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SELK-Aktuell

Feste-Burg-Kalender: Neuer Herausgeber


Pfarrer i.R. Wolfgang Schmidt (Nürnberg) von der selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche (SELK) ist seit Anfang dieses Jahres neuer Herausgeber des Feste-Burg-Kalenders, der im Freimund-Verlag erscheint. Schmidt hat die Aufgabe von Propst Gert Kelter (Görlitz) übernommen, der das Amt seit 2006 innehatte.

Feste Burg Kalender

Herr Pfarrer Schmidt, welche Aufgaben hat der Herausgeber des Feste-Burg-Kalenders zu erfüllen?


Schmidt: Er ist verantwortlich dafür, dass der Feste-Burg-Kalender immer rechtzeitig erscheinen kann. Dazu gehört, den bestehenden Autorenstamm zu pflegen, neue Autoren zu gewinnen und um das Schreiben von Andachten zu bitten. Die geschriebenen Andachten werden dann gesammelt, durchgesehen und für den Verlag druckfertig vorbereitet.
Außerdem schreibt er eigene Andachten, das einleitende „Wort an die Leser“ und kümmert sich um die Sonderseiten zu den besonderen Gedenktagen des jeweiligen Jahres.
Eine weitere Aufgabe des Herausgebers ist es, den Kontakt zu den Lesern zu halten, um Anregungen und Kritik aufnehmen zu können.

Für jeden Tag des Jahres eine Andacht zu einem bestimmten Bibelabschnitt – wie werden die Textstellen ausgewählt? Und wie werden sie den Autoren zugeteilt?

Die Auswahl der Bibeltexte ist sehr einfach. Sie richtet sich nach der „Kirchenjahresleseordnung der Evangelischen Michaelsbruderschaft“. Schwieriger ist es, die Texte den etwa 200 Autoren zuzuordnen. Schließlich soll ein Autor ja nicht immer nur Texte für dieselbe Kirchenjahreszeit oder gar denselben Festtag zugeteilt bekommen. Da bin ich dankbar dafür, dass mich hier mein Vorvorgänger, Pfarrer Dr. Armin Wenz, bei dieser Aufgabe unterstützt. Das hat er seit seiner eigenen Herausgeberzeit auch schon für Propst Kelter getan. So habe ich von Pfarrer Dr. Wenz Ende letzten Jahres eine Datei für den Kalender 2019 bekommen, in der alle Texte den jeweiligen Autoren zugeordnet sind.

Haben Sie als Herausgeber Einfluss auf den Inhalt der Andachtstexte? Können Sie redigieren, kritisieren?

Das ist natürlich schwierig, wenn es um inhaltliche Fragen geht; aus eigener Erfahrung weiß ich, wie schwer es ist, sich hier selber kritisieren zu lassen. Da braucht es sehr viel Fingerspitzengefühl. Und ich bin gespannt, ob ich das im Umgang mit den Autoren haben werde.
Einfacher dürfte es sein, wenn es um äußere Dinge, wie Schreibfehler oder Kürzungen geht – Pfarrer neigen leider dazu, den zur Verfügung stehenden Platz zu sprengen, weil es so viel Wichtiges zu schreiben gibt.

Was macht für Sie einen guten Andachtstext aus?

Dazu könnten Professoren der praktischen Theologie ganze Vorlesungsreihen halten. Für mich steht ein guter Andachtstext im Einklang mit der Heiligen Schrift und dem Lutherischen Bekenntnis und spricht den Leser in lebendiger, verständlicher und seelsorgerlicher Sprache in seiner Alltagswirklichkeit an. Aber während ich das formuliere, wird mir bewusst, wie schwierig es mir selbst immer wieder wird, diese Gedanken in meinen eigenen Andachten umzusetzen.

Den Feste-Burg-Kalender gibt es seit 1922 in der Form eines Abreißkalenders, seit 1965 auch in Buchform. Wie hat sich Auflage der beiden Formen entwickelt? Gibt es Überlegungen, neue Formen zu entwickeln?

Leider ist die Gesamtauflage des Feste-Burg-Kalenders in den letzten Jahren ständig zurückgegangen. Das liegt sicher zum einen daran, dass überhaupt weniger gelesen wird. Zum anderen scheint mir die Hausandacht selbst in christlichen Häusern immer weniger selbstverständlich zu sein. Dazu kommt, dass es eine Fülle von Andachtskalendern gibt, und dass manchmal vielleicht weniger auf den geistlichen Inhalt als auf den Preis geachtet wird. Auch ist es kaum noch üblich, dass – so wie in meinem Elternhaus – der Abreißkalender an der Wand hängt und so täglich im Blick und im Bewusstsein blieb.
Erfreulich ist, dass dafür die Auflage des Kalenders in Buchform fast konstant geblieben, ja, dass in diesem Jahr sogar die komplette Auflage verkauft worden ist.

Wie nutzen Sie persönlich den Kalender? Was schätzen Sie an ihm, was vermissen Sie vielleicht?

Seit Jahren nutzen meine Frau und ich den Feste-Burg-Kalender für unsere tägliche Hausandacht. Wir freuen uns über die Fülle ganz unterschiedlicher Autoren, die auf ihre je eigene Weise, aber doch verbunden durch die Liebe zum Wort Gottes und zum Lutherischen Bekenntnis, das Evangelium zum Klingen bringen und uns immer wieder Anregung und Wegweisung für den Tag geben.
Ich vermisse, dass es uns offensichtlich immer weniger gelingt, die jungen Christen mit diesem Kalender zu erreichen. Hier werden wir vielleicht über einen Jugend-Feste-Burg-Kalender oder eine Onlineversion nachdenken müssen.


Die Fragen stellte Doris Michel-Schmidt

Tag der Bekehrung des Paulus


Das Alte ist vergangen!

Das Alte

So klein sie auch ist: Meine Kirchgemeinde ist so bunt wie das Leben!

Bei der Feier des Heiligen Abendmahls knien vorn am Altar die seit Jahren „trockene“ Alkoholikerin neben dem Altlutheraner, der in fünfter Generation „dazugehört“, der ehemalige DDR-Offizier neben dem aus Westdeutschland stammenden Konzernmanager, die seit Jahrzehnten engagierte Gemeindehelferin neben dem Neugetauften, der bis dahin Atheist war, neben dem gerade erst konfirmierten Jugendlichen die 90-jährige Dame, die schon von meinem Vor-Vor-Vorgänger getauft wurde, neben dem promovierten Akademiker die Fleischereifachverkäuferin.

Menschen also, die zeitlebens Christus als ihren Herrn und Erlöser bekannt haben und Menschen, die von Christus entweder nichts wussten oder wissen wollten oder sogar erklärte Christusgegner waren.

