Ärzten neue Kraft gebe / für alle die krank sind, und deren Namen wir hier in der Stille nennen … / lasst uns beten:
Gemeinde: Herr erbarme dich.
Lektor: Für unsere Kirche und Gemeinde / dass der Herr uns bei seiner Wahrheit erhalte / dass er junge Menschen willig mache, in seinen Dienst zu treten / für die Lutherische Theologische Hochschule und alle theologischen Ausbildungsstätten / dass der Herr Lehrende und Lernende in seinem Wort gründe / lasst uns beten:
Gemeinde: Herr erbarme dich.
Liturg zum Altar: Barmherziger Gott, erhalte uns deinen Frieden, schenke Frieden allen Menschen, für die wir gebetet haben, durch Jesus Christus, deinen Sohn, unseren Herrn.
Amen.
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Lesenswert
An dieser Stelle werden auf selk.de regelmäßig Bücher vorgestellt: zum Lesen, zum Verschenken, zum Nachdenken, zum Diskutieren – Buchtipps für anregende Lektürestunden. Die hier veröffentlichten Buchvorstellungen hat Doris Michel-Schmidt verfasst.
Middlemarch
Es gibt Bücher, in die taucht man ein, sobald man zu lesen beginnt. Sie versetzen einen in ein anderes Leben, das einem selbst genügend fremd ist, um neugierig zu werden und gleichzeitig so nah, um sich selbst darin gespiegelt zu finden. Middlemarch ist so ein Buch. George Eliot, die Autorin, lebte im 19. Jahrhundert in England und hieß eigentlich Mary Ann Evans. Sie legte sich ein männliches Pseudonym zu, um ihre literarische Karriere zu befördern.
Mit Middlemarch inszeniert sie eine Kleinstadt in Mittelengland um 1830. Sie setzt Figuren in diese Szenerie hinein, die sofort lebendig werden. Die Schicksale, die sie nach und nach miteinander verwebt, rühren einen an. Man leidet mit den Menschen, deren Pläne und Hoffnungen zerrinnen, deren Beziehungen geprägt sind von Konventionen und Vorurteilen. Eine der Hauptfiguren ist die verwaiste Dorothea Brooke, die sich nach einem hehren geistigen Leben sehnt und glaubt, dieses in der Ehe mit dem älteren Pastor Casaubon zu finden. Der Geistliche, der sich in seiner fruchtlosen Forschung über Mythologien verloren hat, entpuppt sich aber schnell als liebloser, eifersüchtiger Gelehrter, dem Dorotheas Wissensdurst, den er zunächst als Bewunderung genossen hatte, schnell lästig wird.
Dann ist da auf der anderen Seite der zugezogene junge Arzt Tertius Lydgate. Er ist ambitioniert, idealistisch, schert sich scheinbar nicht um Standesdünkel und Gepflogenheiten. Er will den Kranken helfen, neue medizinische Methoden einführen, baut ein Krankenhaus auf. Und heiratet – die falsche Frau. Das sind nur zwei Schicksale, die mit vielen anderen verknüpft werden: Verwandte, Nachbarn, Pfarrer, Ärzte, der Bankier, Politiker, Gutsbesitzer – sie alle gehören zu diesem Kosmos. Sie sind aufeinander angewiesen und stoßen sich ab. Sie wissen um ihre Schuld und versuchen irgendwie durchzukommen. Sie wollen geliebt werden und finden doch keine Ruhe. Wie im richtigen Leben halt.
Was diesen wunderbaren Roman auszeichnet, ist die Präzision, mit der die Psychologie der Figuren entwickelt wird. In nur wenigen Sätzen wird eine Gemütslage offenbart, werden Hoffnungen angedeutet und verborgene Ängste konkret.
Man kann gar nicht anders, als alle diese Figuren mit großer Sympathie zu begleiten, mit ihnen das Scheitern von Plänen zu erleiden und doch auf einen Ausweg zu hoffen. Und ganz nebenbei erfährt man sehr viel Wissenswertes über die damalige politische Situation, über das Gesundheitswesen, die Landwirtschaft und die Glaubenspraxis im viktorianischen England.
Die Sprachkunst dieser hierzulande viel zu unbekannten Autorin ist unvergleichlich. Ihr Humor ist es auch. Anlässlich ihres 200. Geburtstags 2019 erschienen zwei Neuausgaben mit unterschiedlichen Übersetzungen ihres großen Romans, die nun auch als Taschenbücher erhältlich sind. Wer dicke kluge, unterhaltsame Schmöker mag, muss Middlemarch lesen. Über 1000 Seiten reines Lesevergnügen!
George Eliot
Middlemarch. Eine Studie aus dem Leben in der Provinz.
Roman. Aus dem Englischen von Rainer Zerbst.
Deutscher Taschenbuch Verlag, Taschenbuch-Ausgabe, München 2021. 1150 Seiten, 14,90 Euro
George Eliot
Middlemarch. Eine Studie über das Leben in der Provinz.
Roman. Aus dem Englischen von Melanie Walz.
