
Schule, Kirche und die Digitalisierung
Seit es den „Digitalpakt“ gibt, ist das Thema digitales Lernen in aller Munde. Aber was ist das genau und was könnte es für kirchlichen Unterricht bedeuten? Zu diesem Themenfeld hat sich Karsten Müller der Kirchenzeitung „Lutherische Kirche“ der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche (SELK) für ein Interview zur Verfügung gestellt. Müller ist Oberstudienrat und arbeitet als Studienleiter am Religionspädagogischen Institut (RPI) der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck und der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau, konkret im Bereich Medienbildung/Neue Medien (www.rpi-medienbildung.de). Er ist zertifizierter Medienpädagoge und Geschäftsführer Nordhessen der Regionalstellen RPI Kassel und RPI Fritzlar. Das Interview findet sich in gekürzter Version in „Lutherische Kirche“ 9/2019, als Langversion im Folgenden.
LuKi: Was muss man sich eigentlich beim Schlagwort „Digitalisierung“ in Bezug auf die Schule vorstellen?
Müller: Im Zuge der Digitalisierung erleben wir eine Transformation unserer Lebenswelt auf allen Ebenen. Ein Bildungsengagement, das den Menschen ganzheitlich in den Blick nimmt, darf die Dimension des Virtuellen/Digitalen nicht (künstlich!) von der so genannten „Realität” abtrennen. Das Interesse am Menschen nimmt dessen Lebenswelt/-räume in den Blick - insgesamt!
Ein Smartphone kann heute nicht mehr nur als zusätzliches technisches Gerät betrachtet werden, sondern wirkt im Alltag inzwischen wie die Verlängerung der Körperteile Arm und Hand. Dabei steht den Schülerinnen und Schülern mit diesem Mini-Computer „mehr Technik” zur Verfügung als den Menschen 1969 auf dem Mond. Dieses technische Potential kann selbstverständlich auch im Unterricht genutzt werden. Die Bedeutung der Digitalisierung darüber hinaus für unseren Alltag darf aber auf gar keinen Fall unberücksichtigt bleiben.
Mitunter wird von einer neuen „Kulturtechnik” gesprochen. Diesem Begriff verhalte ich mich ambivalent gegenüber: Einerseits hat die technische Entwicklung tatsächlich das Potential, Lehren und Lernen zu verändern, und es haben sich im Umgang mit den sogenannten „Neuen Medien” völlig neue Fertigkeiten herausgebildet; andererseits würde ich den Faktor „Digitalisierung” lieber als Querschnittsthema verstehen, als eine Dimension, die alle bekannten Kulturtechniken durchdringt. Diese Sichtweise hat den Vorteil, dass man die Auseinandersetzung mit dem Thema nicht als Spezialthema zur Seite schiebt, sondern als Transformationsprozess aller Lebensbereiche wahrnimmt und damit der Herausforderung für die Bildung gerecht wird. Dem Faktor Digitalisierung lässt sich schulisch also nicht mehr mit einer PowerPoint-AG am Nachmittag beikommen. Unser Leben unterliegt einer derart massiven Umwälzung, dass unser Bildungsengagement hier den ganzen Menschen in den Blick nehmen muss. Die uralten anthropologischen Themen „Identität, Begegnung, Kommunikation, Verantwortung, Teilhabe, Hoffnung, Liebe, Weltanschauung und -erschließung …” werden unter dem digitalen Vorzeichen neu und anders ausgehandelt. Wenn also „Digitalisierung” nicht etwas „Fremdes”, „technisch Messbares” ist, sondern uns und die Gesellschaft zutiefst persönlich betrifft, unsere Lebenswelt tiefgreifend prägt, dann sollten wir eher (mit Jörissen, 2014) von einer „Kultur der Digitalität” sprechen. Dazu muss sich Bildung in Schule und Kirche verhalten, wenn sie ihren ureigensten Auftrag am Menschen ernst nimmt: die ganzheitliche Begleitung bei der Entwicklung der Persönlichkeit.
Für das System Schule bedeutet dies eine enorme Herausforderung. Deshalb versucht hier mein Arbeitsbereich „Medienbildung” des RPI zu unterstützen, indem entsprechende Unterrichtsbausteine für die Grund- und weiterführenden Schulen entwickelt, an einer digitalen Didaktik gearbeitet, die Lehrkräfte fortgebildet und die Schulleitungen bei der Entwicklung eines Medienkonzeptes begleitet werden. Die Schülerinnen und Schüler können ebenfalls einbezogen werden: Sie müssen für dieses Thema nur sehr selten extra motiviert werden.
Grundsätzlich muss aber bei der Ausbildung von Lehrkräften und Pfarrern früher angefangen werden: Bereits im Studium und Referendariat/Vikariat muss die o.a. Kultur der Digitalität immer schon auf der Ebene der Fertigkeiten (digitale Werkzeuge bedienen können) und der Kompetenzen (Hintergrundwissen, Lebenswelt) berücksichtigt werden. Ich würde mir wünschen, dass in beiden Ausbildungsgängen deutlich mehr Unterstützung gewährleistet wird. Ein weit verbreitetes Missverständnis ist nämlich, dass jüngere Menschen alle diese Kenntnisse schon in den Beruf mitbringen. Dem muss ich auch aufgrund meiner eigenen Abordnung an die Universität Würzburg oder meiner Erfahrungen mit der Universität Kassel widersprechen. Sobald die Kolleginnen und Kollegen dann in Amt und Würden sind, wird eine zusätzliche Einarbeitung in das Thema als Überforderung wahrgenommen. Als Fortbildner erlebe ich Veranstaltungen anfänglich oftmals als angstbesetzt: „Auch das noch!” Oder: „Gleich lösche ich das Internet …”
LuKi: Wie setzen denn zum Beispiel Religionspädagogen dies nun um?
Müller: Zunächst einmal gilt auch für den Religionsunterricht (RU), dass wir mit Neuen Medien auch ganz neue Möglichkeiten der Veranschaulichung, digitalen Produktivität und Partizipation haben. Hier bieten sich echte Chancen für selbstorganisierten, entdeckenden, differenzierten Unterricht.
Darüber hinaus sollte sich der Religionsunterricht unbedingt in die Debatte um eine digitale Ethik einmischen. Hier ist unser Proprium die Menschenwürde, die nicht durch eigene Leistung verdient werden kann, ein m.E. unverzichtbarer Orientierungspunkt. Gerade bei den Herausforderungen durch Hatespeech und Fakenews kann der RU auf die Relevanz eines digitalen Dekalogs verweisen, der ein menschliches (!) Miteinander auch in der erweiterten Realität ermöglicht.
In diesem Zusammenhang veranstalten wir zurzeit z.B. mehrere ökumenische Tagungen in Kooperation mit den Landesmedienanstalten, auf denen die Materialien des www.internet-abc.de speziell für den Religionsunterricht nutzbar gemacht werden. Das zentrale Anliegen der Plattform ist, dass sich schon Grundschulkinder sicher im Netz bewegen können. Und auch hier können die 10 Gebote als Gerüst für ein gelingendes Miteinander entdeckt werden, wenn es um z.B. um Urheberrecht („Du sollst nicht stehlen”) oder Cybermobbing geht („Du sollst nicht falsch Zeugnis reden”).
Auch der Religionsunterricht lebt insbesondere von der Anschaulichkeit. Mithilfe von Virtual-Reality-Brillen oder auf dem Smartphone eingeblendeten Zusatzinformationen (augmented reality / erweiterte Realität) lassen sich ganz neu sogenannte heilige Räume erschließen. Die erlebte Atmosphäre, Zeichen, Symbole, Gegenstände ermöglichen es, spannend eigene und auch fremde Erfahrungen mit dem Glauben zu machen. In Kooperation mit der Universität Würzburg haben wir dazu Unterrichtseinheiten entwickelt, die auch in der Konfirmandenarbeit Anwendung finden können.
Im Unterschied zur Filmarbeit, die ebenfalls das Ziel Anschaulichkeit verfolgt, konsumieren hier die Schülerinnen und Schüler nicht nur Informationen, sondern werden hier selbst zum Subjekt und Gegenüber in authentischen Lehr-Lern-Szenarien. So kann das Fremde kennengelernt und Ängste sowie Vorurteile abgebaut werden.
Gerade in einer zunehmend säkularisierten Gesellschaft spielt die Begegnung mit Menschen, die ihrem Glauben im Alltag Ausdruck verleihen, eine wichtige Rolle, um ins Gespräch zu kommen, d.h. sich selbst gegenüber einem religiösen Standpunkt zu verhalten, sich zu positionieren. Hier bietet eine digitale Infrastruktur bislang ungekannte Möglichkeiten. In diesem Zusammenhang berate ich die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) bei ihrem Projekt eines Globalen Pädagogischen Netzwerks: Über die Plattform www.gpenreformation.net können Lehrende und Lernende voneinander lernen, was Glaube in unterschiedlichen kulturellen Kontexten bedeutet.
Und nicht zuletzt sei auf das virtuelle religionspädagogische Institut www.rpi-virtuell.de hingewiesen, das für den RU einen riesigen Materialpool, Newsstream, virtuelle Gruppenräume und einen Baukasten für eigene Internetseiten bereithält.
LuKi: Welche Chancen und welche Risiken sehen Sie persönlich bei der Erreichung des Ziels der „digitalen Schule“?
Nicht erst seit der Hattie-Studie wissen wir um die zentrale Bedeutung der Lehrkraft als erkennbares Gegenüber der Lernenden für gelingenden Unterricht. Das Projekt „Digitale Schule” wird nun oftmals fälschlich dazu in Konkurrenz verstanden. Der Einsatz einer digitalen Lernumgebung bedeutet gerade nicht, die Lehrkraft abzuschaffen oder eine neue Methode, einen Lernkanal über andere zu stellen und damit analoge Lernformen abzuschaffen. Die Digitalisierung eröffnet aber ein ganz neues Repertoire an Methoden mit der Chance, nicht nur bei Anschaulichkeit, sondern auch bei Differenzierung, selbstgesteuertem / entdeckendem Lernen neue Wege zu gehen, neue Spielräume für die Bildung zu eröffnen.
Wir waren in der Vergangenheit mitunter leider unglaublich erfolgreich dabei, viel Geld für „tote“ Technik auszugeben, ohne dass dies den Unterricht maßgeblich verbesserte, sprich den Schülerinnen und Schülern zugutekam. Wichtig ist daher, bei den Planungen stärker den Lehrkörper einzubinden und gemeinsam für die jeweilige Schule ein überzeugendes Konzept mit didaktischen Ziele, klar benannter Ausstattung und vor allem einer nachhaltigen Fortbildungsstruktur zu erarbeiten.
Problematisch ist, dass oftmals die Schulen das Thema überfordert. Sobald ein Nacktfoto auf Handys kursiert oder eine Schülerin oder ein Schüler sich im WhatsApp-Chat ausgegrenzt bzw. gemobbt fühlt, schlagen die Wellen hoch. Dann wird oftmals ein Medienpädagoge gerufen, der diese Störung „behandeln“ soll. Damit wird die Lösung des Problems an Externe abgegeben. Haben sich die Wogen geglättet, spielt das Thema Digitalisierung keine Rolle mehr, wird als für den Unterricht störend oder gar als Zeitverschwendung betrachtet. Das wird aber der gewaltigen Transformationskraft der Digitalisierung nicht gerecht. Nötig ist hier ein pädagogisches Konzept, das die Lehrkräfte in die Verantwortung nimmt und gleichzeitig nicht alleine lässt. Pädagogik hat hier das große Potential der Prophylaxe. Und wenn es dann trotzdem zum Problem kommt, kann auf eine Haltung der Schülerinnen und Schüler zurückgegriffen werden, die die digitale Dynamik versteht und sich ihr gegenüber auch selbstbewusst verhalten kann.
LuKi: Was bedeutet „Medienkompetenz“ bei Kindern und Jugendlichen?
