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SELK-Aktuell

Grund-Sätze aus den evangelisch-lutherischen Bekenntnisschriften


„Wir glauben, lehren und bekennen“: so formulierten die Reformatoren im 16. Jahrhundert ihr Bekenntnis. Prof. Dr. Werner Klän (Oberursel) arbeitet in seinem neuen Buch heraus, dass die Antworten der lutherischen Bekenntnisschriften auch heute noch in hohem Maße überzeugen.

Buch

Was ist christlicher Glaube, was bedeutet christliches Leben? Wer als Christ heute danach gefragt wird (was vermutlich selten genug vorkommt), gerät wahrscheinlich bald in Erklärungsnöte. Wie antworten, wenn jemand fragt: Glaubst du wirklich, dass Gott einen Sohn hat und mit ihm – und dem heiligen Geist – eins ist? Glaubst du wirklich, dass die Bibel Gottes Wort ist und dass Gott in seinem Wort mit dir redet? Glaubst du wirklich, dass Jesus Christus um der Sünden der Menschen willen gestorben ist und dich damit erlöst hat? Wie antworten, wenn grundlegende Glaubenssätze der Kirche laut und lauter in Frage gestellt werden? Können da die Antworten der Reformatoren aus dem 16. Jahrhundert noch helfen? Ist die Sprache der lutherischen Bekenntnisschriften, an die sich die Selbständige Evangelisch-Lutherische Kirche (SELK) gebunden weiß, noch zu verstehen?

Wer nicht vorschnell aufgibt und nicht nur Antworten geben will, die gefällig oder „gefühlt richtig“ erscheinen könnten, der wird – ja natürlich, auch heute noch – mit großem Gewinn in den Bekenntnisschriften lesen und dort Wissen und Erkenntnisse finden, um als Christ auskunftsfähig zu werden. Zugegeben, dabei ist „Übersetzungsarbeit“ zu leisten, wenn die allgemeinen Glaubensaussagen der Christenheit im persönlichen Glauben, Bekennen und Leben relevant sein sollen.

Eine großartige Hilfestellung dazu bietet das neue Buch von Prof. Dr. Werner Klän über die „Grund-Sätze aus den evangelisch-lutherischen Bekenntnisschriften“. Es gruppiert ausgewählte Abschnitte aus den Bekenntnisschriften thematisch entlang der ersten siebzehn Artikel des Augsburgischen Bekenntnisses.

Werner Klän„Dass Gott Gott bleibe, ob der Mensch vor Gott bestehen könne, welche Art von Gemeinschaft mit Gott möglich sei – das sind Fragen, auf die die Reformation Antwort suchte – und fand“, schreibt Klän. Die Fragen sind heute dieselben, nur immer wieder anders formuliert. Wie kann man denn die Einheit Gottes in drei Personen verstehen? Wieso ist der Mensch überhaupt erlösungsbedürftig? Über Rechtfertigung konnte man im 500. Gedenkjahr der Reformation zwar viel lesen und hören, aber was ist damit nun genau gemeint? Was macht Kirche aus und wieso kann ich nicht „allein selig“ werden? Wie versteht lutherische Kirche die Taufe, das Abendmahl, die Beichte?

Von der Dreieinigkeit Gottes bis zur Wiederkunft Christi: Schon durch die thematische Zusammenstellung der Texte entsteht ein Leitfaden in die Welt des christlichen Glaubens. Werner Klän gliedert jedes Kapitel in drei Teile: erstens eine kurze erläuternde Hinführung, die das Thema einordnet; zweitens Zitate aus dem Augsburgischen Bekenntnis, denen kommentierend Auszüge aus den anderen Bekenntnisschriften des Konkordienbuches zugeordnet werden; und schließlich ein dritter Teil, der zum Nachdenken über diese Texte anleitet. Er tut dies, indem er die bekannte Frage Luthers im Kleinen Katechismus, „Was ist das?“, aufschlüsselt in drei Fragen und sie umformuliert: „Wo kommst du darin vor? Was sagt das über mich? Was macht das mit uns?“

Die drei Teile der Kapitel erläutern sich gegenseitig und sind in je eigenem Sprachstil abgefasst. Der einleitende Text eröffnet den Raum, die Bekenntnisschriften setzen den Akzent, und der dritte reflektierende Teil ermöglicht die Verbindung zum eigenen Glauben und Leben.

Man muss das Buch nicht unbedingt von vorn nach hinten durchlesen, wenngleich die Anordnung sinnvoll aufeinander aufbaut. Man kann auch einfach, wenn man eine Frage hat, bei dem entsprechenden Thema einsteigen. Daher eignen sich die „Grund-Sätze“ auch hervorragend für Gemeindekreise, Kleingruppen, Seminare.

„Wir glauben, lehren und bekennen“: Dass die Bekenntnisschriften der Evangelisch-Lutherischen Kirche davon reden, „wie wir vor Gott bestehen und wie wir vor Gott leben können“, und dass ihre Antworten auch heute in hohem Maße überzeugen, das arbeitet Klän virtuos heraus. Das Buch eröffnet damit tatsächlich nicht nur – wie sein Kollege aus den USA, Prof. Dr. Robert Kolb, in seinem Geleitwort schreibt – „das Gespräch zwischen uns und den lutherischen Bekennern des 16. Jahrhunderts“, sondern geht weiter: „Gerade so eröffnet es uns ein Gespräch mit unserem Gott.“

Doris Michel-Schmidt


Prof. Dr. Werner Klän ist Professor für Systematische Theologie an der Lutherischen Theologischen Hochschule Oberursel. Sein Buch: „Grundsätze aus den evangelisch-lutherischen Bekenntnisschriften“, ist erschienen in der Edition Ruprecht; es ist für 17.90 Euro im Buchhandel erhältlich.

Stellungnahme: 200 Jahre „Kabinettsordre“ Friedrich Wilhelms III.


Genau am heutigen 27. September 2017 jährt sich zum 200. Mal der Erlass der „Kabinettsordre“ durch den preußischen König Friedrich Wilhelm III., die am Anfang eines notvollen Weges der Kirchwerdung selbstständiger evangelisch-lutherischer Kirchen in den damaligen preußischen Landen stand. Für die Entstehung der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche (SELK) ist dieses Datum von zentraler Bedeutung. Dies gilt auch für die lutherischen Bekenntniskirchen in den anderen deutschen Ländern, deren Gründung in letzter Konsequenz eine Reaktion auf die rigide preußische Religionspolitik war. Alle diese Kirchen gehören zu den Vorgängerkirchen der 1972 gebildeten SELK. SELK-Bischof Hans-Jörg Voigt D.D. (Hannover) greift das historische Datum in einer Stellungnahme auf.

Kabinettsordre

I. Es ist mein Anliegen, den Tag nicht unbemerkt vorübergehen zu lassen, sondern mit dieser Stellungnahme darauf aufmerksam zu machen. Grund zum Feiern gibt es für uns nicht, denn der 27. September 1817 ist der historische Ausgangspunkt für die Unterdrückung lutherischer Gemeinden und ihrer Pfarrer in Preußen. Dieser Tag ist der Ausgangspunkt für Flüchtlingsbewegungen lutherischer Familien zum Beispiel nach Nordamerika oder Australien, die dort lutherische Kirchen gründeten, die heute zu den Schwesterkirchen der SELK zählen.

Wenn kein geringerer als Dr. Martin Luther 1529 in Marburg am Ende der Einigungsgespräche zu Huldrych Zwingli wegen dessen symbolischen Abendmahlsverständnisses mit großem Bedauern sagen muss: „Ihr habt einen anderen Geist!“, so nennt König Friedrich Wilhelm III. in seiner Kabinettsordre dies einen „damaligen unglücklichen Sekten-Geist“, der in der Person Luthers eben „unüberwindliche Schwierigkeiten fand“. Die lutherische und die reformierte Kirche sieht der König dreihundert Jahre später als „nur noch durch äußere Unterschiede getrennte(n), protestantische(n) Kirchen“. Damit beginnt die Marginalisierung der lutherischen Kirche zunächst in Preußen.

Am 27. September 1817 meint der König noch: „Auch hat diese Union nur dann einen wahren Werth, wenn weder Ueberredung noch Indifferentismus an ihr Theil haben, wenn sie aus der Freiheit eigener Ueberzeugung rein hervorgeht, und sie nicht nur eine Vereinigung in der äußeren Form ist, sondern in der Einigkeit der Herzen, nach ächt biblischen Grundsätzen, ihre Wurzeln und Lebenskräfte hat.“ Davon rückt Friedrich Wilhelm III. später ab und gibt 1830 einen „Erlass“ zur Einführung der von ihm selbst verfassten Unionsagende, in der reformierter und lutherischer Gottesdienst zusammengeführt werden.

Eine regelrechte Verfolgung nimmt ihren Anfang: Schlesische Gemeinden erinnern sich an die Verfolgung durch die Habsburger, die damals kaum 100 Jahre zurücklag. So wussten sie noch, was zu tun war und gingen zum Gottesdienst wieder in den Wald. Gemeinden im damaligen Pommern und in den Rheinprovinzen folgten ihrem Beispiel. Es gab Zeiten, in denen dort alle lutherischen Pfarrer im Gefängnis saßen.