Rowohlt Verlag, Taschenbuchausgabe Hamburg 2021, 1264 Seiten, 20,00 Euro
Hana
Hana, Tochter einer Jüdin aus Dresden, ist katholisch getauft und lebt bei ihren Stiefeltern in dem sorbischen 200-Seelen-Dorf Horka in der Nähe von Kamenz. Sie weiß um ihre Herkunft, aber sie ist glücklich in Horka und sie liebt ihre Eltern, die sie angenommen haben und sie wie ihre eigene Tochter aufziehen. Außerdem ist sie verliebt in Boscij und er in sie. Alles könnte gut werden. Aber es ist das Jahr 1939, und auch in Horka zieht die nationalsozialistische Bedrohung die Einwohner mehr und mehr in den Abgrund.
Als ein Dorfbewohner auf mysteriöse Weise ums Leben kommt, wird klar, dass auch Hana bedroht ist. Sie muss bei einer Feier den Tanzsaal verlassen, ein „Vergnügungsverbot“ für Nichtarier verlange das, sagt der Ortspolizist Beier, und er müsse von Amts wegen die Anweisungen durchsetzen, auch wenn er „sie sich nicht ausgedacht“ habe. Wenig später taucht die Gestapo auf und erklärt Hana, dass ihr ab sofort jeglicher Gottesdienstbesuch untersagt ist.
Ihr Freund Boscij versucht, sie außer Landes zu bringen, aber der Fluchtversuch scheitert. Hana wird verhaftet. Was danach mit ihr geschehen ist, bleibt im Dunkeln.
Die Geschichte von Hana beruht auf authentischen Ereignissen. Der Schriftsteller Jurij Koch, der selbst aus dem Dorf Horka stammt, hat ihr in seiner Novelle ein literarisches Denkmal gesetzt.
Der Historiker Hermann Simon hat die Geschichte von Hana ebenfalls akribisch recherchiert. In seinem ausführlichen Nachwort stellt er die Fakten anhand der gefundenen Dokumente dar und ergänzt damit die Erzählung von Jurij Koch. Vermutlich starb Hana 1943. Wo, ist nicht bekannt.
Ein eindrückliches Zeugnis dafür, dass Geschichte deutlich wird am Einzelschicksal. Und dass man nie aufhören darf, Geschichten wie die von Hana zu erzählen.
Jurij Koch
Hana. Eine jüdisch-sorbische Erzählung
Verlag Hentrich & Hentrich, Berlin/Leipzig 2020, 120 Seiten, 16,00 Euro
Weitere Buchtipps finden Sie im Archiv.
Lesenswert
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Geheiligt werde dein Name
Der Umgang der Kirchen mit ihren Gottesdiensten verrät mehr über sie selbst, als ihnen lieb ist. Ist dem Gottesdienst das Heilige abhandengekommen? Reinhard Thöles Blick auf die Gottesdienstpraxis jedenfalls ist ernüchternd. Moderne experimentelle Formen sollen das eigene Milieu bei Laune halten. Da wird munter „gestaltet“ mit Versatzstücken aus einer Materialkiste, die sich speist aus tradierten Formen, aus anderen Konfessionen oder gar Religionen.
Thöle, emeritierter Professor für Ostkirchenkunde an der Theologischen Fakultät Halle-Wittenberg, entwirft in seinem neuen Buch eine Art Psychogramm des Gottesdienstes. Das ist viel mehr – und viel spannender zu lesen – als eine liturgiegeschichtliche Abhandlung. Reinhard Thöle ist ein profunder Kenner sowohl der römisch-katholischen als auch der evangelischen sowie der orthodoxen Tradition und Praxis. Und er ist ein exzellenter Beobachter. „Zeige mir den Gottesdienst, den du feierst, und ich sage dir nicht nur, welche Theologie du vertrittst, sondern auch, welchen Charakter du hast“ schreibt er pointiert. Dass die „liturgische Symphonie der protestantischen Individualisten und Spezialisten“ mit einem religiösen Relativismus einhergeht, lässt sich wohl kaum bestreiten. Ist der Gottesdienst nur noch menschliches Handeln? Muss Gott halt einfach mitspielen bei all den Reformen, Kontroversen und „Verbesserungen“? Reinhard Thöle spitzt zu: „Vielleicht gibt es ja auch Gottesdienstformen, bei denen weder die Gläubigen mitspielen wollen, weil sie keine Liebe zum Gottesdienst mehr verspüren, und bei denen sogar Gott selbst kaum eine Chance hat, der zu sein, der er ist.“
Nicht nur die Anpassung der „Gottesdienstgestaltung“ an vermeintliche Erwartungen der Gemeinde und das damit verbundene Abdriften in die Unverbindlichkeit, beleuchtet Thöle kritisch, als geradezu zerstörerisch beschreibt er den weitgehenden Verlust religiöser Substanz der Gottesdienste.
Der Verlust der sonntäglichen Eucharistie – der gar nicht mehr als schädlich empfunden werde, so Thöle – ist dafür nur das gravierendste Zeichen. „Es ist wie bei einer Autoimmunerkrankung, bei der sich aus Phobie vor dem Sakralen immer neue Schübe zerstörerisch gegen sich selbst richten.“ Ein simplifizierter Predigtgottesdienst sei zum Normalprogramm geworden, „der zu besonderen Anlässen mit säkularen und neoreligiösen Elementen aufgeputzt“ werde.