Zuletzt wurde immer mal wieder zwischen „Digital Natives” und „Immigrants” in wenig hilfreicher Weise unterschieden: Dass Kinder mit dem mobilen, allgegenwärtigen Internet aufwachsen, hat zur Folge, dass durch Unbekümmertheit und durch einen sehr fehlerfreundlichen Umgang mit den mobilen Endgeräten sehr schnell bestimmte Fertigkeiten erlernt werden; das haben sie älteren Nutzenden (oder auch Internet-Verweigerern) voraus. D.h. allerdings nicht, dass damit auch Reflexionsvermögen und Hintergrundwissen einhergeht, also dass die jungen Nutzerinnen und Nutzer wissen, „was das Internet mit mir macht, wenn ich etwas mit/in dem Internet mache“. Hier sind dringend Bildungsprozesse z.B. zu den Themen „Datenschutz“, „Urheberrecht“ erforderlich. Mit Sicherheit gibt es hier auch Fortbildungsbedarf; ein Fachwissen aufseiten der Lehrenden kann nicht automatisch vorausgesetzt werden. Gleichzeitig darf fehlendes Hintergrundwissen nicht bedeuten, dass Lehrkräfte diese Themen nicht aufgreifen, da hier Lebenserfahrung und Reflexionsfähigkeit gewinnbringend eingebracht werden können. Hier sind die Erwachsenen Experten und müssen sich unbedingt als interessiert Beobachtende und Fragen Stellende pädagogisch in die Debatte einmischen. Anforderungssituationen wie z.B. Hatespeech, Fakenews, Cybermobbing, Sexting etc. haben im Zuge der Digitalisierung ein völlig neues Forum erhalten, sind aber im Kern Herausforderungen, die es immer schon gab. Entlastend für sich überfordert fühlende Lehrkräfte kann hier sein, dass sie den Lernenden die Möglichkeit bieten, deren technisches Expertenwissen einzubringen. Das bedeutet auch eine Veränderung der Lehrerinnen- /Lehrerrolle.
Interessant wird es, wenn ein Lernen mit Neuen Medien über Neue Medien nicht nur allgemeinpädagogisch erfolgt, sondern fachdidaktisch aufgegriffen wird. Dadurch kann verhindert werden, dass die durch das Internet bedeutend erweiterte „Realität“ auch tatsächlich im Unterricht verbindlich als veränderte Lebenswelt berücksichtigt wird und nicht in das Belieben einiger weniger Kolleginnen und Kollegen gestellt wird. Dafür muss dieses Querschnittsthema im Lehrplan aller Fächer verortet sein.
LuKi: Wie könnte Kirche und Konfirmandenunterricht in Zukunft aussehen?
Die EKD-Synode hatte sich auf ihrer Tagung im Jahre 2014 intensiv mit dem Thema „Digitalisierung” auseinandergesetzt. Seitdem hat es unter dem Schlagwort #DigitaleKirche einige Aufbrüche gegeben, die von der zentralen Frage ausgehen, wie die Kommunikation des Evangeliums in einer digitalen Gesellschaft gelingen kann: Wenn sich unzählige Menschen im Netz tummeln, muss Kirche in der Nachfolge Christi ihnen auch dort nachgehen. Wenn das Netz ganz neue Begegnungsräume eröffnet, in denen Themen platziert und Kommunikation erfolgt, muss Kirche auf Grundlage der Guten Nachricht auch hier Ansprechpartnerin und Impulsgeberin sein. Ich würde es so zusammenfassen: „Gute Kanäle für die Gute Nachricht!”
All dies stellt ganz neue Anforderungen an Pfarrer. Um der drohenden Überforderung zu entgehen, können hier Kommunikationskanäle in andere Hände gegeben werden – nachdem feste Regeln vereinbart wurden. Zusätzlich bieten wir vom Institut neben Medien-Modulen im Vikariat entsprechende Fortbildungen an, die ein digitales Training und einen Erfahrungsaustausch über die vielen guten Praxisbeispiele ermöglichen: Es gibt verschiedene Apps, durch die Jugendarbeit auch unter der Woche begleitet werden kann. Hier können organisatorische Absprachen und inhaltlicher Austausch multimedial erfolgen. Neue Medien bieten in ganz neuer Weise die Chance, Inhalte anschaulich zu präsentieren und mit einer bestimmten Öffentlichkeit zu teilen. Dabei kann wertschätzend und interessiert auf die Expertise und die Fertigkeiten der jungen Menschen zurückgegriffen werden. Diese können nun partizipativ mit ihren eigenen Medien die Konfirmandenarbeit mitgestalten. Diese gezielte Berücksichtigung ihrer eigenen Lebenswelt mit ihren eigenen Kommunikations-, Teilnahme- und Teilgabeformen kann sehr motivierend wirken.
Dies ermöglicht zumindest theoretisch eine ganz andere Intensität von Kontaktpflege, weil ich damit quasi meine Gemeinde oder Konfigruppe immer in der Hosentasche dabei habe. Dabei können eigene Inhalte ohne viel Aufwand produziert und geteilt werden. Fotos, Videos, Texte, Audiodateien können eine neue Art der „Nähe” erzeugen. Die sogenannte „Wolke der unsichtbaren Zeugen“ erhält in diesem Zusammenhang eine ganz neue Bedeutung. Auch Transzendenz lässt sich in Zeiten der vorherrschenden Algorithmen plötzlich ganz neu erklären. Dabei lassen sich auch Unterschiede aufzeigen, ob mich ein Internet-Gigant aus wirtschaftlichen Interessen auf „Klick und Wisch” begleitet und ausspäht oder aber in Psalm 139 Gottes Allgegenwart als heilsame Verheißung geschildert wird. Der KU kann das digitale Spielen mit Identitäten und die Überwachung durch Algorithmen zum Thema machen, indem dem digitalen Leistungsdruck (sich präsentieren zu müssen) die Rechtfertigung, der nicht zu verdienende Wert des Menschen aus Gottes Sicht entgegen gehalten wird.
Früher haben wir Audio-Kassetten von Predigten an die Menschen verteilt, die nicht am Gottesdienst teilnehmen konnten. Heute gibt es neben einem TV-Gottesdienst noch ganz andere Möglichkeiten, Menschen außerhalb des Kirchengebäudes zu erreichen und dabei inhaltlich zu beteiligen. Mit sublan lassen sich Gottesdienste nicht nur streamen, sondern sind auf Dialog und Beteiligung der Gemeinde angelegt: Vor Ort oder im Internet können sich Besucherinnen und Besucher mit dem eigenen Smartphone mit ihren Fragen, Anregungen, Zweifeln und Gebetsanliegen live einbringen.
Alle digitalen Möglichkeiten zeichnet aus, dass Interessierte orts- und zeitunabhängig davon profitieren können. Das Evangelium ist sozusagen immer nur einen Klick bzw. Tipp entfernt. Impulse für die Auseinandersetzung mit Glaubensfragen können nun auch an ganz anderen Plätzen und unabhängig vom direkten Gespräch mit dem Pfarrer gesetzt werden. So kann ein digital unterstütztes Pilgern, eine Smartphone-Rallye zu biblischen Themen oder auch ein abendliches Webinar als Glaubensgrundkurse angeboten werden – und das auch noch interaktiv.
Dabei darf das Potential der Partizipation nicht unterschätzt werden, das bereits in anderen Kontexten zu einer (mitunter unerwarteten) Demokratisierung geführt hat. Wenn der Wunsch nach Beteiligung ernst genommen wird, dann werden auch viele Menschen „mitreden” wollen. Das kann Folgen haben für eine hierarchisch gedachte Kirchenstruktur.
LuKi: Was sollten Gemeinden dabei unbedingt beachten?
Für die Gemeinden spielt insbesondere das Thema Datenschutz eine wichtige Rolle. Es fällt vielen Menschen leichter, sich im Schutz der Anonymität zu äußern. Diese kann aber im Internet nur bedingt gewährleistet werden. Manche Äußerungen, die im Chat schriftlich fixiert werden, würden später eventuell nicht mehr so getroffen werden. Das gilt schon für die Telefonseelsorge und erfordert eine besondere Sensibilität für die digitale Kommunikation. Das Seelsorge-Geheimnis ist für den vertrauensvollen Austausch unaufgebbar.
Das Recht am eigenen Bild bleibt gerade in social media Kanälen oftmals gerne unbeachtet. Diese Kommunikationsform lebt von der Sichtbarkeit der Teilnehmenden und kann die Lebendigkeit der Gemeinde oftmals besser abbilden als ein Kurzbericht im Gemeindebrief. Trotzdem müssen hier die Personen gefragt werden. Das verdeutlicht schon die Situation der Konvertiten, für die eine digitale Sichtbarkeit oftmals nicht unproblematisch ist.
Bei der digitalen Kommunikation hat sich ein Monopolist fest auf den Smartphones eingenistet: Gerade WhatsApp ist aber aus Datenschutz-Perspektive hoch problematisch. Hier sollten auch Alternativen wie z.B. die App des Schweizer Anbieters „Threema” in den Blick genommen werden. Gerade bei einem sehr persönlichen Austausch über den Glauben sollten die Menschen im digitalen Anbieter-Dschungel nicht allein gelassen werden. Entlastend ist zudem, wenn von vorneherein nicht das Kriterium der Verbindlichkeit an diesen Kommunikationskanal angelegt wird: Instant Messenging bedeutet keinesfalls „Instant Responding”. Wer z.B. in der Jugendarbeit Antworten erwartet, kommt um das persönliche, individuelle Gespräch nicht herum.
Die Homepage ist das digitale Zuhause der Gemeinde. Alle anderen Kanäle (Instagram, Youtube, Facebook, Twitter oder auch Flyer) verweisen lediglich darauf. Es geht also darum, innerhalb der flüchtigen digitalen Kommunikation mit der Internetseite einen Anker anzubieten, der nicht die Geschäftsinteressen amerikanischer Konzerne bedient, sondern der Beheimatung in der eigenen Gemeinde (oder auch darüber hinaus in der Nachfolge Jesu) dient. Alle Medien zielen dann letztlich auf eine Begegnung mit Gott und anderen Menschen. Dazu können Predigten als Audiodateien zum Download bereit stehen. Fotos und Videos wirken für Suchende sehr einladend. Einzelne Personen können sich so vorstellen und die Internet-Recherche für andere persönlicher gestalten. Dadurch wird schnell eine ganz andere Nähe hergestellt. Auch zentrale Glaubensinhalte können im Sinne einer FAQ-Liste (Frequently Asked Questions) in einfacher Sprache und sehr anschaulich kommuniziert werden. Dies verleiht einem Internet-Auftritt inhaltliches Profil.
Bei der nahezu vollständigen Abdeckung durch Smartphones ab einem bestimmten Alter muss dabei bei der Darstellung von digitalen Inhalten immer auch die verschiedenen Endgeräte mitbedacht werden: Responsive Internet-Seiten passen sich der Display-Größe an. Wichtig ist auch die Auffindbarkeit der eigenen Gemeinde: Ist die Kirche auf Karten-Apps verlinkt? Sind dort auch sofort Gottesdienstzeiten ersichtlich?
Bei all den digitale Möglichkeiten ist es wichtig festzuhalten, dass erstens nicht jede Gemeinde digital alles machen kann und muss und dass zweitens digitale Medien nicht in Konkurrenz zu analogen Begegnungen oder zum Gottesdienstbesuch stehen. Medien vermitteln – im Wortsinne und das schon immer. Am Abendmahl ließe sich dieser Gedanke gut lutherisch durchbuchstabieren. Und mit Massenmedien haben wir auf evangelischer Seite schon zu Zeiten Luthers und Gutenbergs Bahnbrechendes erlebt. Also: „Gute Kanäle für die Gute Nachricht!”
Literatur:
rpi-impulse - Beiträge zur Religionspädagogik aus EKKW und EKHN, Digitale Kompetenzen vermitteln im Religionsunterricht und der Konfi-Arbeit, Heft 3-2018
Karsten Müller, Gute Kanäle für die Gute Nachricht? Eine Ermutigung zur Experimentierfreude mit „Neuen Medien“ i.S. einer lebensweltorientierten kirchlichen Jugendarbeit, in: Praxis Gemeindepädagogik 1-2019, S.30f.
Stefan Mendling u. Karsten Müller u.a., Neue Medien in der Praxis, in: Handbuch Konfi-Arbeit, Thomas Ebinger u.a. (Hg.), Gütersloher Verlagshaus 2018, S. 318ff.
Karsten Müller, Gebet 2.0 - Transzendenz in Zeiten der Digitalisierung, in: Praxis Gemeindepädagogik 1-2018, S.48f.
Volker Jung, Digital Mensch bleiben, Claudius Verlag 2019
Kommunikation des Evangeliums in der digitalen Gesellschaft, Lesebuch zur Tagung der EKD-Synode 2014 in Dresden, Gemeinschaftswerk der Evangelischen Publizistik gGmbH
Bildung in der digitalen Welt, Strategie der Kultusministerkonferenz in der Fassung vom 07.12.2017
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Jugendfestival 2019 erneut in Northeim
Das diesjährige Jugendfestival (JuFe) des Jugendwerks der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche (SELK) findet vom 3. bis zum 6. Oktober im Gymnasium Corvinianum in Northeim statt. Das JuFe ist ein Angebot für Jugendliche ab der Konfirmation. Zurzeit arbeitet ein 14-köpfiges Team an den Vorbereitungen des Festivals. Das Team von selk.de macht mit Informationen zu der Großveranstaltung auf das JuFe aufmerksam.
Zum Programm der Festivals gehören Workshops, Gesprächsangebote, Seelsorgemöglichkeiten, Konzerte, Andachten und Gottesdienste in verschiedenen Formen. In Plenumsveranstaltungen mit allen Teilnehmenden werden Impulse zum Thema gesetzt. Daneben gibt es aber auch viel Zeit zum Reden, Singen und Tanzen. Das JuFe bietet die Möglichkeit, andere Jugendliche wiederzusehen oder kennenzulernen und neue Freundschaften zu schließen.