Und alle empfangen sie andächtig und überzeugt unter Brot und Wein den wahren Leib und das wahre Blut Jesu Christi zur Vergebung ihrer Sünden. Und alle sind dabei gewiss, im Glauben und im Bekenntnis unterschiedslos zusammen zu gehören. Söhne und Töchter des himmlischen Vaters zu sein. Eine Familie Gottes zu bilden. Sich völlig zurecht „Bruder“ oder „Schwester“ zu nennen.

Am 25. Januar feiert die Kirche den Tag der Bekehrung des Apostels Paulus. Paulus, ehemals Saulus, war ein strenggläubiger Jude, ein Pharisäer, einer, der alle Chancen hatte, in der jüdischen Religionshierarchie Karriere zu machen. Ausgestattet mit allen Vollmachten, die Christen in Damaskus festzunehmen und sie einem Ketzerprozess in Jerusalem zuzuführen, wird er vom auferstandenen und lebendigen Herrn Jesus Christus vor Damaskus überwältigt, überwunden, bekehrt.

Aus Saulus wird Paulus, der Völkerapostel, der Christus-Missionar. Ja und Amen.

In vielen unserer Gemeinden knien heute Menschen, die vom Saulus zum Paulus wurden. Die schon erwähnten ebenso wie die, die ehemals Moslems waren und sich jetzt zu Jesus Christus als ihrem Herrn bekennen.

Nagelprobe des biblischen Glaubens: Ihr Pfarrer, unser nächster Bischof stammt nicht aus einer Familie, die seit 1830 „altlutherisch“ ist, sondern hieß ursprünglich „Mohammed“. Ihr Pfarrer, unser nächster Bischof hat ein polizeiliches Führungszeugnis mit „Einträgen“. Und dann?

Die Kirche ist die Gemeinde der gerechtfertigten Sünder. „Darum: Ist jemand in Christus, so ist er eine neue Kreatur; das Alte ist vergangen, siehe, Neues ist geworden.“ (Die Bibel: Der 2. Brief an die Korinther, Kapitel 5, Vers 17)

Am 25. Januar feiert die Kirche das Ja Gottes zum neuen „Menschen in Christus“.
Das Alte ist vergangen. Schmieren wir das Alte, das Vergangene also dem neuen Menschen, unserer Schwester, unserem Bruder in Christus, auch nie mehr aufs Butterbrot!

Kronenkreuz der Diakonie an Rektor Stefan Süß verliehen


Anlässlich des Neujahrsempfangs des Naëmi-Wilke-Stiftes in Guben wurde Stefan Süß, Rektor des Stiftes, das Kronenkreuz in Gold der Diakonie verliehen. Stefan Süß ist Pfarrer der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche (SELK) und steht dem Stift seit 25 Jahren vor.

Kronenkreuz

Das Kronenkreuz der Diakonie sei ganz ausdrücklich kein Verdienstorden, sagte die Diakoniedirektorin der SELK, Pastoralreferentin Barbara Hauschild, in ihrer Laudatio bei der Übergabe. „Es ist Zeichen des Dankes und der Ermutigung: Kreuz und Krone sind in ihm verbunden.“ Hauschild dankte Pfarrer Stefan Süß nicht nur für 25 Jahre Leitung des Naëmi-Wilke-Stiftes, „die allein schon mehr beinhaltet, als man in einer kurzen Rede würdigen kann“, sie wies auf die vielfältigen Tätigkeiten und Nebenaufgaben hin, die Süß in kirchlich-diakonischen und politischen Gremien erfüllt. So ist er unter anderem im Aufsichtsrat des Evangelischen Werks für Diakonie und Entwicklung (EWDE), im Verwaltungsrat der Diakonissenanstalt Dresden, im Kuratorium der „Bundesstiftung Diakonie“; Süß ist Vorsitzender der Ethikkommission der SELK und als Vertreter der SELK ist er im Vorstand der Diakonischen Arbeitsgemeinschaft evangelischer Kirche (DAeK), deren neuer Vorsitzender er zudem seit dem 1. Januar 2017 ist.

Und das alles neben seiner „eigentlichen“ Aufgabe als Rektor des Stiftes. Es sei nicht zu übersehen, sagte Diakoniedirektorin Hauschild, dass das Naëmi-Wilke-Stift sowohl beständig und fest dastehe als zugleich ständig in Bewegung und Entwicklung sei, um den Anforderungen der Zeit gerecht zu bleiben. Dazu trügen nicht allein die diversen Bauprojekte bei, auch die konzeptionelle Weiterentwicklung des Stifts, zum Beispiel in der grenzübergreifenden Zusammenarbeit, sowie das Engagement im Bereich der Bildung hätten daran wesentlichen Anteil. „Das alles sorgt dafür, dass wir mit einem gewissen Stolz vom ,Naëmi-Wilke-Stift als der größten diakonischen Einrichtung im Bereich der SELK’ sprechen können“, so Hauschild. Natürlich könne das nicht einer allein leisten, sagte sie, „als Rektor stehst du aber in der ersten Reihe und verleihst der Einrichtung ein Gesicht – dein Gesicht. Hinter dir und bei dir stehen Gott sei Dank die vielen Mitarbeitenden, viele von ihnen schon seit langer Zeit.“

Bei allen vielfältigen Verantwortlichkeiten in den Gremien sei Stefan Süß immer auch Theologe, Pastor, „vielleicht sagen wir am besten: Kirchenmann“ geblieben, sagte Hauschild. Es sei gut für die Kirche, die SELK, einen „von uns“ in den wesentlichen Gremien und Aufsichtsräten aktiv zu wissen. Und es sei gut für die entsprechenden Gremien, jemanden mit so hoher Kompetenz und gleichzeitig kirchlicher Bodenhaftung bei sich zu haben, um eine gesunde Erdung zu behalten.
Im Kronenkreuz seien Kreuz und Krone verbunden, sagte Hauschild, Zeichen des Dankes und der Ermutigung. „Unser Herr Jesus Christus hat Not und Tod, das Kreuz selbst durchlitten und überwunden. Wir stehen als Gottes Kinder auf der Seite dessen, der die Krone trägt und die Krone des ewigen Lebens für uns erkämpft hat. Darum soll die Seite des Kreuzes uns nicht schrecken und lähmen.“

Die Diakoniedirektorin verband ihren Dank an Rektor Süß mit dem herzlichen Wunsch, dass diese Ermutigung und Zuversicht ihn in seinem weiteren Dienst begleiten mögen.