Phobie vor dem Sakralen? Oder, wie Thöle es an anderer Stelle formuliert: „Angst vor der Verbindlichkeit des Glaubens, die vom Abendmahl ausgeht“? Seine Ausführungen zum „protestantischen Abendmahlsparadox“ zwingen mindestens zu einem geschärften Blick auch auf die Abendmahlspraxis in der eigenen Kirche.
Reinhard Thöles Buch ist nicht nur eine kritische Bestandsaufnahme, es ist ein Weckruf, geht es doch beim Gottesdienst nicht um eine mehr oder weniger gut gemachte Kulturveranstaltung, sondern letztlich um Leben und Tod. „Es geht um eine gefährliche Seriosität“, schreibt Thöle. „Der Mensch begegnet aus der Gefährlichkeit seines Lebens dem Dreieinigen Gott. Und die Begegnung mit ihm ist ebenfalls gefährlich. Im Gottesdienst geht es um ‚alles‘, um unser Leben und unseren Tod innerhalb seines Todes und seines Lebens.“ Und weiter: „Ist das vielleicht einer der Gründe, warum die geistlichen Berufe nicht mehr attraktiv erscheinen, weil man heute in vielen Gottesdiensten den Eindruck gewinnen kann, es geht eigentlich um nichts mehr?“
Ja, es ist ein scharfer Blick, mit dem der emeritierte Theologe die Gottesdienste analysiert. Aber womöglich ein heilsamer. Denn, so Thöle: „Gefährlich ist es, Gott im Gottesdienst zu begegnen, noch gefährlicher ist es, ihm im Gottesdienst nicht zu begegnen.“ Wem der Gottesdienst am Herzen liegt, sollte das Buch lesen.
Reinhard Thöle
Geheiligt werde dein Name – Christliche Gottesdienste zwischen Anbetung und Anbiederung
Tectum Verlag 2021, 178 Seiten, 24,00 Euro
Gottfinder
Matthias Hilbert kann Lebensgeschichten so zusammenfassen, dass sie neugierig machen. Auf die Porträtierten, auf deren Bücher. Auf die Glaubenszeugnisse. Denn wie schon in seinem Buch „Gottsucher“ porträtiert Matthias Hilbert auch in seinem neuen Band Dichter-Persönlichkeiten, die ihren Weg zu Gott fanden. Und auch diesmal gelingt ihm das Kunststück, in komprimierter Form Lebensbilder spannend und einprägsam zu skizzieren und dabei die Suche nach Gott ins Zentrum zu stellen.
Neben bedeutenden Namen wie Augustinus, Paul Claudel, T.S. Eliot oder Blaise Pascal sind diesmal auch weniger bekannte oder vergessene Schriftsteller dabei, wie Manfred Hausmann, Willy Kramp, die englische Krimiautorin Dorothy L. Sayers, Reinhold Schneide oder die norwegische Nobelpreisträgerin Sigrid Undset.
„Dass die vorgestellten Dichterinnen und Dichter nach ihrer Bekehrung bestrebt waren, dem Klang des Evangeliums auch in ihrem Werk eine Stimme zu verleihen, überrascht nicht“, schreibt Matthias Hilbert, denn „das existenzielle Angesprochensein von Gott war für sie weder eine Randnotiz noch eine akademisch-philosophische Angelegenheit, über die sich unverbindlich diskutieren ließe, sondern dieses Angesprochensein von Gott war für sie ein zutiefst erschütterndes Ereignis.“
Man könne den Titel des Buches auch umkehren, meint Hilbert, und feststellen, dass die porträtierten Autorinnen und Autoren sich „von Gott haben finden lassen und seinem Anruf nicht ausgewichen sind, sondern sich ihm gestellt haben“.
Insofern sind sie Glaubenszeugen geworden, und Matthias Hilbert ist es zu verdanken, dass er in dieser anregenden Art und Weise auf sie neu aufmerksam macht.
Matthias Hilbert
Gottfinder – Dichter-Bekehrungen durch die Jahrhunderte. 14 Dichterporträts
Steinmann Verlag 2021, 144 Seiten, 16,80 Euro
Weitere Buchtipps finden Sie im Archiv.
Lesenswert
An dieser Stelle werden auf selk.de regelmäßig Bücher vorgestellt: zum Lesen, zum Verschenken, zum Nachdenken, zum Diskutieren – Buchtipps für anregende Lektürestunden. Die hier veröffentlichten Buchvorstellungen hat Doris Michel-Schmidt verfasst.
Fährmann, hol über!
Der Fährmann des Buchtitels ist der heilige Christophorus, der Lieblingsheilige der Autorin Felicitas Hoppe. Ihr Verhältnis zu den Heiligen sei „auf fahrlässige Weise unhistorisch und schwankend“, schreibt sie in ihrem neuen Essayband, es sei „alles andere als theologisch begründet, sondern von alten Bildern grundiert“. Ihren Favoriten, Christophorus, sieht man auf Bildern oft als Riese mit einem Stab, der das Jesuskind („also mich, wen sonst!“ schreibt Hoppe) auf seinen Schultern über einen gefährlichen Fluss trägt.
