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SELK-Aktuell

Aufruf zur Fürbitte um Frieden


Der Konflikt im Osten Europas zwischen Russland und der Ukraine ist allem Anschein nach die schwerste kriegerische Auseinandersetzung auf dem europäischen Kontinent seit dem Ende des 2. Weltkrieges. Bischof Hans-Jörg Voigt D.D. von der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche (SELK) wendet sich in dieser Situation an seine Kirche, aber auch an die Öffentlichkeit, setzt ergänzend zu den medialen Berichten einen besonderen Schwerpunkt durch seine „Stellungnahme zur kirchlichen Lage in der Ukraine und Russland“ und gibt geistliche Hilfen, darunter auch einen ausführlichen Gebetsvorschlages.

Zum Spendenaufruf bitte hier klicken.

Bischof Voigt


Aufruf zur Fürbitte um Frieden


Der Konflikt im Osten Europas ist allem Anschein nach die schwerste kriegerische Auseinandersetzung auf dem europäischen Kontinent seit dem Ende des 2. Weltkrieges. Ich bitte die Gemeinden der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche (SELK), ihre Glieder und Pfarrer, nicht nachzulassen, um Frieden zu beten.

In unserem neuen Evangelisch-Lutherischen Kirchengesangbuch (ELKG²) finden sich Gebete auf Seite 1594 (Gebet am Mittwoch) und den Seiten 1613 und 1614.

Lieder, die zum Gebet um Frieden geeignet sind, sind unter anderem folgende:
„Verleih uns Frieden gnädiglich“ (ELKG² 669 und 670), „Du Friedefürst, Herr Jesu Christ“ (671), „Unfriede herrscht auf der Erde“ (672), „Gib Frieden, Herr, gib Frieden“ (673), „Hevenu schalom alejchem“ (674), „Dona nobis pacem“ (675 und 677) und „Frieden, Frieden“ (676). Unter der Nummer 157 findet sich ein Kyrie-Ruf aus der orthodoxen Liturgie der Ukraine. Möge unser Gesangbuch in dieser Notzeit seine geistliche Kraft entfalten.

Ich füge zudem einen gottesdienstlichen Gebetsvorschlag an, der sich natürlich auch für das häusliche Gebet eignet.

Herr, erbarme dich!

Am 24. Februar 2022
Bischof Hans-Jörg Voigt D.D
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Stellungnahme zur kirchlichen Lage in der Ukraine und Russland

Mit Traurigkeit und Sorge nehme ich in diesen Tagen das Leid und das Blutvergießen wahr, dass sich in der Ukraine ereignet. Unsere Ohnmacht treibt uns in das Gebet zu Gott, der durch seinen Sohn Jesus Christus Frieden zwischen uns in Schuld und Tod verfallenen Menschen und seiner göttlichen Heiligkeit gestiftet hat.

Weil in der öffentlichen Berichterstattung die kirchliche Lage der Orthodoxen Kirche in Russland und der Ukraine kaum Berücksichtigung findet, möchte ich hier auf einige Hintergründe aufmerksam machen. Das Verhältnis dieser Kirchen scheint mit ursächlich für den Ausbruch des Konfliktes zu sein.

Am 14. September 2018 kam es zum Bruch zwischen der Russisch-Orthodoxen Kirche, Patriarchat Moskau, und dem Ökumenischen Patriarchat von Konstantinopel. Das Patriarchat von Konstantinopel hatte zuvor zwei Exarchen in Kiew ernannt und damit die Unabhängigkeit (Autokephalie) der Orthodoxen Kirche in der Ukraine anerkannt.

Am Donnerstag, 24. Februar 2022, veröffentlichte der Patriarch Kyrill I. eine Ansprache auf der Website des Moskauer Patriarchats, in der er sagt: „Als Patriarch von ganz Russland und Primas der Kirche, dessen Herde sich in Russland, der Ukraine und anderen Ländern befindet, empfinde ich tiefes Mitgefühl mit allen, die von dem Unglück betroffen sind.“ Der Konflikt ist hier zwischen den Zeilen verborgen: Indem Kyrill sich als Patriarch von Russland und der Ukraine bezeichnet, verweigert er die Anerkennung der Autokephalie der Ukraine ein weiteres Mal. Kyrill I. gab seiner Hoffnung Ausdruck, dass die „von Gott geschenkte Gemeinschaft“ dazu beitragen werde, die „Spaltungen und Widersprüche zu überwinden, die zu dem gegenwärtigen Konflikt geführt“ hätten. Im Grunde genommen rechtfertigt er damit den Krieg indirekt.

Die Lehre Einklang (Symphonia) zwischen Staat und Kirche ist die Achillesferse der Orthodoxen Kirche. Am „Tag der Verteidiger des Vaterlandes“ gratulierte Kyrill I. President Putin, seinem „lieben Wladimir Wladimirowitsch“. Putin hatte Kyrill erst am 20. November 2021 zum 75. Geburtstag den Orden des heiligen Apostels Andreas überreicht, die höchste Auszeichnung des russischen Staates. In dieser Woche sagte Kyrill, dass er dafür beten werde, Gott möge „das russische, das ukrainische und andere Völker beschützen, die durch unsere Kirche geistig vereint“ sind.

Auch die Lage der kleineren lutherischen Kirche in der Ukraine ist von Zerrissenheit und Konflikten geprägt und bedarf unserer Fürbitte.

Das Bekenntnis der lutherischen Kirche kennt die Unterscheidung der beiden Regierweisen (Reiche) auch wenn es bis in unsere Tage immer wieder zu gegenseitigen Übergriffen kommt. August Vilmar, einer der theologischen Väter der Hessischen Renitenz, einer Vorgängerkirche der SELK, soll seinem Kurfürsten zugerufen haben: „Sire, geben Sie die Kirche frei!“1 Theodor Harms, einer der Väter der Hannoverschen ev.-luth. Freikirche, sagte sehr grundlegend: „Wie soll sich aber die Kirche zum Staate stellen? Ich weiß keine andere Antwort als die: … Freie Kirche und Freier Staat. Ohne Freiheit gedeiht weder Kirche noch Staat.“2 Diese Zitate scheinen heute noch so aktuell wie im 19. Jahrhundert.

Dass bei den gegenwärtigen Kriegshandlungen auch ein kirchlicher Konflikt im Hintergrund steht, erscheint mir besonders bitter zu sein. Dies sage ich mit aller gebotener Demut vor dem Hintergrund der westeuropäischen und unserer deutschen Geschichte des vergangenen Jahrhunderts.

Christus spricht: „Dies habe ich mit euch geredet, damit ihr in mir Frieden habt. In der Welt habt ihr Angst; aber seid getrost, ich habe die Welt überwunden.“ (Johannes 16,33). Hans-Jörg Voigt

.....

1 Vilmar soll in einer persönlichen Audienz den Kurfürsten aufgefordert haben: „Geben Sie die Kirche frei!“. Dies berichtet er in einem Brief an den Bruder W. Vilmar vom 14. Oktober 1849 (vgl. Hopf, A. Vilmar, II, S. 90; Karl Wicke, Die hessische Renitenz: ihre Geschichte und ihr Sinn, Kassel 1930, S. 35.
2 Grünhagen, Andrea, Erweckung und konfessionelle Bewusstwerdung, Berlin, 2010, S. 322. 




Fürbittengebet um Frieden

Liturg zur Gemeinde: Im Frieden lasst uns beten durch unsern Herrn Jesus Christus, den Erlöser der Welt.

Lektor zur Gemeinde: Für den Frieden im Osten Europas / dass der Herr dem Krieg Einhalt gebiete und den Menschen in der Ukraine den Frieden und Freiheit wieder schenke / lasst uns beten:

Gemeinde: Herr erbarme dich. (Hier kann auch das Kyrie aus der orthodoxen Liturgie der Ukraine, ELKG² 157 gesungen werden.)

Lektor zur Gemeinde: Für die Kinder und Jugendlichen / dass der Herr sie an Leib und Seele vor Leid und Verletzung bewahre / lasst uns beten:

Gemeinde: Herr erbarme dich.

Lektor: Für die Brüder und Schwestern in den Kirchen der Ukraine und Russlands / dass Gott ihre Herzen vor Hass aufeinander bewahre / dass er ihnen Wege zeige, dem Frieden zu dienen, das Wort Gottes zu verkündigen und die Sakramente zu feiern / lasst uns beten:

Gemeinde: Herr erbarme dich.

Lektor: Für alle, die politische Verantwortung tragen /dass der Herr ihre Herzen zum Frieden lenke /dass er ihnen helfe der Wahrheit und der Gerechtigkeit zu dienen / dass er die Herzen und Sinne der Menschen vor Irrtum und Lüge bewahre / lasst uns beten:

Gemeinde: Herr erbarme dich.

Lektor: Um Frieden und Eintracht unserem Land /dass der Herr der Polarisierung der Gesellschaft in Interessengruppen wehre / dass er den Frieden an den Arbeitsstätten, Universitäten und Schulen schenke und erhalte / dass er Lehrern und Lehrerinnen neue Kraft gebe und ihre Liebe erhalte / lasst uns beten:

Gemeinde: Herr erbarme dich.

Lektor: Um Frieden in unseren Häusern und Familien / dass der Herr den Eheleuten helfe, die es schwer miteinander haben / dass er gute Verständigung zwischen den Generationen schenke / damit die Kinder in Frieden heranwachsen können und für die ungeborenen Kinder / lasst uns beten:

Gemeinde: Herr erbarme dich.

Lektor: Für ein Ende der weltweiten Krankheitsnot /dass der Herr die Menschen vor Krankheit bewahre / dass er den Pflegekräften und Ärzten neue Kraft gebe / für alle die krank sind, und deren Namen wir hier in der Stille nennen … / lasst uns beten:

Gemeinde: Herr erbarme dich.