„Friede, Freude, Eierkuchen“: Unter diesem Motto findet das JuFe in diesem Jahr statt.
Das JuFe-Team zum Motto:
„Friede, Freude, Eierkuchen“; Mit der Jahreslosung 2019 aus Psalm 34,15 werden wir ermutigt: „Suche Frieden und jage ihm nach“. Frieden ist also nicht selbstverständlich. Ich muss ihn suchen, ihm sogar nachjagen. Sich um Frieden zu bemühen ist etwas sehr Aktives. Das fällt mir also nicht einfach so in den Schoß. Das Ringen um passende Lösungen gehört dazu.
Im Epheserbrief schreibt der Apostel, dass Jesus Christus der Friede ist, der Zäune der Feindschaft überwindet. (Epheser 2,14). Unsere Friedensbemühungen stehen auf dem Fundament des Friedens, den Jesus durch Tod und Auferstehung geschaffen hat. Weil ich mit Gott versöhnt bin, kann ich den Frieden Gottes weitergeben.
In diesen Wochen gehen viele Schüler auf die Straße und demonstrieren. Viele zum ersten Mal in ihrem Leben. Weil der Zustand der Schöpfung beziehungsweise der Zerstörung der Schöpfung ihnen Angst macht. Ist unsere westliche Lebensweise, die wir alle so genießen, friedvoll mit der Schöpfung in Einklang zu bringen?
Der politische Friede ist in unserem Land seit über 70 Jahren stabil. Gott sei Dank. Selbstverständlich ist er nicht. Seit einigen Jahren werden Stimmen des Nationalismus und der Ausgrenzung, des Rassismus und des Hasses wieder laut. Wie kann dem friedlich, aber bestimmt begegnet werden?
Beim JuFe werden wir zusammen Gemeinschaft erleben, den lebendigen Gott feiern, den Glauben ausprobieren, Fragen stellen und nach Antworten suchen, Einstellungen überprüfen und bearbeiten, Zweifel aushalten und uns unseren Glauben stärken lassen.
Zahlreiche Workshops bieten Gelegenheit, sich mit ganz unterschiedlichen Aspekten zu beschäftigen. Unter anderem werden durch die Theologiestudenten Benjamin und Tobias Schütze die Themen „Ökumene – religiöser Friede?“ und „Die Kirche in der friedlichen Revolution in der DDR“ behandelt. Pfarrer Sebastian Anwand stellt zehn Thesen zu Frieden und Vergebung vor. „Funktionierende Kommunikation – Wie kann das gehen?“, fragt Elisabeth Quast, Studentin der Erziehungswissenschaften, Pfarrer Matthias Forchheim ergänzt: „Nach dem Knall ist vor dem nächsten ... – Wie entschärfe ich alltägliche Konflikte?“. Pfarrvikar Daniel Schröder stellt das „Erlebnis ‚Glaube‘“ vor. In „Worship – Learn and pray“ mit Schülerin Katharina Schröder und Schüler Angelus Dreß geht es um Lobpreis(lieder). Kreativ geht es zu in Workshops, in denen getextet, gerappt, fotografiert und modelliert wird. Insgesamt 30 Workshops stehen auf dem attraktiven JuFe-Programm.
Alle Informationen: www.jufe.org
Der Sonntag – ein besonderer Tag
Dr. Andrea Grünhagen, Pastoralreferentin der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche (SELK) und als Referentin für Theologie und Kirche im Kirchenbüro der SELK in Hannover tätig, hat ein Andachtsbuch vorgelegt: Sonntag – Impulse für das Kirchenjahr, Doris Michel-Schmidt, Journalistin und Buchautorin sowie frühere Kirchenrätin der SELK, stellt das Buch vor und würdigt es. Das Buch ist in diesem Jahr im Verlag Edition Ruprecht (Göttingen) erschienen, hat 236 Seiten und kostet 19,90 Euro. ISBN: 978-3-8469-0307-0
Der Sonntag scheint für viele ein schwieriger Tag zu sein. Scheinbar mussten nahezu alle Kinder früherer Generationen sonntags wider ihren Willen fein gekleidet mit der Familie spazieren gehen oder langweiligen Verwandten einen Besuch abstatten. Kein Wunder, dass irgendwann der Begriff der Sonntagsneurose aufkam. Was macht man an einem freien Sonntag, wenn man nichts muss? Da haben es Christen gut, die (auch) am Sonntag Gottes Wort hören können und sich damit beschäftigen. Nicht, weil sie müssen, sondern weil es sie danach verlangt. „Du sollst den Feiertag heiligen“, dieses Gebot meint nichts anderes, als dass man – immer, nicht nur sonntags, aber da eben ganz besonders – „Gottes Wort im Herzen, im Munde und in den Ohren habe“, wie Luther das in seinem großen Katechismus formuliert. Das bedeutet „heiligen“ – weil das Wort die Kraft hat, „wenn man es mit Ernst betrachtet, hört und mit ihm umgeht, dass es niemals ohne Frucht bleibt, sondern immer neue Erkenntnis wirkt und neues Verlangen nach ihm weckt und ein reines Herz und reine Gedanken schafft“, so Luther.
Wenn man jemanden hat, der einen zu dieser Beschäftigung mit Gottes Wort animiert, umso besser. Andrea Grünhagen tut das mit ihren Texten zu den Sonn- und Feiertagen entlang des Kirchenjahres. In ihrem Andachtsbuch greift sie biblische Verse aus den gottesdienstlichen Lesungen auf und spannt eine Brücke zum Leser. In wenigen Sätzen ist die Verbindung da zur Aktualität, zu der Welt heute, in der wir leben. Sie stellt Fragen, die nachdenklich machen, aber auch neugierig, und die mitten ins Thema des Sonntags führen. Die promovierte Theologin und Referentin für Theologie und Kirche im Kirchenbüro der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche (SELK) belässt es aber nicht bei den Fragen, sondern weiß sie klug und sachkundig einzuordnen, gibt hilfreiche Antworten und Hinweise zum Verständnis. Wie frisch klingen dadurch die biblischen Worte. Wie unverbraucht wirkt das, was Gott uns in ihnen sagt.
Andrea Grünhagen schafft das mit einer Sprache, die alltagstauglich ist, verständlich, aber nicht anbiedernd, mit Beispielen, die den Text illustrieren, ihn ins Heute umsetzen und anschaulich machen. Die aber eben tatsächlich auch in die Bibel hineinführen und sich nicht auf Umwegen verlieren. Sie spricht den Leser immer wieder direkt an, regt so zum Nachdenken an, als ob sie „bei mir auf dem Sofa sitzt und mir was erzählt“, wie es ein Leser formuliert hat.
Andrea Grünhagen braucht keinen pädagogischen Zeigefinger; sie doziert nicht. Und trotzdem lernt man ganz „nebenbei“ eine Menge über lutherische Theologie und Kirche. Die Texte sind kurz, jeweils maximal zwei Seiten. Aber sie bringen in ihrer kompakten Zuspitzung das jeweilige Wort Gottes auf den Punkt. Und sie führen durch das Kirchenjahr, das dadurch mit seinen unterschiedlichen Prägungen besonders deutlich gemacht wird. „Selbst vielen regelmäßigen Kirchgängern ist gar nicht bewusst, dass jeder Sonn- und Feiertag ein spezielles Thema hat“, schreibt die Autorin im Vorwort. Gerade in der Trinitatiszeit, die eher unspektakulär vom Frühjahr bis in den Herbst dauert, ist es eine gute Übung, jeden Sonntag mit seinem spezifischen Thema in den Blick zu nehmen. Und dann die Lesungen, die Lieder und die Predigt im Gottesdienst anders, vielleicht konzentrierter zu hören.
Zum Beispiel am 12. Sonntag nach Trinitatis mit seinem Thema „Heilung“: Die Lesung aus dem Markus-Evangelium erzählt die Geschichte von der Heilung eines Taubstummen. Es geht an diesem Sonntag um die Situation aller Menschen, so Andrea Grünhagen. „… wir sind von Natur aus in Bezug auf Gott so: blind, also unfähig ihn zu erkennen, taub für seine Botschaft und stumm, das heißt, unfähig, ihm zu antworten.“ Erst das „Schöpferwort“ Jesu, sein „Hefata!“, durchbricht diese Mauer der Stille um den Taubstummen herum. An der Geschichte wird auch deutlich, wie ein Mensch zum Glauben an Christus kommt. „Nämlich nur und immer und jedes Mal, indem Gott selbst sein ‚Hefata!‘ spricht“. Grünhagen macht an dieser Stelle ganz klar: „Der Glaube an Gott ist kein Angebot, das der Mensch von sich aus annehmen kann. Er kann sich nicht bekehren, sich nicht für Gott entscheiden. (…) Gott selbst hat uns aus dem Alptraum der Gottesferne, in dem wir blind, taub und stumm in Bezug auf den Glauben waren, herausgeholt. Er hat auch bei uns sein ‚Hefata!‘ gesprochen.“
Neben den Sonntagen des Kirchenjahres nehmen in dem Buch die Gedenktage einen wichtigen Platz ein. Sie sind wichtig, so Andrea Grünhagen, „weil sie die Erinnerung, dass die Geschichte der Kirche größer ist als die einer Einzelgemeinde oder eines Christen. Die ‚Wolke der Zeugen‘ (Hebräer 12,1) ist durchaus eine Realität, die wir nicht vergessen sollten.“ Dazu gehören nicht nur die Apostel, dazu gehört St. Martin (am 11. November), dazu gehört Elisabeth von Thüringen (am 19. November), Nikolaus natürlich (6. Dezember), dazu gehört der Tag der Darstellung des Herrn im Tempel (2. Februar) und der Tag der Ankündigung der Geburt Jesu (25. März); dazu gehört der Johannistag als Erinnerung an Johannes den Täufer (24. Juni) und einen Tag später der Gedenktag der Augsburgischen Konfession (25. Juni); dazu gehört der Tag des Besuchs Maria bei Elisabeth (2. Juli) und der Tag des Märtyrers Laurentius (10. August), der Tag des Erzengels Michael und aller Engel (29. September) und der Gedenktag der Reformation (31. Oktober).
Ja, an diese Zeugen des Glaubens zu erinnern, durchaus auch in einem besonderen Gottesdienst, könnte der „geistlich-liturgischen Verarmung, die in manchen Gemeinden in dieser Hinsicht herrscht“, wie es die Kirchenhistorikerin Grünhagen formuliert, etwas entgegensetzen.
Die liturgischen Farben des Kirchenjahres werden in dem Buch mit farbigen Balken markiert. Einleitend zu jeder Kirchenjahreszeit stehen jeweils Liedverse aus dem Gesangbuch und Gebete, die Propst Gert Kelter formuliert hat, ebenso wie die Gebete am Schluss des Buches.
Der Sonntag ist ein besonderer Tag, nicht bloß, weil da die (meisten) Geschäfte geschlossen haben. Sich am Sonntag wenigstens den einen kurzen Text in diesem Buch vorzunehmen und darüber nachzudenken, macht den Tag zu einem besonderen – probieren Sie es aus!
Bethlehem-Voices-Jubiläumskonzert
Die in der Bethlehemsgemeinde Hannover der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche (SELK) beheimateten „Bethlehem Voices“ feiern ihr 20-jähriges Bestehen. Der Chor besteht zurzeit aus rund 25 Sängerinnen und Sängern, die zwischen 16 und 50 Jahre alt sind. Das Repertoire umfasst vor allem Gospels und Sacro-Pop-Songs. Aus Anlass des Jubiläums gibt der Vokalchor ein Jubiläumskonzert, das zweimal zur Aufführung kommt und zu dem der Chor herzlich einlädt!
20 Jahre Bethlehem Voices | Jubiläumskonzert:
Samstag, 24. August 2019, Bugenhagenkirche Hannover (Stresemannallee 34), 15.30 Uhr
Sonntag, 25. August 2019, St. Johannes-Kirche Wunstorf (Albrecht-Dürer-Straße 3), 17 Uhr
Der Eintritt zu beiden Konzerten ist frei!