Es sind solche Bilder aus ihrer katholischen Lebenswelt, die das literarische Schaffen der vielfach preisgekrönten Autorin prägen. Und es macht die Faszination ihrer Texte aus, dass sie diese beiden Welten – Glauben und Literatur – so intelligent, so leicht, so tiefgründig miteinander verbindet oder besser: ins Gespräch bringt.
Der Aufsatz mit dem Titel „Und schrieb in den Sand“ umkreist die Geste Jesu, als er die Ehebrecherin verurteilen soll und stattdessen „in den Sand schreibt“. Was bedeutet sein Schweigen, wie entsteht daraus eine machtvolle Präsenz und Kraft?
Der Text „Wie pfeift man das Johannesevangelium?“ verdankt seinen Titel einer Geschichte aus den Schweizer Alpen. Sie erzählt von zwei Brüdern, von denen der ältere den jüngeren loswerden will und ihn ins sichere Verderben schickt. Die strikte Anweisung lautet: „Du darfst während der ganzen Zeit weder singen, noch beten, noch lesen, noch das Kreuzzeichen machen.“ Das Pfeifen hatte der große Bruder zu verbieten vergessen, und so zog der jüngere mutig los – und pfiff das St. Johannesevangelium (wie auch immer sich das anhören mochte).
Felicitas Hoppe reflektiert ausgehend von Bildern und Geschichten ihr eigenes Schreiben, das Verhältnis von Erzählung und Schrift, von Erlebtem und Gehörtem.
Die Schleifen, die Hoppe vor, hinter und um diese und die anderen Geschichten führt, sind witzig, lehrreich, manchmal verwegen. Wie in all ihren Texten reist man als Lesende gern mit und bekommt Ein- und Aussichten präsentiert, die einen überraschen, erinnern – und trösten. Mehr kann Literatur nicht leisten, aber das ist schon sehr viel.
Felicitas Hoppe
Fährmann, hol über! Oder wie man das Johannesevangelium pfeift
Herder Verlag 2021, 159 Seiten, 18,00 Euro
Wie ich zum Mann wurde
Alexander Krylov hat viel zu erzählen. Aufgewachsen ist der 52jährige in Russland, in einer deutsch-russischen Familie, seit über zwanzig Jahren lebt er in Deutschland. Nach einer erfolgreichen akademischen Karriere an den Universitäten in Moskau, Bremen und Berlin entschied er sich, Priester zu werden.
In seinem Buch erzählt er kurze Anekdoten, Begebenheiten, Erinnerungen aus seiner Kindheit. Es sind kleine Einblicke in den Alltag in einem ideologischen System, aus der Sicht eines Jungen.
Der Atheismus war Staatsreligion, aber durch die Oma und die Mutter war der katholische Glaube in der Familie präsent, auch wenn eine richtige religiöse Erziehung nicht möglich war. Eine (orthodoxe) Kirche sah der Autor zum ersten Mal mit sechs Jahren, eine römisch-katholische erst mit zwanzig. Aber schon als Fünfjähriger hielt er seine erste Predigt, im Kindergarten. Da die anderen Kinder offensichtlich nichts von Gott wussten, trommelte er die Gruppe zusammen und teilte ihnen mit, wer im Himmel wohnt und was er alles für uns macht. Bei dieser „Verkündigung, die nicht den festgelegten Erziehungsrichtlinien“ entsprach, wurde er von der Kindergärtnerin ertappt. Die treue Sowjetbürgerin versicherte ihm, dass es keinen Gott gäbe, und sie führte als Beweis an, dass der erste sowjetische Kosmonaut Juri Gagarin im Kosmos gewesen sei und dort keinen Gott gesehen habe. Nur dumme und ungebildete Menschen würden an Gott glauben – und damit den Fortschritt stören.
Alexander Krylov beschreibt viele skurrile Szenen aus der Schule, aus seiner Zeit als Pionier, aus dem familiären Alltag. Er tut das mit Witz und Charme. Keine unglückliche Kindheit wird da erzählt, aber immer ist als Hintergrund das autoritäre System deutlich, das verhindern will, dass die Menschen wirklich erwachsen werden. Noch am Schulabschlussball 1986, so schreibt Krylov, konnten die 17jährigen sich nicht vorstellen, dass „der sicherste und auf die Ewigkeit gegründete Staat der Arbeiter und Bauern“ nur fünf Jahre später zusammenbrechen würde.
Eine unterhaltsame Lektüre, die begreiflich macht, wie „das normale Menschliche und das Wahnsinnige oft so nah beieinander lagen, dass man es kaum unterscheiden konnte.“
Alexander N. Krylov
Wie ich zum Mann wurde – Ein Leben mit Kommunisten, Atheisten und anderen netten Menschen
fe-Medienverlag 2020, 200 Seiten, 10,00 Euro
Weitere Buchtipps finden Sie im Archiv.