Lektor: Für unsere Kirche und Gemeinde / dass der Herr uns bei seiner Wahrheit erhalte / dass er junge Menschen willig mache, in seinen Dienst zu treten / für die Lutherische Theologische Hochschule und alle theologischen Ausbildungsstätten / dass der Herr Lehrende und Lernende in seinem Wort gründe / lasst uns beten:

Gemeinde: Herr erbarme dich.

Liturg zum Altar: Barmherziger Gott, erhalte uns deinen Frieden, schenke Frieden allen Menschen, für die wir gebetet haben, durch Jesus Christus, deinen Sohn, unseren Herrn.
Amen.


Gebet als Download
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Middlemarch


Cover EliotEs gibt Bücher, in die taucht man ein, sobald man zu lesen beginnt. Sie versetzen einen in ein anderes Leben, das einem selbst genügend fremd ist, um neugierig zu werden und gleichzeitig so nah, um sich selbst darin gespiegelt zu finden. Middlemarch ist so ein Buch. George Eliot, die Autorin, lebte im 19. Jahrhundert in England und hieß eigentlich Mary Ann Evans. Sie legte sich ein männliches Pseudonym zu, um ihre literarische Karriere zu befördern.

Mit Middlemarch inszeniert sie eine Kleinstadt in Mittelengland um 1830. Sie setzt Figuren in diese Szenerie hinein, die sofort lebendig werden. Die Schicksale, die sie nach und nach miteinander verwebt, rühren einen an. Man leidet mit den Menschen, deren Pläne und Hoffnungen zerrinnen, deren Beziehungen geprägt sind von Konventionen und Vorurteilen. Eine der Hauptfiguren ist die verwaiste Dorothea Brooke, die sich nach einem hehren geistigen Leben sehnt und glaubt, dieses in der Ehe mit dem älteren Pastor Casaubon zu finden. Der Geistliche, der sich in seiner fruchtlosen Forschung über Mythologien verloren hat, entpuppt sich aber schnell als liebloser, eifersüchtiger Gelehrter, dem Dorotheas Wissensdurst, den er zunächst als Bewunderung genossen hatte, schnell lästig wird.

Dann ist da auf der anderen Seite der zugezogene junge Arzt Tertius Lydgate. Er ist ambitioniert, idealistisch, schert sich scheinbar nicht um Standesdünkel und Gepflogenheiten. Er will den Kranken helfen, neue medizinische Methoden einführen, baut ein Krankenhaus auf. Und heiratet – die falsche Frau. Das sind nur zwei Schicksale, die mit vielen anderen verknüpft werden: Verwandte, Nachbarn, Pfarrer, Ärzte, der Bankier, Politiker, Gutsbesitzer – sie alle gehören zu diesem Kosmos. Sie sind aufeinander angewiesen und stoßen sich ab. Sie wissen um ihre Schuld und versuchen irgendwie durchzukommen. Sie wollen geliebt werden und finden doch keine Ruhe. Wie im richtigen Leben halt.

Was diesen wunderbaren Roman auszeichnet, ist die Präzision, mit der die Psychologie der Figuren entwickelt wird. In nur wenigen Sätzen wird eine Gemütslage offenbart, werden Hoffnungen angedeutet und verborgene Ängste konkret.

Man kann gar nicht anders, als alle diese Figuren mit großer Sympathie zu begleiten, mit ihnen das Scheitern von Plänen zu erleiden und doch auf einen Ausweg zu hoffen. Und ganz nebenbei erfährt man sehr viel Wissenswertes über die damalige politische Situation, über das Gesundheitswesen, die Landwirtschaft und die Glaubenspraxis im viktorianischen England.

Die Sprachkunst dieser hierzulande viel zu unbekannten Autorin ist unvergleichlich. Ihr Humor ist es auch. Anlässlich ihres 200. Geburtstags 2019 erschienen zwei Neuausgaben mit unterschiedlichen Übersetzungen ihres großen Romans, die nun auch als Taschenbücher erhältlich sind. Wer dicke kluge, unterhaltsame Schmöker mag, muss Middlemarch lesen. Über 1000 Seiten reines Lesevergnügen!


George Eliot
Middlemarch. Eine Studie aus dem Leben in der Provinz.
Roman. Aus dem Englischen von Rainer Zerbst.
Deutscher Taschenbuch Verlag, Taschenbuch-Ausgabe, München 2021. 1150 Seiten, 14,90 Euro

George Eliot
Middlemarch. Eine Studie über das Leben in der Provinz.
Roman. Aus dem Englischen von Melanie Walz.
Rowohlt Verlag, Taschenbuchausgabe Hamburg 2021, 1264 Seiten, 20,00 Euro




Hana

Cover KochHana, Tochter einer Jüdin aus Dresden, ist katholisch getauft und lebt bei ihren Stiefeltern in dem sorbischen 200-Seelen-Dorf Horka in der Nähe von Kamenz. Sie weiß um ihre Herkunft, aber sie ist glücklich in Horka und sie liebt ihre Eltern, die sie angenommen haben und sie wie ihre eigene Tochter aufziehen. Außerdem ist sie verliebt in Boscij und er in sie. Alles könnte gut werden. Aber es ist das Jahr 1939, und auch in Horka zieht die nationalsozialistische Bedrohung die Einwohner mehr und mehr in den Abgrund.

Als ein Dorfbewohner auf mysteriöse Weise ums Leben kommt, wird klar, dass auch Hana bedroht ist. Sie muss bei einer Feier den Tanzsaal verlassen, ein „Vergnügungsverbot“ für Nichtarier verlange das, sagt der Ortspolizist Beier, und er müsse von Amts wegen die Anweisungen durchsetzen, auch wenn er „sie sich nicht ausgedacht“ habe. Wenig später taucht die Gestapo auf und erklärt Hana, dass ihr ab sofort jeglicher Gottesdienstbesuch untersagt ist.

Ihr Freund Boscij versucht, sie außer Landes zu bringen, aber der Fluchtversuch scheitert. Hana wird verhaftet. Was danach mit ihr geschehen ist, bleibt im Dunkeln.

Die Geschichte von Hana beruht auf authentischen Ereignissen. Der Schriftsteller Jurij Koch, der selbst aus dem Dorf Horka stammt, hat ihr in seiner Novelle ein literarisches Denkmal gesetzt.

Der Historiker Hermann Simon hat die Geschichte von Hana ebenfalls akribisch recherchiert. In seinem ausführlichen Nachwort stellt er die Fakten anhand der gefundenen Dokumente dar und ergänzt damit die Erzählung von Jurij Koch. Vermutlich starb Hana 1943. Wo, ist nicht bekannt.

Ein eindrückliches Zeugnis dafür, dass Geschichte deutlich wird am Einzelschicksal. Und dass man nie aufhören darf, Geschichten wie die von Hana zu erzählen.


Jurij Koch
Hana. Eine jüdisch-sorbische Erzählung
Verlag Hentrich & Hentrich, Berlin/Leipzig 2020, 120 Seiten, 16,00 Euro




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Geheiligt werde dein Name

2022 01 Cover Thoele 500pxDer Umgang der Kirchen mit ihren Gottesdiensten verrät mehr über sie selbst, als ihnen lieb ist. Ist dem Gottesdienst das Heilige abhandengekommen? Reinhard Thöles Blick auf die Gottesdienstpraxis jedenfalls ist ernüchternd. Moderne experimentelle Formen sollen das eigene Milieu bei Laune halten. Da wird munter „gestaltet“ mit Versatzstücken aus einer Materialkiste, die sich speist aus tradierten Formen, aus anderen Konfessionen oder gar Religionen.

Thöle, emeritierter Professor für Ostkirchenkunde an der Theologischen Fakultät Halle-Wittenberg, entwirft in seinem neuen Buch eine Art Psychogramm des Gottesdienstes. Das ist viel mehr – und viel spannender zu lesen – als eine liturgiegeschichtliche Abhandlung. Reinhard Thöle ist ein profunder Kenner sowohl der römisch-katholischen als auch der evangelischen sowie der orthodoxen Tradition und Praxis. Und er ist ein exzellenter Beobachter. „Zeige mir den Gottesdienst, den du feierst, und ich sage dir nicht nur, welche Theologie du vertrittst, sondern auch, welchen Charakter du hast“ schreibt er pointiert. Dass die „liturgische Symphonie der protestantischen Individualisten und Spezialisten“ mit einem religiösen Relativismus einhergeht, lässt sich wohl kaum bestreiten. Ist der Gottesdienst nur noch menschliches Handeln? Muss Gott halt einfach mitspielen bei all den Reformen, Kontroversen und „Verbesserungen“? Reinhard Thöle spitzt zu: „Vielleicht gibt es ja auch Gottesdienstformen, bei denen weder die Gläubigen mitspielen wollen, weil sie keine Liebe zum Gottesdienst mehr verspüren, und bei denen sogar Gott selbst kaum eine Chance hat, der zu sein, der er ist.“

Nicht nur die Anpassung der „Gottesdienstgestaltung“ an vermeintliche Erwartungen der Gemeinde und das damit verbundene Abdriften in die Unverbindlichkeit, beleuchtet Thöle kritisch, als geradezu zerstörerisch beschreibt er den weitgehenden Verlust religiöser Substanz der Gottesdienste.

Der Verlust der sonntäglichen Eucharistie – der gar nicht mehr als schädlich empfunden werde, so Thöle – ist dafür nur das gravierendste Zeichen. „Es ist wie bei einer Autoimmunerkrankung, bei der sich aus Phobie vor dem Sakralen immer neue Schübe zerstörerisch gegen sich selbst richten.“ Ein simplifizierter Predigtgottesdienst sei zum Normalprogramm geworden, „der zu besonderen Anlässen mit säkularen und neoreligiösen Elementen aufgeputzt“ werde.