Ich möchte an diese Leidensbereitschaft und an den Glaubensmut der Mütter und Väter unserer Kirche erinnern. Sie waren bereit, sich intensiv mit Glaubensfragen zu beschäftigen, ihnen war das Heilige Abendmahl so wichtig, dass sie unter keinen Umständen auf die Gewissheit von Leib und Blut Christi in Brot und Wein verzichten wollten. Sie waren bereit, nach der Legalisierung der lutherischen Kirche ab 1845 weiterhin zu landeskirchlichen Kirchensteuern verpflichtet zu sein und zusätzlich mit eigenen Kirchenbeiträgen zum Bau neuer lutherischer Kirchen und Pfarrhäuser beizutragen sowie für die Zahlung von Pfarrergehältern zu sorgen. Diese Opferbereitschaft in karger Zeit ist beispielhaft. Von dieser Opferbereitschaft lebt unsere Kirche bis heute.

II. Es ist wertvoll, diese Erinnerungen zu bewahren und wachzuhalten. Zugleich ist es für unsere Kirche auch wichtig, nicht in einer Opferrolle zu verharren. So haben wir in den vergangenen Jahren mit der Union Evangelischer Kirchen (UEK) in der Evangelischen Kirche in Deutschland einen Dialog geführt, in dem wir erstmals seit 200 Jahren diese unsere gemeinsame Geschichte betrachtet haben. Ein „Gemeinsames Wort“ und ein „Brief an die Gemeinden“ sind erarbeitet worden, die sich derzeit noch auf dem Weg der Verabschiedung befinden. Beide Papiere sollen in einem ökumenischen Buß- und Dankgottesdienst am Buß- und Bettag, 22. November, in Berlin unterzeichnet und der Öffentlichkeit vorgestellt werden. In diesen Papieren werden bleibende Unterschiede zwischen unseren Kirchen klar benannt, aber auch gemeinsame Blickpunkte dankbar ausgesprochen.

Ausgangspunkt dieser Gespräche war eine sehr bewegende Predigt von Franz-Reinhold Hildebrandt, damals Leiter der Kirchenkanzlei der Evangelischen Kirche der Union (EKU), die dieser vor 50 Jahren (1967) gehalten hat. In dieser Predigt heißt es: „Mit Kolbenstößen von Soldaten, gewaltsamem Öffnen von Kirchentüren und Verhaftungen von Pfarrern, wie dies damals geschah, lud unsere Kirche eine Schuld auf sich, die noch heute nachwirkt. Damals sind viele Familien aus ihrer Heimat nach Australien und Nordamerika ausgewandert, um ihren lutherischen Glauben rein zu bewahren, den sie in der Union gefährdet sahen. Und wenn Schuld allein durch Vergebung bedeckt werden kann, so wollen wir diesen Tag nicht vorbeigehen lassen, ohne unsere altlutherischen Brüder um solche Vergebung zu bitten.“

Wir Heutigen stehen in einer bleibenden Verantwortung für unsere Geschichte. Weil wir am Segen unserer Kirche teilhaben, tragen wir auch bleibende Verantwortung für das Leid und die Schuld der Geschichte. Vor diesem Hintergrund ist es wichtig, menschliche Vergebung auszusprechen, selbst zu erbitten und zu gewähren.

So erfüllt mich der heutige Tag einerseits mit trauriger Erinnerung und tiefem Respekt vor dem Leid der Mütter und Väter unserer Kirche. Anderseits aber bin ich erfüllt mit großer Dankbarkeit für die lutherische Kirche, in die ich hineingetauft bin, die SELK. Ich bin erfüllt mit Dankbarkeit für die tiefgehenden respektvollen Gespräche mit der UEK, die beiden Kirchen ermöglichen werden, einander in Zukunft anders wahrzunehmen als bisher.

 

Dokumentation:
Kabinettsordre Friedrich Wilhelm III. vom 27.9.1817

Heft„Schon Meine, in Gott ruhende erleuchtete, Vorfahren, der Kurfürst Johann Sigismund, der Kurfürst Georg Wilhelm, der große Kurfürst, König Friedrich 1. und König Friedrich Wilhelm 1. haben, wie die Geschichte ihrer Regierung und ihres Lebens beweiset, mit frommem Ernst es sich angelegen sein lassen, die beiden getrennten protestantischen Kirchen, die reformirte und lutherische, zu Einer evangelisch christlichen in Ihrem Lande zu vereinigen. Ihr Andenken und Ihre heilsame Absicht ehrend, schließe Ich Mich gerne an Sie an, und wünsche ein Gott gefälliges Werk, welches in dem damaligen unglücklichen Sekten-Geiste unüberwindliche Schwierigkeiten fand, unter dem Einflusse eines besseren Geistes, welcher das Außerwesentliche beseitigt und die Hauptsache im Christenthum, worin beide Confessionen Eins sind, festhält, zur Ehre Gottes und zum Heil der christlichen Kirche, in Meinen Staaten zu Stande gebracht und bei der bevorstehenden Säcular-Feier der Reformation damit den Anfang gemacht zu sehen! Eine solche wahrhaft religiöse Vereinigung der beiden, nur noch durch äußere Unterschiede getrennten, protestantischen Kirchen ist den großen Zwecken des Christenthums gemäß; sie entspricht den ersten Absichten der Reformatoren; sie liegt im Geiste des Protestantismus; sie befördert den kirchlichen Sinn; sie ist heilsam der häuslichen Frömmigkeit; sie wird die Quelle vieler nützlichen, oft nur durch den Unterschied der Confession bisher gehemmten Verbesserungen in Kirchen und Schulen.

Dieser heilsamen, schon so lange und auch jetzt wieder so laut gewünschten und so oft vergeblich versuchten Vereinigung, in welcher die reformirte Kirche nicht zur lutherischen und diese nicht zu jener übergehet, sondern beide Eine neubelebte, evangelische christliche Kirche im Geiste ihres heiligen Stifters werden, steht kein in der Natur der Sache liegendes Hinderniß mehr entgegen, sobald beide Theile nur ernstlich und redlich in wahrhaft christlichem Sinne sie wollen, und von diesem erzeugt, würde sie würdig den Dank aussprechen, welchen wir der göttlichen Vorsehung für den unschätzbaren Segen der Reformation schuldig sind, und das Andenken ihrer großen Stifter, in der Fortsetzung ihres unsterblichen Werks, durch die That ehren.

Aber so sehr Ich wünschen muß, daß die reformirte und lutherische Kirche in Meinen Staaten diese Meine wohlgeprüfte Ueberzeugung mit mir theilen möge, so weit bin Ich, ihre Rechte und Freiheit achtend, davon entfernt, sie aufdringen und in dieser Angelegenheit etwas verfügen und bestimmen zu wollen. Auch hat diese Union nur dann einen wahren Werth, wenn weder Ueberredung noch Indifferentismus an ihr Theil haben, wenn sie aus der Freiheit eigener Ueberzeugung rein hervorgeht, und sie nicht nur eine Vereinigung in der äußeren Form ist, sondern in der Einigkeit der Herzen, nach ächt biblischen Grundsätzen, ihre Wurzeln und Lebenskräfte hat.

So wie Ich Selbst in diesem Geiste das bevorstehende Säcularfest der Reformation, in der Vereinigung der bisherigen reformirten und lutherischen Hof- und Garnison-Gemeinde zu Potsdam zu Einer evangelisch christlichen Gemeine feiern, und mit derselben das h. Abendmahl genießen werde: so hoffe Ich, daß dies Mein Eigenes Beispiel wohlthuend auf alle protestantischen Gemeinen in Meinem Lande wirken, und eine allgemeine Nachfolge im Geiste und in der Wahrheit finden möge. Der weisen Leitung der Consistorien, dem frommen Eifer der Geistlichen und ihrer Synoden überlasse Ich die äußere übereinstimmende Form der Vereinigung, überzeugt, daß die Gemeinen in ächt christlichem Sinne dem gerne folgen werden, und daß überall, wo der Blick nur ernst und aufrichtig, ohne alle unlautere Neben-Absichten auf das Wesentliche und die große heilige Sache selbst gerichtet ist, auch leicht die Form sich finden, und so das Aeußere aus dem Innern, einfach, würdevoll, und wahr von selbst hervorgehen wird. Möchte der verheißene Zeitpunkt nicht mehr ferne sein, wo unter Einem gemeinschaftlichen Hirten Alles in Einem Glauben, in Einer Liebe und in Einer Hoffnung sich zu Einer Heerde bilden wird!