Reformationsjubiläum


Jahresthema 2017: Luther weckt die Kirche auf

Auf dem Weg zum Reformationsjubiläum 2017 hat eine Arbeitsgruppe der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche (SELK) zentrale reformatorische Themen aufbereitet (www.blickpunkt-2017.de). In diesem Jahr stellt sie das Gedenken unter das Motto: „Luther weckt die Kirche auf“. Bischof Hans-Jörg Voigt D.D. hat dazu ein Geleitwort verfasst.

Wittenberg

Die Jahre der Vorbereitung auf das Reformationsgedenken gehen zu Ende und damit kommt auch der geistliche Weg an sein Ziel, den wir als Kirche miteinander gegangen sind. Nicht auf die Person Luthers, sondern auf die zentralen Inhalte des lutherischen Bekenntnisses wollten wir aufmerksam machen. Deshalb standen zentrale Themen wie Taufe, Beichte, Abendmahl oder das Wort Gottes im Mittelpunkt und nicht der Mensch Martin Luther.

Nun aber „luthert“ es im Jahr 2017 auch bei uns, wenn wir das Thema „Luther weckt die Kirche auf“ in den Mittelpunkt stellen. Dabei sind wir der Auffassung, dass auch an der Person Luthers Glaubensfragen nachvollziehbar werden, die für Menschen von heute von großer Bedeutung sind.

Eine dieser Fragen ist: „Wie bekomme ich einen gnädigen Gott?“ Martin Luther wurde von dieser Frage als junger Mönch im Kloster umgetrieben. Mit dieser Frage verband er eine reale Furcht vor dem Strafgericht Gottes und der ewigen Verdammnis in der Hölle. Die Kirche damals aber hatte ihre Antworten parat, die sich in etwa so beschreiben lassen: Du gehst zur Beichte, empfängst die Vergebung deiner Sünde und damit Gerechtigkeit entsteht, müssen die Folgen deiner Sünden bestraft werden. Dafür kannst du dann als Wiedergutmachung einen Ablass bekommen durch verschiedene menschliche Leistungen.

Wir sollten uns keinesfalls über diesen Ansatz erheben oder gar lustig machen. Ich beobachte heute, dass Menschen wie damals ganz erhebliche Leistungen vollbringen, „um einen gnädigen Gott“ zu bekommen, um mit der Umwelt, dem eigenen Körper oder den Mitmenschen ins Reine zu kommen. Heutige Diätvorschriften stehen den kirchlichen Fastenvorschriften des ausgehenden Mittelalters in nichts nach. Und wenn zu Luthers Zeiten Menschen in sogenannten „Geißlerhorden“ durchs Land zogen, die auf alles verzichteten und sich selbst schlugen, so kann ich bei einem abendlichen Blick in ein hell erleuchtetes Fitnessstudio die Parallelen (mit Augenzwinkern) nicht übersehen. Auch hier schwitzen Menschen und quälen sich freiwillig für einen guten Zweck.

Luther gab sich damals mit den vorgefertigten Antworten nicht zufrieden, denn das theologische System war nicht stimmig. Wie kann denn der Mensch an seinem Heil mitwirken, wenn alles was der Mensch tut, menschlich und nicht göttlich ist? Und Menschsein heißt nun einmal Sünder sein und sterblich und nicht göttlich sein. Im Brief des Apostels Paulus las er dann einen Schlüsselvers: „So halten wir nun dafür, dass der Mensch gerecht wird ohne des Gesetzes Werke allein durch den Glauben.“ (Römer 3,28).

Damit weckt Luther die Kirche auf, weil ihm die Wiederentdeckung geschenkt wird, dass die von der damaligen Kirche eingeschlagene Richtung falsch war: Denn nicht der Mensch bewegt sich zu Gott, sondern Gott bewegt sich zu uns Menschen. Gott wird ein Mensch in seinem Sohn Jesus Christus, um uns Menschen zu vergotten. Gott stirbt an unserer Sünde, damit wir sündlos werden. Gott stirbt unseren Tod, damit wir ewig leben.

Im Kleinen Katechismus fasst Luther diese entscheidende Erkenntnis mit Blick auf das Heilige Abendmahl später so zusammen: „Fasten und leiblich sich bereiten ist wohl eine feine äußerliche Zucht; aber der ist recht würdig und wohl geschickt, der den Glauben hat an die Worte: Für euch gegeben und vergossen zur Vergebung der Sünden.“

In unseren Tagen könnte man das so ausdrücken: Diätregeln und Fitnessübungen sind hilfreich. Ich merke das ja selbst immer wieder. Aber sie bringen uns nicht in Einklang mit Gott und uns selbst. Allein der von Gott geschenkte Glaube vermag uns heil zu machen. Gott selbst bringt uns in Verbindung mit sich und unserer Umwelt. Gott allein kann uns retten vor dem letzten Gericht und dem ewigen Verderben in der Hölle – ja auch dies ist heute nicht zu verschweigen.

Andere Themenbereiche, über die Luther nachgedacht hat, sind genauso bleibend relevant, wie die Frage nach dem gnädigen Gott. Wie ist das Verhältnis zwischen einem säkularen Staat und dem christlichen Glauben bzw. den Religionen zu bestimmen, wenn doch die Gläubigen Staatsbürger und Gläubige zugleich sind? Wie können wir die Bildung im Land weiterentwickeln und wie können wir auch die christliche Unterweisung voranbringen? Was darf und soll das Militär im Land oder im Ausland tun oder nicht tun? All dies sind Fragen, über die Luther wegweisend nachgedacht hat.

Aber besonders die Glaubensfragen, die Luther aufreißt, sind heute ebenso aktuell wie damals. Sie müssen vielleicht ein wenig in unsere Zeit umgesprochen werden. Aber der Heilige Geist vermag auch heute die Kirche aufzuwecken. Nötig haben wir’s allemal.

Weitere Informationen: www.blickpunkt-2017.de

Eine Weihnachtslegende


Zu Weihnachten feiern wir ein Kind, das unseren Alltag verändern kann

Weihnachten

In den italienischen Abruzzen erzählen die Leute, Josef und Maria seien auf ihrer Flucht vor den Verfolgern an einer Hütte vorbeigekommen, in der eine Frau gerade Brot zu backen begann. Sie hatte den Teig in der Backmulde angerührt, den Tisch mit Mehl bestäubt und eben angefangen, Brote zu formen. Zögernd öffnete Maria die Tür; die Frau aber hieß die drei freundlich willkommen. Da traten sie ein und berichteten von ihrer Not: „Liebe Frau, siehst du keine Möglichkeit, uns und vor allem das Kind zu verstecken? Die Soldaten des Herodes sind hinter uns her, und unser Kind muss sterben, wenn sie es finden." Die Frau überlegte nur einen Augenblick. „Ja gewiss“, sagte sie dann, „ich will euch gern helfen. Gebt mir das Kind. Dort im Brotteig wird es kein Mensch suchen!"