Phobie vor dem Sakralen? Oder, wie Thöle es an anderer Stelle formuliert: „Angst vor der Verbindlichkeit des Glaubens, die vom Abendmahl ausgeht“? Seine Ausführungen zum „protestantischen Abendmahlsparadox“ zwingen mindestens zu einem geschärften Blick auch auf die Abendmahlspraxis in der eigenen Kirche.

Reinhard Thöles Buch ist nicht nur eine kritische Bestandsaufnahme, es ist ein Weckruf, geht es doch beim Gottesdienst nicht um eine mehr oder weniger gut gemachte Kulturveranstaltung, sondern letztlich um Leben und Tod. „Es geht um eine gefährliche Seriosität“, schreibt Thöle. „Der Mensch begegnet aus der Gefährlichkeit seines Lebens dem Dreieinigen Gott. Und die Begegnung mit ihm ist ebenfalls gefährlich. Im Gottesdienst geht es um ‚alles‘, um unser Leben und unseren Tod innerhalb seines Todes und seines Lebens.“ Und weiter: „Ist das vielleicht einer der Gründe, warum die geistlichen Berufe nicht mehr attraktiv erscheinen, weil man heute in vielen Gottesdiensten den Eindruck gewinnen kann, es geht eigentlich um nichts mehr?“

Ja, es ist ein scharfer Blick, mit dem der emeritierte Theologe die Gottesdienste analysiert. Aber womöglich ein heilsamer. Denn, so Thöle: „Gefährlich ist es, Gott im Gottesdienst zu begegnen, noch gefährlicher ist es, ihm im Gottesdienst nicht zu begegnen.“ Wem der Gottesdienst am Herzen liegt, sollte das Buch lesen.

Reinhard Thöle
Geheiligt werde dein Name – Christliche Gottesdienste zwischen Anbetung und Anbiederung
Tectum Verlag 2021, 178 Seiten, 24,00 Euro



Gottfinder

2022 01 Cover Gottfinder 500pxMatthias Hilbert kann Lebensgeschichten so zusammenfassen, dass sie neugierig machen. Auf die Porträtierten, auf deren Bücher. Auf die Glaubenszeugnisse. Denn wie schon in seinem Buch „Gottsucher“ porträtiert Matthias Hilbert auch in seinem neuen Band Dichter-Persönlichkeiten, die ihren Weg zu Gott fanden. Und auch diesmal gelingt ihm das Kunststück, in komprimierter Form Lebensbilder spannend und einprägsam zu skizzieren und dabei die Suche nach Gott ins Zentrum zu stellen.

Neben bedeutenden Namen wie Augustinus, Paul Claudel, T.S. Eliot oder Blaise Pascal sind diesmal auch weniger bekannte oder vergessene Schriftsteller dabei, wie Manfred Hausmann, Willy Kramp, die englische Krimiautorin Dorothy L. Sayers, Reinhold Schneide oder die norwegische Nobelpreisträgerin Sigrid Undset.

„Dass die vorgestellten Dichterinnen und Dichter nach ihrer Bekehrung bestrebt waren, dem Klang des Evangeliums auch in ihrem Werk eine Stimme zu verleihen, überrascht nicht“, schreibt Matthias Hilbert, denn „das existenzielle Angesprochensein von Gott war für sie weder eine Randnotiz noch eine akademisch-philosophische Angelegenheit, über die sich unverbindlich diskutieren ließe, sondern dieses Angesprochensein von Gott war für sie ein zutiefst erschütterndes Ereignis.“

Man könne den Titel des Buches auch umkehren, meint Hilbert, und feststellen, dass die porträtierten Autorinnen und Autoren sich „von Gott haben finden lassen und seinem Anruf nicht ausgewichen sind, sondern sich ihm gestellt haben“.

Insofern sind sie Glaubenszeugen geworden, und Matthias Hilbert ist es zu verdanken, dass er in dieser anregenden Art und Weise auf sie neu aufmerksam macht.

Matthias Hilbert
Gottfinder – Dichter-Bekehrungen durch die Jahrhunderte. 14 Dichterporträts
Steinmann Verlag 2021, 144 Seiten, 16,80 Euro



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Fährmann, hol über!


Cover HoppeDer Fährmann des Buchtitels ist der heilige Christophorus, der Lieblingsheilige der Autorin Felicitas Hoppe. Ihr Verhältnis zu den Heiligen sei „auf fahrlässige Weise unhistorisch und schwankend“, schreibt sie in ihrem neuen Essayband, es sei „alles andere als theologisch begründet, sondern von alten Bildern grundiert“. Ihren Favoriten, Christophorus, sieht man auf Bildern oft als Riese mit einem Stab, der das Jesuskind („also mich, wen sonst!“ schreibt Hoppe) auf seinen Schultern über einen gefährlichen Fluss trägt.

Es sind solche Bilder aus ihrer katholischen Lebenswelt, die das literarische Schaffen der vielfach preisgekrönten Autorin prägen. Und es macht die Faszination ihrer Texte aus, dass sie diese beiden Welten – Glauben und Literatur – so intelligent, so leicht, so tiefgründig miteinander verbindet oder besser: ins Gespräch bringt.

Der Aufsatz mit dem Titel „Und schrieb in den Sand“ umkreist die Geste Jesu, als er die Ehebrecherin verurteilen soll und stattdessen „in den Sand schreibt“. Was bedeutet sein Schweigen, wie entsteht daraus eine machtvolle Präsenz und Kraft?

Der Text „Wie pfeift man das Johannesevangelium?“ verdankt seinen Titel einer Geschichte aus den Schweizer Alpen. Sie erzählt von zwei Brüdern, von denen der ältere den jüngeren loswerden will und ihn ins sichere Verderben schickt. Die strikte Anweisung lautet: „Du darfst während der ganzen Zeit weder singen, noch beten, noch lesen, noch das Kreuzzeichen machen.“ Das Pfeifen hatte der große Bruder zu verbieten vergessen, und so zog der jüngere mutig los – und pfiff das St. Johannesevangelium (wie auch immer sich das anhören mochte).

Felicitas Hoppe reflektiert ausgehend von Bildern und Geschichten ihr eigenes Schreiben, das Verhältnis von Erzählung und Schrift, von Erlebtem und Gehörtem.

Die Schleifen, die Hoppe vor, hinter und um diese und die anderen Geschichten führt, sind witzig, lehrreich, manchmal verwegen. Wie in all ihren Texten reist man als Lesende gern mit und bekommt Ein- und Aussichten präsentiert, die einen überraschen, erinnern – und trösten. Mehr kann Literatur nicht leisten, aber das ist schon sehr viel.

Felicitas Hoppe
Fährmann, hol über! Oder wie man das Johannesevangelium pfeift
Herder Verlag 2021, 159 Seiten, 18,00 Euro




Wie ich zum Mann wurde

Cover KrylovAlexander Krylov hat viel zu erzählen. Aufgewachsen ist der 52jährige in Russland, in einer deutsch-russischen Familie, seit über zwanzig Jahren lebt er in Deutschland. Nach einer erfolgreichen akademischen Karriere an den Universitäten in Moskau, Bremen und Berlin entschied er sich, Priester zu werden.
In seinem Buch erzählt er kurze Anekdoten, Begebenheiten, Erinnerungen aus seiner Kindheit. Es sind kleine Einblicke in den Alltag in einem ideologischen System, aus der Sicht eines Jungen.

Der Atheismus war Staatsreligion, aber durch die Oma und die Mutter war der katholische Glaube in der Familie präsent, auch wenn eine richtige religiöse Erziehung nicht möglich war. Eine (orthodoxe) Kirche sah der Autor zum ersten Mal mit sechs Jahren, eine römisch-katholische erst mit zwanzig. Aber schon als Fünfjähriger hielt er seine erste Predigt, im Kindergarten. Da die anderen Kinder offensichtlich nichts von Gott wussten, trommelte er die Gruppe zusammen und teilte ihnen mit, wer im Himmel wohnt und was er alles für uns macht. Bei dieser „Verkündigung, die nicht den festgelegten Erziehungsrichtlinien“ entsprach, wurde er von der Kindergärtnerin ertappt. Die treue Sowjetbürgerin versicherte ihm, dass es keinen Gott gäbe, und sie führte als Beweis an, dass der erste sowjetische Kosmonaut Juri Gagarin im Kosmos gewesen sei und dort keinen Gott gesehen habe. Nur dumme und ungebildete Menschen würden an Gott glauben – und damit den Fortschritt stören.

Alexander Krylov beschreibt viele skurrile Szenen aus der Schule, aus seiner Zeit als Pionier, aus dem familiären Alltag. Er tut das mit Witz und Charme. Keine unglückliche Kindheit wird da erzählt, aber immer ist als Hintergrund das autoritäre System deutlich, das verhindern will, dass die Menschen wirklich erwachsen werden. Noch am Schulabschlussball 1986, so schreibt Krylov, konnten die 17jährigen sich nicht vorstellen, dass „der sicherste und auf die Ewigkeit gegründete Staat der Arbeiter und Bauern“ nur fünf Jahre später zusammenbrechen würde.

Eine unterhaltsame Lektüre, die begreiflich macht, wie „das normale Menschliche und das Wahnsinnige oft so nah beieinander lagen, dass man es kaum unterscheiden konnte.“

Alexander N. Krylov
Wie ich zum Mann wurde – Ein Leben mit Kommunisten, Atheisten und anderen netten Menschen
fe-Medienverlag 2020, 200 Seiten, 10,00 Euro




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50 Jahre SELK – Können Sie die Fragen beantworten?


1972 schlossen sich bisher eigenständige lutherische Kirchen zur SELK zusammen. Damals trat die gemeinsam erarbeitete Grundordnung – sozusagen die Verfassung der Kirche – in Kraft.