Potsdam, den 27. Septbr. 1817.
Friedrich Wilhelm.
An die Consistorien, Synoden und Superintendenturen.“

(Quelle: Klän, Werner / Da Silva, Gilberto (Hrsg.), Quellen zur Geschichte selbstständiger evangelisch-lutherischer Kirchen in Deutschland. Dokumente aus dem Bereich konkordienlutherischer Kirchen, 2. Auflage, Oberurseler Hefte Ergänzungsband 6, Göttingen 2010, S. 33f)

Gemälde: Friedrich Wilhelm III. von Preußen | Mathiasrex - wikimedia.org

Lutherische Kirche und Judentum


Die Theologische Kommission der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche (SELK) hat in einer Langzeitstudie das Verhältnis zwischen der SELK (und ihrer Vorgängerkirchen) und dem Judentum aufgearbeitet. Sie entspricht damit einem Auftrag der 11. Kirchensynode der SELK 2007 in Radevormwald.

Leuchter

Christliche Kirche hat ihre Wurzeln im Judentum. Jesus Christus war Jude. Die Verbindungen zwischen Kirche und Judentum sind vielfältig. Aber da sind eben auch die Ausgrenzung, die Verfolgung und der Massenmord an Millionen Juden in der Zeit des Nationalsozialismus. Da ist die Schuld, die die christlichen Kirchen – auch die lutherische – auf sich geladen haben. Da sind die judenfeindlichen Äußerungen Martin Luthers, die gerade im Jahr des Reformationsjubiläums verstärkt in den Fokus gestellt wurden. Da tauchen immer wieder Irritationen auf bei der Frage, ob und wie am Karfreitag im Fürbittgebet speziell der Juden gedacht werden soll.

Die Theologische Kommission der SELK geht in ihrer Studie auf alle diese Fragen ein. Sie beginnt mit einer theologischen Grundlegung – den biblischen Grundlagen, systematisch-theologischen und liturgischen Perspektiven. Dabei wird deutlich, wie nah sich Christentum und Judentum stehen: „Keine andere Religion steht dem Christentum näher als das Judentum. Verbunden sind beide miteinander durch denselben geschichtlichen Ursprung, dieselben alttestamentlichen Schriften, dieselben Verheißungen.“ Aber natürlich wird das Trennende auch deutlich: „Gleichwohl unterscheiden sie sich durch ihre Sicht auf den Messias. Die Kirche sammelt sich um Jesus von Nazareth als den Messias, wie er in den alttestamentlichen Verheißungen Israel und den Völkern angesagt wurde. Die Synagoge dagegen lehnt Jesus von Nazareth als die Erfüllung dieser Verheißungen ab und wartet weiterhin auf den für sie noch ausstehenden Messias.“

Gottes Gnadenverheißungen – ebenso wie die Sendung Jesu – galten zuerst Israel. Das, so die Kommission, habe die Kirche „neidlos anzuerkennen“. Und weiter: „Bleibt die Kirche ihren eigenen Grundlagen treu, so hat sie das mehrheitliche jüdische ‚Nein‘ zum messianischen Anspruch Jesu mit dem Apostel Paulus als göttliches Mysterium auszuhalten (Röm 11,25) und nicht aus eigenem ‚frommen‘ Antrieb heraus zu ‚bewältigen‘.“

Von der Einsicht her, dass die Sünde aller Menschen Christus getötet hat, verbiete sich auch die Bezichtigung der Juden als „Gottesmörder“, schreibt die Kommission.

Zum Nebeneinander von Kirche und Synagoge heißt es in der Studie unter anderem: „Da die Kirche ihrem Selbstverständnis nach freilich zum Gott Israels nur über das Heilswerk Jesu Christi (Apg 4,12) und die geistgeleitete Verkündigung seiner Apostel gefunden hat, ergeht ihr Gebet zum himmlischen Vater ausschließlich im Namen Jesu (Gal 4,4; Röm 8,15). Ein gemeinsames Beten von Kirche und SHeft 12ynagoge ist daher nicht möglich, ohne dass dies zu gegenseitigen Vereinnahmungen führen würde, wohl aber die Fürbitte für den anderen (…).“ Zu der Frage des Israel-Gedenkens am Karfreitag empfiehlt die Studie, die bisherige Praxis zu ändern: „Am Karfreitag sollte das Israel-Gedenken im Fürbittengebet vollständig umformuliert werden. (…) Die Gefahr, dass hier Fehlverständnisse befördert werden bzw. Missverständnisse bleiben oder neu entstehen, ist zu groß.“

Ausführlich dokumentiert die Studie die Geschichte des Verhältnisses von Christen und Juden bzw. der lutherischen Kirche und dem Judentum. Sie fasst auch die Debatte um die Judenmission zusammen, erläutert das messianischen Judentum und endet mit Ausführungen zu den Begriffen Chiliasmus und Zionismus.

Die Studie wird dem 13. Allgemeinen Pfarrkonvent der SELK im November vorgelegt. Sie ist als Heft 12 der SELK-Schriftenreihe „Lutherische Orientierung“ erschienen und im Kirchenbüro der SELK in Hannover (für 3 Euro zzgl. Versandkosten) erhältlich.

Unser Bekenntnis - Artikel 3: Vom Sohn Gottes


Das Augsburger Bekenntnis (Confessio Augustana) ist die grundlegende Bekenntnisschrift der im Konkordienbuch (1580) abgedruckten verbindlichen Bekenntnisse der Kirche der lutherischen Reformation. In loser Folge lesen Sie hier Erläuterungen zu den einzelnen Artikeln von Pfarrer Dr. Gottfried Martens D.D. (Berlin-Steglitz).

Bekenntnis

Confessio Augustana, Artikel 3: Vom Sohn Gottes

Ferner wird gelehrt, dass Gott der Sohn Mensch geworden ist, geboren aus der reinen Jungfrau Maria. Die zwei Naturen, die göttliche und menschliche, sind also in einer Person untrennbar vereinigt: ein Christus, wahrer Gott und wahrer Mensch, wahrhaftig geboren, gelitten, gekreuzigt, gestorben und begraben; so ist er ein Opfer nicht nur für die Erbsünde, sondern auch für alle anderen Sünden und hat Gottes Zorn versöhnt; dieser Christus ist niedergefahren zur Hölle, am dritten Tage wahrhaftig auferstanden von den Toten und aufgefahren in den Himmel; er sitzt zur Rechten Gottes, herrscht ewig über alle Geschöpfe und regiert sie; alle, die an ihn glauben, heiligt, reinigt, stärkt und tröstet er durch den Heiligen Geist, teil ihnen auch Leben und allerlei Gaben und Güter aus, schützt und beschirmt sie gegen Teufel und Sünde; dieser Herr Christus wird am Ende öffentlich kommen, zu richten die Lebendigen und die Toten – wie es im Apostolischen Glaubensbekenntnis heißt.

Nach den Artikeln und über Gott und über den Menschen bzw. die Sünde muss nun sachlogisch von Christus die Rede sein – vom Sohn Gottes, der Mensch geworden ist um unserer Sünde bzw. um unserer Seligkeit willen.

Über die Inhalte des dritten Artikels gibt es zwischen den Bekennern von Augsburg und der Gegenseite keine kontroversen Ansichten, so stellt es auch die Erwiderungsschrift der Gegenseite, die „Confutatio“, fest. Im Gegenteil: Melanchthon setzt auch im dritten Artikel alles daran, deutlich zu machen, dass die Bekenner von Augsburg in der Tradition der katholischen Kirche aller Zeiten stehen. Ganz ausdrücklich nimmt er darum Formulierungen altkirchlicher Bekenntnisse und Konzilsentscheidungen auf, um deutlich zu machen, dass im Augsburger Bekenntnis nichts Neues über Christus gelehrt wird. So finden wir in dem deutschen und dem lateinischen Text des 3. Artikels Formulierungen aus dem Apostolischen, dem Nizänischen und dem Athanasianischen Glaubensbekenntnis ebenso wie aus dem Entscheid des ökumenischen Konzils von Chalcedon aus dem Jahr 451, bei dem es um die Frage ging, wie man das Geheimnis, dass Christus wahrer Mensch und wahrer Gott ist, angemessen umschreiben und in Worte fassen kann.

Deutlich wird im Augsburger Bekenntnis zunächst einmal: In der Lehre von Person und Werk Jesu Christi geht es nicht um eine philosophische Spekulation, sondern es geht um die Heilsfrage – genau wie dies auch schon in der Alten Kirche gesehen wurde: Ist Gott nicht wirklich Mensch geworden, ist das Wort nicht wirklich Fleisch geworden, dann sind wir verloren. „Was nicht angenommen ist, ist nicht geheilt; was mit Gott vereint ist, das wird auch gerettet“, schreibt der heilige Gregor von Nazianz.