Der Teig dieser Frau, so heißt es, soll nie aufgebraucht worden sein. Allen Nachbarn konnte sie davon abgeben.


Foto, Idee und Titel: Katharina Hänel
Text: Herkunft unbekannt / traditionell

Gastfreundschaft ist gelebte Nächstenliebe


„Gastfreundschaft ist kein einmaliges stressiges Abendessen mit Freunden und Bekannten, Gastfreundschaft ist eine innere Haltung“, schreibt Pfarrer Jochen Roth (Arpke) in der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift „Lutherische Kirche“ (12/2016) der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche (SELK). In der Bibel finden sich zahlreiche Vorlagen dafür.

Jochen Roth

Gäste zu haben bedeutet für viele Menschen einfach nur Stress. Da muss das Haus aufgeräumt werden, die Toiletten geputzt, das gute Geschirr rausgeholt und am besten noch ein besonderes Essen aufgefahren werden. Wenn gar der Pastor eingeladen ist, wird vielleicht sogar die verstaubte Familienbibel aus dem Schrank geholt und abgestaubt ...
Doch Gastfreundschaft ist kein einmaliges stressiges Abendessen mit Freunden und Bekannten. Gastfreundschaft ist eine innere Haltung. Es ist eine grundsätzliche Bereitschaft, seine eigenen vier Wände der Begegnung mit Menschen zu öffnen: Das können Freunde sein, es schließt aber auch gerade Fremde mit ein! In der Bibel finden sich zu diesem Thema einige interessante Aspekte.


Abrahams Herz für die Fremden
Im Buch Genesis (1. Mose 18,1-8) wird eine Geschichte erzählt, wie drei Fremde in der größten Mittagshitze bei Abraham auftauchen. Abraham kennt diese Leute nicht, doch anstatt ihnen mürrisch einen „Guten Tag“ zu wünschen oder sie gar wegzujagen, beugt er sich vor ihnen nieder und bittet sie, seine Gäste zu sein. Er bewirtet sie in orientalischer Weise. Es wird groß aufgetischt. Man kann sich die Betriebsamkeit im Hause Abrahams bildlich vorstellen: Da wird Wasser gebracht, damit sich die Gäste waschen können, Sara backt Brot und Kuchen, es wird ein Kalb geschlachtet, dazu gibt es Butter und Milch. Abraham stellt seine gesamte Tagesplanung um, um Zeit für seine Gäste zu haben. Dass es sich bei den Fremden um drei Engel handelt, weiß er zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Er praktiziert einfach Gastfreundschaft, wie er sie gelernt hat und wie er sie wohl jedem anderen auch hätte zukommen lassen. Dass er dabei Engel bei sich aufgenommen hat, war ihm nicht klar. Darum ging es ihm auch nicht.

Gastfreundschaft ist gelebte Nächstenliebe
Im Neuen Testament finden sich ebenfalls einige Hinweise darauf, dass Christen Gastfreundschaft praktizieren sollen. So ermahnt der Autor des Hebräerbriefs ausdrücklich: „Gastfrei zu sein vergesst nicht; denn dadurch haben einige ohne ihr Wissen Engel beherbergt.“ (Hebräer 13,2) Natürlich soll das nicht die Motivation für Gastfreundschaft sein, den einen oder anderen Engel bei sich unter seinem Dach zu bewirten. Aber es zeigt, dass Gastfreundschaft mehr ist, als einfach nur eine nette Geste: Es ist gelebte Nächstenliebe. Für diese Art der Nächstenliebe braucht es keine professionelle Diakonie, keinen Kirchenvorstandsbeschluss, keine langjährige theologische Ausbildung und kein großes Haus mit teurer Einbauküche. Seine Haustür zu öffnen und Menschen einzuladen, das kann jeder. Dabei geht es eben nicht darum, ein Essen in ausschweifender orientalischer Opulenz zu kredenzen. Es geht einfach darum, Gemeinschaft zu haben, Zeit zu schenken, sich zu begegnen, den anderen kennenzulernen und sich immer wieder überraschen zu lassen, wen man denn da vor sich hat. Vielleicht begegnet man auf diese Weise tatsächlich dem einen oder anderen Engel.

Gastfreundschaft ist die Basis für Begegnung
Jesus hat immer wieder die Gastfreundschaft von Menschen in Anspruch genommen. Man achte bei der Lektüre der Bibel mal darauf, wie viele Geschichten, Gleichnisse und Predigten Jesus im Kontext von Tischgemeinschaften erlebt und erzählt hat. Ein Haus, in dem Jesus oft und gern zu Gast war, war das der Geschwister Lazarus, Maria und Martha. Eine Begebenheit sticht hier besonders heraus, aus der man auch viel über Gastfreundschaft lernen kann (Lukas 10,38-48) und die auch oft in der Kunstgeschichte als Gemälde umgesetzt wurde. Jesus war wieder einmal bei den drei Geschwistern eingeladen. Martha wollte, dass es Jesus gut geht. Darum stellte sie sich in die Küche und bereitete ein großes Essen vor, wie es damals auch üblich war. Ihre Schwester Maria dagegen sucht die Gemeinschaft mit Jesus. Beide praktizieren Gastfreundschaft. Martha durch ihre Arbeit in der Küche, Maria, indem sie Zeit mit dem Gast verbringt. Beide haben die Wahl, wie sie ihre Gastfreundschaft zum Ausdruck bringen wollen. Ich finde diese Beobachtung sehr entlastend, weil sie den Druck nimmt, unbedingt erst einmal klar Schiff machen zu müssen in der Wohnung oder sich stundenlang in die Küche zu stellen. Gastfreundschaft kann auch sein, dass ich mir einfach Zeit nehme für meinen Gast und mit ihm einen Kaffee trinke.
Dennoch übersieht Jesus auch nicht die Wichtigkeit von körperlichen Bedürfnissen. Als bei der Bergpredigt die Leute Hunger bekommen (und damit wohl auch die Aufmerksamkeit deutlich abnimmt), sorgt er mit einem Speisungswunder für volle Bäuche, so überliefert es etwa der Evangelist Johannes (Johannes 6,1-15).