Was steht denn eigentlich in dieser Grundordnung? Doris-Michael-Schmidt (Limburg) hat daraus ein Quiz-Spiel gemacht: Testen Sie Ihre Kenntnisse über die SELK und vervollständigen Sie die nachfolgenden Sätze.

Fragen

(Ein Hinweis: Die entsprechenden Artikel zur Beantwortung der Fragen finden Sie unten. Die ganze Grundordnung und weitere Dokumente sind abzurufen im Download-Bereich).


Vervollständigen Sie die Sätze aus der Grundordnung (GO) der SELK:

Frage 1:
GO Art.1 (1) Die Selbständige Evangelisch-Lutherische Kirche steht in der Einheit der heiligen, christlichen und apostolischen Kirche, die überall da ist, wo …

Frage 2:
GO Art.1 (2) Sie bindet sich daher an die Bekenntnisschriften der evangelisch-lutherischen Kirche, weil in ihnen die schriftgemäße Lehre bezeugt ist, nämlich an …

Frage 3:
GO Art. 2 (1) Die Selbständige Evangelisch-Lutherische Kirche pflegt Kirchengemeinschaft mit allen Kirchen, die …

Frage 4:
GO Art. 7 (1) Das eine, von Christus gestiftete Amt der Wortverkündigung und Sakramentsverwaltung kann nur ausüben, wer ...

Frage 5:
GO Art. 19 (7) Der Bischof wird durch … gewählt.

Frage 6:
GO Art. 20 (1) Das Kollegium der Superintendenten besteht aus …

Frage 7:
GO Art. 21 (1) Die Kirchenleitung besteht aus …

Frage 8:
GO Art. 24 (3) Der Allgemeine Pfarrkonvent soll die Verbundenheit aller Amtsträger der Kirche untereinander fördern.
Es gehört zu den Aufgaben des Allgemeinen Pfarrkonventes:


Frage 9:
GO Art. 25 (2) Die Kirchensynode wird für eine Synodalperiode von … Jahren gebildet

Frage 10:
GO Art. 25 (6) Der Bekenntnisstand der Kirche kann durch Beschluss der Kirchensynode … verändert werden.

Und noch zwei Fragen zu den Anfängen der SELK:

Frage 11:
Wer unterzeichnete die neue Grundordnung im Auftrag der Kirchenleitungen Freier Evangelisch-Lutherischer Kirchen in Deutschland?

Frage 12:
Wo fand die 1. Kirchensynode der SELK statt? Wann?


Das Jubiläum zum 50. Jahrestag des Zusammenschlusses zur SELK wird am 25. und 26. Juni 2022 gefeiert. Zu der Festveranstaltung auf dem Campus der Lutherischen Theologischen Hochschule und dem Gottesdienst am 26. Juni 2022 in der St. Johannes-Kirche in Oberursel sind alle herzlich eingeladen!




Hier finden Sie die Antworten:

Zu Frage 1:
GO Art. 1 (1) Die Selbständige Evangelisch-Lutherische Kirche steht in der Einheit der heiligen, christlichen und apostolischen Kirche, die überall da ist, wo das Wort Gottes rein gepredigt wird und die Sakramente nach der Einsetzung Christi verwaltet werden. Sie bezeugt Jesus Christus als den alleinigen Herrn der Kirche und verkündigt ihn als den Heiland der Welt.

Zu Frage 2:
GO Art. 1 (2) Sie ist gebunden an die Heilige Schrift Alten und Neuen Testaments als an das unfehlbare Wort Gottes, nach dem alle Lehren und Lehrer der Kirche beurteilt werden sollen. Sie bindet sich daher an die Bekenntnisschriften der evangelisch-lutherischen Kirche, weil in ihnen die schriftgemäße Lehre bezeugt ist, nämlich an die drei ökumenischen Symbole (das Apostolische, das Nicänische und das Athanasianische Bekenntnis), an die ungeänderte Augsburgische Konfession und ihre Apologie, die Schmalkaldischen Artikel, den Kleinen und Großen Katechismus Luthers und die Konkordienformel.

Zu Frage 3:
GO Art. 2 (1) Die Selbständige Evangelisch-Lutherische Kirche pflegt Kirchengemeinschaft mit allen Kirchen, die Lehre und Handeln in gleicher Weise an die Heilige Schrift und das lutherische Bekenntnis binden.
(2) Sie verwirft die der Heiligen Schrift und den lutherischen Bekenntnissen widersprechenden Lehren und ihre Duldung sowie jede Union, die gegen Schrift und Bekenntnis verstößt.
(3) Sie weiß sich darin einig mit der rechtgläubigen Kirche aller Zeiten.

Zu Frage 4:
GO Art. 7 (1) Das eine, von Christus gestiftete Amt der Wortverkündigung und Sakramentsverwaltung kann nur ausüben, wer berufen und ordiniert ist.
(2) Dieses Amt kann nur Männern übertragen werden.

Zu Frage 5:
GO Art. 19 (7) Der Bischof wird durch die Kirchensynode auf Vorschlag des Allgemeinen Pfarrkonvents gewählt.

Zu Frage 6:
GO Art. 20 (1) Das Kollegium der Superintendenten besteht aus allen Superintendenten, den Pröpsten und dem Bischof. Den Vorsitz im Kollegium der Superintendenten führt der Bischof oder sein Vertreter. Die Kirchenräte nehmen an den Sitzungen des Kollegiums der Superintendenten teil.

Zu Frage 7:
GO Art. 21 (1) Die Kirchenleitung besteht aus dem Bischof, den Pröpsten und den Kirchenräten.
Einer der Kirchenräte führt die Geschäfte der Kirchenleitung im Hauptamt. Abgesehen vom Bischof soll die Anzahl der Laien der Anzahl der Geistlichen entsprechen.

Zu Frage 8:
GO Art. 24 (3) Der Allgemeine Pfarrkonvent soll die Verbundenheit aller Amtsträger der Kirche untereinander fördern. Es gehört zu den Aufgaben des Allgemeinen Pfarrkonventes:
a) über Zustand, Weg und Aufgabe der Kirche zu beraten;
b) über Fragen der Lehre, des Gottesdienstes und der kirchlichen Praxis zu beraten. Er kann dazu Beschlüsse fassen. Solche Beschlüsse bedürfen der Zustimmung durch die Kirchensynode, wenn sie bindende Wirkung für die Kirche haben sollen;
c) der Kirchensynode Vorschläge über die Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft mit anderen Kirchen zu unterbreiten. Diese Vorschläge müssen mindestens mit Zweidrittelmehrheit beschlossen werden;
d) Kandidaten für die Wahl des Bischofs benennen.

Zu Frage 9:
GO Art. 25 (2) Die Kirchensynode wird für eine Synodalperiode von 4 Jahren gebildet. Die Synodalperiode beginnt mit dem ersten Zusammentritt der Kirchensynode und endet mit dem ersten Zusammentritt der nächsten Kirchensynode, der frühestens 46 und spätestens 50 Monate nach Beginn der Synodalperiode stattfinden soll.
Die Kirchensynode tritt höchstens einmal im Jahr und mindestens einmal in der Synodalperiode zu einer ordentlichen Tagung zusammen. Sie ist einzuberufen, wenn die Kirchenleitung und das Kollegium der Superintendenten oder drei Bezirkssynoden oder 20 Gemeinden oder mehr als die Hälfte der Synodalen dies beantragen. Die Kirchensynode gibt sich eine Geschäftsordnung.

Zu Frage 10:
GO Art. 25 (6) Der Bekenntnisstand der Kirche kann durch Beschluss der Kirchensynode nicht verändert werden. Beschlüsse, welche der Heiligen Schrift und dem Bekenntnis der Kirche widersprechen, sind ungültig.

Zu Frage 11:
Die Grundordnung wurde unterzeichnet von Dr. Gerhard Rost, Oberkirchenrat.

Zu Frage 12:
Die 1. Kirchensynode der SELK fand vom 23.-27. Mai 1973 in Radevormwald statt.

 

 

50 Jahre SELK: Talkrunde an Frankfurter Buchmesse


Der Zusammenschluss eigenständiger lutherischer Kirchen zur Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche SELK, der sich im nächsten Jahr zum 50. Mal jährt, war Thema einer Talkrunde an der Frankfurter Buchmesse. Für selk.de fasst Doris Michel-Schmidt das Gespräch zusammen.

Talkrunde

Eingeladen zu der Talkrunde hatte der Verlag Edition Ruprecht, in dem mehrere Bücher von SELK-Autoren erschienen sind. Auf dem Podium saßen Prof. Achim Behrens, Rektor der Lutherischen Theologischen Hochschule (LThH) Oberursel, Werner Klän (Lübeck), emeritierter Professor der LThH, und Dr. Lothar Triebel vom Konfessionskundlichen Institut Bensheim. Moderiert wurde das Gespräch von Andreas Odrich, Redaktionsleiter beim ERF in Wetzlar.

Was das Besondere an der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche sei, wollte der Moderator zu Beginn wissen. Achim Behrens stellte in seiner Antwort die SELK zunächst in zwei Traditionsstränge: sie sei erstens Kirche im großen Strom der einen Christenheit, gebunden an das Evangelium – deshalb evangelisch. Sie sehe sich zweitens im Strom der lutherischen Reformation. Er verwies dabei auf das Motto der Hochschule in Oberursel: „VERBO SOLO – FIDE SOLA“, das jüngst wieder an das neu errichtete Haupt- und Bibliotheksgebäude angebracht wurde. Der Rektor war erstaunt, wieviel Interesse diese angebrachten Worte neu hervorriefen; man könne daran gut erläutern, was ein Grundsatz lutherischer Theologie sei: Allein durch das Wort und allein durch den Glauben werden wir Menschen vor Gott selig, kommen wir mit Gott ins Reine. Selbständig schließlich, so Behrens, sei die SELK, weil sie im 19. Jahrhundert in einem emanzipatorischen Prozess aus der Übernahme der Verantwortung für das lutherische Bekenntnis in die Selbständigkeit gegangen sei.