Wenn es um die Person Christi geht, muss sehr genau formuliert werden, um dem biblischen Befund wirklich gerecht zu werden: Der Sohn Gottes hat die menschliche Natur angenommen bzw. ist Mensch geworden, heißt es im deutschen und lateinischen Text. Das heißt: Es gab niemals einen Menschen Jesus, dessen „Ich“, dessen Subjekt nicht der ewige Sohn Gottes gewesen wäre. Der Sohn Gottes hat nicht einen Menschen, sondern die menschliche Natur angenommen, und zwar so, dass göttliche und menschliche Natur untrennbar in einer Person vereinigt sind. Das Augsburger Bekenntnis übernimmt damit, ebenso wie die römisch-katholische Kirche und die orthodoxen Kirchen Osteuropas, die Lehre des Konzils von Chalcedon von den zwei Naturen Christi, die zum Beispiel von der syrisch-orthodoxen Kirche abgelehnt wird, weil sie befürchtet, dass damit die Vereinigung der beiden Naturen in Christus und das „Ungleichgewicht“, dass der ewige Sohn Gottes die menschliche Natur, nicht aber ein Mensch die göttliche Natur angenommen hat, nicht angemessen ausgedrückt wird. Schaut man genau hin, setzt Melanchthon hier aber schon einen Akzent: Aus den vier Adjektiven, mit denen das Verhältnis von göttlicher und menschlicher Natur in Christus im Konzil von Chalcedon beschrieben wird – unvermischt, unverwandelt, ungetrennt, ungesondert – übernimmt er nur den Begriff „ungetrennt“ bzw. „unzertrennlich“, also den Begriff, der gegen die Irrlehre der Nestorianer gerichtet war, die behaupteten, Maria habe nicht den ewigen Gottessohn, sondern nur den Menschen Jesus zur Welt gebracht und dürfe darum auch nicht als Mutter Gottes bezeichnet werden.

Genau diese Irrlehre der Nestorianer feierte in der Reformationszeit fröhliche Auferstehung in der Theologie des Schweizer Reformators Ulrich Zwingli, dessen Statue noch heute im Berliner Dom auf die versammelte gottesdienstliche Gemeinde herabblickt: Wenn Jesus ein Wunder tut, dann ist es nur der Sohn Gottes, der dies Wunder vollbringt; wenn Jesus am Kreuz stirbt, dann ist es nur der Mensch Jesus und nicht der Sohn Gottes, der dort stirbt. Und genau gegen diese rationalistische, unbiblische Lehre Zwinglis betont Melanchthon das „untrennbar vereinigt“: Ich kann keine Aussage über Person und Werk Jesu machen, die nicht für beide Naturen zugleich gilt. Das Anliegen der mia-physitischen Kirchen wie der syrisch-orthodoxen Kirche, die von der einen „aus Gottheit und Menschheit zusammengesetzten Natur“ Jesu Christi sprechen, liegt dem lutherischen Bekenntnis also sehr viel näher als das der Nestorianer.

Auch grammatisch bindet Melanchthon im lateinischen und deutschen Urtext des Augsburger Bekenntnisses Person und Werk Jesu Christi und dessen Heilsbedeutung ganz eng zusammen: Alles zielt darauf, dass er, der wahre Gott und wahre Mensch Jesus Christus, „ein Opfer“ für unsere Sünden ist und Gottes Zorn versöhnt hat: Sein Weg hat nur ein Ziel: das zerbrochene Verhältnis zwischen Gott und den Menschen wiederherzustellen. Wenn das Augsburger Bekenntnis hier formuliert, dass Christus Gottes Zorn versöhnt hat, meint es nicht, dass Christus sich gleichsam in eigener Initiative einem blutrünstigen, rachehungrigen Gott entgegengestellt hat: Die Sühne unserer Schuld, die Christus mit seinem Kreuzesopfer vollzogen hat, bleibt immer Initiative Gottes des Vaters: Er versöhnt die Welt mit sich selbst durch dieses Opfer; er lenkt seinen Zorn aus Liebe zu uns Menschen auf Christus, damit dieser Zorn uns nicht trifft: Es geht bei der Versöhnung ganz wesentlich um ein Geschehen in Gott selbst: „Gott war in Christus und versöhnte die Welt mit sich selber.“ (2. Korinther 5,19)
Nicht gleich verständlich scheint die Formulierung, dass das Opfer Christi am Kreuz nicht nur für die Erbsünde, sondern auch für alle anderen Sünden der Menschen gilt. Diese Formulierung wendet sich gegen die damals weit verbreitete Auffassung, dass der Kreuzestod Christi in der Tat nur die Erbsünde der Menschen gesühnt habe, dass aber für die Sühne der „Tatsünden“ der Menschen immer wieder neu das Messopfer im Gottesdienst dargebracht werden müssten, also Leib und Blut Christi im Sakrament geopfert und als Opfergabe Gott dargebracht werden müssten. Die Erwiderungsschrift der römischen Seite, die „Confutatio“, weist dies zwar als Unterstellung zurück, doch formuliert einige Zeit später das Konzil von Trient in der Tat, dass das Messopfer im Gottesdienst ein „wahres Sühnopfer“ sei, ohne allerdings das Verhältnis zwischen Kreuzesopfer und Messopfer genau zu bestimmen oder die Wirkung von Kreuzesopfer und Messopfer auf verschiedene „Sündenarten“ zu verteilen. Dennoch verweist Melanchthon hier an dieser Stelle schon auf ein strittiges Thema, das er dann im 24. Artikel des Augsburger Bekenntnisses noch ausführlicher behandelt: Weil der Tod Christi das einzige Opfer ist, das vor Gott gilt, kann dieses Opfer nur ausgeteilt, aber nicht noch einmal vollzogen oder gar ergänzt werden.

Ein doppeltes Ziel des Weges Christi benennt der dritte Artikel des Augsburger Bekenntnisses sodann: Er, Christus, herrscht über alle Geschöpfe und regiert sie. Noch bleibt diese Herrschaft dem menschlichen Auge verborgen – und doch dürfen wir sie als Christen jetzt schon bekennen. Diejenigen, die an ihn, Christus, glauben, regiert er allerdings auch noch auf eine andere Weise: Er „heiligt, reinigt, stärkt, tröstet“ sie „durch den Heiligen Geist“. Wir finden im Augsburger Bekenntnis keinen eigenständigen Artikel „Vom Heiligen Geist“. Und das hat einen guten und wichtigen theologischen Grund: Das Augsburger Bekenntnis und mit ihm die lutherische Kirche betont, dass der Heilige Geist und sein Wirken ganz an Jesus Christus gebunden sind: Es gibt kein Wirken des Geistes und keine Erfahrungen des Heiligen Geistes, die von Christus losgelöst werden könnten. Dies ist gerade heutzutage eine ganz wichtige und aktuelle Aussage: Immer weiter verbreiten sich heute kirchliche Gruppierungen, die das vermeintliche Wirken des Heiligen Geistes in ihrer Mitte nicht mehr erkennbar an die Verkündigung des gekreuzigten Christus rückbinden, sondern es an Gefühlen oder mehr oder weniger sensationellen Erlebnissen festmachen. Doch wo auf diese Weise das vermeintliche Wirken des Heiligen Geistes verselbständigt wird, ist eben nicht mehr klar zu erkennen, ob es sich hierbei tatsächlich noch um den Heiligen Geist oder um einen sich fromm gebärdenden menschlichen Geist handelt, der sich als Stimme Gottes ausgibt. Wo auch immer Menschen behaupten, der Heilige Geist habe ihnen dieses oder jenes gesagt, ist von daher Vorsicht angesagt. Eindeutig identifizieren lässt sich das Wirken des Heiligen Geistes nur da, wo es direkt und eindeutig auf den gekreuzigten Christus und sein Wort verweist.

Eben darum wird der Heilige Geist hier schon und vor allem im Artikel vom Sohn Gottes behandelt. Dieser handelt durch den Heiligen Geist und bleibt selber derjenige, der Leben, dazu allerlei Güter und Gaben austeilt. Als Christen sollten wir zunächst und vor allem nach den Gaben Christi und nicht nach davon losgelösten Geistesgaben streben.

Neben dem Heiligen Geist findet auch der Teufel im dritten Artikel des Augsburger Bekenntnisses seine Erwähnung. Auch er ist im Augsburger Bekenntnis nicht Gegenstand eines eigenen Artikels, ja noch nicht einmal „Glaubensgegenstand“, denn Christen glauben nicht an den Teufel, sondern an den dreieinigen Gott. Sie wissen jedoch sehr wohl um den Widersacher Gottes, der sie lebenslänglich in einen Kampf zwingt. Aber sie wissen vor allem darum, wer in diesem Kampf der Stärkere ist, eben Christus, der erhöhte Herr. Darum wird der Teufel hier in diesem Artikel von vornherein gleichsam als Verlierer geschildert, als einer, der keine Chance hat, wo Menschen im Glauben unter dem Schutz und Schirm ihres Herrn Jesus Christus stehen.

Ausdrücklich erwähnt wird am Ende des Artikels auch die Wiederkunft Christi, die im 17. Artikel noch einmal als eigenständiges Thema behandelt wird. Ein Bekenntnis zu Christus, das dessen Wiederkunft ausblendet oder gar leugnet, bleibt notwendigerweise defizitär. Wo Menschen sich nicht mehr nach dem wiederkommenden Herrn Jesus Christus sehnen, lassen sie sich stattdessen von anderem bestimmen und treiben: von Weltverbesserungsideologien oder von mancherlei Ängsten oder mehr oder weniger offenem Zynismus. Auch kirchliche Verkündigung, die die Wiederkunft des Herrn verdrängt, bleibt von solchen Gefahren nicht verschont.