Gastfreundschaft als Herausforderung für die Nachfolge
Gastfreundschaft zu praktizieren ist das eine. Sich auf die Gastfreundschaft anderer einzulassen ist das andere. Als geistliche Übung und um den Menschen die Nachricht vom kommenden Reich Gottes weiterzusagen, schickt Jesus seine Jünger mittellos auf Wanderschaft (Matthäus 10,5-10). Sie sind dabei ganz auf die Großzügigkeit und Gastfreundschaft von anderen Menschen angewiesen. Das kann für manchen eine noch größere Herausforderung darstellen. Etwas annehmen, sich beschenken lassen, ohne dafür eine konkrete Sachleistung zurückgeben zu können. Jesu Jünger sollen sich allein auf die Wirkung der Botschaft verlassen, die sie in seinem Namen verkündigen! Für alles andere wird Gott sorgen. Gastfreundschaft hat eben eine geistliche Dimension, die bis hinein ins Abendmahl des Gottesdienstes reicht. Die beiden Jünger aus der Emmausgeschichte (Lukas 24,13-35) begegnen nach der Kreuzigung Jesu einem Fremden auf der Straße. Es ist Jesus, doch die beiden Männer erkennen ihn nicht. Die Jünger sind traurig. Sie kommen mit dem Mann ins Gespräch. Als langsam die Dunkelheit hereinbricht, laden sie den Fremden ein, mit ihnen zu essen. Als Jesus das Dankgebet über den Gaben spricht und das Brot bricht, erkennen sie plötzlich ihren Herrn. Diese Nähe von praktizierter Gastfreundschaft mit gemeinschaftlichem Essen und gottesdienstlicher Abendmahlsfeier wird auch an anderer Stelle deutlich.

Gott als Gast und Gastgeber
Eines der bekanntesten Tischgebete ist folgendes: „Komm, Herr Jesus, sei du unser Gast und segne alles, was du uns aus Gnaden bescheret hast.“ Ich habe mich immer über den Sinn dieses Gebetes gewundert. Wieso bitten wir Jesus zu uns an den Tisch, obwohl er uns doch alles „aus Gnaden bescheret hat“? Eine Erklärung könnte sein: In unserem Verhältnis zu Gott gilt beides gleichzeitig! Wir sind immer zugleich Gastgeber als auch Gast. In seiner Endzeitrede im Matthäusevangelium führt Jesus aus: „Kommt her, ihr Gesegneten meines Vaters, ererbt das Reich, das euch bereitet ist von Anbeginn der Welt! Denn ich bin hungrig gewesen und ihr habt mir zu essen gegeben.“ Ohne sich dessen bewusst zu sein, haben diejenigen, die vor Gott als gerecht gelten, Gastfreundschaft gewährt und damit Jesus selbst aufgenommen. Als Gäste Gottes sind wir aber auch eingeladen, zum rauschenden Fest an Gottes Tisch zu kommen. So erzählt es Jesus in seinem Gleichnis vom königlichen Hochzeitsmahl. Das besondere an diesen Gästen ist, dass sie nichts Besonderes sind. Sie verdanken ihre Einladung einfach der Großherzigkeit des Gastgebers. Von diesem rauschenden Fest in Gottes Herrlichkeit hergedacht, sind wir als Gäste Gottes reich beschenkt! Vielleicht kann dies eine Motivation sein, selbst die Türen seines Hauses zu öffnen und Gäste willkommen zu heißen.

Fragwürdige „Glaubensprüfungen“ von christlichen Flüchtlingen


Interview mit Pfarrer Dr. Gottfried Martens

Abwegige Fragen, absurde Übersetzungen, willkürliche Entscheide: Die Klagen über die Anhörungen von christlichen Flüchtlingen, die vom Islam konvertiert sind, durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) häufen sich. Im Interview erläutert Pfarrer. Dr. Gottfried Martens von der Dreieinigkeits-Gemeinde der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche (SELK) in Berlin-Steglitz die Missstände.

Dr. Gottfried Martens

Herr Pfarrer Martens, in letzter Zeit häufen sich nicht nur in Ihrer Gemeinde die Klagen von christlichen Flüchtlingen, die vom Islam konvertiert sind, über Anhörungen durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF). Was sind die hauptsächlichen Beschwerden?


Immer wieder klagen die christlichen Flüchtlinge über die völlige Willkür, die bei diesen Anhörungen herrscht. In diesem Jahr hat das BAMF viele neue Anhörer/innen in Schnellkursen von wenigen Wochen ausgebildet. Diese haben nicht nur wenig Kenntnisse über die Situation der Christen im Iran und Afghanistan, sondern auch kaum Vorgaben, wie sie die Anhörungen durchführen sollen. Da gibt es Anhörer/innen, die einen Flüchtling mehr als zehn Stunden lang in die Mangel nehmen, jedes Detail seines Vortrags in Frage stellen und stundenlange Glaubensverhöre durchführen. Andere Anhörungen dauern nur 45 Minuten, und in ihnen hat der christliche Flüchtling überhaupt keine Chance, ausführlicher über seinen Glauben zu sprechen. Ein Hauptproblem besteht darin, dass die meisten Anhörer/innen selber praktisch keine Ahnung vom christlichen Glauben haben. Manche kennen nicht einmal den Unterschied zwischen dem Glaubensbekenntnis und dem Vaterunser. Dies spiegelt sich dann wider in den Fragen, die in keiner Weise dazu dienen, die Ernsthaftigkeit der Konversion zum christlichen Glauben zu erfassen. Es gibt auch Anhörer/innen, die aus der Anhörung geradezu ein Tribunal machen, weil sie von vornherein nicht glauben, dass ein Muslim ernsthaft Christ werden kann. Und dann gibt es leider auch die Anhörer/innen, die sich in der Anhörung offen über den christlichen Glauben der Flüchtlinge lustig machen und sie verhöhnen, wenn sie etwa darüber reden, dass Jesus für ihre Sünden am Kreuz gestorben ist.

Das BAMF führt nach eigener Auskunft keine „Religionsprüfungen“ durch. Gleichwohl werden die Asylbewerber nach ihrem christlichen Glauben befragt. Was wollen die Befrager denn beispielsweise wissen?