„Sommer 1999: ein Wohnzimmer in einer Studenten-WG in Hannover. Eine Handvoll junger Leute trifft sich mit mir zur Gründung des ‚Jugendchores‘ der Bethlehemsgemeinde, nachdem mich ein Freund darunter überzeugt hatte, dass es doch viel besser wäre, einen jungen Chor ‚bei uns‘ aufzumachen, statt einen ‚Ältere-Damen-Chor‘ zu übernehmen, wie ich es als kleinen Job und als Übung für meinen Chorleitungsunterricht vorhatte.“ – So schildert Susanne Gieger die Geburtsstunde der Bethlehem Voices, die den jungen Chor der Bethlehemsgemeinde der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche (SELK) in Hannover bilden. Die damalige Entscheidung habe sie keinen Moment lang bereut, sagt die Gymnasiallehrerin, „auch wenn es natürlich manchmal einen langen Atem brauchte, um über kleine Durststrecken hinwegzukommen und immer wieder neue, passende Noten zu finden.“Als sehr praktisch für die weitere Entwicklung des Chores habe sich erwiesen, dass sich in Hannover als Studentenstadt viele junge Leute sammeln und dass der Name „Bethlehem Voices“ dem Chor einen perfekten Platz in der alphabetischen Liste auf der Homepage der Chöre Hannovers bot und immer noch bietet. Neben Sängerinnen und Sängern aus den beiden örtlichen SELK-Gemeinden – „inzwischen schon die halbwegs nächste Generation nach den Gründern!“ – bestehen die Voices inzwischen hauptsächlich aus Sängerinnen und Sängern aus anderen Gemeinden oder auch einzelnen ohne christlichen Background. „Einige suchen einfach einen Chor zum Singen und genießen außerdem die Gemeinschaft, ein paar sind ehemalige Schüler von mir, die nach dem Abitur den Oberstufenchor verlassen mussten“, sagt die engagierte Chorleiterin: „Besonders gerührt hat mich der erste Choreinsatz im Gottesdienst eines damals noch kirchenfernen Sängers, der fragte, ob es ihm schaden würde, wenn er das ‚Vaterunser‘ mitbeten würde.“
Überhaupt die christliche Ausrichtung: „Das Besondere der ‚Bethlehem Voices‘ ist auch, dass uns nicht nur das Singen, sondern auch unser Glaube vereint – und das ist, so haben wir von einem Sänger gehört, der sich auch in anderen guten Chören Hannovers getummelt hat, nicht bei allen ähnlich verorteten Chören selbstverständlich.“
All die Jahre sind die Voices auch dem Posaunenchor der Bethlehemsgemeinde sehr verbunden – durch gemeinsame Konzerte, Musiker in Personalunion und gemeinsame Feiern.
Highlights im Leben des Chores seien mit Sicherheit die Chorfreizeiten gewesen, die endlich Zeit geboten hätten, die zu kurz kommenden Gespräche während und nach der Chorprobe zu führen, und Gelegenheit gewesen seien, um die Gemeinschaft zu stärken – daher seien die Chorfreizeiten auch nie Probenwochenenden gewesen.
Die Kontakte zur örtlichen Musikhochschule boten die Möglichkeit, schnell eine Chorleitungsvertretung zu finden, während Susanne Gieger zweimal für einige Monate ins Ausland beziehungsweise in den Mutterschutz verschwand.
„Nicht denkbar wäre die Chorarbeit ohne die vielen helfenden Hände, die vertretungsweise die Chorprobenleitung, das Kopieren der Noten, die Chorkasse, bei den Konzerten die Technik, die Plakate, das Programmheft und vieles mehr übernehmen“, sagt Susanne Gieger voller Dank – und ergänzt: „Wir sind sehr dankbar, dass uns die Bethlehemsgemeinde all die Jahre unterstützt hat und es auch weiterhin tut. Ebenso bin ich sehr froh, dass wir in Hannover immer mit tollen Bandmusikern beschenkt sind. Nach den Jubiläumskonzerten müssen wir von einem Teil der eingeschworenen Band und auch von einer Handvoll Sänger Abschied nehmen, die Hannover verlassen – aber es wird weitergehen, und die Kontakte werden bleiben.“
Auf die Jubiläumskonzerte freue sie sich besonders und sehe sie als kleines Fest, um Gott für seinen Segen in all den Jahren zu danken, schaut die Chorgründerin nach vorne: „Wir freuen uns auf viele ehemalige Sänger und Musiker und haben deshalb für das Konzert in unserer Stadt diesmal die räumlich größere Bugenhagenkirche im Süden der Südstadt Hannovers gewählt – damit unser Bischof als Zuhörer nicht draußen auf einer Bierbank vor der Kirchentür sitzen muss, wie schon mal geschehen.“
Wer es am 24. August nicht zum Konzert schafft, kann am 25. August in Wunstorf in den Genuss kommen.
Weitere Informationen:
www.selk.de/index.php/newsletter/5047-20-jahre-bethlehem-voices-01-07-2019
www.bethlehem-voices.de
Kirche im Tourismus
Markus Nietzke, Gemeindepfarrer der Kleinen Kreuzgemeinde Hermannsburg und der St. Johannis-Gemeinde Bleckmar sowie Superintendent im Kirchenbezirk Niedersachsen-West der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche (SELK), beteiligt sich mit seinen Gemeinden seit vielen Jahren an touristisch motivierten Aktionen für Kirchgebäude. Für selk.de erläutert er sein diesbezügliches Engagement.
Herr Superintendent Markus Nietzke, Sie beteiligen sich mit Ihren Gemeinden seit Langem an regionalen und überregionalen Tourismusprogrammen. Stellen Sie uns diese bitte kurz vor.
Viele Menschen sind in der Lüneburger Heide unterwegs, vielfach zu Fuß oder per Fahrrad, auch solche, die in täglich geöffnete Kirchen einkehren, sich die Kirchenarchitektur und Kirchraumgestaltung anschauen, dort verweilen, beten, meditieren und sich eventuell ins Gästebuch eintragen. Dass geschieht nahezu jeden Tag, jetzt im Sommer besuchen sogar Pilgergruppen und Gäste gezielt unsere Kirchen.
Ich beginne mal mit dem „Jakobusweg durch die Lüneburger Heide“. Das ist ein Pilgerweg, der sowohl durch Hermannsburg als auch ganz in der Nähe von Bleckmar entlangführt. Aufmerksam geworden bin ich darauf aus der Presse, als es darum ging, diesen alten Pilgerweg zum Jakobsweg nach Santiago de Compostela neu zu entdecken und eine mögliche Beschilderung der Strecken vorzunehmen. Der Kontakt mit den lokalen Tourismusbehörden brachte weitere Impulse. Und dann besuchte ich auch eine Veranstaltung zum Thema „Kirche und Tourismus“ und erfuhr, dass sich Kirchen ebenfalls mit einreihen könnten, was die Beschilderung anging. Gesagt, getan.
Neben dem Jakobsweg (als echtem Pilgerweg) und dem Heidschnuckenweg (eher ein Wanderweg) gibt es auch einen weiteren Pilgerweg, „Via Romea“ von Stade nach Rom, der durch Bergen führt. Bleckmar gehört als Ortsteil zu Bergen. Wir liegen mit unseren Kirchen sozusagen „direkt auf der Strecke“ alter Pilgerwege.
Was war der Anlass und hat den Ausschlag gegeben, sich für solche öffentlichen Programme zu engagieren?Am Anfang stand die Faszination des europäischen Pilgerns; ich habe meine Kindheit und Jugend in Südafrika öfter mit Wandern verbracht, dort war Pilgern ein absolutes Fremdwort. Dazu kam dann die Entdeckung bei der Recherche vor Ort: Meine beiden Kirchen im Pfarrbezirk liegen an alten Pilgerwegen. Außerdem fand ich einen Aufsteller („eye-catcher“) im Pastorat der Kleinen Kreuzgemeinde vor, mit dem eingeladen wird in die Kirche als „Haus der Stille“, den ich seit vielen Jahren täglich vor dem Kirchturm aufstelle.
Den Ausschlag hat dann letztlich die Teilnahme am 1. Wandersymposium in der Lüneburger Heide am 6. Juli 2012 in Hermannsburg gegeben, als dort auch über das Pilgern als touristische Chance berichtet wurde. Latent habe ich mich seit 1996 mit dem Thema befasst. Die gezielte Suche nach Fortbildungen führte mich nach Hannover – in der Hannoverschen Landeskirche gibt es ein Fachreferat für Kirche und Tourismus – und vor allem drei Fortbildungen der Nordkirche in Wismar, Rostock und Kiel. Dort wurden mir von Fachleuten (auch echten Pilgern) wichtige Impulse gegeben, insbesondere zum Thema „Offene Kirche“ und „Gastgeberfreundliche Gemeinde“.
Inwiefern ist die touristische Präsenz auch eine Faktor in der Öffentlichkeitsarbeit?
Handwerk ohne Klappern gibt es nicht. Hier ist von den öffentlichkeitswirksamen Verleihungen der Beschilderungen „Offene Kirche“, „Kirche am Jakobusweg“ und „Radfahrerkirche“ zu reden. Berichte in der Presse und den sozialen Medien bringen Kirche und ihr besonderes und einzigartiges Angebot der Zuwendung Gottes zu uns Menschen auf andere Weise ins Gespräch als man üblicherweise vermutet. Das ist eine Chance, eine Nische, und für mich persönlich eine sehr geeignete Weise, damit umzugehen, dass viele Menschen heute die Kirche und ihre Gottesdienste, Andachten und andere Veranstaltungen nur noch als „Kirche-für-den-Moment“, wie ich es gerne nenne, wahrnehmen. Ich habe inzwischen weit mehr Andachten mit Pilgergruppen mit größeren Teilnehmerzahlen gefeiert als zum Beispiel Teilnehmer an Passionsgottesdiensten in zehn Jahren Tätigkeit im Pfarrbezirk zählen können.
Eine Aussendung eines Pilgers aus unserer Gemeinde (auf dem Weg nach Santiago) wird mir noch lange im Gedächtnis bleiben – wo findet sich denn auf die Schnelle ein Pilgersegen in einer unserer Agenden für den Gottesdienst? Not macht erfinderisch – und zum Glück gibt es gute, qualifizierte Literatur zum Thema.
An dieser Stelle möchte ich mich dafür bedanken, dass diese Anliegen im Kirchenbüro der SELK sehr wohlwollend aufgenommen wurden. Kirchenrat Schätzel hat offiziell für die SELK an den beiden Kirchen öffentlich-wirksam die entsprechenden Beschilderungen an den Kirchen in einem geistlichen Rahmen mit Andacht, Liedern und Gebet enthüllt.
Wie lässt sich der Aufwand für die beteiligten Gemeinden beschreiben?Die Kirchen sind täglich geöffnet – mindestens von Ostern bis zum Reformationsfest. Da muss die Kirche aufgeschlossen werden. In beiden Gemeinden ist das problemlos möglich. Da und dort wird eine Flasche Mineralwasser aus dem Wasserkasten im Vorraum der Kirche mitgenommen. Das Angebot ist im Sinne der kirchlichen Gastgeberschaft nur eine kleine Aufmerksamkeit für Durchreisende. Ich lege regelmäßig meine Predigten und öfter mal die Wochenandacht zur Mitnahme aus – sie sind häufig nach einer Woche vergriffen.
Der Aufwand ist also im Prinzip sehr überschaubar: geöffnete Kirche, eventuell Blumenschmuck, ein Gästebuch zum Eintragen und etwas zum Mitnehmen. In beiden Kirchen stehen immer frische Blumen zum Sonntag auf dem Altar – sie halten aber gut eine Woche. Nach einer Hochzeit, Konfirmation oder Taufe bleibt der Schmuck inzwischen drei, vier Tage hängen und zeigt auf: Hier wird im Haus Gottes gelebt. Das Gästebuch ist immer da, ein Stift liegt bereit. Dort werden Gebetsanliegen, Grüße oder ein anderes Lebenszeichen eingetragen. Im Laufe der Zeit kamen für mich Postkarten zum Mitnehmen für Gäste, Pilgerinnen und Pilger dazu. Im Sinne des Interesses von Touristinnen und Touristen mit Smartphones gibt es an markanten Stellen in der Kleinen Kreuzkirche QR-Codes zum Einscannen.
Sie sind in diesem Bereich bereits seit vielen Jahren – für die SELK durchaus auch in einer gewissen Vorreiterrolle – aktiv. Wie fällt ein erstes Fazit aus?
Früher habe ich in Gesprächen zu diesem Thema aufgrund der ersten Begegnungen von Kirche und ihren Gebäuden als „Herberge“ gesprochen – das bleibt auch so. Herberge im Sinne von Schutz vor dem Wetter, das ist einfach zu erklären. Kirche als Ort der Geborgenheit und Schutzraum kann man auch historisch belegen und beschreiben. Auch im übertragenen Sinne gilt das. Kirche als heiliger Ort, der eine nicht immer näher beschreibbare Faszination ausstrahlt – das ist erst einmal zur Kenntnis zu nehmen – ein erstes Fazit.