Betont wird im Augsburger Bekenntnis, dass sich die Wiederkunft Christi „öffentlich“ vollziehen wird, also so, dass kein Zweifel bestehen wird, dass er, Christus, der Herr und Richter der Welt, es ist, der da kommt. Diese Aussage ist gerade heute wieder ganz aktuell angesichts so mancher Sekten, die entweder wie die Zeugen Jehovas eine „unsichtbare Wiederkunft“ Christi lehren, um damit ihre irrtümliche Ankündigung der Wiederkunft Christi im Jahr 1914 aufrechterhalten zu können, oder die gar ihren Sektenführer als wiedergekommenen Christus verehren. Die Identität des wiederkommenden Christus wird jedoch niemand in Frage stellen können – vor ihm werden einmal alle ihre Knie beugen: vor ihm, der Mensch geworden und am Kreuz gestorben ist um unsertwillen, „auf dass alle, die an ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben.“ (St. Johannes 3,16)


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Rund 350.000 Euro für „freie Reserve“


Seit 2014 läuft in der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche (SELK) die Aktion „1.000 mal 1.000 Euro für die AKK“ zur Bildung einer freien Rücklage bei der Allgemeinen Kirchenkasse (AKK). Was hat es damit auf sich und wie ist der Stand der Dinge?

Finanzrücklage

Eine genaue Überprüfung der Zweckbestimmungen, mit denen Zuwendungen auf das Konto des Sonderfonds „Gehälter“ der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche (SELK) überwiesen worden sind, hat eine Korrektur der bisher veröffentlichten Zahlen der Aktion „1.000 mal 1.000 Euro für die AKK“ erforderlich gemacht. „1.000 mal 1.000 Euro für die AKK“ ist eine von Gemeindegliedern der SELK initiierte, im Februar 2014 offiziell gestartete Aktion, bei der es der Grundidee nach darum geht, 1.000 Spenden von je 1.000 Euro zur Bildung einer „freien Reserve“ bei der Allgemeinen Kirchenkasse (AKK) der SELK einzuwerben – Mittel, die hinsichtlich der Besoldungs- und Versorgungsaufgaben der Kirche vorsorglich ein Polster bilden sollen. Es entsteht somit eine bewusst gebildete Rücklage, auf die in Krisenzeiten zurückgegriffen werden kann. Spenden für die Aktion werden auf das Konto des Sonderfonds „Gehälter“ der SELK erbeten und dann gesondert verbucht. Dazu ist eine eindeutige Zweckbestimmung auszuweisen. Die Überprüfung hat nun übergeben, dass diese Zweckbestimmung bei einer Reihe von – zum Teil größeren – Überweisungen so nicht gegeben war, weshalb die Mittel aus diesen Überweisungen den allgemeinen Gaben für den Sonderfonds und nicht der Aktion zuzurechnen waren.

Der aktuelle Stand der Aktion „1.000 mal 1.000 Euro für die AKK“ liegt per 1. August bei 347.309,20 Euro. Die Korrektur, die zu einer Rückführung des Spendenstandes um rund 30.000 Euro geführt hat, sei „bedauerlich, aber nicht zu ändern“, so Michael Schätzel, Geschäftsführender Kirchenrat im Kirchenbüro der SELK in Hannover. Nach wie vor gingen Spenden für die Aktion ein, so im vergangenen Jahr 52.605,22 Euro und im laufenden Jahr bisher 25.125,55 Euro. Er hoffe, so Schätzel, dass die Aktion noch einmal Fahrt aufnehme. Bisher hätten sich 189 Einzelspender, 26 Gemeinden oder Gemeindegruppen, vier Kirchenbezirke, ein Verein und eine Stiftung beteiligt. Auch Sammlungen anlässlich einer Hochzeit und eines Geburtstages seien eingegangen. Im laufenden Jahr hätten zudem die Angehörigen eines Verstorbenen statt der Gabe von Kränzen oder Blumen Überweisungen zugunsten der Aktion erbeten.

Spenden für die Aktion können mit dem Verwendungszeck „1.000 x 1.000“ auf folgendes Konto überwiesen werden:

SELK | Sonderfonds „Gehälter“ | Evangelische Bank 
IBAN: DE24 5206 0410 0100 6159 27
BIC: GENODEF1EK1

Bei Überweisungen ist wegen der Zuwendungsbestätigung die vollständige Absenderadresse anzugeben.

Stellungnahme zur „Ehe für alle“

 
Am Freitag, 30. Juni 2017, wurde im Bundestag die sogenannte „Ehe für alle“ beschlossen. Damit können nun auch homosexuelle Lebenspartnerschaften „verheiratet“ sein, was auch das Adoptionsrecht einschließt. Bislang konnten sie sich nur verpartnern.

Der leitende Geistliche der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche (SELK), Bischof Hans-Jörg Voigt D.D. (Hannover), hat im Vorfeld der Beschlussfassung mit Datum vom 29. Juni die folgende Stellungnahme abgegeben:
 
Bischof Voigt

„Man muss Gott mehr gehorchen, als den Menschen.“ (Ökumenischer Monatsspruch für den Monat Juni 2017): Stellungnahme des Bischofs der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche (SELK), Hans-Jörg Voigt D.D. (Hannover), zur „Ehe für alle“

Nun kommt sie womöglich doch noch, die sogenannte „Ehe für alle“. Als Christinnen und Christen im Land können wir zu diesem womöglich letzten großen Projekt des Bundestages vor der Bundestagswahl nicht schweigen.

Die geplante Beschlussfassung durch Änderung eines Paragrafen im Bürgerlichen Gesetzbuch verstößt gegen das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland, wo es in Artikel 6 heißt: „(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung. (2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.“ Die unmittelbare Verbindung von Ehe und Familie mit Pflege und Erziehung von Kindern durch ihre Eltern zeigt klar und eindeutig, dass die grundsätzliche Möglichkeit zur Zeugung von Kindern (Generativität) zur Definition von Ehe durch das Grundgesetz gehört. Dies wurde durch mehrere Urteile des Bundesverfassungsgerichts bestätigt.

Dabei steht außer Zweifel, dass der Staat die Pflicht hat, für die Gleichberechtigung seiner Bürgerinnen und Bürger zu sorgen, was auch für homosexuell lebende Menschen gilt. Bei der „Ehe für alle“ wird jedoch Ungleiches gleich gemacht, da eine homosexuelle Partnerschaft eben nicht die grundsätzliche Möglichkeit zur Zeugung von Kindern in einer auf Dauer angelegten Lebensgemeinschaft eines Mannes und einer Frau darstellt, wie diese durch das Grundgesetz definiert wird. Deshalb ist die Definition einer Ehe als lebenslange Verbindung von Mann und Frau keine Diskriminierung von homosexuellen Frauen und Männern.

In der Präambel des Grundgesetzes der Bundesrepublik heißt es: „Im Bewusstsein seiner Verantwortung vor Gott und den Menschen, von dem Willen beseelt, als gleichberechtigtes Glied in einem vereinten Europa dem Frieden der Welt zu dienen, hat sich das Deutsche Volk kraft seiner verfassungsgebenden Gewalt dieses Grundgesetz gegeben.“ Gerade in Wahrnehmung dieser Verantwortung vor Gott und den Menschen ist der Bezug auf die „Grundordnung“ des Christentums, die Heilige Schrift, immer wieder notwendig und geboten. Auch dort wird in der „Präambel“ des christlich-jüdischen Kulturkreises, nämlich in der Genesis definiert: „Gott schuf den Menschen zu seinem Bilde, zum Bilde Gottes schuf er ihn; und schuf sie als Mann und Frau. Und Gott segnete sie und sprach zu ihnen: Seid fruchtbar und mehret euch.“ (1. Mose 1,27-28). Keine Gesellschaft setzt diese „Präambel“ außer Kraft, ohne schweren Schaden zu nehmen.

Es mag kein Zufall sein, dass der Monatsspruch der Ökumenischen Arbeitsgemeinschaft für Bibellesen für den Monat Juni an seinem letzten Tag eine Bedeutung bekommt, von der wir noch vor einer Woche nichts ahnten: „Man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen.“  (Apostelgeschichte 5,29) Ja, demokratisch beschlossene Gesetze haben natürlich auch für lutherische Christinnen und Christen eine unbedingte Gültigkeit. Jedoch hat jede staatliche Ordnung ihre Grenze an der Gewissensbindung des Einzelnen an Gott. Auch Mehrheiten können irren, dies sollten wir nicht vergessen. So wird die sehr einfache Wahrheit, dass bis zum Ende der Zeit ein Mann und eine Frau zusammenkommen und ein Kind zeugen, am besten natürlich in lebenslanger Liebe und Verantwortung füreinander, durch kein Gesetz der Welt abzuschaffen sein.