Die häufigste Frage ist die nach den christlichen Feiertagen. Dabei geht es vielen Anhörer/innen jedoch mehr um Termine und deutsche Bräuche („Was steht Ostern in der Kirche auf dem Tisch?“)  als um den christlichen Inhalt der Feste. Dann werden immer wieder die Unterschiede zwischen den Konfessionen abgefragt. Immer wieder werden die Flüchtlinge dafür kritisiert, dass sie nicht erst verschiedene Kirchen oder auch Religionen „ausprobiert“ und sich mit den konfessionellen Unterschieden auseinandergesetzt haben, um sich am Ende zu entscheiden. Wenn jemand gleich bei der lutherischen Kirche geblieben ist und nicht erst noch den Buddhismus oder die römisch-katholische Kirche näher kennengelernt hat, wird dies allein schon mitunter als eine Begründung für eine Ablehnung des Asylantrags angeführt. Dafür, dass iranische und afghanische Christen erst einmal schlicht und einfach eine Kirche suchen, in der sie das Evangelium in ihrer Muttersprache hören können, und sich mit der deutschen konfessionellen Landschaft natürlich vorher nicht näher auseinandergesetzt haben, haben die meisten Anhörer/innen keinerlei Gespür. Und erst recht haben sie selbstverständlich von der Existenz einer lutherischen Bekenntniskirche keine Ahnung. Doch oftmals geht es in den Anhörungen noch viel absurder zu: Da wird etwa ein 60jähriger Asylbewerber, der noch ziemlich neu in Deutschland ist, danach gefragt, worüber der Pastor am letzten Sonntag gepredigt hat. Natürlich konnte er die Predigt noch nicht verstehen. Doch damit war die Befragung über den christlichen Glauben auch schon beendet. Andere Anhörer/innen fragen danach, woran Martin Luther gestorben ist, wie die Namen der beiden Söhne im Gleichnis vom Verlorenen Sohn lauten oder aus welchem Anlass Königin Margarete von Dänemark einen Besuch in Wittenberg durchgeführt hat. Ich könnte diese Liste von absurden Fragen noch beliebig verlängern. Die Grenzen zwischen Hilflosigkeit der Anhörer/innen und blanker Arroganz und Schikane sind da oft fließend.

Ein großes Problem stellt offenbar auch die Übersetzung während der Befragung dar. Können Sie das erläutern?

Mit der enormen Aufstockung der Anhörer/innen ging natürlich auch eine erhebliche Aufstockung der Dolmetscher einher. Doch mehr als 90% der Dolmetscher haben von dem grundlegenden Vokabular des christlichen Glaubens geschweige denn von den Gedankengängen des christlichen Glaubens kaum eine Ahnung. Sie sind entweder muslimisch geprägt oder atheistisch. Entsprechend absurd fallen dann die Übersetzungen immer wieder aus. Aus dem Heiligen Abendmahl wird dann beispielsweise immer wieder das „Mittagessen nach dem Gottesdienst“, oder es wird umschrieben mit den Worten: „Nach dem Gottesdienst essen wir Kuchen und trinken Schnaps.“ Selbst die Namen der christlichen Feiertage sind vielen Dolmetschern völlig unbekannt – und wenn sie dann übersetzen sollen, was ein christlicher Flüchtling, oft mit Zitaten von Bibelstellen und ähnlichem, über seinen Glauben sagt, kapitulieren sie häufig und fassen all dies in ein, zwei nichtssagenden Sätzen zusammen, in denen vom Kern des christlichen Glaubens nichts mehr zu erkennen ist. Auch die Übersetzungen der Fragen der Anhörer/innen sind oft so unsinnig, dass die Protokolle Dokumente einer einzigen völlig missglückten Kommunikation sind. Natürlich können die Dolmetscher auch ihre geprägte religiöse Diktion nicht einfach ablegen. Vor wenigen Tagen berichtete mir ein afghanisches Gemeindeglied, das schon gut Deutsch spricht, dass es in der Anhörung immer wieder dazwischengehen musste, wenn der Dolmetscher das Wort „Jesus Christus“ mit „der Prophet Jesus“ wiedergab. Bei Flüchtlingen, die nicht so gut Deutsch verstehen, kann dann allein schon diese falsche Wiedergabe bei der Ablehnung des Asylantrags als Beleg dafür angeführt werden, dass sich der Antragsteller offenbar noch nicht genügend vom Islam distanziert habe. Und dann gibt es natürlich auch die Dolmetscher, die ganz offen christenfeindlich sind, falsch übersetzen, sich weigern, islamkritische Aussagen wiederzugeben und darauf bedacht sind, die Glaubensverräter „hereinzureißen“.

Von den Anhörungen werden Protokolle angefertigt. Ist das nicht ein probates Instrument, um die Anhörungen transparent zu machen?

In den Protokollen kann ohnehin nur wiedergegeben werden, was die Dolmetscher zuvor übersetzt haben. Und dies wird dann von den Anhörer/innen oftmals noch weiter „kondensiert“, weil sie an dem ganzen „frommen Gedöns“, was die christlichen Flüchtlinge von sich gegeben haben, überhaupt nicht interessiert sind. Dazu kommt, dass den Flüchtlingen immer wieder die Rückübersetzung des Protokolls, die ihnen eigentlich zusteht, verwehrt wird, indem sie entweder moralisch unter Druck gesetzt werden („Sie werden doch wohl dem Dolmetscher vertrauen, der für Sie übersetzt hat“) oder sie gleichsam überrumpelt werden, indem ihnen am Ende der Anhörung einfach das Protokoll zur Unterschrift unter die Nase gehalten wird. Dass die Flüchtlinge damit unterschreiben, dass sie freiwillig auf die Rückübersetzung verzichtet haben, wissen sie in aller Regel nicht. Mitunter verweigern die Anhörer/innen auch ganz offen die Rückübersetzung oder die Ergänzung von Ausführungen der Flüchtlinge und „frisieren“ das Protokoll anschließend um. So können die Flüchtlinge in dem Protokoll oftmals kaum das wiedererkennen, was sie in der Anhörung gesagt haben. Leider sind nur wenige dazu in der Lage, sich hiergegen in der Anhörung selber zur Wehr zu setzen. Die Anhörer/innen sind dabei Täter und Opfer zugleich, denn sie erhalten von oben Vorgaben über die Zahl der durchzuführenden Anhörungen, die völlig illusorisch sind.

Worauf führen Sie diese Entwicklung zurück, dass christliche Flüchtlinge vermehrt ablehnende Bescheide erhalten?