50 Jahre SELK – Können Sie die Fragen beantworten?
1972 schlossen sich bisher eigenständige lutherische Kirchen zur SELK zusammen. Damals trat die gemeinsam erarbeitete Grundordnung – sozusagen die Verfassung der Kirche – in Kraft.
Was steht denn eigentlich in dieser Grundordnung? Doris-Michael-Schmidt (Limburg) hat daraus ein Quiz-Spiel gemacht: Testen Sie Ihre Kenntnisse über die SELK und vervollständigen Sie die nachfolgenden Sätze.
(Ein Hinweis: Die entsprechenden Artikel zur Beantwortung der Fragen finden Sie unten. Die ganze Grundordnung und weitere Dokumente sind abzurufen im Download-Bereich).
Vervollständigen Sie die Sätze aus der Grundordnung (GO) der SELK:
Frage 1:
GO Art.1 (1) Die Selbständige Evangelisch-Lutherische Kirche steht in der Einheit der heiligen, christlichen und apostolischen Kirche, die überall da ist, wo …
Frage 2:
GO Art.1 (2) Sie bindet sich daher an die Bekenntnisschriften der evangelisch-lutherischen Kirche, weil in ihnen die schriftgemäße Lehre bezeugt ist, nämlich an …
Frage 3:
GO Art. 2 (1) Die Selbständige Evangelisch-Lutherische Kirche pflegt Kirchengemeinschaft mit allen Kirchen, die …
Frage 4:
GO Art. 7 (1) Das eine, von Christus gestiftete Amt der Wortverkündigung und Sakramentsverwaltung kann nur ausüben, wer ...
Frage 5:
GO Art. 19 (7) Der Bischof wird durch … gewählt.
Frage 6:
GO Art. 20 (1) Das Kollegium der Superintendenten besteht aus …
Frage 7:
GO Art. 21 (1) Die Kirchenleitung besteht aus …
Frage 8:
GO Art. 24 (3) Der Allgemeine Pfarrkonvent soll die Verbundenheit aller Amtsträger der Kirche untereinander fördern.
Es gehört zu den Aufgaben des Allgemeinen Pfarrkonventes:
…
Frage 9:
GO Art. 25 (2) Die Kirchensynode wird für eine Synodalperiode von … Jahren gebildet
Frage 10:
GO Art. 25 (6) Der Bekenntnisstand der Kirche kann durch Beschluss der Kirchensynode … verändert werden.
Und noch zwei Fragen zu den Anfängen der SELK:
Frage 11:
Wer unterzeichnete die neue Grundordnung im Auftrag der Kirchenleitungen Freier Evangelisch-Lutherischer Kirchen in Deutschland?
Frage 12:
Wo fand die 1. Kirchensynode der SELK statt? Wann?
Das Jubiläum zum 50. Jahrestag des Zusammenschlusses zur SELK wird am 25. und 26. Juni 2022 gefeiert. Zu der Festveranstaltung auf dem Campus der Lutherischen Theologischen Hochschule und dem Gottesdienst am 26. Juni 2022 in der St. Johannes-Kirche in Oberursel sind alle herzlich eingeladen!
Hier finden Sie die Antworten:
Zu Frage 1:
GO Art. 1 (1) Die Selbständige Evangelisch-Lutherische Kirche steht in der Einheit der heiligen, christlichen und apostolischen Kirche, die überall da ist, wo das Wort Gottes rein gepredigt wird und die Sakramente nach der Einsetzung Christi verwaltet werden. Sie bezeugt Jesus Christus als den alleinigen Herrn der Kirche und verkündigt ihn als den Heiland der Welt.
Zu Frage 2:
GO Art. 1 (2) Sie ist gebunden an die Heilige Schrift Alten und Neuen Testaments als an das unfehlbare Wort Gottes, nach dem alle Lehren und Lehrer der Kirche beurteilt werden sollen. Sie bindet sich daher an die Bekenntnisschriften der evangelisch-lutherischen Kirche, weil in ihnen die schriftgemäße Lehre bezeugt ist, nämlich an die drei ökumenischen Symbole (das Apostolische, das Nicänische und das Athanasianische Bekenntnis), an die ungeänderte Augsburgische Konfession und ihre Apologie, die Schmalkaldischen Artikel, den Kleinen und Großen Katechismus Luthers und die Konkordienformel.
Zu Frage 3:
GO Art. 2 (1) Die Selbständige Evangelisch-Lutherische Kirche pflegt Kirchengemeinschaft mit allen Kirchen, die Lehre und Handeln in gleicher Weise an die Heilige Schrift und das lutherische Bekenntnis binden.
(2) Sie verwirft die der Heiligen Schrift und den lutherischen Bekenntnissen widersprechenden Lehren und ihre Duldung sowie jede Union, die gegen Schrift und Bekenntnis verstößt.
(3) Sie weiß sich darin einig mit der rechtgläubigen Kirche aller Zeiten.
Zu Frage 4:
GO Art. 7 (1) Das eine, von Christus gestiftete Amt der Wortverkündigung und Sakramentsverwaltung kann nur ausüben, wer berufen und ordiniert ist.
(2) Dieses Amt kann nur Männern übertragen werden.