SELK-Reformationsgedenken

„Was bleibt, ist Freude in Christus“

Im zentralen Gottesdienst der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche (SELK) zum 500. Reformationsgedenken predigte am 24. Juni Bischof Hans-Jörg Voigt D.D. (Hannover) in der Stadtkirche in Wittenberg über das Jesaja-Wort: „Tröstet, tröstet mein Volk! spricht euer Gott. Redet mit Jerusalem freundlich und predigt ihr, dass ihre Knechtschaft ein Ende hat …“.

Wittenberg

In der gut gefüllten Stadtkirche St. Marien in Wittenberg nahm Bischof Hans-Jörg Voigt die Zuhörenden bildlich auf eine Bergwanderung mit. Von Jesaja, dem Propheten, der dem Volk Israel das mächtige Trostwort zusprach, wies er auf den nächsten „Berg“, der dahinter am Horizont sichtbar werde: Johannes der Täufer, der seinerseits auf Christus verwies. „Johannes, der Täufer, steht vor den Menschen und weist auf Jesus Christus hin“, sagte Voigt, „zu Jesus Christus hin will er den Weg bereiten und weist mit seinem Finger auf diesen Christus: „Siehe, dass ist Gottes Lamm, das der Welt Sünde trägt!“

Der höchste Berg dieser Welt sei nicht der Mount Everest, so Bischof Voigt, sondern „es ist der Berg Golgatha, auf dem das Kreuz Jesu dann steht.“ Dieser Berg sei gemacht aus allen Irrtümern, aller Schuld, allem Leid dieser Welt, so Voigt. Jesus Christus habe sie weggetragen. Bischof Voigt: „Er hat selbst diesen Müllhaufen menschlicher Sünde eben gemacht durch seinen Tod und durch seine Auferstehung.“

Das berühmte Altarbild von Lukas Cranach in der Wittenberger Stadtkirche aufnehmend, das Martin Luther predigend auf der Kanzel zeigt, wie er auf den gekreuzigten Christus deutet, verwies der leitende Geistliche der SELK auf diesen Prediger Martin Luther, der wie Johannes der Täufer auf Jesus Christus zeigte.

Der Berg, der vor Luther lag, sei ebenfalls unüberwindbar groß erschienen, so Bischof Voigt. Dieser Berg habe aus innerkirchlicher Korruption und einer fehlgeleiteten Theologie und Frömmigkeit bestanden. Bischof Voigt: „Da stand der kleine Priestermönch und fragt hier in dem Provinzstädtchen Wittenberg mit den Worten des Jesaja: ‚Was soll ich predigen? Was soll ich den Leuten bloß sagen, die hier in dieser Kirche mit den Ablassbriefen aus Jüterbog ankamen und dachten, sie hätten etwas ganz Großartiges gekauft’. Und er bekommt die Antwort: ‚Tröste, tröste mein Volk!’ und ‚Das Wort unseres Gottes bleibt ewiglich.’“

Es war das Evangelium, das hier von Wittenberg aus die Welt verändert habe, sagte der Bischof, und so gelte es heute, an den Anfang der Reformation zu erinnern, wo es um nichts anderes ging als um die Frage, wie die Sünde und die Sündenstrafe vergeben wird. Auf diesen Trost der Vergebung folge die Freude in Christus, so Bischof Voigt: „Mit der Beichte nimmt die Versöhnung in unseren Familien ihren Anfang. Mit Beichte und Vergebung beginnt auch die Versöhnung der Kirchen. Mit der Beichte beginnt Reformation. Was bleibt ist Freude in Christus!“

Im Anschluss an die Predigt konnten sich alle anwesenden getauften Christen diese Vergebung unter Handauflegung zusagen lassen. Dass die Kirche, die aus dem in der Reformation wiederentdeckten Evangelium lebt, keine bloß deutsche Angelegenheit ist, war außer an der Anwesenheit internationaler Gäste auch daran erkennbar, dass an einem der Absolutionsorte die Vergebung den vielen anwesenden farsisprechenden Christen in ihrer Muttersprache zugesagt wurde.

Am Gottesdienst wirkten neben Bischof Voigt Propst Klaus-Peter Czwikla (Spiesen-Elversberg), Propst Gert Kelter (Görlitz), Propst Johannes Rehr (Sottrum), Pfarrer Dr. Gottfried Martens (Berlin-Steglitz), Prof. Dr. Christoph Barnbrock (Oberursel) und Vikar Diedrich Vorberg (Görlitz) Wilmersdorfsowie Jugendliche aus verschiedenen SELK-Kirchenbezirken mit, die an diesem Wochenende am „Luther 500-Festival“ teilnehmen.

Musikalisch wurde der Gottesdienst von Kantor Georg Mogwitz (Leipzig) gemeinsam mit dem Chor „Ostinato“ ausgestaltet. Auch ein spontan gebildeter Bläserchor unter der Leitung von Ulrich Schroeder (Dresden) wirkte mit: mit Luther-Chorälen vor und nach dem Gottesdienst und begleitend auch im Gottesdienst selbst.

Als Auftakt zu dem Festwochenende anlässlich des 500. Reformationsgedenkens hatte am Freitag, 23. Juni, eine Podiumsdiskussion in Berlin-Wilmersdorf stattgefunden zum Thema „Chancen und Herausforderungen für die lutherische Kirche im 21. Jahrhundert“. h-moll-MesseUnd am Samstag, 24. Juni, wurde in der Kirche der SELK-Gemeinde Berlin-Mitte von rund 80 Sängerinnen und Sängern, Solisten und Orchester die h-Moll-Messe von Johann Sebastian Bach aufgeführt.

Als Zeichen der weltweit verbundenen lutherischen Bekenntniskirchen legten am Sonntag, 25. Juni – dem Tag des Augsburger Bekenntnisses (CA) – internationale Festprediger in den Gottesdiensten der Berliner SELK-Gemeinden einen Artikel des Bekenntnisses aus.

Festwochenende zum Reformationsgedenken


Vom 23. bis 25. Juni feiert die Selbständige Evangelisch-Lutherische Kirche (SELK) das 500. Reformationsgedenken. Die Veranstaltungen finden in Berlin und Wittenberg statt.

Reformationsgedenken

Den Auftakt macht am Freitag, 23. Juni, um 20.00 Uhr in der Kirche „Zum Heiligen Kreuz“ in Berlin-Wilmersdorf eine Podiumsdiskussion zum Thema „Chancen und Herausforderungen für die lutherische Kirche im 21. Jahrhundert“. Podiumsteilnehmer sind Präses Dr. Robert Bugbee (Winnipeg / Kanada), Erik Braunreuther (Dresden), Dr. Silja Joneleit-Oesch (Frankfurt), Prof. Dr. Werner Klän (Oberursel). Die Moderation hat Doris Michel-Schmidt (Merenberg). Musikalisch umrahmt wird die Veranstaltung vom „trio ad hoc“ aus Leipzig.

Mit einem zentralen Gedenkgottesdienst am Samstag, 24. Juni, in der Stadtkirche Wittenberg erinnert die SELK an die Kernaussage der Reformation, dass „wir Vergebung der Sünden finden aus Gnade um Christi willen durch den Glauben“, wie es im Hauptartikel IV des Augsburger Bekenntnisses heißt.
In dem Beichtgottesdienst, der um 13.00 Uhr beginnt, wird der Bischof der SELK, Hans-Jörg Voigt D.D. (Hannover), die Predigt halten und – gemeinsam mit den Pröpsten der SELK, Klaus-Peter Czwikla (Spiesen-Elversberg), Gert Kelter (Görlitz), und Johannes Rehr (Sottrum), die Vergebung, die Christus schenkt, den Gläubigen unter Handauflegung zusprechen.
„Ohne Zweifel ist es im Sinne Luthers“, so Bischof Voigt, „dass wir nicht ihn in den Mittelpunkt stellen, sondern Christus und den Glauben an ihn, den der Reformator vor 500 Jahren wieder ans Licht geholt hat.“

Direkt gegenüber der Stadtkirche befindet sich die „Alte Lateinschule“, das internationale Studien- und Begegnungszentrum, das von der Internationalen Lutherischen Wittenberg-Gesellschaft (ILSW) betrieben wird. Darin arbeiten die SELK und ihre US-amerikanische Schwesterkirche, die Lutherische Kirche-Missouri Synode (LCMS), zusammen. Die Alte Lateinschule ist Teil der in Wittenberg stattfindenden „Weltausstellung Reformation“ und präsentiert die Geschichte und die Gegenwart des konfessionellen Luthertums. Besucherinnen und Besucher sind eingeladen, sich bei einer Ausstellung im Erdgeschoß des Gebäudes zu diesem Thema zu informieren, die neu gestaltete Kapelle zu besichtigen und den Bücherladen zu besuchen. Am Samstag, 24. Juni, wird die Alte Lateinschule von 10 Uhr bis 16 Uhr - jedoch nicht während des Gottesdienstes in der Stadtkirche - geöffnet sein.