Wie dieser Prozess vor 200 Jahren in einem „Akt der Befreiung“ angefangen hatte, skizzierte Prof. Werner Klän am Beispiel des Königreichs Preußen, wo sich zunächst vor allem in Schlesien Lutheraner gegen die von König Friedrich Wilhelm III eingeführte Vereinigung der lutherischen und der reformierten Kirche wehrten. In der Folge wurden sie vom Staat an den Rand gedrängt und unterdrückt. Klän verdeutlichte das am Beispiel eines Müllers, der in Erfurt seine Tenne für die nun „illegalen“ lutherischen Gottesdienste zur Verfügung stellte. Er wurde verpfiffen, die Gendarmen kamen und belegten ihn mit einer Strafe von 1 Taler. Der Müller weigerte sich zu zahlen, er berief sich auf seine Gewissens- und Religionsfreiheit – sehr moderne Werte im 19. Jahrhundert. Was ihm nichts nützte: Er wurde immer und immer wieder verdonnert – am Ende hätte er 40 Taler zahlen müssen, was damals dem Jahresgehalt eines Pfarrers entsprach. Am Ende musste er zwar nicht zahlen, weil der König starb und die politischen Entwicklungen eine andere Richtung nahmen. Aber, so Klän: „Der Mann wäre bereit gewesen, diese immense Strafe auf sich zu nehmen. Das ist nur ein Beispiel dafür, welch hohes Maß an Emanzipation gegenüber dem Staat und welch hohes Maß an Verantwortung für den eigenen Glauben und die Kirche diese Menschen damals aufbrachten.“
Auf die Nachfrage, warum es zu diesen Repressionen durch den Staat kam, erläuterte Klän: „In einem staatskirchlichen Konzept dient die Kirche auch der Stabilisierung des Staatswesens und dem gesellschaftlichen Zusammenhalt.“ Dazu kam, so Klän, eine theologische Tendenz, die Unterschiede zwischen Lutheranern und Reformierten nicht mehr so wichtig zu nehmen. Aufklärung und Pietismus hätten diese Differenzen nivelliert, so dass es auch innerhalb der Kirchen eine starke Tendenz gegeben habe, zu sagen: Lasst uns doch zusammengehen. Aber es gab eben auch die Lutheraner, die dagegenhielten und unabhängig bleiben wollten.

„Ist die SELK so etwas wie das gallische Dorf in der Kirche?“ fragte der Moderator anschließend den Konfessionskundler Lothar Triebel. Der antwortete diplomatisch, die SELK sei jedenfalls etwas Besonderes, in dem sie zwei Elemente verbinde, die es in dieser Kombination in Deutschland sonst nicht gebe. Das lutherische Bekenntnis würden auch Landeskirchen für sich in Anspruch nehmen, während die Selbständigkeit bei vielen Freikirchen typisches Merkmal sei. Das lutherische Bekenntnis und die eigene Selbständigkeit zu verbinden, sei das Besondere der SELK.

Schließlich kam man auf den Zusammenschluss zur SELK 1972 zu sprechen. Ob das denn damals noch zeitgemäß gewesen sei, fragte der Moderator, und warum man sich nicht der EKD beziehungsweise den lutherischen Landeskirchen angeschlossen habe.
In seiner Antwort wies Werner Klän darauf hin, dass schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts den verschiedenen unabhängigen lutherischen Kirchen zunehmend bewusst geworden sei, dass sie enger zusammengehörten, als die territorialen Abgrenzungen glauben machen wollten. Entwicklungen in den Landeskirchen und in der akademischen Theologie hätten diese Erkenntnis verstärkt. Nach dem 2. Weltkrieg habe es dann einen Schub gegeben, den Zusammenschluss nun auch zu konkretisieren, denn die Gründung der Evangelischen Kirche in Deutschland, der EKD, und der Beitritt der lutherischen Landeskirchen (VELKD) zur EKD hätten das Motiv zur Entstehung der selbständigen lutherischen Kirchen im 19. Jahrhundert neu aktiviert. Man wollte nicht zu einer konfessionsübergreifenden – und aus Sicht der Lutheraner damit auch konfessionsnivellierenden – Großkirche gehören.
Bis es schließlich 1972 zum Zusammenschluss kam, habe es allerdings Zeit gebraucht. Unterschiedliche Ausprägungen, die sich in den vorangegangen 150 Jahren in den verschiedenen eigenständigen Kirchen ausgebildet hatten, wollten berücksichtigt werden. 1972 konnte schließlich die Grundordnung als gemeinsame Verfassung in Kraft treten.

Bei der Frage, ob das freikirchliche Modell zukunftsträchtig(er) sein könnte, gab sich der Konfessionskundler Lothar Triebel zurückhaltend. Zentral sei doch, dass die Kirchen miteinander im Gespräch blieben und man auf das schaue, was man gemeinsam gut machen könne.

Das Jubiläum zum 50. Jahrestag des Zusammenschlusses zur SELK wird am 25. und 26. Juni 2022 gefeiert. Zu der Festveranstaltung auf dem Campus der Lutherischen Theologischen Hochschule und dem Gottesdienst am 26. Juni 2022 in der St. Johannes-Kirche in Oberursel sind alle herzlich eingeladen!

 

Der Weg zur Einigung | 50 Jahre SELK


Am 25. Juni 2022 jährt sich der Zusammenschluss eigenständiger lutherischer Kirchen zur Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche (SELK) zum 50. Mal. Eine Arbeitsgruppe bereitet eine Festveranstaltung vor. Auf dem Weg dorthin sollen auf selk.de verschiedene Aspekte des Jubiläums beleuchtet werden, so heute die Tatsache, dass der dem Zusammenschluss zugrundeliegenden Einigung ein längerer Weg der Annäherung vorausgegangen ist.

SELK 50

Am Gedenktag der Augsburgischen Konfession, dem 25. Juni 1972, trat die Grundordnung der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche in Kraft. Damit war der Zusammenschluss dreier eigenständiger lutherischer Kirchen zur SELK auf dem Gebiet der alten Bundesländer vollzogen.

Ein knappes Jahr später, im Mai 1973, fand in Radevorwald die erste Kirchensynode der neu vereinigten SELK statt. In seinem Bericht vor der Synode ließ der damalige Bischof Dr. Gerhard Rost anklingen, wie viele Hindernisse und Schwierigkeiten auf diesem Weg auszuräumen waren. Es sei ein achtjähriges intensives Mühen der beteiligten Kirchen gewesen, so Rost: der Evangelisch-lutherischen (altlutherischen) Kirche, der Evangelisch-Lutherischen Freikirche und der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche.

SELK Logo 180pxNatürlich ging es um theologische Grundsatzfragen, aber ein Zusammenschluss stellt immer auch organisatorische Fragen nach Verfassung, Verwaltung und Struktur.

In den theologischen Grundsatzfragen folgte man nach einigen erfolglosen Versuchen, zu einem gemeinsamen Dokument zu kommen, dem Rat von Prof. Dr. Hermann Sasse. Er hatte empfohlen, zu den Einigungssätzen von 1948 als Lehrgrundlage zurückzukehren. Damals hatten die Auswirkungen des Krieges dazu geführt, dass die lutherischen Bekenntniskirchen näher zusammenrückten, da viele Pastoren und Gemeindeglieder tot oder verschollen, viele Kirchen zerstört oder durch Vertreibung verloren waren. Allein die Altlutherische Kirche hatte über die Hälfte ihrer Gemeinden verloren, die östlich der Oder-Neisse-Grenze gelegen waren.

Einen wichtigen Anstoß hatte damals die Missouri-Synode gegeben, die in dieser Situation mit großzügiger Hilfe den Wiederaufbau unterstützte. In zahlreichen Konferenzen waren die strittigen theologischen Fragen behandelt, die Resultate von einer gemeinsamen Kommission 1947 als sog. „Einigungssätze“ publiziert und allen Gemeinden zur Stellungnahme versandt worden. 1948 konnte die Aufrichtung der Kirchengemeinschaft zwischen der Altlutherischen und der Evangelisch-Lutherischen Freikirche offiziell bekannt gemacht werden. Die Selbständige Evangelisch-lutherische Kirche erklärte 1949 ebenfalls ihre sachliche Übereinstimmung mit den Einigungssätzen.

Die Einigungssätze waren das Fundament der praktizierten kirchlichen Gemeinschaft und damit auch später noch von hoher Bedeutung. So konnten die Kirchenleitungen im Vorfeld der Gründung der SELK sie als Grundlage aufnehmen und stellten in einer Erklärung ihre Verbindlichkeit auch für die SELK klar.

Wer sich heute die Einigungssätze in die Hand nimmt, kann nur staunen über diese Arbeit. Auf über 100 Seiten wurden die theologischen Fragen abgehandelt: „1. Von der Heiligen Schrift, 2. Von der Bekehrung und Gnadenwahl, 3.Von der Kirche und dem Predigtamt, 4. Von den letzten Dingen“. Zu jedem dieser Bereiche gab es eine Vorbemerkung, Thesen, Erläuterungen und Belegstellen. „Über die anderen Stücke unseres Glaubens zu handeln, tut nicht not, da hier keine Differenzpunkte bestanden haben“, heißt es in der einleitenden Bemerkung. Die Art und Weise, wie damals nach dem Krieg – in ungleich schwierigeren Zeiten – Differenzen aufgezeigt, diskutiert und anhand von Bibel und Bekenntnisschriften beigelegt werden konnten, sollte man nicht vergessen ... Die Mühe hatte sich offenbar gelohnt, denn die Einigungssätze waren eine wichtige Voraussetzung und Grundlage für den späteren Zusammenschluss der lutherischen Freikirchen zur SELK.