Zu Frage 5:
GO Art. 19 (7) Der Bischof wird durch die Kirchensynode auf Vorschlag des Allgemeinen Pfarrkonvents gewählt.
Zu Frage 6:
GO Art. 20 (1) Das Kollegium der Superintendenten besteht aus allen Superintendenten, den Pröpsten und dem Bischof. Den Vorsitz im Kollegium der Superintendenten führt der Bischof oder sein Vertreter. Die Kirchenräte nehmen an den Sitzungen des Kollegiums der Superintendenten teil.
Zu Frage 7:
GO Art. 21 (1) Die Kirchenleitung besteht aus dem Bischof, den Pröpsten und den Kirchenräten.
Einer der Kirchenräte führt die Geschäfte der Kirchenleitung im Hauptamt. Abgesehen vom Bischof soll die Anzahl der Laien der Anzahl der Geistlichen entsprechen.
Zu Frage 8:
GO Art. 24 (3) Der Allgemeine Pfarrkonvent soll die Verbundenheit aller Amtsträger der Kirche untereinander fördern. Es gehört zu den Aufgaben des Allgemeinen Pfarrkonventes:
a) über Zustand, Weg und Aufgabe der Kirche zu beraten;
b) über Fragen der Lehre, des Gottesdienstes und der kirchlichen Praxis zu beraten. Er kann dazu Beschlüsse fassen. Solche Beschlüsse bedürfen der Zustimmung durch die Kirchensynode, wenn sie bindende Wirkung für die Kirche haben sollen;
c) der Kirchensynode Vorschläge über die Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft mit anderen Kirchen zu unterbreiten. Diese Vorschläge müssen mindestens mit Zweidrittelmehrheit beschlossen werden;
d) Kandidaten für die Wahl des Bischofs benennen.
Zu Frage 9:
GO Art. 25 (2) Die Kirchensynode wird für eine Synodalperiode von 4 Jahren gebildet. Die Synodalperiode beginnt mit dem ersten Zusammentritt der Kirchensynode und endet mit dem ersten Zusammentritt der nächsten Kirchensynode, der frühestens 46 und spätestens 50 Monate nach Beginn der Synodalperiode stattfinden soll.
Die Kirchensynode tritt höchstens einmal im Jahr und mindestens einmal in der Synodalperiode zu einer ordentlichen Tagung zusammen. Sie ist einzuberufen, wenn die Kirchenleitung und das Kollegium der Superintendenten oder drei Bezirkssynoden oder 20 Gemeinden oder mehr als die Hälfte der Synodalen dies beantragen. Die Kirchensynode gibt sich eine Geschäftsordnung.
Zu Frage 10:
GO Art. 25 (6) Der Bekenntnisstand der Kirche kann durch Beschluss der Kirchensynode nicht verändert werden. Beschlüsse, welche der Heiligen Schrift und dem Bekenntnis der Kirche widersprechen, sind ungültig.
Zu Frage 11:
Die Grundordnung wurde unterzeichnet von Dr. Gerhard Rost, Oberkirchenrat.
Zu Frage 12:
Die 1. Kirchensynode der SELK fand vom 23.-27. Mai 1973 in Radevormwald statt.
50 Jahre SELK: Talkrunde an Frankfurter Buchmesse
Der Zusammenschluss eigenständiger lutherischer Kirchen zur Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche SELK, der sich im nächsten Jahr zum 50. Mal jährt, war Thema einer Talkrunde an der Frankfurter Buchmesse. Für selk.de fasst Doris Michel-Schmidt das Gespräch zusammen.
Eingeladen zu der Talkrunde hatte der Verlag Edition Ruprecht, in dem mehrere Bücher von SELK-Autoren erschienen sind. Auf dem Podium saßen Prof. Achim Behrens, Rektor der Lutherischen Theologischen Hochschule (LThH) Oberursel, Werner Klän (Lübeck), emeritierter Professor der LThH, und Dr. Lothar Triebel vom Konfessionskundlichen Institut Bensheim. Moderiert wurde das Gespräch von Andreas Odrich, Redaktionsleiter beim ERF in Wetzlar.
Was das Besondere an der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche sei, wollte der Moderator zu Beginn wissen. Achim Behrens stellte in seiner Antwort die SELK zunächst in zwei Traditionsstränge: sie sei erstens Kirche im großen Strom der einen Christenheit, gebunden an das Evangelium – deshalb evangelisch. Sie sehe sich zweitens im Strom der lutherischen Reformation. Er verwies dabei auf das Motto der Hochschule in Oberursel: „VERBO SOLO – FIDE SOLA“, das jüngst wieder an das neu errichtete Haupt- und Bibliotheksgebäude angebracht wurde. Der Rektor war erstaunt, wieviel Interesse diese angebrachten Worte neu hervorriefen; man könne daran gut erläutern, was ein Grundsatz lutherischer Theologie sei: Allein durch das Wort und allein durch den Glauben werden wir Menschen vor Gott selig, kommen wir mit Gott ins Reine. Selbständig schließlich, so Behrens, sei die SELK, weil sie im 19. Jahrhundert in einem emanzipatorischen Prozess aus der Übernahme der Verantwortung für das lutherische Bekenntnis in die Selbständigkeit gegangen sei.