Am Samstag Abend findet in der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Berlin-Mitte (Annenstr. 53) ein Konzert statt, in dem über 80 Sängerinnen und Sänger, Solisten und Orchester die h-Moll-Messe von Johann Sebastian Bauch zu Gehör bringen. Das Konzert beginnt um 19.30 Uhr.

Am Sonntag, 25. Juni, schließlich, werden in den SELK-Gemeinden in Berlin und Potsdam internationale Festprediger in den Gottesdiensten jeweils einen Artikel des Augsburger Bekenntnisses auslegen. Das Datum ist nicht zufällig gewählt: Der 25. Juni ist gleichzeitig auch der Gedenktag des Augsburger Bekenntnisses.

Bereits zuvor – am 22. und 23. Juni – treffen sich in Berlin führende Vertreter der europäischen Region des International Lutherischen Rates (ILC), in dem weltweit lutherische Bekenntniskirche zusammenarbeiten. Am 25. und 26. Juni folgt dann noch die Sitzung des Leitungsgremiums (Exekutiv-Komitee) des ILC, ebenfalls in Berlin.

Genaue Informationen finden Sie hier: www.SELK.de/500


Aus der Predigtwerkstatt von Louis Harms


Ludwig Harms


Eine Sammlung bisher unveröffentlichter Predigten des „Heidepastors“ Louis Harms gibt Einblick in dessen Arbeitsweise. Kann man an den Predigten von Louis Harms lernen, warum es im 19. Jahrhundert in Hermannsburg zu einer so großen Erweckung kam? selk.de hat dazu Pastoralreferentin Dr. Andrea Grünhagen, Assistentin im Kirchenbüro der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche (SELK) in Hannover befragt, eine profunde Kennerin der Geschichte des berühmten Erweckungspredigers.

Andrea GrünhagenFrau Dr. Grünhagen, was hat Sie am meisten überrascht bei der Sichtung der bisher unveröffentlichten Predigten von Louis Harms?

Grünhagen: Ganz ehrlich: die Kürze der Predigtmanuskripte. Die berühmten Evangelien- und Epistelpredigten, die Louis Harms für den Druck geschrieben hat, sind deutlich umfangreicher, und von Ohrenzeugen wissen wir auch, dass er sehr lange gepredigt hat, weshalb seine Vorgesetzten ihn regelmäßig ermahnten. Es muss also auf der Kanzel noch zusätzliche freie Redeanteile gegeben haben.
Außerdem finde ich spannend zu beobachten, wie sehr er sich sowohl in der Diktion als auch in der Themenwahl über sein ganzes Predigerleben hin treu geblieben ist.

Was war so besonders damals in Hermannsburg, dass eine derartige Erweckung stattgefunden hat? Waren es die Predigten von Louis Harms, war es seine Persönlichkeit?

Grünhagen: Louis Harms und sein Hermannsburg sind einfach ein Phänomen! Es ist geradezu paradox, wie einer, der homiletisch so ziemlich alles falsch macht, trotzdem als einer der größten Erweckungsprediger gilt. Rhetorische Kunstgriffe, gefällige Erscheinung und Redeweise – alles Fehlanzeige. Allerdings, wenn immer wieder eingeschärft wird, der Prediger solle doch den Hörer und seine Situation bedenken und darauf eingehen – tja, das hat Louis Harms durchaus getan. Allerdings nicht nur beim Zuspruch des tröstlichen Evangeliums, sondern in hohem Maße bei der Predigt des Gesetzes. Da ist er erschreckend konkret geworden. Er kannte seine Gemeinde und eben auch ihre Sünden. Seine Schroffheit hat der Wirkung der Predigten keinen Abbruch getan.
Und die Persönlichkeit? Gibt es typische Eigenschaften bei Pfarrern, die Erweckungen auslösen? Schön wäre es, leider ist es nicht ganz so einfach. Man kann im Rückblick Zusammenhänge beobachten: Scheinbare Zufälligkeiten, wie die Tatsache, dass er eben auch ein Hermannsburger Kind war und manches Mal in der Predigt „wir“ sagen kann, wo ein anderer „ihr“ hätte sagen müssen. Bewegend finde ich z.B. die nun veröffentlichte Konfirmationspredigt, die er als Nachfolger seines Vaters ein halbes Jahr nach dessen Tod gehalten hat. Man spürt es, und er sagt es, wie er in den Lesungen noch die Stimme seines Vaters hört; und er konfirmiert die Kinder vor dem Altar, vor dem er einst selbst als Konfirmand gestanden hat. Nun, so etwas gibt es nicht oft, dass jemand in seiner Heimatgemeinde Pastor wird. Aber wie hilfreich es ist, wenn ein Pastor seine Gemeinde zutiefst kennt und diesen Ort und diese Menschen innerlich bejaht und liebt, das kann man da sehen.
Dann sind da sicher seine besonderen Gaben zu nennen, seine Sprachbegabung, seine Belastbarkeit. Manches ist auch schwer zu fassen. Louis Harms hatte etwas Eindringliches, Absolutes und auch Asketisches in seinem Wesen. Man konnte ihn nur lieben oder hassen. Aber vermutlich passiert mit „der eine sagt so, der andere sagt so“ auch keine Erweckung.

Gerade auch Jugendliche und junge Erwachsene nahmen sich damals zu Herzen, was ihr Pastor ihnen predigte. Dabei redete er ihnen scharf ins Gewissen; in der eben von Ihnen erwähnten Predigt zur Konfirmation 1845 klingt das beispielsweise so: „Vermeidet die bösen Gesellschaften, fliehet die Schmeichler, Lügner und Verführer als Mörder eures Leibes, fliehet die Gotteslästerer und Flucher und Spötter über Religion als giftige Seelenmörder…“Kritiker mögen das als „gesetzlich“ bezeichnen – ist es das nicht?

Grünhagen: „Gesetzlich“ ist damals wie heute nicht die Predigt des Gesetzes, und Louis Harms nannte die Pastoren „stumme Hunde“, die sich nicht trauten, auch das Gesetz zu führen. „Gesetzlich“ ist die Vermischung von Gesetz und Evangelium. Ich würde lieber heute so manchem Prediger gerne mal die Konditionalsätze herausstreichen und Floskeln wie „darum lasst“ und „nun“ oder „dankbar wollen wir nun…“ und die unterschwelligen Apelle – bevor ich solche Schärfe der Gesetzespredigt wie bei Louis Harms negativ finde. Warum nicht eine solche Predigtweise einmal auch als eine Anfrage an uns selbst verstehen? Mir selbst hat Louis Harms über die Zeiten hinweg schon ein paar Grundsätze vermittelt, z. B den Satz: „Es gibt eine Union, die ist noch viel schlimmer als die Union in der Lehre. Und das ist die Union im Leben.“

Der Harms-Forscher Hugald Grafe schreibt im Vorwort zum neu herausgegebenen Predigt-Band vom „Unbedingten“, das in den Predigten zu erkennen sei. Tatsächlich spricht Harms die Zuhörenden immer wieder als geliebte, als teure Kinder an und fleht sie geradezu an, ja, beschwört sie, ihrem Hirten Jesu zu folgen, auf seine Stimme zu hören, nicht aufzuhören zu beten, um die Seligkeit nicht zu verwirken. Heutzutage traut man sich kaum noch, in dieser Dringlichkeit vom Seelenheil zu reden. Wird das nicht mehr verstanden? Stößt das heute – im Gegensatz zu damals – eher ab?

Grünhagen: Tatsächlich hat es auch zu Louis Harms Lebzeiten viele abgestoßen. Dass er so ungemein konkret wurde beim Benennen von Sünden, besonders gegen das 6. Gebot, hat so manchen Predigthörer, besonders von der vornehmen Sorte, empört nach Luft schnappen lassen. Dass da ein Prediger noch an Himmel und Hölle samt der Existenz des leibhaftigen Teufels glaubte, war damals schon völlig unzeitgemäß. Der Mann sei ja dreihundert Jahre zurück, also irgendwo bei der Reformation oder der Orthodoxie hängengeblieben, sagte man damals. Er nahm es als Kompliment und meinte, genau genommen sei er etwa 1800 Jahre zurück.
Ihm waren solche Gedanken, was man „noch“ oder „nicht mehr“ oder „heutzutage“ sagen könnte völlig egal. Wenn er meinte, etwas aus Gottes Wort predigen zu müssen, dann tat er das.
Harms selbst hat dieses „Unbedingte“ einmal in einem Ratschlag an einen jungen Amtsbruder so beschrieben: „Mit des heiligen Geistes Kraft, akkurat nach dem Worte getrieben von der Liebe Christi, und dann ohne weiteres darauf und daran, und gesprochen, wie einem der Schnabel gewachsen ist, und getan, was man nicht lassen kann, und in jeder Seele eine Seele sehn, die Christus mit Blut erkauft hat, und die ihm gehört und die man ihm wiedergewinnen muss, das ist der frische Lebensweg.“
Gut an unserer heutigen homiletischen Ausbildung sind die Sicherungsmechanismen, die einen sorgfältig zurückfragen lassen, ob das, was man meint sagen zu müssen, auch wirklich im Bibeltext steht oder ob das vielleicht nur mein subjektiver Eindruck ist. Wenn Louis Harms z.B., auch noch bei einer Visitationspredigt, die sich im neuen Predigtband findet, voller Überzeugung behauptet, Blattern seien nicht ansteckend und falls doch, würde Gott einen schon behüten, dann ist das nicht nur verwegen, sondern richtig gefährlich.