Ein strukturelles Problem besteht darin, dass man im BAMF seit einiger Zeit die Funktion der Anhörer/innen und Entscheider/innen voneinander getrennt hat. Die Entscheidungen über die Asylanträge werden von Menschen getroffen, die nur die oftmals auch noch sehr fragwürdigen Protokolle vor sich liegen haben und den Menschen, über den sie zu entscheiden haben, niemals gesehen haben. Dies führt natürlich immer wieder zu grotesken Fehlentscheidungen, von denen viele treue und engagierte Glieder unserer Gemeinde betroffen sind. Dazu kommt, dass es seit dem Sommer dieses Jahres offenkundig Vorgaben von oben gibt, vor allem die Asylbegehren iranischer Konvertiten negativ zu bescheiden. Dazu werden den Entscheider/inne/n fertige Satzbausteine vorgegeben, die sie für jeden Asylantrag eines christlichen Konvertiten von vornherein gebrauchen können und die ich regelmäßig wortwörtlich in den Abschiebebescheiden lese. Darin steht, dass ja mittlerweile fast jeder iranische Asylbewerber angibt, Christ zu sein. Dies allein zeige schon, dass man nicht von einer Ernsthaftigkeit der Hinwendung zum christlichen Glauben ausgehen könne. Dies wird dann verbunden mit einem Bashing der Freikirchen, unter die dann auch gleich unsere SELK subsumiert wird, als ob diese Kirchen gleichsam Selbstbedienungsläden für die Taufe seien und die Taufen unbesehen bei jedem durchführen würden, der einfach nur einen Asylgrund braucht. In letzter Zeit wird dieses Bashing auch noch personalisiert: Immer wieder lese ich in negativen Bescheiden, dass schon allein die Tatsache, dass der Asylbewerber sich an die Gemeinde von Pastor Martens gewandt habe, deutlich macht, dass das Asylbegehren nicht ernsthaft sein kann. Entsprechend werden auch die ausführlichen seelsorgerlichen Bescheinigungen, die ich für die Gemeindeglieder schreibe, in vielen Fällen überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder im Gegenteil zuungunsten der Asylbewerber ausgelegt: Wenn der Pastor schon die Ernsthaftigkeit der Hinwendung zum christlichen Glauben so deutlich betont, ist dies allein schon ein Indiz dafür, dass das Gegenteil richtig sein muss, wird dann erklärt. Dazu kommt, dass in letzter Zeit viele Entscheider/innen ganz deutlich die Grenzen ihrer Zuständigkeit überschreiten, wenn sie etwa erklären, die Taufe sei für das Christsein nicht wichtig, oder der Glaube daran, dass Jesus Christus für uns Menschen am Kreuz zur Vergebung der Sünden gestorben sei, sei kein Grund zur Konversion, weil auch Allah barmherzig sei. Wenn noch nicht einmal das Vorbringen des Zentrums des christlichen Glaubens als Asylgrund anerkannt wird, wie soll dann noch ein Asylantrag eines Christen positiv beschieden werden?

Lange Zeit wurde von staatlicher Seite, aber auch von den großen Kirchen, behauptet, Ausgrenzung, Bedrohungen und Übergriffe gegen christliche Bewohner von Asylunterkünften seien lediglich Einzelfälle. Jetzt scheint sich die Lage dieser Flüchtlinge weiter zu verschärfen, weil sie immer öfter zurück in ihre Herkunftsländer abgeschoben werden sollen. Was ist Ihrer Meinung nach nötig, um Flüchtlinge, die vom Islam zum christlichen Glauben konvertieren, hier in Deutschland besser zu schützen?

Die Hoffnung, dass christliche Konvertiten in den Asylbewerberunterkünften unseres Landes wirksam geschützt werden, habe ich mittlerweile aufgegeben. Zu massiv ist die Front der großen christlichen Kirchen und der politischen Parteien, die diese Problematik immer wieder aus ideologischen Gründen systematisch herunterspielen und die Aussagen der Christen in geradezu unerträglicher Weise in Frage stellen. Gerade am Abend dieses Interviews sind wieder zwei treue Gemeindeglieder zu uns gekommen, die gerade aus ihrem Heim geworfen wurden. Sie waren von muslimischen Mitbewohnern tätlich angegriffen und als Ungläubige explizit mit dem Tod bedroht worden. Als sie sich darüber bei der Heimleitung beschwerten, erhielten sie Hausverbot – es ist immer wieder derselbe Ablauf. Doch was im Augenblick so vielen christlichen Konvertiten beim BAMF widerfährt, ist für sie natürlich noch furchtbarer als die Erfahrung, in den Heimen als Christen völlig im Stich gelassen zu werden. Ich würde mir wünschen, dass im BAMF überhaupt erst einmal eine Sensibilität für die von mir – und ja längst nicht nur von mir – geschilderten Probleme erkennbar wird. Dies würde bedeuten, dass das BAMF mit den christlichen Kirchen in einen Dialog darüber eintritt, was es da eigentlich in seinen „Glaubensprüfungen“ tut – was angemessen ist und was nicht. Dies würde weiter bedeuten, dass Anhörer/innen von christlichen Flüchtlingen selber im christlichen Glauben zu Hause sind und von daher überhaupt ein sinnvolles Gespräch über den Glauben führen können. Dies würde weiter bedeuten, dass die Dolmetscher Grundkenntnisse des christlichen Glaubens mitsamt dem dazugehörigen Vokabular besitzen. Es würde weiter bedeuten, dass die Trennung von Anhörer/innen und Entscheider/innen rückgängig gemacht wird. Und es würde schließlich bedeuten, dass die Überprüfung des systemischen Versagens des BAMF in der Anhörung christlicher Konvertiten nicht auf dem Rücken der bereits völlig überlasteten Verwaltungsgerichte ausgetragen werden sollte, die im Augenblick mit Klagen abgelehnter christlicher Asylbewerber überschwemmt werden. Hier sollten andere Klärungsgremien geschaffen werden, in denen die Bescheinigungen von Seelsorgern, die die Antragsteller oft über viele Monate oder Jahre hinweg intensiv begleitet haben, eine mindestens ebenso große Rolle spielen wie die oft wenig aussagekräftigen Anhörungsprotokolle.  Ob eine faire Behandlung der christlichen Konvertiten jedoch überhaupt politisch gewollt ist, daran habe ich zunehmend meine Zweifel.

Die Fragen stellte Doris Michel-Schmidt.

Dies Academicus


Wir glauben, lehren und bekennen


Am diesjährigen Dies Academicus der Lutherischen Theologischen Hochschule der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche (SELK) ging es um die Bedeutung der lutherischen Bekenntnisschriften. Das Verhältnis von Heiliger Schrift und Bekenntnis wurde dabei – nicht ganz unerwartet – durchaus unterschiedlich bewertet.


Dies Academicus

Selbst Kritiker einer strikten Bekenntnisbindung würden sich auf die Bekenntnisse berufen, nämlich auf die Unterscheidung des Bekenntnisses als „norma normata“ (normierte Norm) von der Heiligen Schrift als „norma normans“ (normierende Norm), sagte Prof. Dr. Bernd Oberdorfer von der Universität Augsburg einleitend in seinem Referat. Sein Vortrag stand unter dem gleichen Titel wie der sich anschließende von Prof. Dr. Werner Klän von der gastgebenden Lutherischen Theologischen Hochschule in Oberursel: „Das Wort Gottes, die Heilige Schrift und das Bekenntnis der lutherischen Kirche – Grundfragen ihres Verhältnisses und ihrer Hermeneutik“. In diesem gleichen Titel drücke sich die Erwartung aus, so Oberdorfer, dass die beiden Vorträge nicht dasselbe sagen würden, gleichzeitig aber, dass sie einander doch etwas zu sagen hätten.