Wie dieser Prozess vor 200 Jahren in einem „Akt der Befreiung“ angefangen hatte, skizzierte Prof. Werner Klän am Beispiel des Königreichs Preußen, wo sich zunächst vor allem in Schlesien Lutheraner gegen die von König Friedrich Wilhelm III eingeführte Vereinigung der lutherischen und der reformierten Kirche wehrten. In der Folge wurden sie vom Staat an den Rand gedrängt und unterdrückt. Klän verdeutlichte das am Beispiel eines Müllers, der in Erfurt seine Tenne für die nun „illegalen“ lutherischen Gottesdienste zur Verfügung stellte. Er wurde verpfiffen, die Gendarmen kamen und belegten ihn mit einer Strafe von 1 Taler. Der Müller weigerte sich zu zahlen, er berief sich auf seine Gewissens- und Religionsfreiheit – sehr moderne Werte im 19. Jahrhundert. Was ihm nichts nützte: Er wurde immer und immer wieder verdonnert – am Ende hätte er 40 Taler zahlen müssen, was damals dem Jahresgehalt eines Pfarrers entsprach. Am Ende musste er zwar nicht zahlen, weil der König starb und die politischen Entwicklungen eine andere Richtung nahmen. Aber, so Klän: „Der Mann wäre bereit gewesen, diese immense Strafe auf sich zu nehmen. Das ist nur ein Beispiel dafür, welch hohes Maß an Emanzipation gegenüber dem Staat und welch hohes Maß an Verantwortung für den eigenen Glauben und die Kirche diese Menschen damals aufbrachten.“
Auf die Nachfrage, warum es zu diesen Repressionen durch den Staat kam, erläuterte Klän: „In einem staatskirchlichen Konzept dient die Kirche auch der Stabilisierung des Staatswesens und dem gesellschaftlichen Zusammenhalt.“ Dazu kam, so Klän, eine theologische Tendenz, die Unterschiede zwischen Lutheranern und Reformierten nicht mehr so wichtig zu nehmen. Aufklärung und Pietismus hätten diese Differenzen nivelliert, so dass es auch innerhalb der Kirchen eine starke Tendenz gegeben habe, zu sagen: Lasst uns doch zusammengehen. Aber es gab eben auch die Lutheraner, die dagegenhielten und unabhängig bleiben wollten.
„Ist die SELK so etwas wie das gallische Dorf in der Kirche?“ fragte der Moderator anschließend den Konfessionskundler Lothar Triebel. Der antwortete diplomatisch, die SELK sei jedenfalls etwas Besonderes, in dem sie zwei Elemente verbinde, die es in dieser Kombination in Deutschland sonst nicht gebe. Das lutherische Bekenntnis würden auch Landeskirchen für sich in Anspruch nehmen, während die Selbständigkeit bei vielen Freikirchen typisches Merkmal sei. Das lutherische Bekenntnis und die eigene Selbständigkeit zu verbinden, sei das Besondere der SELK.
Schließlich kam man auf den Zusammenschluss zur SELK 1972 zu sprechen. Ob das denn damals noch zeitgemäß gewesen sei, fragte der Moderator, und warum man sich nicht der EKD beziehungsweise den lutherischen Landeskirchen angeschlossen habe.
In seiner Antwort wies Werner Klän darauf hin, dass schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts den verschiedenen unabhängigen lutherischen Kirchen zunehmend bewusst geworden sei, dass sie enger zusammengehörten, als die territorialen Abgrenzungen glauben machen wollten. Entwicklungen in den Landeskirchen und in der akademischen Theologie hätten diese Erkenntnis verstärkt. Nach dem 2. Weltkrieg habe es dann einen Schub gegeben, den Zusammenschluss nun auch zu konkretisieren, denn die Gründung der Evangelischen Kirche in Deutschland, der EKD, und der Beitritt der lutherischen Landeskirchen (VELKD) zur EKD hätten das Motiv zur Entstehung der selbständigen lutherischen Kirchen im 19. Jahrhundert neu aktiviert. Man wollte nicht zu einer konfessionsübergreifenden – und aus Sicht der Lutheraner damit auch konfessionsnivellierenden – Großkirche gehören.
Bis es schließlich 1972 zum Zusammenschluss kam, habe es allerdings Zeit gebraucht. Unterschiedliche Ausprägungen, die sich in den vorangegangen 150 Jahren in den verschiedenen eigenständigen Kirchen ausgebildet hatten, wollten berücksichtigt werden. 1972 konnte schließlich die Grundordnung als gemeinsame Verfassung in Kraft treten.
Bei der Frage, ob das freikirchliche Modell zukunftsträchtig(er) sein könnte, gab sich der Konfessionskundler Lothar Triebel zurückhaltend. Zentral sei doch, dass die Kirchen miteinander im Gespräch blieben und man auf das schaue, was man gemeinsam gut machen könne.