Das Jubiläum zum 50. Jahrestag des Zusammenschlusses zur SELK wird am 25. und 26. Juni 2022 gefeiert. Zu der Festveranstaltung auf dem Campus der Lutherischen Theologischen Hochschule und dem Gottesdienst am 26. Juni 2022 in der St. Johannes-Kirche in Oberursel sind alle herzlich eingeladen!

 

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An dieser Stelle werden auf selk.de regelmäßig Bücher vorgestellt: zum Lesen, zum Verschenken, zum Nachdenken, zum Diskutieren – Buchtipps für anregende Lektürestunden. Die hier veröffentlichten Buchvorstellungen hat Doris Michel-Schmidt verfasst.


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Ihr sollt wissen, dass wir noch da sind

2021 10 Cover Safran Foer 500pxAm Ende versteht man, warum die Suche nach ihren Vorfahren für Esther Safran Foer zu einer Obsession wurde. Sie ist das Kind von Holocaust-Überlebenden. Ihre Eltern wollten nicht über die Vergangenheit sprechen, aber sie wollte wissen. Sie wollte die vielen Lücken in ihrer Familiengeschichte füllen. Sie wollte das Schtetl in der heutigen Ukraine finden, wo ihr Vater gelebt hatte. Sie wollte herausfinden, wer ihn vor den Nazis versteckt hatte und ihm damit das Leben rettete. 1942 hatten die deutschen Truppen die Juden in Trochenbrod ein Massengrab ausheben lassen und sie dann erschossen.

Puzzle für Puzzle setzt Safran Foer zusammen, erfährt, dass sie eine Halbschwester hatte. Sie reist nach Südamerika, nach Israel und schließlich in die Ukraine, um Zeitzeugen zu befragen und das Bild zu vervollständigen.

Wo ihr Sohn, Jonathan Safran Foer, seine Familiengeschichte in seinem erfolgreichen Roman „Alles ist erleuchtet“ noch über weite Strecken „erfinden“ musste, konnte seine Mutter die Lücken nun mit ihren Rechercheergebnissen füllen. Das Buch ist ein beeindruckendes Zeugnis der Erinnerung, die umso wichtiger wird, je weniger Holocaust-Überlebende noch da sind, die von der Vergangenheit erzählen können.

Esther Safran Foer
Ihr sollt wissen, dass wir noch da sind
Verlag Kiepenheuer & Witsch 2020, 288 Seiten, 22,00 Euro




Engelspost

2021 10 Cover Engelspost 500pxIm ersten Halbjahr 1913 wurden in Amerika Dutzende Kinder per Post verschickt. Das klingt absurd, und dieser postalische Transport von Kindern wurde denn auch bald wieder verboten. Diese wahnwitzige Episode hat die Autorin Iris Muhl zu einer Geschichte inspiriert, die eben auf einer solchen Zugfahrt spielt. Eliott White, ein Hochstapler, Dieb und Betrüger, begegnet dabei einem verwahrlosten Waisenmädchen, dem eine Briefmarke angeheftet wurde, als sei es ein Paket. Wie sich am Ende herausstellt, ist das Mädchen schicksalhaft mit seinem Leben verbunden; in der Begegnung mit ihr wird sich White seiner Schuld bewusst und erkennt, dass er so nicht weitermachen kann. „Ich meinte, im Leben alle Trümpfe in der Hand zu halten“, sagt er, „und genau deswegen beging ich immer wieder Todsünden. Und dann stand dieses Kind vor mir mit einer Waffe, gegen die ich mich nicht zur Wehr setzen konnte.“ Es ist die Waffe der Zuneigung, der ungeschützten Aufrichtigkeit.
Iris Muhl erzählt die Geschichte mittels einer Rahmenhandlung: Fast 40 Jahre später wird Eliott White, mittlerweile zum erfolgreichen (ehrlichen) Unternehmer geworden, zum Radio-Interview gebeten und legt – für die Radiomacher und die Hörer unerwartet – so etwas wie seine Lebensbeichte ab. Hörer – und Leser – werden Zeugen dieser Beichte, in der ein Mann sein Leben reflektiert, mit all seinen Sünden und seinem Kampf gegen das schlechte Gewissen.

Er habe nur dann über Gott nachgedacht, wenn es ihm richtig gut ging, sagt er über sein früheres betrügerisches Leben. Denn dann sei ihm jeweils bewusst geworden, dass jemand anders gerade leiden musste. „Andere Menschen denken ja nur über Gott nach, wenn es ihnen schlecht geht. So war das bei mir aber nicht. Wurde ich enttäuscht oder war mit meinen Geschäftsideen wieder einmal am Ende, löste ich das, indem ich der Welt mit Flüchen begegnete.“ Eliott White hatte gemeint, sich einen Gott im Leben „nicht leisten zu können“. „Was bedeutete mir ‚göttliche Gerechtigkeit‘, wenn ich mir meine eigene zusammenbauen konnte?“ Geprägt von einer Kindheit, in der jeder sehen musste, wo er blieb, war er zum Zyniker geworden.

Wie die Zugfahrt, wie die Begegnung mit dem seltsamen Mädchen ihn verwandeln, das ist eine sehr berührende Geschichte über Schuld und Vergebung.

Iris Muhl
Engelspost, Die Geschichte eines Betrügers
Fontis-Verlag 2021, 176 Seiten, 18,00 Euro




Weitere Buchtipps finden Sie im Archiv.


 

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Im Weltabenteuer Gottes leben

Günter ThomasMitgliederschwund, Bedeutungsverlust, Erschöpfung – man könnte glauben, die Kirche habe angesichts der eigenen Nöte selbst die Hoffnung und den Trost verloren. Günter Thomas, Professor für Systematische Theologie an der Ruhr-Universität Bochum, lenkt in seinem Buch den Blick auf die „theologische Fehlersuche“ und legt die tieferliegenden Gründe der Kirchenkrise frei. Das provoziert (manche), könnte aber die Verantwortlichen auch entlasten, die sich im Strudel der Struktur- und Organisationsdebatten erschöpft haben.

Was die Thesen von Günter Thomas grundiert, ist die Überzeugung, dass „nicht nur der akademischen Theologie, sondern auch der Kirche (…) die Vorstellung von Gottes Lebendigkeit abhandengekommen“ sei. Wie ein „unterirdischer Schwelbrand“ habe sich die Überzeugung verbreitet: „Was auch immer Gott ist, er ist kein lebendiger Akteur“. In der Konsequenz wird die Theologie allein auf eine ethisch-politische Weltverantwortung umgestellt – und die Kirche damit hoffnungslos überfordert. Die Anforderungen werden grenzenlos, die To-do-Listen unendlich. „Jede Reform erzeugt neue Aufgabenfelder“, so Thomas, „jede Suche nach Relevanz schafft einen neuen Job.“ Häresien (Irrlehren) gibt es noch, aber nur auf moralischem Feld. Die aber zerreißen Gemeinden, belasten Synoden, spalten Familien und entfachen im Internet wahre Glaubenskriege.

Freude kommt dabei sicherlich keine auf. Und die Botschaft der Kirche kommt bei vielen so an: „Achtung der Menschenrechte und der Goldenen Regel, das reicht“. Dem entspreche ein „Entrümpeln“ der Theologie, sagt Thomas und nennt diese Strategie „spirituelles Feng Shui“: „Befreien wir uns von altem religiösen Gerümpel, so werden wir besser verstanden! Himmelfahrt Christi? Versteht keiner, raus! Rede von Sünde? Hat nur Schlimmes angerichtet, weg damit! Offenbarung Gottes in Christus? Stiftet nur Streit, stört das harmonische multireligiöse Miteinander! Ein zorniger Gott? Toxisch für Liebe und Humanität! Ein jüngstes Gericht? Mein Gott, wie altmodisch! Vater unser? Eine Unheilsgeschichte beenden! Gemeinden? Muffig, kümmerlich!“ Am Ende stünde in dem leeren Haus der Theologie noch die kleine Truhe der Theologie der Krabbelgottesdienste: „Gott liebt dich und begleitet dich!“ Thomas scharfe Kritik: „Wer die Schwere, Dichte und Sperrigkeit der Erzählungen von Gottes Weltabenteuer unter das Niveau des gesunden Menschenverstandes drückt, sollte sich über Austritte nicht wundern. Wer will in so kahlen Gemäuern wohnen?“

Der „theologischen Fehlersuche“ des Autors folgt man fasziniert, zustimmend, manchmal irritiert und zum Widerspruch genötigt, aber immer hineingezogen in ein produktives Nachdenken über die Zukunft der Kirche. Seine Lösungsvorschläge überzeugen in mancher Hinsicht nicht. Und das Durchdeklinieren der Paulinischen Trias von Glaube, Liebe und Hoffnung mittels der Schablone des „Weltabenteuers Gottes“ wirkt zuweilen redundant und philosophisch-wolkig. Trotzdem: sehr lesenswert!

Günter Thomas
Im Weltabenteuer Gottes leben, Impulse zur Verantwortung für die Kirche
Evangelische Verlagsanstalt 2020, 363 Seiten, 16,00 Euro



Johann Sebastian Bachs Töchter

Bachs Töchter1750 stirbt Johann Sebastian Bach, der große Musiker und Leipziger Thomaskantor, der zu Lebzeiten immer um Auskommen und Anerkennung kämpfen musste. Für seine Witwe Anna Magdalena und die vier Töchter beginnt nun eine ungewisse Zeit. Sie müssen die Kantorenwohnung räumen, sind von finanziellen Zuwendungen abhängig, rutschen mehr und mehr in die Armut.