Oberdorfer, als Vertreter der VELKD, fragte nach einer kritischen Überprüfung der Aussagen der Bekenntnisse: „Wie vollzieht sich die von den Bekenntnissen selbst angeordnete Überprüfung der Bekenntnisse an der Heiligen Schrift“? Man könne das Verhältnis von Schrift und Bekenntnis unterschiedlich akzentuieren, sagte Oberdorfer und folgerte seinerseits: „Die Bekenntnisse stehen unter dem Vorbehalt ihrer Schriftgemäßheit. Sie gelten nicht, weil sie gelten. Sie müssen sich vielmehr der offenen Überprüfung im Licht der Schrift stellen.“ Und er wies dabei auch auf den historischen Kontext ihrer Entstehung hin: „Warum sollten wir heute Texten Verbindlichkeit zuschreiben, denen ihre Entstehung unter den kulturellen und gesellschaftlichen Bedingungen des 16. Jahrhunderts gleichsam ins Angesicht geschrieben ist?“ Im Luthertum stelle sich diese Frage in zugespitzter Form, so Oberdorfer, weil es die Bekenntnisbildung grundsätzlich mit dem Konkordienbuch abgeschlossen habe, „während die reformierte Tradition mit einer prinzipiell unabschließbaren Sequenz neuer Bekenntnisse“ rechne.

Die aus der Reformation hervorgegangenen Kirchen räumten den Grundeinsichten der Bekenntnistexte einen „gewissen hermeneutischen Vertrauensvorschuss“ ein, konstatierte der Professor für systematische Theologie. Das schließe aber nicht aus, sondern gerade ein, dass diese Texte interpretiert werden müssten.

In Bezug auf die Leuenberger Konkordie, erläuterte Oberdorfer die Sichtweise der EKD: „Leuenberg“ formuliere einen Konsens, der es ermögliche, die verbleibenden Differenzen zwischen lutherischer und reformierter Bekenntnistradition als nicht mehr kirchentrennend aufzufassen und auf dieser Basis Kirchengemeinschaft auszusprechen. Leuenberg sei kein Unionsbekenntnis und auch nicht der hermeneutische Schlüssel für die Interpretation der lutherischen Bekenntnisse, so Oberdorfer. Es schließe aber solche Interpretationen der lutherischen Bekenntnisse aus, „die weiterhin einen kontradiktorischen Widerspruch zur reformierten Tradition“ konstatierten.

Dem widersprach Prof. Dr. Werner Klän von der Lutherischen Theologischen Hochschule Oberursel in seinem Referat und erläuterte seinerseits kritisch den „systematischen Kunstgriff“ in der Leuenberger Konkordie, die zwischen „Grund“ und „Ausdruck“ des Glaubens unterscheidet. Nur dadurch, so Klän, wurde es möglich, die historischen Bekenntnisse des 16. Jahrhunderts in ihrer heutigen Relevanz, vor allem im Blick auf Lehrverurteilungen, zu relativieren. Indem allein dem „rechtfertigenden Glauben“ grundlegende und zentrale Bedeutung zugemessen und folglich er allein als zur Begründung kirchlicher Gemeinschaft notwendig angesehen wurde, während die lehrhafte Formulierung solchen Glaubens, etwa im Bekenntnis der Kirche, in den Bereich des „Ausdrucks“ gehöre. Vor diesem Hintergrund sei ein Konsens im Glauben, Lehren und Bekennen dann nicht länger Voraussetzung für die Erklärung von Kirchengemeinschaft.

Klän wies außerdem darauf hin, dass die Leuenberger Konkordie in der EKD zweifellos Bekenntnischarakter habe. Dadurch, dass die Aufnahme des Augsburger Bekenntnisses in die Grundordnung der EKD mit der Begründung abgelehnt werde, diese stelle einen „Rückfall hinter die Orientierung an der Leuenberger Konkordie“ dar, werde das Augsburger Bekenntnis, dort wo es lutherische Landeskirchen in ihren Grundordnungen aufführten, faktisch der Leuenberger Konkordie untergeordnet.

Klän führte aus, dass und warum eine Kirchengemeinschaft ohne lehrmäßige Übereinstimmung aus Sicht der SELK für lutherische Kirchen kein denk- und gangbarer Weg ist.

Er betonte auch, die Bekenntnisse der lutherischen Reformation in Gestalt des Konkordienbuches stünden deshalb in Geltung, „weil sie angemessener Ausdruck der in der Heiligen Schrift beurkundeten Wahrheit des Wortes Gottes und darum verbindlich für das sind, was in Lehre und Leben der Kirche gelten soll.“ Und dazu gehöre aus Sicht der SELK auch „die Behauptung eines unauflöslichen Zusammenhangs der Übereinstimmung im Glauben, Lehren und Bekennen mit dem Vollzug gottesdienstlicher, zumal eucharistischer Gemeinschaft.“

„Die Bekenntnisse umschreiben damit zugleich einen Raum, einen Rahmen, in dem kirchlich legitime Verkündigung möglich ist“, so Klän. Bei jeder Predigt, beim kirchlichen Unterricht, in der Ausbildung des kirchlichen Nachwuchses sei der Nachweis der Übereinstimmung mit den bestimmenden Grundlagen gesetzt und darum auch gefordert.

Bei aller unterschiedlicher Bewertung suche die SELK mit anderen Kirchen in gründlicher theologischer Arbeit nach der Überwindung des Trennenden, sagte Werner Klän, der zusammen mit Bernd Oberdorfer das Symposium leitete. Die SELK wisse sich bleibend verpflichtet zu „ökumenischer Verantwortung“. Klän: „Das heißt, sie vertritt ihre Positionen konkordienlutherisch profiliert im Rahmen ökumenischer Zusammenarbeit auf unterschiedlichen Ebenen. Sie verschweigt dabei einerseits nicht die noch vorhandenen kirchentrennenden Unterschiede und überspringt nicht leichtfertig die dadurch gesetzten Grenzen. Die Gestaltung kirchlicher Einheit hat vielmehr dem Maßstab des Evangeliums zu entsprechen, wie es im Konsens kirchlich verbindlicher Lehre zum Ausdruck kommt.“

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