Das Jubiläum zum 50. Jahrestag des Zusammenschlusses zur SELK wird am 25. und 26. Juni 2022 gefeiert. Zu der Festveranstaltung auf dem Campus der Lutherischen Theologischen Hochschule und dem Gottesdienst am 26. Juni 2022 in der St. Johannes-Kirche in Oberursel sind alle herzlich eingeladen!
Der Weg zur Einigung | 50 Jahre SELK
Am 25. Juni 2022 jährt sich der Zusammenschluss eigenständiger lutherischer Kirchen zur Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche (SELK) zum 50. Mal. Eine Arbeitsgruppe bereitet eine Festveranstaltung vor. Auf dem Weg dorthin sollen auf selk.de verschiedene Aspekte des Jubiläums beleuchtet werden, so heute die Tatsache, dass der dem Zusammenschluss zugrundeliegenden Einigung ein längerer Weg der Annäherung vorausgegangen ist.
Am Gedenktag der Augsburgischen Konfession, dem 25. Juni 1972, trat die Grundordnung der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche in Kraft. Damit war der Zusammenschluss dreier eigenständiger lutherischer Kirchen zur SELK auf dem Gebiet der alten Bundesländer vollzogen.
Ein knappes Jahr später, im Mai 1973, fand in Radevorwald die erste Kirchensynode der neu vereinigten SELK statt. In seinem Bericht vor der Synode ließ der damalige Bischof Dr. Gerhard Rost anklingen, wie viele Hindernisse und Schwierigkeiten auf diesem Weg auszuräumen waren. Es sei ein achtjähriges intensives Mühen der beteiligten Kirchen gewesen, so Rost: der Evangelisch-lutherischen (altlutherischen) Kirche, der Evangelisch-Lutherischen Freikirche und der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche.
Natürlich ging es um theologische Grundsatzfragen, aber ein Zusammenschluss stellt immer auch organisatorische Fragen nach Verfassung, Verwaltung und Struktur.
In den theologischen Grundsatzfragen folgte man nach einigen erfolglosen Versuchen, zu einem gemeinsamen Dokument zu kommen, dem Rat von Prof. Dr. Hermann Sasse. Er hatte empfohlen, zu den Einigungssätzen von 1948 als Lehrgrundlage zurückzukehren. Damals hatten die Auswirkungen des Krieges dazu geführt, dass die lutherischen Bekenntniskirchen näher zusammenrückten, da viele Pastoren und Gemeindeglieder tot oder verschollen, viele Kirchen zerstört oder durch Vertreibung verloren waren. Allein die Altlutherische Kirche hatte über die Hälfte ihrer Gemeinden verloren, die östlich der Oder-Neisse-Grenze gelegen waren.
Einen wichtigen Anstoß hatte damals die Missouri-Synode gegeben, die in dieser Situation mit großzügiger Hilfe den Wiederaufbau unterstützte. In zahlreichen Konferenzen waren die strittigen theologischen Fragen behandelt, die Resultate von einer gemeinsamen Kommission 1947 als sog. „Einigungssätze“ publiziert und allen Gemeinden zur Stellungnahme versandt worden. 1948 konnte die Aufrichtung der Kirchengemeinschaft zwischen der Altlutherischen und der Evangelisch-Lutherischen Freikirche offiziell bekannt gemacht werden. Die Selbständige Evangelisch-lutherische Kirche erklärte 1949 ebenfalls ihre sachliche Übereinstimmung mit den Einigungssätzen.
Die Einigungssätze waren das Fundament der praktizierten kirchlichen Gemeinschaft und damit auch später noch von hoher Bedeutung. So konnten die Kirchenleitungen im Vorfeld der Gründung der SELK sie als Grundlage aufnehmen und stellten in einer Erklärung ihre Verbindlichkeit auch für die SELK klar.
Wer sich heute die Einigungssätze in die Hand nimmt, kann nur staunen über diese Arbeit. Auf über 100 Seiten wurden die theologischen Fragen abgehandelt: „1. Von der Heiligen Schrift, 2. Von der Bekehrung und Gnadenwahl, 3.Von der Kirche und dem Predigtamt, 4. Von den letzten Dingen“. Zu jedem dieser Bereiche gab es eine Vorbemerkung, Thesen, Erläuterungen und Belegstellen. „Über die anderen Stücke unseres Glaubens zu handeln, tut nicht not, da hier keine Differenzpunkte bestanden haben“, heißt es in der einleitenden Bemerkung. Die Art und Weise, wie damals nach dem Krieg – in ungleich schwierigeren Zeiten – Differenzen aufgezeigt, diskutiert und anhand von Bibel und Bekenntnisschriften beigelegt werden konnten, sollte man nicht vergessen ... Die Mühe hatte sich offenbar gelohnt, denn die Einigungssätze waren eine wichtige Voraussetzung und Grundlage für den späteren Zusammenschluss der lutherischen Freikirchen zur SELK.
Das Jubiläum zum 50. Jahrestag des Zusammenschlusses zur SELK wird am 25. und 26. Juni 2022 gefeiert. Zu der Festveranstaltung auf dem Campus der Lutherischen Theologischen Hochschule und dem Gottesdienst am 26. Juni 2022 in der St. Johannes-Kirche in Oberursel sind alle herzlich eingeladen!