Auch die Vollmacht, mit der Louis Harms predigte, wird heute deutlich in Frage gestellt. Heute würde wohl kaum mehr ein Pfarrer auf der Kanzel so bestimmt davon reden, dass nicht er, sondern Gott predigt?

Grünhagen: Vielleicht sollten sie dann lieber gar nicht auf die Kanzel gehen? Es gibt ja den Spruch, man könne nach einer Predigt entweder sagen „Haec dixit dominus – Das sagt der Herr“ oder es sein lassen.
Ein bisschen mehr Bewusstsein davon, dass ein Pfarrer tatsächlich die Vollmacht übertragen bekommen hat, Gericht und Rettung anzusagen, würde eigentlich nicht schaden. Und würde vielleicht Pfarrer und Gemeinde entlasten. Jemand wie Louis Harms hatte weder den Anspruch, die Hörer gut unterhalten zu wollen (obwohl die Sonntage in Hermannsburg zu einem „Event“ wurden), noch von ihnen gemocht zu werden (obwohl er sehr gut Aufmerksamkeit für seine Projekte zu erzeugen wusste), noch ihnen freundliche Ratschläge zu erteilen, mit denen sie dann machen konnten, was sie wollten. Er wusste sich verantwortlich für seine Gemeinde. Das hat etwas mit seinem Amtsverständnis zu tun, was ein sehr hohes war. Diese Vollmacht ist ja nicht etwas, das der Prediger als übernatürliche Fähigkeit hat, sondern etwas, das ihn als Person in Dienst nimmt und gebraucht. Was nicht heißt, dass es homiletisch nicht auch echt schief gehen kann, das war auch bei Louis Harms so, und die Gemeinde das dann erleiden muss. Auf alle Fälle war er als Prediger authentisch. Zum Abschluss noch mal sein Rat: „Unter Gottes Wort muss sich alles beugen, und kein Verhältnis und keine Folgen dispensieren davon. Dabei bitte ich Sie, wandeln Sie heilig, predigen Sie kein Wort, das Sie nicht selber tun…“

Was ist aus Ihrer Sicht das „Überzeitliche“ dieser Predigten, von dem man heute noch etwas lernen kann?

Grünhagen: Ich bin mir nicht sicher, ob man Harmspredigten heute noch mit Gewinn zur eigenen Erbauung lesen kann. Ich hab es mal versucht und einfach vor ein paar Jahren sonntags die jeweilige Evangelienpredigt gelesen. Das war ganz spannend und geistlich sicher nicht völlig umsonst. Aber 1:1 übertragen kann man natürlich nicht alles. Wissenschaftlich ist dieser neue Predigtband natürlich ein echter Schatz, weil er einem einen Blick in das Wie des Predigtschreibens von Louis Harms über einen langen Zeitraum hinweg ermöglicht. Kann man dabei etwas für das eigene Predigen lernen? In jedem Fall, und sei es am schlechten Beispiel. Und ganz nebenbei kann es auch sein, dass Gottes Wort durch den Prediger irgendwie wirkt…


Die Fragen stellte Doris Michel-Schmidt

Der Band „Aus der Predigtwerkstatt von Pastor Louis Harms“, herausgegeben von SELK-Pfarrer i.R. Dr. Hartwig Harms, ist im Verlag Ludwig-Harms-Haus erschienen und kostet 29,90 Euro.

Projektchor zum Reformationsjubiläum

Ein beeindruckendes Engagement von allen Beteiligten

Ein gesamtkirchlicher Projektchor der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche (SELK) führt anlässlich des Reformationsgedenkens am 24. Juni in Berlin-Mitte die h-Moll-Messe von Johann Sebastian Bach auf. Nadine Vollmar, Kantorin in der Region Süd der SELK, leitet gemeinsam mit Kantorin Antje Ney das Projekt.

Chor

selk.de: An den Allgemeinen Kirchenmusiktagen in Hermannsburg fand die letzte gemeinsame Chorprobe für die Aufführung in Berlin statt: So langsam wird die Anspannung bei Ihnen vermutlich steigen?

Vollmar: Nein, ich empfinde es nicht als Anspannung, sondern als Vorfreude auf die Aufführung in Berlin. Je länger wir proben, desto intensiver lernen wir die h-Moll Messe kennen. Jeder weiß, was noch zu tun ist vor der Aufführung, und die Sängerinnen und Sänger bereiten sich mit großem Engagement auch zwischen den Proben sehr gut selbständig vor.

selk.de: Wie haben Sie die Probenarbeit gestaltet, damit alle Sängerinnen und Sänger möglichst auf dem gleichen Stand sind?

Vollmar: Wir haben für die Teilnahme an diesem Projekt zur Bedingung gemacht, dass die Sängerinnen und Sänger nahezu bei jeder Probe anwesend sein müssen. Außerdem haben Antje Ney und ich immer wieder Absprachen getroffen, welche Stücke bei welcher Probe erarbeitet werden, so dass alle auf dem gleichen Stand sind. Während der Proben haben wir immer wieder Stimmproben machen können, um schwierige Passagen zu festigen.

selk.de: Ein Projektchor aus dem gesamten Bundesgebiet wird in Berlin auftreten – das ist auch eine logistische Herausforderung für die Berliner Kirchgemeinden der SELK. Mit wie vielen Chormitgliedern werden Sie anreisen?

Vollmar: Über 80 Sängerinnen und Sänger von Kiel bis zum Bodensee werden sich auf den Weg nach Berlin machen. Bahnfahrkarten und Flugtickets wurden von einigen Sängern bereits gebucht, um pünktlich zur Generalprobe vor Ort zu sein. Ein beeindruckendes Engagement von allen Beteiligten!

selk.de: Sie werden die Messe in h-Moll von Johann Sebastian Bach aufführen. Ein sehr bekanntes und beliebtes Werk – was war für Sie ausschlaggebend, sich dafür zu entscheiden?

Vollmar: „Wenn wir ein Konzert mit diesem gewaltigen Aufwand machen, dann machen wir es richtig“, haben Antje Ney und ich uns gesagt, als wir vor weniger als einem Jahr die Anfrage bekamen, ein „großes Konzert“ in Berlin anlässlich des Reformationsjubiläums durchzuführen. Bei der Suche nach einem geeigneten Werk, das sowohl musikalisch als auch theologisch dem Anlass gerecht wird, kamen unsere Gedanken neben der h-Moll Messe auch an Werken von F. Mendelssohn Bartholdy vorbei. Jedoch schien uns am Ende die h-Moll Messe am passendsten. Denn wie bekannt ist, war J.S. Bach Luthers Theologie sehr nahe.
Die hohe Messe in h-Moll spricht sowohl Sänger als auch Zuhörer an und ist ein sehr guter Grund, gemeinsam das Reformationsjubiläum in Berlin feierlich zu begehen. Außerdem ist sie ein großartiges Zeugnis christlichen Glaubens, denn Johann Sebastian Bach komponierte sie 1749, kurz vor seinem Tod, fertig als eines von drei Werken (neben der Kunst der Fuge und dem musikalischen Opfer), die man als sein musikalisches Testament betrachten kann.

selk.de: Das Reformationsjubiläum 2017 hat unter anderem auch die Bedeutung von Musik, vom Singen, für das lutherische Christsein neu in den Fokus gerückt. Gleichzeitig haben viele Kirchenchöre Probleme, junge Mitglieder zu finden. Wie hat sich Ihrer Erfahrung nach die Chorarbeit in unserer Kirche entwickelt? Wo kann man neue Impulse setzen?

Vollmar: Nun, ob das Reformationsjubiläum einen direkten Zusammenhang mit den Sängerzahlen in Kirchenchören hat, wage ich zu bezweifeln … Auf dem Land gibt es eine Redewendung: „Man kann nur mit den Ochsen ackern, die man hat“. Übertragen bedeutet das für mich, dankbar zu sein für die guten und engagierten Chormitglieder, die es im kirchlichen Bereich gibt, die ihren Glauben singend zum Ausdruck bringen und andere Menschen damit berühren.
Für mich liegt der Blick selten darauf, wie viele Sänger im Chor sind, sondern, wie sehr ihnen daran liegt, in der Musik mit Gott in Kontakt zu sein und dies auch die Zuhörer spüren zu lassen. Wenn wir daran arbeiten, sowohl mit Kindern und Jugendlichen als auch mit Erwachsenen und Senioren, und die Musik jemanden berührt, dann haben wir viel erreicht. Zum Lob Gottes und für unsere Nächsten.


Die Fragen stellte Doris Michel-Schmidt

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