Die Autorin Carola Moosbach stellt Bachs Töchter ins Zentrum ihres historischen Romans. Während die Söhne Bachs aus seiner ersten Ehe ihre Karrieren als begabte Musiker begonnen haben – und später wie ihr Vater zu Ruhm gelangen –, ist von seinen Töchtern wenig bekannt. Auf einfühlsame und wunderbare Weise zeichnet Carola Moosbach deren Leben nach dem Tod des Vaters nach. Sie schafft es, ihre Detailkenntnis umzusetzen in ein lebendiges Bild der damaligen Zeit und der Familie. Besonders die jüngste der Bach-Töchter, Regina, wächst einem beim Lesen ans Herz. Auch sie hat das musikalische Talent geerbt, es wird aber kaum gefördert und versandet unter den beschwerlichen Lebensumständen.

Wie die Frauen kämpfen – gegen Armut, gegen Kränkungen und Krankheiten, wie sie geknickt werden und doch ihre Würde behalten: das ist großartig beschrieben und ein lehrreiches Lesevergnügen.

Carola Moosbach
Johann Sebastian Bachs Töchter
Benno Verlag 2021, 272 Seiten, 16,95 Euro



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„Weil ich auf den Gekreuzigten schaue ...“


Bischof i.R. Dr. Jobst Schöne D.D., von 1985 bis 1996 leitender Geistlicher der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche (SELK), verstarb am 22. September 2021 im Alter von 89 Jahren in Berlin. Drei Tage vorher, am 16. Sonntag nach Trinitatis, 19. September 2021, hielt er – von schwerer Krankheit gezeichnet, aus dem Rollstuhl heraus - im Gottesdienst seiner Mariengemeinde in Berlin-Zehlendorf seine letzte Predigt. Diese Predigt dokumentiert selk.de an dieser Stelle mit freundlicher Erlaubnis der Familie.


Jobst Schöne

Bibelabschnitt zur Predigt: Klagelieder 3, 22-26.31-32: Die Güte des HERRN ist's, dass wir nicht gar aus sind, seine Barmherzigkeit hat noch kein Ende, sondern sie ist alle Morgen neu, und deine Treue ist groß. Der HERR ist mein Teil, spricht meine Seele; darum will ich auf ihn hoffen. Denn der HERR ist freundlich dem, der auf ihn harrt, und dem Menschen, der nach ihm fragt. Es ist ein köstlich Ding, geduldig sein und auf die Hilfe des HERRN hoffen. Denn der Herr verstößt nicht ewig; sondern er betrübt wohl und erbarmt sich wieder nach seiner großen Güte.

Der HERR segne an uns dies Wort. Amen.

Liebe Gemeinde! Dies wird eine kurze Predigt, Coronas wegen und in dieser Situation, in der sich der heutige Prediger auf dieser eigenartigen Kanzel befindet. Aber wir wollen doch ein bisschen dem nachdenken, was uns der Prophet Jeremia hinterlassen und der Heilige Geist für aufzeichnungswert gehalten hat.

Denn da stellen sich gleich zwei Fragen: 1.) Wer oder was spricht hier? Das ist ein Mensch im 6. Jahrhundert vor Christus weit weg von uns. Aber es spricht zugleich der Heilige Geist, der uns seine Worte in den Mund legen will. 2.) Wo sind wir in diesem Wort der Schrift, wir mit unseren Erfahrungen, Empfindungen, Erlebnissen? Denn in den biblischen Worten und Bildern sind wir immer irgendwo, das gilt es zu entdecken. Denn unsere Sache wird verhandelt.

Wo also stehen diese Worte in der Heiligen Schrift? Im Alten Testament, im Buch der Klagelieder Jeremias. Das ist um 600 vor Christi Geburt. Und was der Prophet Jeremia erlitten hat an Verfolgung, Ablehnung, Hunger, Angst, Elend – das alles kann man nachlesen. Ihm ist wirklich nichts erspart geblieben. Er erlebte die Belagerung Jerusalems durch die Babylonier, den Untergang der Stadt, Gefangenschaft – und ist am Ende irgendwo in Ägypten verschollen. Ein trostloses Schicksal.

Da jammert, klagt, fleht der Prophet und hat allen Grund dazu. Aber plötzlich ändert sich seine Stimme, wird aus dem Klagelied ein Lobgesang. Welch ein Wechsel. Den schafft nicht jeder. Viele bleiben beim Klagen und Jammern stehen. Nicht so Jeremia.

Was wir eben gehört haben, ist kein Jammern mehr, sondern das Gegenteil. Es ist wie wenn die dunklen Wolken über uns auf einmal aufreißen und das helle Licht der Sonne scheint. Oder anders gesagt: da blickt der Prophet ins Herz GOTTes und es verschlägt ihm buchstäblich die Sprache. Er merkt, dass GOTT sich uns in Liebe, Barmherzigkeit, Erbarmen zuwendet. Nicht die Sprache des Zornes, der Bestrafung, der Abwendung und des Fallenlassens ist GOTTes eigentliche Sprache, sondern die der Güte, der Freundlichkeit, der Zuwendung: hier bin ICH, ICH helfe dir, ICH bin an deiner Seite. Mag kommen was will.

Ja, GOTT wickelt seine Zuwendung, seine Güte, sein Erbarmen oftmals ein in das glatte Gegenteil, in das, was uns hart, schlimm, trostlos erscheinen möchte. Ich suche ein Bild dafür, finde aber nur ein sehr schwaches. Nämlich: in meiner Kinderzeit hat meine Mutter für die Familie und für viele, die sie beschenken wollte, in der Adventszeit Christstollen zubereitet. Die wurden zum Ausbacken zu unserem Bäcker getragen, der den nötigen Ofen hatte. Dazu waren die vorbereiteten Laibe in alte Tücher, unansehnlich und nicht sehr verheißungsvoll eingeschlagen.

Den köstlichen Christstollen sah man nicht. Und gibt es einen köstlicheren Stollen als den, den die eigene Mutter bereitete? Als wir‘s vom Bäcker abholten, da duftete es so sehr, dass wir Kinder es kaum erwarten konnten, hineinzubeißen.

Was ich damit sagen will? Genau so etwas tut ja GOTT, will ich sagen: ER wickelt seine Barmherzigkeit ein, manchmal in ganz Unansehnliches, ins glatte Gegenteil. Aber was sagt, betet, lobpreist der Prophet? „Die Güte des HERREN ist's, dass wir nicht gar aus sind, seine Barmherzigkeit hat noch kein Ende, sondern sie ist alle Morgen neu“. So hat er's erfahren, mitten in all seinem Elend.

„Der HERR ist mein Teil, spricht meine Seele“. Als das Volk Israel ins Heilige Land eingewandert war - nach 40 (!) Jahren in der Wüste – da wurde das Land verteilt unter die Stämme. Nur ein Stamm bekam keinen Teil: die Leviten, weil ihr „Teil“ der Heilige Dienst im Tempel war – „der HERR ist mein Teil“. Waren sie deshalb benachteiligt? Zu kurz gekommen? Nichts da, man kann eher sagen: sie rückten ein Stück näher an GOTT heran als die anderen.

So rücken auch wir näher an GOTT heran, wenn er uns das entzieht, was wir für unser „Teil“, für unentbehrlich halten mögen: Gesundheit, Auskommen, Wohnung, die sichere Rente oder Gehalt, Bewegungsfreiheit, vielleicht die Familie oder Menschen, die uns sehr viel bedeuten.

Nimmt uns GOTT davon etwas, dann macht er uns – momentan – zwar ärmer, so will es scheinen. Aber ER ist und bleibt freundlich dem, der auf IHN harrt, der nach IHM fragt. ER verstößt nicht auf ewig, sondern: ER betrübt wohl und erbarmt sich wieder nach seiner großen Güte.

Woher ich das weiß? Weil ich dazu auf den Gekreuzigten schaue, der unsere Schuld, unser Weglaufen von GOTT auf sich nahm und abbüßte. Der aus dem Tod erstand, lebendig, mächtig, ein Retter aus aller Not. Deiner Not, meiner Not. ER ist Güte, Barmherzigkeit, Treue, Erbarmen in Person.

„Denn der HERR ist freundlich dem, der auf IHN harrt, und dem Menschen, der nach IHM fragt. Denn der HERR verstößt nicht auf ewig; sondern ER betrübt wohl und erbarmt sich wieder nach seiner großen Güte.“ „Der HERR“, das ist nicht irgendwer. Das ist JEsus CHristus, gelobt in Ewigkeit. Amen.

Professor Salzmann im Interview


Prof. Dr. Jorg Christian Salzmann tritt Ende August in den Ruhestand. Knapp 30 Jahre hat er zunächst als Lehrbeauftragter, dann als Professor für Altes Testament und schließlich als Professor für Neues Testament an der Lutherischen Theologischen Hochschule in Oberursel (LThH), einer Kirchlichen Hochschule in Trägerschaft der SELK, gearbeitet. Für selk.de hält er Rückschau auf diese Zeit.


Prof. Salzmann

SELK.de: Wenn Sie auf die knapp 30 Jahre Lehrtätigkeit an der LThH zurückschauen: Was waren die größten Veränderungen, die sich in dieser Zeit ergeben haben? Und was sind die Konstanten über die drei Jahrzehnte hinweg?

Salzmann: Die größten Veränderungen, die ich an der LThH erlebt habe, sind die beiden Personen: Zu Beginn meines Lehrauftrags an der LThH waren noch die Professoren Günther, Hoffmann, Roensch, Rothfuchs und Stolle im Amt. Als ich dann die Nachfolge von Professor Günther antrat, war der Generationswechsel in vollem Gange, und heute ist wieder eine komplett neue Generation hier tätig. Auch beim Hochschulpersonal gab es kurz nach dem Beginn meiner Arbeit als Professor einschneidende Wechsel; seitdem ist das Team allerdings sehr konstant geblieben. Der Rückgang der Studierendenzahlen war schon im Gang, als ich kam; andererseits gehört der stete Wechsel bei den Studierenden ironischerweise zu den Konstanten des Hochschullebens – wie übrigens auch die permanente Arbeit an neuen Studienordnungen. Den Übergang zum modularisierten Studium mit Blöcken von Lehrveranstaltungen, die zu einem Modul zusammengefasst werden, und mit Leistungspunkten, die nach studentischer Arbeitszeit vergeben werden, habe ich allerdings als einen Systemwechsel erlebt, der das Studium sehr verändert, jedoch nicht wirklich verbessert hat.