Wir kommen vom Christentum nicht los, jedenfalls nicht so leicht, wie manche es vielleicht hoffen! Ich erlebe auf meinen Reisen: Überall in Europa zeigt das Christentum seine Beharrlichkeit. In Stein gehauen als Kathedrale in der Stadt wirkt es fort. Denken Sie an die Berichterstattung zum Feuer in Notre-Dame in Paris vor einigen Wochen und das dort spontan gesungene „Ave-Maria“ auf der Straße! Als ausgeschmückter barocker Dom in Bayern oder norddeutsche Backsteinkirche um die Ecke, als verwahrloste Dorfkirche irgendwo im Süden Frankreichs oder als kleine Kapelle am Wegesrand in Wales wirkt es trotzdem. Eine täglich geöffnete Kirche – sorgsam gepflegt – signalisiert: Das Christentum ist (noch) da. Es fasziniert und stört, ja, manchmal verstört es, und doch ruft es durch diese Art Verkündigung des Evangeliums immer wieder neu zur Begegnung mit Gott. Unser christlicher Glaube übt nach wie vor einen besonderen Reiz aus. Aber ganz anders als vielleicht erwartet oder innerhalb unserer Denkschemata erhofft. Deswegen spreche ich gerne vom Kirchgebäude als ‚sichtbares Wort Gottes‘
Inzwischen präzisiere ich aufgrund der Erfahrung meine Erkenntnisse auch mit dem folgendem Wortgebilde: In unseren Kirchen sind wir als Pfarrer für einen kurzen oder längeren Moment mit Gott und Menschen gemeinsam unterwegs durchs Leben. Dazu bieten offene Kirchen eine Möglichkeit von vielen. Dieses Kirche-für-den-Moment-Sein ist mir inzwischen sehr vertraut geworden und hat auch einen immens erleichternden Aspekt meiner Tätigkeit als Pfarrer zur Folge.
Mögen Sie Beispiele erzählen?Da kommt eine Frau und bittet darum, für einen Moment in die Kirche gehen zu können und dort zur beten. „Natürlich“, sage ich, „warum denn nicht?“ Und sie geht und betet, wir sprechen kurz auf der Kirchenbank miteinander, ich gehe wieder raus. Später schreibt sie ein paar Gedanken ins Gästebuch. Das reicht aus. Für den Moment, soweit ich sehe. Und dann lese ich zwei Jahre später völlig überrascht im Gästebuch dem Sinne nach: „Ich war nach zwei Jahren wieder in dieser Kirche. Ich erinnerte mich an das Gespräch damals und die guten Gedanken des Pfarrers. Danke, dass diese Kirche dafür geöffnet ist!“. Das mag anderen Menschen an anderen Orten ebenso gegangen sein. Kirche hat ein offenes Ohr und Herz für den Menschen, hier, jetzt und heute.
In einem Fall hat eine Trauerbegleitung so ausgesehen, dass wir eine Andacht für einen Menschen gestaltet haben, der verstorben war und dabei als Erinnerung und Symbol für Menschen mit einer geistigen Behinderung nach der Andacht ein paar Luftballons steigen lassen. Zwei Ballons „entwichen“ allerdings frühzeitig und klebten 10 Tage an der Kirchdecke. Darüber entstanden Gespräche mit zufällig vorbeischauenden Touristen – mit tieferem Inhalt als manch anderes Gespräch über den Kirchenzaun. Das sind extrem wertvolle Erfahrungen für mich – und es genügt mir zu wissen: Dieses eine Gespräch ist Teil eines Unterwegs-Sein des betreffenden Menschen mit Gott, wenn auch anders, als ich es gedacht, traditionell gelernt und für richtig erachtet habe. Ich bin in diesem Fall nur ein klitzekleiner Teil im Gesamtbild des Lebens mit Christus für diesen Menschen. Aber es reicht aus. Wann und ob dieser Mensch noch einmal wiederkommt oder anderswo einen Gottesdienst besucht; ich habe es nicht in der Hand. Gott mag es schenken, Gott mag es lenken. Es liegt in seiner Hand, nicht in meiner Verfügungsgewalt. Anders gesagt: Die Begegnung mit Menschen, die eine offene Kirche besuchen und mit mir ins Gespräch kommen – es ist tatsächlich nur ein Bruchteil derer, die die offenen Kirchen in Bleckmar und Hermannsburg besuchen – das hat meinen Horizont von Kirche-Sein ziemlich verändert. Es ist genug, wenn man sich gemeinsam auf dem Weg in die Ewigkeit einen Moment lang gemeinsam bestärken kann.
Wo wir bei Tourismus sind: Was sind Ihre drei persönlich favorisierten und erwünschten Reiseziele?
‚Ah, but your land is beautiful‘ heißt ein Buchtitel von Alan Paton aus Südafrika – aber Südafrika ist für mich kein Reiseziel mehr, obwohl ich dort 23 Jahre lebte. Die Welt ist auch anderswo schön und facettenreich. Der Westen Kanadas lockt – mit einer Handvoll Geld ($ 20.-) ist dort immer noch vieles möglich. Ein zweites Wunschziel ist Südostasien. In meiner Zeit als Missionsdirektor entstanden Beziehungen, die ich gerne pflegen würde. Mich interessieren die Spuren der christlichen Mission in Japan und in Indonesien das Wirken des berühmten Ludwig Ingwer Nommensen. Eine echte Pilgerreise möchte ich irgendwann einmal nach Israel unternehmen, und dabei viel Zeit in der Ebene Jesreel zwischen Samaria und dem Berg Karmel, dem galiläischen Meer und schließlich noch Zeit ohne Hektik in Jerusalem verbringen. Es gibt einen „Jesus-Trail“ für Pilger rund ums galiläische Meer, soweit bin ich darauf immerhin schon vorbereitet. Wer weiß, ob von diesen Wünschen einer oder alle in Erfüllung gehen?
Bibeldetektive und Kindermusicals
In jedem Sommer finden in zahlreichen Gemeinden der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche (SELK) Aktionstage für Kinder statt. Mit hohem Engagement werden diese Angebote vorbereitet. Neben der Beschäftigung mit einem biblischen Thema gehören kreative und unterhaltsame Aktivitäten zu den Programmen. Aus den Redaktionsarbeit der selk_news ist ein Überblick über verschiedene dieser kirchlichen Maßnahmen entstanden.
Beim inzwischen traditionellen Kinder-Sing-Erlebnis-Wochenende der St. Petri-Gemeinde in Hannover vom 28. bis zum 30. Juni stand die biblische Figur der Rut im Mittelpunkt der Erzählungen und des Familiengottesdienstes, für den zuvor mit den 26 teilnehmenden Kindern das Mini-Musical „Ruth“ von Jochen Rieger einstudiert worden war.
Das aus kircheneigener Arbeit entstandene Kindermusical „Arche Noah“ wurde am 30. Juni auf der großen Bühne der Kreuzgemeinde in Bochum aufgeführt. 25 Kinder von 2 bis 15 Jahren agierten szenisch, mit solistischen Sprechrollen und als Chor. Ein engagiertes Team hatte Kulissen und Kostüme gestaltet. Gut zwei Monate hatten die Kinder die Lieder und Texte eingeübt. Eine kleine Band mit Piano, Gitarre, Metallophon und Cajon lieferte die Musik.
100 Kinder waren der Einladung zur traditionellen Kinderfreizeit der Immanuelsgemeinde Groß Oesingen gefolgt. Unter dem Motto „Zeitreise zu schrägen Typen“ gab es vom 4. bis zum 7. Juli auch für alte „Freizeithasen“ viel Neues zu entdecken. Jeder Tag begann mit einem Bibeltheater. Eine tägliche Zeitreise führte die Teilnehmenden nach Jericho, wo sie Zachäus und Bartimäus kennenlernten, zwei echt schräge Typen, die beide auf Jesus trafen − oder Jesus auf sie −, was ihr Leben veränderte. Unterschiedlichste Angebote für die Kinder waren vorbereitet worden, unter anderem Basteln, Werken, Wellness, Fitness und eine Orgelführung.
Schon zum 39. Mal richtete die Dreieinigkeitsgemeinde Hohenwestedt ihre alljährliche Kinderzeltfreizeit aus. Vom 4. Juli bis zum 7. Juli erlebten 40 Bibeldetektive im Alter von 6 bis 14 Jahren ein viertägiges Abenteuer mit spannenden Detektiv-Fällen rund um das Wirken Jesu. Dabei wurden Fälle von geflüchteten Fischern, Tempelrandalierern, Dachzerstörern und korrupten Zöllnern aufgeklärt. Lagerfeuer, Fahrradrallye und Schnitzeljagd gehörten zum Freizeitprogramm.
Ebenfalls vom 4. bis zum 7. Juli fand in der Rodenberger St. Johannes-Gemeinde nach mehrjähriger Pause wieder eine Kinderbibelwoche statt. Neben verschiedenen Bastel- und Spielaktionen zum Thema „Sing uns ein Lied, König David“ studierten 17 Kinder im Alter von 6 bis 12 Jahren ein kleines Kindermusical ein, das im abschließenden Familiengottesdienst zu Gehör gebracht wurde. Die Kinderbibelwoche der St. Johannes-Gemeinde ist Teil des Sommerferienprogramms der Stadt. So kam mehr als die Hälfte der teilnehmenden Kinder nicht aus den Reihen der Gemeinde.
Vom 4. bis zum 7. Juli fand auch die Kinder-Zelt-Freizeit der Pella-Gemeinde Farven mit 70 Kindern statt, diesmal zum biblischen Thema „Samuel – klein, aber wichtig“. Neben den thematischen Einheiten wurde viel gesungen, gespielt und gebastelt. Eine Dorfrallye, ein Abend am Lagerfeuer, ein Spiele- und Kinoabend sowie die Disco im Partykeller erfreuten die Kinder. Den Abschluss bildete auch hier ein Familiengottesdienst, den überwiegend die Kinder gestalteten.
Ebenfalls vom 4. bis zum 7. Juli fand in Brunsbrock die traditionelle Kinderwoche zu Beginn der Sommerferien statt. Sie stand in diesem Jahr unter dem Thema „Wegweiser zum Leben“ und hatte die 10 Gebote zum Inhalt. Neben den biblischen Geschichten um den Auszug aus Ägypten sowie den Personen Rut (4. Gebot) und Amos (9. und 10. Gebot) hatten Kinder und Betreuende viel Spaß beim Singen, Basteln und einem Geländespiel. Den Familiengottesdienst am Sonntag gestalteten die 40 Kinder durch Lieder, Lesungen und Gebete mit.
Die Kinder-Musik-Tage der Gemeinden Widdershausen und Obersuhl, die gemeinsam einen Pfarrbezirk bilden, fanden bereits zum sechsten Mal in Folge statt, in diesem Jahr vom 18. bis zum 21. Juli. Waren im ersten Jahr 16 Kinder dabei, so konnten diesmal über 40 Kinder begrüßt werden – auch aus dem Umfeld der Gemeinden. Inhaltlich ging es in den Proben, in den Anspielen und Kreativeinheiten um König David und seine Erfahrungen als Kind und junger Mann. Die Generalprobe vor dem Abschlussgottesdienst wurde im nahen Pflegeheim der Arbeiterwohlfahrt veranstaltet. Dort kam es zu berührenden Begegnungen zwischen den zum Teil hochbetagten Bewohnerinnen und Bewohnern und den Kindern im Alter zwischen 3 und 12 Jahren.
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Mehrgenerationenprojekt in Cottbus
Mit einem offiziellen Festakt wurde am 22. Juni 2019 das Mehrgenerationenprojekt „gemeinsam – statt jeder für sich allein“ an der Kreuzkirche der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche (SELK) in Cottbus eingeweiht. Nach fast einem Jahrzehnt von der ersten Idee bis zur Fertigstellung konnten die beiden Gebäude des Mehrgenerationenprojektes nun unter Gottes Segen ihrer Bestimmung gewidmet werden.
Im Unterschied zu bekannten Mehrgenerationenhäusern, in denen ein Tagesangebot für alle Altersgruppen vorgehalten wird, geht es bei diesem Projekt darum, dass Menschen beieinander wohnen und ein gemeinsames Leben miteinander entwickeln. Die Kreuzkirchengemeinde hat es als Teil ihres Auftrages in der Gesellschaft begriffen, sich für gute und gemeinschaftsfördernde Lebensbedingungen von Menschen einzusetzen und damit dem von vielen beklagten Trend zunehmender sozialer Kälte und Einsamkeit entgegenzuwirken.Seit März dieses Jahres waren die 20 Wohnungen bezugsfertig und sind zum größten Teil bezogen. Nach Auskunft von Gemeindepfarrer Hinrich Müller ist es gelungen, bei der Auswahl der Mieterinnen und Mieter eine Mischung hinzubekommen und Menschen aus allen Altersstufen, Menschen, die in Familien oder allein leben, auch ausländische Mitbürgerinnen und Mitbürger für die Wohnungen zu gewinnen. Vorab wurde mit den Mietinteressierten ausführlich besprochen, welche Vorstellungen von gemeinsamem Wohnen sie denn verwirklichen wollten. Auch wenn die Kirchengemeinde vermittelt und fördert, hängt es letztlich in erster Linie von den Bewohnerinnen und Bewohnern der Häuser ab, das gemeinsame Leben zu entwickeln und die Grundidee Wirklichkeit werden zu lassen.
Die Einweihung nahm der Superintendent des Kirchenbezirkes Lausitz der SELK, Pfarrer Michael Voigt (Guben), vor – mitgestaltet vom Ortspfarrer und von Gliedern der Gemeinde. Für einen fröhlichen musikalischen Akzent sorgte der Gospelchor der Gemeinde, die St. Peter-Gospelsingers.
Mit der Einweihung hat das Projekt auch einen Namen bekommen. Es wurde nach einem sehr verdienten Gemeindeglied „Marie-Noack-Haus“ (MNH) benannt. Marie Noack hat bis 2016 in der Gemeinde gelebt und ist vielen Menschen aus Cottbus-Sielow und den umliegenden Dörfern noch gut bekannt, weil sie dort unter anderem in den 1970er Jahren als Gemeindeschwester gearbeitet hat und vielen – dank ihrer umfassenden Kenntnisse in der Naturheilkunde – bei gesundheitlichen Schwierigkeiten geholfen hat.
In den offiziellen Grußworten wurde der Mut der Kirchengemeinde, solch ein Projekt in Angriff zu nehmen, gewürdigt. So bewertete die Bürgermeisterin, Marietta Tschoppe, das Marie-Noack-Haus als zukunftsweisendes Modellprojekt auch für die Stadt Cottbus. Die Stadt Cottbus hatte eine finanzielle Unterstützung für die Sanierung des Gemeindehauses gewährt, das indirekt auch zum Projekt Marie-Noack-Haus gehört, weil die Gemeinderäume auch als Gemeinschaftsräume für das Projekt dienen sollen.
Nach dem offiziellen Teil waren alle Gäste zu gemütlicher Runde mit Essen und Trinken geladen. Auch die neuen Bewohnerinnen und Bewohner des Hauses waren aktiv beteiligt, diesen Teil der Feier auszugestalten, sodass es auf dieser Ebene zu einer schönen Zusammenarbeit von Gemeinde und MNH kam.
Hintergrund:
Vor mehr als 10 Jahren hatte die Kreuzkirchengemeinde das Problem, dass auf ihrem Nachbargrundstück eine Ruine stand, von deren eingestürztem Dach ständig Wasser in die Außenwand des Gemeindehauses lief. Es war nicht möglich, mit der Eigentümerin eine Lösung zu finden. Schließlich sah die Gemeinde keinen anderen Weg, als das Grundstück und das Haus im Rahmen einer Versteigerung zu kaufen, um das eigene Gemeindehaus zu schützen. Jetzt hatte die Gemeinde ein Grundstück mit einer Ruine darauf. Abriss und weitere Schäden vom Gemeindehaus abwenden, war leicht zu bewerkstelligen.
Allerdings war die Frage: Was macht die Gemeinde jetzt mit dem Grundstück?
Es wurde die Idee entwickelt, auf dem Grundstück ein Wohnprojekt zu realisieren, bei dem gemeinsames Leben ermöglicht wird. Um dieses Ziel zu erreichen, musste die Gemeinde einen langen Weg gehen. Die größte Schwierigkeit war, eine Finanzierung hinzubekommen (2,8 Mio Euro waren nötig). Irgendwann hat es funktioniert: Die Sparkasse Spree-Neiße hat schließlich einen Kredit zu Konditionen geboten, mit denen die Realisierung des Baus möglich wurde. Ein weiterer Finanzierungsbaustein wurde als Darlehen vom Verein zur Verwaltung von Sondervermögen der Mariengemeinde Berlin-Zehlendorf der SELK bereitgestellt. Und schließlich hat die Stadt Cottbus geholfen, indem sie die Sanierung des Altbaus gefördert hat, in dem Gemeinschaftsräume für das Mehrgenerationenwohnen entstanden sind.
Im Januar 2018 wurde der Grundstein gelegt. Im Juli war Richtfest. Entstanden sind zwei Gebäude, mit insgesamt 20 Wohnungen unterschiedlicher Größe. Zum 1. März 2019 konnten die ersten Mieterinnen und Mieter einziehen. Bis auf zwei kleine Ein-Raum-Wohnungen (eine davon ist eine rollstuhlgerechte Wohnung) sind alle Wohnungen vermietet.
Mit dem Einzug der ersten Bewohnerinnen und Bewohner begann für die 10-köpfige Kommission aus der Gemeinde, die für das Mehrgenerationenhaus zuständig ist, eine neue Aufgabenstellung. Jetzt geht es darum, das gemeinsame Wohnen Realität werden zu lassen. In regelmäßigen Mieterversammlungen werden Grundideen ausgetauscht. Wie kann Nachbarschaftshilfe organisiert werden? Wer hat welche Bedarfe? Wer kann was bieten? Wer möchte was mit wem zusammen machen? Wer lädt zu welcher gemeinsamen Aktivität ein. Angebote und Nachfragen werden auf dem schwarzen Brett veröffentlicht.
Die Namensfindung für das Haus war ein sehr eindeutiger Vorgang in der Gemeinde. Nachdem der Vorschlag, das Haus nach Marie Noack zu benennen, auf dem Tisch lag, gab es ausschließlich positive Zustimmung. Marie Noack war in den 1950er Jahren als Gemeindehelferin in den Ev. Kirchengemeinden in Willmersdorf, Döbbrick, Skadow, und Lakoma angestellt. Für sie war klar: Zur kirchlichen Jugendarbeit gehört wesentlich auch die Musik. Sie gab Klavier-, Flöten- und Trompetenunterricht; leitete zeitweilig den Posaunenchor und spielte die Orgel in der Kreuzkirche am Bonnaskenplatz.
Ihre Arbeit wurde staatlicherseits sehr genau beobachtet und argwöhnisch begleitet. Der Staat wollte erreichen, dass die Menschen, die mit jungen Leuten zu tun haben, diese auch im sozialistischen Sinne beeinflussen. Marie Noack wollte sich nicht vom Staat gängeln lassen und schlug einen neuen Weg ein. Sie machte eine Ausbildung als Krankenschwester, arbeitete zunächst als Lehrschwester im Naëmi-Wilke-Stift in Guben und später dann als Gemeindeschwester in Sielow, wo sie vielen noch heute in guter Erinnerung ist.
Ihr unbeugsamer Wille, sich nicht staatlich instrumentalisieren zu lassen und die von ihr betreuten Menschen eben nicht politisch zu beeinflussen, erzwang einen weiteren Berufswechsel. Bis zur Pensionierung arbeitete sie als Altenpflegerin im Wichernhaus in Cottbus.
Ihr herausragendes Merkmal war ihre Sachkenntnis in Naturheilkunde. Vielen Menschen konnte sie helfen, deren Erkrankungen die Schulmedizin nicht wirklich heilen konnte. Auch dafür sind ihr bis heute viele Menschen dankbar.
Im Ruhestand konzentrierte sich ihr Engagement wieder stärker auf ihre Kirchengemeinde. Immer wieder übernahm sie Vertretungsdienste als Katechetin, leitete den Seniorenkreis und hatte vor allem die liturgischen Traditionen und Gewohnheiten sehr genau vor Augen. Eigentlich gab es keine Fragen zum Gemeindeleben, die sie nicht beantworten konnte.
Die Kreuzkirchengemeinde ist Marie Noack unendlich dankbar für die zahlreichen Dienste, die sie übernommen hat.
Website: www.mgw-cottbus.de
München: neue Kirche
Weil der Platz in der bisherigen Kirche nicht mehr ausreichte, baute die Trinitatisgemeinde München der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche (SELK) ein neues Kirch- und Gemeindezentrum. Am Himmelfahrtstag, 30. Mai 2019, fand nun die Weihe dieses jüngsten Gotteshauses einer SELK-Gemeinde statt.Die neue Trinitatiskirche der Münchener SELK-Gemeinde steht genau an der Stelle, an der auch der Vorgängerbau gestanden hatte: zwischen Pfarrhaus (links) und dem Dorothea-Gäbelein-Gemeindehaus. Sie erhebt sich über rechteckigem Grundriss ca. 10x16 Meter. Dem Kirchenschiff ist ein Altarraum mit geradem Abschluss vorgelagert. Das Dach ist quer zur Längsachse doppelt gefaltet und sorgt für eine hervorragende Akustik. Es ist mit Dachfenstern Richtung Norden versehen, die eine blendfreie, natürliche Beleuchtung gewährleisten.
Das bedeutendste Kunstwerk der neuen Kirche der SELK in München ist das von Helmut Kästl geschaffene Bleiglas-Altarfenster. Es ist quer über dem Altar eingebaut und zeigt eine Darstellung der Dreieinigkeit in drei Einzelbildern: in der Mitte Gott der Vater, von dem in besonderer Weise die Schöpfung ausgesagt wird, links Gott der Sohn, der durch seinen Tod am Kreuz die Erlösung der Welt vollbracht hat, rechts Gott der Heilige Geist in Gestalt einer Taube, umgeben von sieben Flammen für die sieben Gaben des Heiligen Geistes.
Die Kirche wurde barrierefrei gebaut, verfügt über einen Gemeindesaal mit Küche und weiteren Funktionsräumen. Der Bau der neuen Kirche war notwendig geworden, nachdem die alte Kirche aus dem Jahr 1978 zu klein geworden war. Ermöglicht wurde das Bauvorhaben durch eine hohe Opferbereitschaft der Gemeinde und großzügige Spenden.
Die Bauzeit betrug nur 12 Monate. Die Bauarbeiten wurden pünktlich und ohne Unfälle abgeschlossen.Die Kirchweihe, zu der rund 200 Personen gekommen waren, um den Gottesdienst zu feiern, wurde durch SELK-Bischof Hans-Jörg Voigt D.D. (Hannover | Foto: Mitte) vorgenommen. Als Assistenten fungierten Superintendent Scott Morrison (Stuttgart | links) und Ortspfarrer Frank-Christian Schmitt (rechts).
Die Weihe war zugleich die Gelegenheit zur Erprobung des von der Liturgischen Kommission der SELK neu bearbeiteten Agendenformulars für die Weihe einer Kirche. Die Überarbeitung des Formulars war dringend nötig. Andererseits ist die Weihe einer neuen Kirche gegenwärtig ein eher seltenes Ereignis. Der Münchener Ortspfarrer Frank-Christian Schmitt ist zugleich Vorsitzender der Liturgischen Kommission der SELK.Im Anschluss an den Gottesdienst versammelten sich die mitwirkenden Liturgen mit einigen ökumenischen Gästen zum Erinnerungsfoto vor dem Portal der Kirche. Zu den Ehrengästen gehörte auch die Oberin der Maria-Ward-Schwestern, Schwester Beatrix Meißner CJ (fünfte von rechts), in deren Kirche der Heiligen Dreifaltigkeit in München-Nymphenburg die Trinitatisgemeinde der SELK während der Bauzeit für ein Jahr Gastrecht genoss und ihre Gottesdienste feiern durfte.
Zum Dankgottesdienst am Sonntag nach dem Fest der Kirchweihe konnte die Trinitatisgemeinde dann noch einmal Gäste aus der Ökumene begrüßen: für die Erzdiözese München-Freising Ordinariatsrätin Dr. Gabriele Rüttinger und für die Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen Bayern den Geschäftsführer Georgios Vlantis.
St. Johannes-Kapelle Limburg: bewegte Geschichte
Mit ihren fast 700 Jahren dürfte die St. Johannes-Kapelle in Limburg das älteste Gotteshaus einer Gemeinde der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche (SELK) sein. Jetzt wurde die Kapelle umfangreich renoviert und wieder in den Dienst genommen. Die Journalistin und Buchautorin Doris Michel-Schmidt, Kirchenvorsteherin der Gemeinde, berichtete darüber. Der Beitrag erscheint auch im SELK-Kirchenblatt „Lutherische Kirche“ (6/2019).
Mit einem Festakt und einem Gottesdienst feierte die Limburger St. Johannes-Gemeinde der SELK am 4. und 5. Mai 2019 den Abschluss der umfangreichen Renovierung ihrer denkmalgeschützten Kapelle. Mit ihren fast 700 Jahren dürfte die Kirche das älteste Gotteshaus innerhalb der SELK-Gemeinden sein.
Im Dankgottesdienst predigte der Bischof der SELK, Hans-Jörg Voigt, D.D. (Hannover). Er nahm an diesem „Hirtensonntag“ das Bild des Hirten und seiner Schafe auf und verglich die Kapelle mit einem Schafstall, in dem die Schafe sich sicher und beschützt fühlten – und auf die Stimme ihres Hirten hörten.
Die Kapelle, die idyllisch am Rande der Limburger Altstadt und an der Lahn gelegen ist, gehört wesentlich zum Stadtbild. Keine andere Limburger Kirche habe eine ähnlich bewegte Geschichte, sagte der Stadtarchivar Dr. Christoph Waldecker in einem Vortrag im Rahmen des Festaktes.