SELK.de: Sie haben über ein kirchengeschichtliches Thema promoviert, dann eine Zeitlang Altes Testament unterrichtet und dann Neues Testament. Was waren die Herausforderungen, die sich durch diese Veränderungen im Fokus der Arbeit ergeben haben? Und was waren vielleicht auch Bereicherungen?

Salzmann: Meine Doktorarbeit drehte sich um den Wortgottesdienst der neutestamentlichen Zeit und der zwei Jahrhunderte danach; sie war im Fach Neues Testament angesiedelt, ging aber über den Rahmen dieses Fachs hinaus. Dazu passte, dass ich damals an der Universität als Assistent für Kirchengeschichte mit dem Schwerpunkt Alte Kirche gearbeitet habe. Der Übergang zum Fach Altes Testament, das ich hier übernahm, weil kein „richtiger“ Alttestamentler in unserer Kirche zur Verfügung stand, war schwierig, denn ich musste mein Hebräisch wieder auffrischen und vor allem tiefer in die breit gefächerte Fachliteratur zum Alten Testament einsteigen. Bei der gleichzeitig beginnenden Lehre war ich meinen Studierenden dann oftmals gerade so eine Woche voraus … Zugleich ist die intensive Auseinandersetzung mit alttestamentlichen Texten immer schon ein Erlebnis; man steigt in eine fremde und doch vertraute Welt ein, und es gibt viel zu entdecken. Außerdem ist es schließlich auch für das Verständnis des Neuen Testaments enorm wichtig, sich im Alten Testament auszukennen. Schon so zentrale neutestamentliche Begriffe wie Gnade und Sünde, Gottes Volk und Gottesreich, Messias und Bund sind ohne das Alte Testament schlechthin nicht richtig zu verstehen.

SELK.de: Derzeit bewegen sich die Zahlen der Theologiestudierenden eher auf einem niedrigen Niveau – in Oberursel, aber auch andernorts. Viele wissen nicht, warum es sich lohnen sollte, Theologie zu studieren und Pfarrer oder Pastoralreferentin in der SELK zu werden. Welche Gründe würden Sie benennen, wenn ein junger Mensch Sie danach fragen würde?

Salzmann: Gott braucht Menschen für den Bau seiner Kirche, auch solche die bereit sind, hauptamtlich für die Kirche zu arbeiten. Übrigens benötigen die Kirchen trotz rückläufiger Kirchgliederzahlen dringend theologischen Nachwuchs und können diesen nach Menschenermessen auch in Brot und Arbeit halten. Diese Arbeit ist sehr vielseitig und befriedigend, weil sie mit Menschen und den wichtigen Lebensfragen zu tun hat, weil Zuhören und Reden, Predigen und Unterrichten, Organisieren und Dingen ihren Lauf lassen, Feiern und Trauern und noch vieles mehr dazu gehören. Und das Studium ist hochinteressant und ebenfalls sehr vielseitig: Fremdsprachen und der Umgang mit Texten, Geschichte und Philosophie, Sozialwissenschaften und Pädagogik: So viel fließt mit hinein und ist doch fokussiert, ich will als Bibelwissenschaftler einmal sagen fokussiert auf Gottes Wort und sein Wirken in dieser Welt.

SELK.de: Über lange Zeit haben Sie auch dem Grundstücksverein der LThH vorgestanden und sich mit viel Kraft und Leidenschaft um die Baulichkeiten auf dem Campus gekümmert. Als letztes großes Projekt haben Sie den Neubau des Bibliotheks- und Hauptgebäudes der Hochschule begleiten und zur Fertigstellung bringen dürfen. Welche Bedeutung hat dieses Gebäude Ihrer Meinung nach für die Hochschule?

Salzmann: Der Neubau war überfällig, weil Bibliothek und Verwaltung, also zwei der zentralen Funktionsgebäude der Hochschule, über 75 Jahre alte niedrige und baufällige Baracken waren. Der Neubau symbolisiert für mich aber auch einen Neuaufbruch in schwierigen Zeiten, die Hoffnung und Zuversicht, dass die Hochschule gebraucht wird und dass es schön ist hier zu studieren und zu arbeiten. Es wird auf absehbare Zeit genügend Platz nicht nur für die Bücher, sondern für den Hochschulbetrieb überhaupt geben, und es lässt sich in den freundlich hellen Räumen des Neubaus mitten im Grünen gut leben und arbeiten.

SELK.de: Was sind Ihre Pläne für den Ruhestand und was wünschen Sie Ihrer Kirche und Ihrer Hochschule für die Zukunft?

Salzmann: Im Ruhestand muss ich erstmal ankommen; meine Frau und ich werden uns in der neuen Heimat in Norddeutschland einrichten, bestehende Kontakte pflegen und auch neue Kontakte suchen. Gern möchte ich noch ein Buchprojekt zur Theologie des Wortes Gottes in der Bibel zu Ende bringen, das ich schon vor längerem angefangen habe. Ich freue mich aber auch darauf, Zeit zu haben für Kinder und Enkel, für Freunde und Verwandte, Zeit auch zum Reisen und Wandern; und im neuen Haus, das schon älter ist, wird es immer wieder mal was zu werken und zu basteln geben. Meiner Kirche wünsche ich, dass sie mit der Botschaft des Evangeliums viele Menschen erreicht und ihnen eine freundliche und offene geistliche Heimat werden kann. Vom Evangelium und für das Evangelium begeisterte Menschen sind auch das, was die Hochschule braucht; ich wünsche mir, dass die Hochschule auch künftig vielen die befreiende Botschaft des lutherischen Glaubens vermitteln kann.

SELK.de: Vielen Dank für das Interview. Wir wünschen für den neuen Lebensabschnitt Gottes Segen!

 

Kirche im Mosambik wächst

 
Die Mission Gottes im südostafrikanischen Mosambik im Indischen Ozean (30,4 Millionen Einwohnerinnen und Einwohner) schreitet voran. Und auch wenn christliche Mission kein kalkulierbares Unternehmen ist und nicht nur nach Zahlen bewertet wird, haben statistische Entwicklungen ihre Bedeutung. Die aus der lutherischen Missionsarbeit auch der Lutherischen Kirchenmission (LKM) der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche (SELK) entstandene Christliche Concordia-Kirche von Mosambik hatte im Jahr 2015 10 Gemeinden und etwa 1.000 Glieder. Im Jahr 2019 waren es 80 Gemeinden und etwa 8.000 Glieder. Die neue Statistik für 2021 weist insgesamt 120 Gemeinden und 43.974 Glieder, etwa 9.000 Familien, aus.


Mosambik

„Es ist Gott, der durch sein Wort und das Wirken des Heiligen Geistes im Zeugnis eines jeden mosambikanischen Christen handelt, der sein Volk unter Bäumen in Gottesdiensten unter freiem Himmel, in Baracken und Kapellen aus ‚Matope‘ (Lehm und Holz) und in gemauerten Kirchen versammelt“, berichtet Rev. em. Dr. Carlos Winterle LL.D., D.D., D.D., der ehemalige Präses der Lutherischen Kirche von Brasilien, Schwesterkirche der SELK, der nun im Ruhestand wieder in Brasilien lebt, nachdem er in den Jahren zuvor in Südafrika tätig war und dort für einen Teil seiner Arbeitszeit der Lutherischen Kirchenmission der SELK zur Verfügung gestellt wurde, um in Mosambik Pastoren auszubilden. Winterle in seinem aktuellen Mosambik-Rundbrief: „Trotz der Schwierigkeiten, die die Kirchglieder aufgrund des Elends durchmachen, in dem das Land lebt, und der Naturkatastrophen, die ihre Ernten zerstören und den Hunger verursachen, hören diese Menschen nicht auf, sich zu treffen, um Gott zu loben, sein Wort zu hören und zu beten.“

MosambikDie Leitung der Kirche durch Laien spielt bei dieser Expansion eine sehr wichtige Rolle, denn ordinierte Pastoren gibt es nur wenige. Nicht nur die Studenten des Theologischen Ausbildungsprogramms (PET), zukünftige Pastoren, tun ihren Teil, sondern lokale Vorsteher an den neuen Orten versammeln die Menschen um das Wort. Jeder neue Gottesdienstort erhält Bibeln, den Kleinen Katechismus, die für jeden Sonntag vorgesehenen Bibellesungen und Kopien der Liturgie. Trotz des geringen Wissens aufgrund des Mangels an weiteren Lehrern ist das, was sie von den Vorstehern hören, genug, um ihren Glauben an Jesus zu wecken und sich im Namen des dreieinigen Gottes zu versammeln.

In der Ausbildung von Pastoren kam es dazu, dass mit einer kanadisch-brasilianisch-südafrikanisch-deutschen Kooperation in Mosambik eine Pastorenausbildung auf Portugiesisch aufgebaut werden konnte – daneben aber auch auf Chisena, einer in Mosambik einheimischen Sprache. Die Studenten sind in der Regel von ihren Gemeinden geschickt worden, die sie als Pastoren haben möchten. Die Ausbildung findet statt in einer ehemaligen Safari-Lodge am Sambesi, einer Art Hüttendorf, wo die Studenten und Lehrer zweimal im Jahr zu mehrwöchigen Blockveranstaltungen zusammenkommen. Zwischen den Ausbildungseinheiten lernen die Studenten selbstständig anhand von Lehrmaterial, das sie zum Selbststudium erhalten und wenden das Gelernte sofort in ihren Gemeinden an, in Seelsorge, Gottesdienst und Unterricht.

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