1322 bis 1324 wurde sie erbaut, als Klosterkapelle des Klosters Eberbach im Rheingau, das in Limburg eine Niederlassung betrieb. Daher stammt auch die Ortsbezeichnung „In der Erbach“. Nach dem „zisterziensischen Bauprogramm“ entstand ein schlichter Saalbau mit unverputzten Bruchsteinmauern, mit nur kleinen Lichtöffnungen.
Nach der Säkularisation der Klöster 1803 fiel das Kloster Eberbach – und damit auch die Limburger Niederlassung - an den Fürsten von Nassau-Usingen. Damit endete die Nutzung der Kapelle als Gotteshaus. Sie wurde nun zum Salzlager, der Dachboden zum Getreidespeicher, später war sie auch zeitweise Lager für Selterswasser. 1830 überließ die herzogliche Regierung die Kapelle der sich neu gründenden evangelischen (unierten) Gemeinde, ein Jahr später wurde sie als erste evangelische Kirche Limburgs eingeweiht. Die Zahl der Protestanten stieg in den folgenden Jahren allerdings so stark an, dass die Kapelle mit 80 Sitzplätzen bald zu klein war, obwohl vermutlich schon 1831 eine Holzempore eingebaut worden war.
Nachdem die Protestanten eine neue, größere Kirche in der Nähe des Bahnhofs gebaut hatten, erwarb 1867 die jüdische Gemeinde die Kapelle und nutzte sie als ihre Synagoge. Aber auch die jüdische Gemeinde wuchs in den nächsten Jahren und schaute sich daher nach einem größeren Grundstück um. Als sie 1903 eine neue Synagoge bauen konnte (die in der Reichsprogromnacht 1938 zerstört wurde), verkaufte sie die Kapelle „In der Erbach“ an den Fiskus. So kam es, dass die Kapelle im 20. Jahrhundert auch zum Aktenlager der im benachbarten ehemaligen Klostergebäude untergebrachten Behörden wurde.
Auf der Suche nach einem eigenen Gotteshaus
1948 schließlich wurde die Kapelle an die evangelisch-lutherische Gemeinde vermietet, die damals noch von Steeden aus von Pfr. Hermann Eikmeier pastoral versorgt wurde. Der damalige Limburger Vorsteher, Landwirt Karl Dielmann, suchte für die Gemeinde, die bis dahin im Dielmann‘schen Wohnzimmer ihre Gottesdienste feierte, eine Kirche. Durch den Zuzug vieler lutherischer Flüchtlinge nach dem Krieg waren die Privaträume zu klein geworden. Dielmann bekam den Tipp, die ehemalige Synagoge in der Erbach könnte doch dafür geeignet sein. Diese war allerdings zu der Zeit an den Katasteramtsdirektor vermietet, der sich zunächst weigerte, seinen „Lagerraum“ freizugeben. Die Gemeinde musste sich bereit erklären, die Kapelle auszuräumen, die voller Gerümpel war. Vorsteher Karl Dielmann berichtete 1978 anlässlich des 30jährigen Kirchweihfestes: „Die heutige Eingangstür war zugemauert. Der Zugang zur Kapelle war eine kleine Seitentür neben dem linken vorderen Ofen. Der unterirdische Gang, der hinüber zum ehemaligen Kloster führte, war offen. Innen im Kirchraum waren viele Säcke mit Kalk, Salpeter und Zement gelagert. Bretter, Latten und Steine waren so hoch getürmt, dass Pfarrer Eikmeier auf dem Unrat bis auf die Empore steigen konnte. Auf der Empore lagen neben alten Zeitungen, Lappen und Lumpen auch einige Säcke mit Menschenhaar, die von den Aktivitäten der Gestapo stammten, die seinerzeit im zweiten Stock des Katasteramtes eine Büroflucht in Besitz genommen hatte.“ Als die Kapelle ausgeräumt war, wurden erst die Schäden deutlich – die anschließende Renovierung und Instandsetzung dauerte fast ein Jahr.
Zum Reformationsfest 1948 konnte dann unter großer Beteiligung der Steedener „Mutter-Gemeinde“, Vertretern der Stadt und der Ökumene, die Kapelle eingeweiht werden. „Ich erinnere mich noch der Freude“, schreibt Karl Dielmann 1978, „die wir darüber empfanden, dass wir Lutheraner hier in der Stadt ein eigenes Gotteshaus hatten. Der Sonntag war wirklich der schönste Tag in der Woche. Es ging uns oft so, dass wir uns in der Stadt trafen und uns dann zuriefen: ‚Noch drei Tage!‘ Gemeint war die Zeit bis zum Sonntag.“
1958 folgte eine weitere Sanierung unter Federführung des Denkmalamtes, bei der unter anderem die ursprüngliche Raumfassung mit rot abgesetzten Bauteilen rekonstruiert wurde. 2002 schließlich konnte die Gemeinde, die 1952 selbständig geworden war, die Kapelle vom Land Hessen erwerben.
Erhalten heißt renovieren
Anfang 2018 stand die St. Johannes-Gemeinde wieder vor einer großen Renovierung ihrer Kapelle. Die alte Heizung funktionierte nicht mehr, und so entschied sich die Gemeinde, eine neue Heizung einzubauen und in diesem Zuge gleich auch weitere dringend notwendige Renovierungsarbeiten in Angriff zu nehmen. In Absprache mit dem Denkmalamt wurde die Kapelle und ihre Einrichtung komplett neu gestrichen, die Elektrik musste erneuert, das Dach des Turms neu gedeckt werden. Und, was für die Gemeinde besonders wichtig war: es konnte endlich eine Toilette eingebaut werden, für die aber erst mal die Wasser- und Abwasserleitungen gelegt werden mussten.
„Seit dem Bau 1322 musste immer wieder Zeit, Geld und Energie in die Erhaltung der Kapelle gesteckt werden, sagte der Stadtarchivar Dr. Waldecker am 4. Mai beim Festakt. „Die heutige Gemeinde steht damit in der Tradition ihrer Vor-Nutzer über die Jahrhunderte. Nur so kann das Erscheinungsbild, für das unsere Stadt berühmt ist, erhalten werden.“
Die Gemeinde dankte den an der Renovierung beteiligten Firmen und besonders dem Architekten für seine umfangreiche Unterstützung. Symbolisch wurde ihm dafür die Kapelle geschenkt – in Form eines detailgetreuen Modells.
Der Festakt wurde umrahmt von Beiträgen des Salonorchesters Zollhaus, in dem ein Sohn des damaligen Vorstehers Karl Dielmann mitspielt; durch das Programm führte der gemeindeleitende Pfr. Sebastian Anwand (Greifenstein/Allendorf). Im Anschluss daran wurde zu einem Empfang in das vor der Kapelle aufgebaute Zelt eingeladen.
Die Gemeinde freut sich, dass mit der Renovierung der Kapelle ein „Steinchen“ gelegt ist, damit in Zukunft nicht nur Gemeindeglieder, sondern auch Außenstehende den „Schafstall“ als Ort erleben können, an dem sie die Stimme des großen Hirten hören.
Leser-Umfrage zum Thema „Predigt“
Ergebnisse liegen vor
Für die Maiausgabe des Kirchenblattes „Lutherischen Kirche“ der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche (SELK) hatte sich die Redaktion vorgenommen, sich ausführlich mit dem Thema „Predigt“ zu beschäftigen. Bei den Vorbereitungen dafür kam die Redaktion zu der Überzeugung, dass ein solches Unterfangen nur dann komplett wäre, wenn auch die Predigthörer zu Wort kommen. Deshalb wurde in der Märzausgabe ein Fragebogen für eine anonyme Leserumfrage veröffentlicht. Bis zum 31.03.2019 konnten die Leser ihre Antworten einsenden.
Die Resonanz war überwältigend: 115 Rückmeldungen gab es! Dieses Engagement zeigt zwei wichtige Dinge auf: Zum einen liegt den Menschen in den Gemeinden das Thema Predigt am Herzen. Und zum anderen fühlen sich die Leser von „Lutherische Kirche“ angesprochen und mitgenommen. „Beides ist wunderbar“, erklärt Redaktionsmitglied Juliane Moghimi (Hannover), die für die Auswertung verantwortlich zeichnet: „Auch an dieser Stelle deshalb nochmals 1000 Dank an alle, die sich die Mühe gemacht und uns ihre Antworten zugeschickt haben.“
„Der Prediger hat keine theologische Vorlesung gehalten …“
Die Ergebnisse der großen Leser-Umfrage zum Thema Predigt
Die mit großem Abstand aktivste Gruppe waren die Senioren: 50 der 115 Teilnehmer sind über 70 Jahre alt. Auf dem zweiten Platz liegen die Leser zwischen 60 und 70 Jahren mit 26 Rückmeldungen.
Es haben etwas mehr Frauen als Männer teilgenommen: Das Verhältnis betrug 65 zu 50. Das trifft in etwa auch auf die einzelnen Altersklassen zu, nur bei den unter-30-Jährigen waren jeweils genau die Hälfte Männer und Frauen.
Gute Nachrichten für die Pastoren: Allen Teilnehmern ist die Predigt „eher wichtig“ oder „sehr wichtig“.
Auch was die Predigtlänge angeht, sind Sie sich im Großen und Ganzen einig: 15 bis 30 Minuten sind ideal. Knapp ein Drittel von Ihnen könnten aber auch mit einer Predigt von 15 Minuten oder weniger gut leben.
Hinweise für das eigene Leben bekommen – das ist Ihnen am allerwichtigsten in der Predigt. Mehr als ein Drittel haben dies angegeben. Ebenfalls von Bedeutung sind Bezüge zu aktuellem Geschehen und historische Erläuterungen. Diejenigen, die sonstige Wunschinhalte angegeben haben, nannten vor allem: Zuspruch und Trost erhalten, Freude und Gottes Liebe spüren.
Niemand ist perfekt. Bis auf einen einzigen Teilnehmer passiert es jedem mitunter, dass er während der Predigt nicht mehr zuhört – dem einen mehr, dem anderen weniger. Aber immerhin drei von fünf Predigthörern schweifen (eher selten) mit den Gedanken ab.
Und wenn es passiert, dann hängen Sie allermeistens eigenen Gedanken nach. Mitunter auch, weil etwas in der Predigt sie dorthin geführt hat. Etwas mehr als jeder Sechste findet allerdings zuweilen auch die Predigt einfach zu lang oder fühlt sich vom Thema nicht angesprochen.
Auch das wird die Pastoren freuen: Vier von fünf Predigthörern können sich noch an mindestens eine Predigt erinnern, die sie in ihrem Leben gehört haben. Das trifft übrigens auch auf diejenigen zu, die von sich sagen, dass sie eher oft nicht ganz bei der Sache sind. Die Gründe, die Sie uns genannt haben, sind vielfältig. Vor allem aber haben sich Predigten eingeprägt, die Sie in einer bestimmten Lebenssituation persönlich betroffen oder besonders angerührt haben. Auch Anschaulichkeit und die Qualität des Vortrags spielen eine große Rolle. Manchen ist in dieser für sie besonderen Predigt plötzlich etwas klar geworden, was sie vorher nicht verstanden hatten. Manchmal spielten besondere Gegenstände eine Rolle. Manche haben von Konfliktsituationen in der Kirche oder Gemeinde berichtet, die von der Kanzel aus behandelt wurden. Und schließlich erinnern sich einige von Ihnen an Predigten zu bestimmten Lebensanlässen wie die eigene Trauung, die Konfirmation oder die Beerdigung eines geliebten Menschen.
Gäste sind den meisten von Ihnen auch auf der Kanzel willkommen: Vier von fünf Teilnehmern haben uns zurückgemeldet, dass sie dem offen gegenüberstehen. Die größte Zustimmung gab es bei den unter-30-Jährigen, wo fast 90 Prozent vorbehaltslos Ja gesagt haben. Bei den 40- bis 50-Jährigen herrschte die größte Skepsis: Hier haben mehr als 60 Prozent angegeben, dass sie es eher nicht mögen, wenn nicht ihr eigener Pastor predigt.
Fazit: Die ideale Predigt …
… ist kürzer als 30 Minuten.
… gibt den Zuhörern etwas für ihr eigenes Leben/ihren Alltag mit.
… vermittelt historisches Wissen.
… stellt Bezüge zu aktuellem Geschehen her.
… holt, wenn möglich, die Menschen persönlich ab.
… wird anschaulich und rhetorisch geschickt vorgetragen.
… darf auch gern von einem Gast gehalten werden.
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Ostern 2019 in Sri Lanka
Gedanken von Dr. Johannes Otto
Dr. Johannes Otto (Wandlitz) arbeitet als Mitglied der Missionsleitung für die Lutherische Kirchenmission (Bleckmarer Mission) e.V. und ist Projektleiter für Sri Lanka. Die LKM unterstützte dort in den vergangenen Jahren mehrere Initiativen wie den Erwerb von Bibeln in tamilischer Sprache und anderer christlicher Literatur. Sie finanzierte den Kauf von Dächern nach einem tropischen Wirbelsturm und von Schuhen für arme Kinder. Zusammen mit Matthias Heger, einem Unterstützer des Sri Lanka-Projekts, besuchte Johannes Otto am Ostersonntag 2019, dem Tag, an dem durch islamistische Terroranschläge auf Kirchen und Hotels über 250 Menschen, zumeist Christen, ermordet wurden, einen lutherischen Ostergottesdienst.
Es ist Ostersonntag. Wir sind zu einem Regionalgottesdienst in Hatton zusammengekommen, um gemeinsam Gottesdienst zu feiern. Hatton liegt im Hochland Sri Lankas, ca. 1.200 m über dem Meeresspiegel, und wir möchten mit den lutherischen Tamilen der Ceylon Evangelical Lutheran Church (CELC) die Auferstehung Jesu feiern.
Uns europäischen Gästen kommt dieser Ostergottesdienst trotz der Freude über eine Taufe und über die Auferstehung Jesu doch recht unruhig vor. Bei unserem Grußwort nach dem Gottesdienst erfahren wir dann von den zunächst sechs Anschlägen auf Kirchen und Hotels. Die meisten davon haben in Colombo stattgefunden, der 125 km entfernt gelegenen Hauptstadt, aus der wir vor wenigen Tagen aufgebrochen sind. Es wird für uns schnell klar: Dieser Anschlag mit mehreren hundert Toten und Verletzten hat nicht nur die Christen der attackierten katholischen und freien Kirchengemeinden getroffen, sondern alle Christen im Land, in dem sie mit ca. 7% eine Minderheit darstellen. Wurde Hatton aufgrund buddhistischer Feierlichkeit in der Karwoche vor allem mit ohrenbetäubender Musik mittels Lautsprechern von morgens bis abends beschallt, so haben Anhänger des Islam mit den sechs Anschlägen, denen zwei weitere folgen werden, eine ganz andere Drohkulisse geschaffen. Innerhalb weniger Stunden verändert sich ein Land: Einführung der Sperrstunde ab Mittag, verstärkte Polizeikontrollen, Abschalten der sozialen Medien und vor allem die steigende Angst vor dem, was noch passieren kann.
Eine ganz andere, weitaus größere Sprengkraft als die der selbstmörderischen Islamisten, die dem „Islamischen Staat“ (IS) anhingen, aber hat die Auferstehung Jesu Christi gebracht, die den Tod vernichtet hat. Man darf es auch einmal in solch einer lähmenden Situation wie am Ostersonntag in Sri Lanka in aller Offenheit formulieren: Für einen Christen kann es eigentlich nichts Schöneres geben als aus dem Ostergottesdienst in die Herrlichkeit zu Gott gerufen zu werden!
Aber: Was ist mit den Hinterbliebenen, mit den traumatisierten Verletzten, mit den Helfern, die die weit verstreuten Körperteile der Opfer bergen? Welche Spätfolgen körperlicher und seelischer Art werden folgen? Wer einmal ein Opfer eines solchen Terroranschlags kennengelernt hat, kann nur erahnen, inwieweit selbst Überlebende danach noch zerbrechen können.
Die Gedanken gehen zurück zu Karfreitag. Im Hochland Sri Lankas hatten wir an einer Prozession einer anderen lutherischen Gemeinde teilgenommen. Obwohl wir des Tamilischen nicht mächtig sind, erkennen wir Paul Gerhardts „O Haupt voll Blut und Wunden“. Und in diesem alten Kirchenlied liegt dann doch der Trost für Opfer und Hinterbliebene der Terroranschläge:
„Wenn ich einmal soll scheiden, so scheide nicht von mir, wenn ich den Tod soll leiden, so tritt du dann herfür; wenn mir am allerbängsten wird um das Herze sein, so reiß mich aus den Ängsten kraft deiner Angst und Pein.“
Ein besseres Sterben gibt es nicht, eine größere Zuversicht besteht nicht – auch nicht für die Attentäter und ihre Gesinnungsgenossen.
Vom Segen der Beichte – Gottes Stimme ganz direkt
Bei der Beichte bekennen Menschen, dass sie schuldig geworden sind. Ihnen wird dann die Vergebung Gottes zugesprochen. Die Beichte findet in den evangelischen Kirchen als „Gemeinsame Beichte“ vor dem Sonntagsgottesdienst oder zu Beginn des Gottesdienstes statt. Vielen Menschen ist diese Praxis fremd geworden. Der Bischof der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche (SELK), Hans-Jörg Voigt (Hannover), hält das für falsch und setzt sich für eine Wiederentdeckung der Beichte ein.
Was wäre, wenn Gottes Stimme einmal so ganz direkt erschallen würde, laut, unüberhörbar und eindeutig als Gottes Stimme identifizierbar? Wie wäre das, wenn dies einmal ganz klar wäre, dass in der Kirche – ganz außergewöhnlich – Christus selbst spricht? Ich wäre ergriffen, würde auf meine Knie sinken, würde sofort andere hereinrufen: „Hört ihr das auch? Gott spricht heute hier direkt und ganz persönlich!“
Was wäre, wenn? Genau dies geschieht aber in der Beichte. Das Bekenntnis der lutherischen Kirche sagt über den Trost der Vergebung in der Beichte: „Denn es ist nicht die Stimme des vor uns stehenden Menschen oder sein Wort, sondern das Wort Gottes selbst, der hier die Sünde vergibt ... Gott fordert, dem Zuspruch der Vergebung nicht weniger zu glauben, als wenn Gottes Stimme selbst vom Himmel erschallt“ (Augsburger Bekenntnis, Artikel 25). Also: Es geht darum, dass Gottes Stimme sehr direkt erschallt, sozusagen durch das Megafon einer menschlichen Kehle.
Gemeinsame Beichte
Es ist Sonntagmorgen, die Gemeinde versammelt sich vor dem Gottesdienst zur „Gemeinsamen Beichte“. Ich lese die Einsetzungsworte der Beichte: „Unser Herr Jesus Christus spricht zu Petrus: Ich will dir die Schlüssel des Himmelreichs geben: Alles, was du auf Erden binden wirst, soll auch im Himmel gebunden sein, und alles, was du auf Erden lösen wirst, soll auch im Himmel gelöst sein“ (Matthäus 16,19). Und dann aus dem Johannesevangelium (20,22–23): „Zu seinen Jüngern spricht der Herr: Nehmt hin den Heiligen Geist! Welchen ihr die Sünden erlasst, denen sind sie erlassen; und welchen ihr sie behaltet, denen sind sie behalten.“
Nach einem Bußpsalm halte ich eine kurze Ansprache. Häufig versuche ich dabei, nicht nur an das Unrecht zu erinnern, das wir unseren Mitmenschen getan haben, sondern auch an die Schuld, die wir noch viel schwerer in den Blick bekommen: unsere elende Gottvergessenheit im Alltag und den Unglauben, der in uns immer wieder hochkommt. Das ist die Predigt des hohen Anspruches, den Gott zu Recht an unser Leben hat, das ist die Predigt des Gesetzes. Dem folgt dann eine ergreifende Stille, die von der Aufforderung getragen ist: „Lasst uns in der Stille vor Gott unsere Sünden bekennen.“
Und dann darf ich nach dem lauten gemeinsamen Beichtgebet etwas tun, das zu den wichtigsten Aufgaben eines Pfarrers überhaupt gehört: Ich spreche den Menschen, die nach vorn an die Altarstufen kommen, die Vergebung in Gottes Auftrag zu, indem ich ihnen die Hände einzeln auf den Kopf lege: „Dir sind deine Sünden vergeben!“ Das ist Evangelium pur.
Eine Brücke zur Einzelbeichte
Dieser Ablauf der „Gemeinsamen Beichte“ hat immer wieder auch die Funktion einer Brücke zur Einzelbeichte. Wenn Menschen mich besuchen, um mit mir über eine besondere Lebenssituation zu sprechen, in der sie schuldig geworden sind, dann kann ich anknüpfen an ein vertrautes Geschehen mit Worten wie: „Du hast jetzt über deine Ehesituation und deine Schuld mit mir gesprochen. Wenn du möchtest, kann ich dir die Vergebung Gottes zusprechen …“ Dann geschieht da Einzelbeichte, und immer wieder ist das ein wesentlicher Schritt, dass ein Mensch mit seinem Leben auch äußerlich wieder besser zurechtkommt.
Die Psychologie entdeckt Vergebung
Und sage niemand, dies würde unsere Zeitgenossen nicht mehr interessieren. Die deutschen Gerichte können sich vor Strafanzeigen kaum retten und kommen mit ihrer Arbeit gar nicht nach. Gerechtigkeit und Vergebung waren noch nie so nachgefragt wie heute, und Gott schenkt sie in der Beichte – gratis, um Christi willen, durch den Glauben. Vergebung ist ja das große Beziehungsthema unserer Tage. Man spricht von einer „Wiederentdeckung der Vergebung in der Psychologie“. Die Zeitschrift „Psychologie Heute“ widmete der Frage der Vergebung neulich ein ganzes Heft (9/2019) unter der Überschrift „Die Kraft des Verzeihens – Vergangene Kränkungen vergeben, befreit nach vorne schauen“. Die Vergebung Gottes ist ja geistlich gesehen die wichtigste Voraussetzung, auch dem Mitmenschen die Kränkung, die Verletzung endlich verzeihen zu können. Indem ich mich ganz existenziell von Gott geliebt weiß und seine Liebe mir auf den Kopf zugesprochen wurde, beginnt die Kraft in mir zu wachsen, anderen vergeben zu können.
Beichte: Ist das nicht katholisch?
Wenn irgendeiner diese Frage beantworten kann, ob Beichte nicht ein Markenzeichen der römisch-katholischen Kirche sei, dann doch Martin Luther (1483–1546), der sich mit der damaligen römisch-katholischen Theologie intensiv auseinandergesetzt hat. Originalton Luther: „Wenn tausend und abertausend Welten mein wären, so wollte ich alles lieber verlieren, als das geringste Stück der Beichte aus der Kirche kommen lassen … Denn die Vergebung in der Beichte spricht der Priester an Gottes statt und damit ist sie nichts anderes als Gottes Wort, damit er unser Herz tröstet“ (WA 30.III. Bd., S. 569). Man muss sogar sagen, dass die Reformation ihrem Wesen nach eine Reform der Buß- und Beichtpraxis der damaligen Kirche war. Luther räumt gerade mit den ganzen Missverständnissen der Beichtpraxis um das ausufernde Ablasswesen auf, um die Beichte wieder auf ihren Kern zurückzuführen. Ein anderes großes Bekenntnis der lutherischen Kirche, die „Konkordienformel“, formuliert deshalb so: „Wir glauben, lehren und bekennen, dass nach Art Heiliger Schrift das Wort ‚rechtfertigen‘ in diesem Artikel heiße ‚absolvieren‘, das ist, von Sünden ledig sprechen.“ Damit wird die Rechtfertigungslehre als geistliche Kernaussage der Reformation ganz auf die Beichte zugespitzt. Deshalb ist es eigentlich tragisch, dass die Beichte in den evangelischen Kirchen so sehr in Vergessenheit geraten ist.
Die Vorwegnahme des Jüngsten Gerichts
Wenn ich über die Beichtpraxis einen Vortrag halte, begegnet mir immer wieder einmal die Frage, was denn der Unterschied zwischen der „Absolution“, also dem Vergebungszuspruch in der Beichte, und der Vaterunser-Bitte „und vergib uns unsere Schuld“ ist. Man kann sich das so vorstellen: Immer wieder muss ich für kirchliche Gäste aus anderen Erdteilen Visa für einen Deutschlandbesuch mit einem Einladungsbrief auf den Weg bringen. Wenn ich dann in der Botschaft anrufe, bekomme ich die Auskunft: Ja, Ihr Brief ist eingegangen. Das Visum ist bewilligt. Aber erst wenn mein Freund das Visum sozusagen mit Stempel und Unterschrift des Botschafters in der Hand hält, hat er Gewissheit.
Gott hat versprochen, die Vergebungsbitte im Vaterunser zu erhören. Daran ist kein Zweifel. Aber der Zuspruch der Vergebung durch einen „Botschafter an Christi statt“ (2. Korinther 5,20) vermag, mir letzte Gewissheit zu geben. Es geht Jesus Christus um letzte Gewissheit, wenn er seinen Jüngern diesen Auftrag zur Sündenvergebung gibt. Der Vergebungszuspruch durch solch einen „Botschafter“ ist nicht weniger als die Vorwegnahme des Jüngsten Gerichts.
Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung der Evangelischen Nachrichtenagentur idea | www.idea.de
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